Fall Mollath - BGH verwirft Revision

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 09.12.2015

Mit seiner heute bekannt gemachten Entscheidung hat der 1. Senat des BGH die von Gustl Mollath gegen das Urteil des LG Regensburg vom 14. August 2014 eingelegte Revision verworfen, Pressemitteilung.

Die Entscheidung wurde sogleich mit Begründung im Wortlaut veröffentlicht.

Die Ausführlichkeit der Begründung und deren sofortige Veröffentlichung stehen im erstaunlichen Kontrast zur erstmaligen Revision des BGH im Fall Mollath, bei der ein außerordentlich fehlerhaftes und problematisches Urteil des LG Nürnberg-Fürth vom selben Senat einfach ohne nähere Begründung zur Rechtskraft „durchgewunken“ wurde. Immerhin scheint auch der BGH insofern aus dem Fall Mollath „gelernt“ zu haben. Zunächst nur ein kurzer Kommentar, den ich je nach Diskussionsverlauf möglicherweise in den nächsten Tagen ggf. noch ergänzen werde:

Wie ich schon zuvor verschiedentlich geäußert haben, war tatsächlich kaum damit zu rechnen, dass der BGH seine grundsätzliche Linie, der Tenor eines Urteils selbst müsse eine Beschwer enthalten, damit zulässig Revision eingelegt werden kann, gerade bei diesem Fall ändert. Dennoch gab es natürlich auch bei mir die leise Hoffnung, der BGH werde sich mit den sachlichen Einwänden gegen das Urteil, die auch ich noch hatte, auseinandersetzen.

Immerhin kann man den Beschluss angesichts der ausführlichen Begründung nun auch juristisch nachvollziehen, selbst wenn man ihm im Ergebnis nicht zustimmt. Es findet insbesondere auch eine Auseinandersetzung mit dem auch hier im Beck-Blog diskutierten vom EGMR entschiedenen Fall Cleve ./. Deutschland statt: Dort war der EGMR von der Tenorbeschwer abgewichen. Der BGH meint nun, das Urteil im Fall Mollath sei mit Cleve ./. Deutschland nicht vergleichbar, weil im Mollath-Urteil anders als im Cleve-Fall kein direkter Widerspruch zwischen Tenor und  Begründung festzustellen sei.

Enttäuscht bin ich vom letzten Satz der Begründung des Beschlusses, der konstatiert, die Revision sei ohnehin unbegründet gewesen. Dieser Satz ist völlig verzichtbar und gibt dem Leser Steine statt Brot.

Abgesehen von der  Kritik am Urteil des LG Regensburg möchte ich aber noch einmal darauf hinweisen: Der gesamte Fall in seiner Entwicklung und Dynamik ist ein aus Sicht des Dezember 2012 riesiger persönlicher Erfolg für Herrn Mollath und ist auch in seiner langfristigen Wirkung auf die (bayerische) Justiz und den Maßregelvollzug nicht zu unterschätzen.. Das sollte man – bei aller Enttäuschung über die heutige Entscheidung des BGH – nicht vergessen.

Update (14.12.2015): Eine eingehendere sehr kritische Analyse hat nun Oliver Garcia im delegibus-Blog veröffentlicht.

Update 3.3.2016: Die Kommentarspalte ist nach mehr als tausend Beiträgen geschlossen.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

1041 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

@ Prof. Müller, I.S.

Zur Beschwer: Meines Erachtens sollte es grds. eine die Rechtsmittelzulässigkeit begründende Beschwer darstellen, wenn im freisprechenden Urteil eine rechtswidrige Tat des Angeklagten festgestellt wurde. Während Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit nur aufbautechnische Kategorien desselben Unrechts sind, ist die Schuldfrage eine davon deutlich getrennte.

Wenngleich ich das Argument verstehe, daß erst mit Bestehen einer Rechtswidrigkeit ein UNrecht konstatiert wird, damit von der Schuldfrage getrennt ist und einer möglichen Beschwer damit theoretisch und formal näher liegt als bei einem Freispruch wegen Notwehr, stört mich doch das Fehlen der Subsumtion zur "Straftat", die Basis des Strafrechts überhaupt ist.

Bevor ich jedoch argumentiere, möchte ich Ihre Ansicht verstehen, die ja durchaus auch in der Literatur vertreten wird:

1) Welche Definition von "Beschwer" wenden Sie hier an?
Nach h.M. gilt: "in den rechtlich geschützen Interessen beeinträchtigt".

[Für Begriffshuber: Zitiert nach Jürgen Kuckein in: Gedächtnisschrift für Rolf Keller S. 138, Fn 11:

BGHSt 16, 374, 376; s. auch Sarstedt/Hamm, Die Revision in Strafsachen 6. Aufl. Rn. 56 (beschwert = in den rechtlich geschützten Interessen beeinträchtigt]; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg StPO 24. Aufl. § 296 Rn. 12 (*Beeinträchtigung in rechtlich geschützten Interessen*); Pfeiffer StPO 4. Aufl. Vor § 296 Rn. 3 [unmittelbar nachteiliger Eingriff in die Rechte oder geschützten Interessen des Rechtsmittelführers].]

2) Welches Rechtschutzinteresse legen Sie Ihrem Vorschlag konkret zugrunde, wie leiten Sie ihn rechtslogisch ab?

3) Wie grenzen Sie Ihren Vorschlag in Bezug auf dieses Rechtschutzinteresse von ggf. anderen betroffenen Fallgruppen ab?

 

 

5

@ Sponsel

 

Es gibt Schuldfähigkeit_psy/psypath?

Das wundert mich ein wenig. Könnten Sie in Vorlage gehen, und das definieren?

5

Ich schlage vor, Sie denken erst mal selbst ...

Gast schrieb:

@ Sponsel

Es gibt Schuldfähigkeit_psy/psypath?

Das wundert mich ein wenig. Könnten Sie in Vorlage gehen, und das definieren?

... und gehen damit selbst in "Vorlage".

@Gast

Ich weiß nicht, wie man dem noch widersprechen kann. Eine deutliche Trennung von Unrecht und Schuld kann man heute doch nicht mehr leugnen. Die Lehre vom Vorsatz als Schuldelement dürfte längst überholt sein. Das LG Regensburg prüft auch nicht den sogenannten natürlichen Vorsatz, der bei gefährlicher KV keinesfalls sich von selbst versteht, sondern prüft einfach Vorsatz und stört sich bei dieser Prüfung überhaupt nicht an der nicht ausschließbaren Möglichkeit, dass der Angeklagte gar nicht richtig wusste, was er tat. 

Die deutliche Trennung entnimmt man zudem u.a. auch den unterschiedlichen Folgen für Irrtum über normative und deskriptive Tatbestandsmerkmale. Ob Tatbestandsirrtum oder Verbotsirrtum, das ist doch nicht egal, auch nicht, ob es dann an Vorsatz mangelt oder an Schuld. 

Sogar bei dem angeblich alles heilenden Freispruch ist das nicht egal. Fehlen des Vorsatzes für eine vorsätzlich begehbare Rauschtat z.B. lässt die Strafbarkeit entfallen, auch nach § 323a StGB, nicht dagegen bei Fehlen der Schuld. Wären alle Freisprüche tatsächlich gleich und gäbe es tatsächlich keine graduellen Unterschiede, dann wäre auch der § 323a StGB entweder völlig überflüssig oder müsste bei Streichung der Rauschtat, also unabhängig von ihrer tatbestandsmäßigen Begehung anwendbar sein, bloß aufgrund des vorsätzlichen oder fahrlässigen Sich-Berauschens. 

@ Kolos

 

Vorsatz betrifft den subjektiven Tatbestand, nicht die Schuld.

Völlig andere Baustelle; was die Rauschtat betrifft, erst recht.

 

0

Gast schrieb:

@ Kolos

 

Vorsatz betrifft den subjektiven Tatbestand, nicht die Schuld.

 

@Gast

 

Ja, gut. Aber wie sehen Sie das mit der Störung der Fähigkeit zur freien Willensbildung, Vorsatz oder Schuld oder beides? Völlig andere Baustelle?

 

Reform der §§ 20, 21 StGB dringend erforderlich - nach Mollath erst recht

Hierzu ein m.E. interessanter Text aus juristischer Feder:

"III. Fazit mit Ausblick *

Somit schließt sich der Kreis zu meiner eingangs aufgestellten Behauptung, die Auslegung der Schuldfähigkeitsmerkmale verstoße gegen den Bestimmtheitsgrundsatz. Wir haben gesehen, dass normative Wertungen des Gerichts an die Stelle psychowissenschaftlicher Diagnosen treten. Krimi­nal­politische Zuschreibungen ersetzen psychowissenschaftliche Einordnungen. Möglich wird dies durch normative Schweregradbestimmungen seitens der [>112] Juristen und einen veralteten Ge­setzestext, dessen Begriffe eine weiter fortgeschrittene psychowissenschaftliche Praxis nicht mehr bedienen kann. Durch die Inkompatibilität wird es für die Gerichte leichter, jenseits der Diagnose passende Ergebnisse zu suchen (Schiemann 2013, 86).

    Was ist zu tun? So lange der Gesetzestext beibehalten wird, muss die Rechtsprechung psycho­diagnostische Bewertungen ernst nehmen und normative Zuschreibungen unterlassen. Angestrebt werden sollte allerdings eine Neufassung des Gesetzestextes. Auf die Merkmalsdif­feren­zierung muss meines Erachtens verzichtet und allein auf das Merkmal einer psychischen Störung abgestellt werden. Dieser Oberbegriff wird auch in den psychodiagnostischen Manualen verwendet und ist geeignet, prinzipiell alle Diagnosen hierunter subsumieren zu können. Interdisziplinärer Diskussionsbedarf ist sicherlich angezeigt, soweit es über die Diagnose hinaus um Schweregrad­be­stim­mungen oder die Frage nach der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Täters geht. Wir haben gesehen, dass die heutige Gerichtspraxis die Ebenen aufhebt. Um hier auch argumentative Klarheit zu erhalten, sollte auf eine Differenzierung verzichtet werden. Von psychowissenschaft­licher Seite wurde immer wieder hervorgehoben, dass empirische Aussagen auf der zweiten Ebene nicht möglich sind. Der Jurist wiederum legte und legt die Fähigkeiten allgemein und „normati­vierend“ fest, so dass sich die konkrete Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Täters zum Tatzeit­punkt verliert. Sehr schnell war und ist man hier in die Debatte um die Willensfreiheit abgeglitten, die meines Erachtens an dieser Stelle nicht geführt werden muss. Es geht im Rahmen des § 20 StGB nicht um die Frage nach dem AndersHandeln-Können. Vielmehr sollten Gericht und Sachverstän­dige in diesem Zusammenhang nur die Frage interessieren, ob die psychische Störung handlungs­leitend war und sozusagen als übermächtige Determinante den Täter in der Tatsituation hat handeln lassen, wie er eben gehandelt hat (Schiemann 2013, 87). Die Frage, ob Aussagen hierzu möglich sind, möchte ich gerne zur Diskussion stellen."

 

*Quelle:

Schiemann, Anja (2014) Unbestimmte Schuldfähigkeitsfeststellungen? Straf- und verfassungsrechtliche Probleme mit §§ 20, 21 StGB. In (101-113): Pollähne, Helmut  & Lange-Joest, Christa (2014, Hrsg.) Verbrechen, Rechtfertigungen, Wahnsysteme. Münster: Lit-Verlag.

Wer ist verantwortlich für die „nicht ausschließbare seelische Abartigkeit“? Das WA-Gericht oder der Gutachter? Das wohlbekannte Dilemma! Prof. Nedopil in der Rolle eines psychiatrischen Pontius Pilatus?

Einbruch der Wirklichkeit auf die positivistische Stellungnahme von Prof.Nedopil:

Nachdem Prof. Nedopil seine Stellungnahme dem WA-Gericht abgegeben hat, Gustl Mollath sein Schweigen beendet hat, konfrontiert G.M. Prof. Nedopil mit einer seine Hypothesen, dass G.M.nicht kompromißfähig gewesen wäre und dies auch an seinen häufigen Anwaltswechsel offensichtlich würde. Herr Dr. Strate entkräftigt diese These, indem er einbringt, dass er GM 1 ½ Jahre verteidigt hat und G.M. begründet überzeugend die Notwendigkeit der Anwaltswechsel.

Nachstehend der interessante Dialog vor dem LG: (vgl. Seite 31, 32 )

VRiinLG Escher: Das scheint den Herrn Mollath sehr zu bewegen mit dem häufigen Anwaltswechsel.Wenn man die rausnehmen würde aus Ihrer Einschätzung, ändert sich am Ergebnis was? …...

Prof. Nedopil: Ich sage mal folgendes: Was ich zu meinem großen Nachteil mal ineinem anderen Prozess gesagt habe, das ist das, was ich als Salamitaktik bezeichnet habe: ich denke das weg, dann noch das weg, dann ....Dann bleibt nichts mehr.

RA Dr. Strate: D a s i s t d e r P u n k t !

Prof. Nedopil: Wenn Sie aus einem Mosaik ein Stück nach dem anderen herausnehmen,dann bleibt halt keines mehr da. So ist es in allem, was wir tun – wir bauen aus Einzelbausteinen natürlich ein übergeordnetes Bild. Und man kann immer sagen: nehmen Sie das und das weg. Wenn das Gericht davon ausgeht, dass es keinen Anwaltswechsel gegeben hat, dann muss ich sagen, mangelnde Kompromissfähigkeit vielleicht ein falscher Begriff. An der Gutachtenseinschätzung der anderen Sachen ändert das nichts. Aber ich w e h r e mich gegen die Salamitaktik.........

RA Dr. Strate: Wer hat Salamitaktik gesagt?

K o m m e n t a r :

An diesem Dialog wird überdeutlich, dass Prof. Nedopil bezüglich seiner Hypothese einer Persönlichkeitsstörung bereits durch sein in die Verhandlung eingebrachte Bild mit der Salamitaktik befürchtet, dass sein ganzes Hypothesengebäude zusammenbrechen kann und nicht mehr aufrechtzuerhalten ist, wenn nur ein Baustein von diesem „Bild“ weggenommen wird......

Bereits durch das kritische Infragestellen mit einer Argumention, der ersten direkten Konfrontation mit dem Angeklagten glaubt sich Prof Nedopil „wehren“ zu müssen!

Sehr bezeichnend ist die anschließende Aussage der Vorsitzenden Richterin mit der sinngemäßen Aussage „Da kommen wir nicht weiter“ und damit Herrn Nedopil aus dieser leicht angreifbaren Position, offensichtlichen Schwäche und Peinlichkeit heraushilft.

Obwohl G. M.in diesem Punkt den Gutachter widerlegt hat, setzt er mögliche Fragen nicht fort und erklärt aus der überraschenden Situation sinngemäß, dass er sich in dieser Hinsicht schlecht verteidigen könne.Dies ist G.M. nachzusehen, da er auf die diffizile psychiatrische Problematik nicht vorbereitet war.In seiner Abschlusserklärung und auch im Plädoyer von Dr. Strate hätte die Notwendigkeit bestanden, auf die unhaltbaren weiteren Hypothesen dieser psychiatrischen Stellungnahme einzugehen.

Diese Begebenheit zeigt m.E. im Kleinen auf, was im Großen durch die Stellungnahme von Prof. Nedopil passiert ist. Die Stellungnahme von Prof. Nedopil besteht eingangs in einem Vortrag über das Bild einer Persönlichkeitsstörung, dann anschließend im Großen und Ganzen aus einer Summe von Feststellungen, die aus leicht widerlegbaren Hypothesen zusammengesetzt sind und die in das bereits im Kopf enthaltene Diagnosebild passt oder passend gemacht wird. Statt sich unvoreingenommen ein lebendiges, authentisches sich vom Menschen G.M. zu machen und ohne bereits eine Diagnose im Kopf zu haben. Eine Aneinanderreihung von Hypothesen stellen jedoch keinen ausreichenden Bezug zu der komplexen Realität eines Menschen dar, insbesondere nicht in einer fundamentalen Lebens- und Ehekrise o h n e E x p l o r a t i o n ! Die Notwendigkeit der Exploration betont Prof. N. Mehrmals.

Eine Aneinanderreihung von widerlegbaren Hypothesen reichen für eine überzeugende, wissenschafliche, psychiatrische Stellungnahme nicht aus ,auch wenn Prof. N. Durchaus auf die Ehekrise u.a. hinweist. Auf Hypothesen kann das WA-Gericht nicht die gerichtliche Feststellung einer nicht ausschließbaren seelischen Abartigkeit treffen. Die Ungewissenheit, eigentlich Nichtwissen über den Angeklagten drückt Prof. N. u.a. mit seinen Worte aus: „Wenn man das kurz zusammenfasst, was ich weiß, so ist das herzlich wenig, aber es ist immerhin so viel …....“

Dass, ohne G.M. explorieren zu können er kein verläßliches und verantwortungsvolle Stellungnahme abgeben kann,, gibt Prof. Nedopil in kurzen Worten mehrmals zu verstehen.

Auffallend, dass Prof. Nedopil durch die Vorsitzende Richterin nahezu bedrängt wird, eindeutigere Aussage über die Psyche von G:M.zu treffen.

Prof. Nedopil spricht wiederholt die Verantwortung dem WA-Gericht zu, wie dies auch der juristischen Aufgabenteilung und Kompetenz entspricht. Gleichwohl stellt sich die Frage: Prof. Nedopil, ein Gutachter in der Rolle und Funktion eines psychiatrischen Pontius Pilatus? Gegen diese Rolle wehrt sich Prof. Nedopil mit den anschließenden Worten:

„Ich hatte mal eine Schwurgerichtssache. Da habe ich erklärt: Ich bin kein Cola-Automat, wo Sie Münzen reinwerfen und dann kommt irgendwann die gewünschte Coladose raus.“

Das Gericht hat m.E. die psychiatrische Stellungnahme nicht ausreichend kritisch geprüft, war vermutlich dazu auch nicht in der Lage oder das Ergebnis ist möglicherweise der bereits vorgefassten Meinungsbildung des Gerichts und des Oberstaatsanwaltes entgegen gekommen.......Oder das Gericht hat aus der zweideutig vielschichtigen Stellungnahme das herausgelesen, was der vorgefassten Meinung über G.M. entsprach.

Die Verantwortung trägt -wie im Vergleich- gleichwohl sowohl Prof. Nedopil, als auch das WA-Gericht!

Auch in diesemWiederaufnahmeverfahren wird das Dilemma der intransparenten Verantwortlichkeit der Gutachter und der Gerichte überdeutlich und wurde nicht gelöst zur weiteren Beschwer von Herrn Gustl Mollath, der dadurch zu Unrecht wiederum pathologisiert wurde.

Die Nedopilsche Stellungnahme die rechte Achillessehne und die Unglaubwürdigkeit der Nebenklägerin die linke Achillessehne des fragwürdigen Urteils im Wiederaufnahmeverfahren im Fall Mollath.

5

Korrektur: "Denn der Wortschatz ist vom Rechtsquellengeber"

0

Sehr geehrter Herr Sponsel,

danke für Ihren hier eingebrachten kritischen Text zur Schuldfähigkeit und zur Reformdebatte betr. die §§ 20, 21 StGB. Die Debatte um die Kriterien des § 20 StGB und deren Anwendung erschöpft sich keineswegs  in diesem Text , sondern wird seit Jahrzehnten in der Rechtswissenschaft und Psychiatrie geführt. Was ich oben schon schrieb: Die Rechtswissenschaft streitet in extenso um Begriffe, um deren Klarheit/Unklarheit/Praktikabilität/Legitimation etc. Und es ist ja unbestreitbar, dass die Begriffe Schuldfähigkeit und die Kriterien in § 20 StGB problematisch sind.

 

 

Sehr geehrter Menschenrechtler,

danke ebenfalls für Ihre konkreten Hinweise  auf die psychiatrisch/juristische Würdigung im Fall G.M. Ich möchte noch einmal Bezug nehmen auf meinen Beitrag unmittelbar nach der Erstattung des "Gutachtens" in der Hauptverhandlung (Quelle Selbstzitat: http://blog.beck.de/2014/07/26/tag-dreizehn-prof-nedopils-psychiatrische...):

Dass es nach 13 Jahren ohnehin nicht möglich ist etwas zur Tatzeitpsyche des Angeklagten zu sagen, lässt er  merkwürdigerweise unerwähnt. Hätte er dies für erwähnenswert gehalten, wäre ihm vielleicht aufgefallen, dass auch einige frühere Gutachter diese Problematik (Blick in die damals  4 – 8 Jahre zurückliegende Vergangenheit) in ihren Erwägungen völlig übergangen haben. So als lasse sich eine aktuelle Beobachtung beliebig in die Vergangenheit extrapolieren. Tatsächlich haben sich vorherige Gutachter insofern allein auf die Angaben der Hauptbelastungszeugin verlassen, deren mögliches Motiv zur Falschbelastung sie (ebenso wie die Nürnberger Strafkammer im Urteil) ignorierten.

An anderer Stelle entlastet Nedopil  seine Kollegen direkt: Schließlich seien sie ja angewiesen auf die aktuell erhältlichen Informationen, man könne ihnen also nicht vorwerfen, dass sie die aufgrund neuerer  Informationen bessere Erkenntnis nicht damals schon gehabt hätten. Das ist eine richtige Feststellung, trifft aber erstens nicht auf alle Vorgutachter gleichermaßen zu (insbesondere nicht auf Pfäfflin) und zweitens hätte auch mangelnde Information nicht von der Pflicht befreit (insbesondere betr. Leipziger) den Zusammenhang zwischen diagnostizierter Störung bzw. Krankheit und den konkreten Taten darzustellen. Diese Kernanforderung der forensisch-psychiatrischen Begutachtung haben Leipziger, Kröber und Pfäfflin weitgehend missachtet. Etwas verhalten weist Nedopil, der sich gerade mit diesem Punkt Mühe gibt, darauf hin, dass er die Auffassung Kröbers nicht teile. Und er selbst unternimmt es jedenfalls, seine hypothetisch-diagnostischen Erwägungen auf die (angeblichen) Taten differenziert anzuwenden.

Das Bemühen um Wahrhaftigkeit und Fairness ist in Nedopils Stellungnahme erkennbar, ebenso wie die in Interviews zum Ausdruck kommende selbstkritische Distanz zu den Möglichkeiten der eigenen Profession. Dennoch verlässt er diesen Pfad an einigen wichtigen Stellen; zwei seien erwähnt:

Hinsichtlich der (subjektiven) Bewertung der Rolle Dr. Wörthmüllers durch Mollath, argumentiert Nedopil, es dürfte für „die meisten Menschen abwegig“ sein, einen Zusammenhang zwischen Nachbarschaft und geschäftlichen Verbindungen zu Geldverschieberkreisen zu begründen – ein Hinweis auf Wahn. Auf den Vorhalt, ausgerechnet der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft habe dies in seinem Wideraufnahmegesuch nicht als abwegig sondern als subjektiv nachvollziehbar beschrieben, reagiert Nedopil seinerseits  „nachhaltig“: Er bleibe bei seiner Auffassung. (Vgl. zur psychiatrischen Bewertung der Wörthmüller-Episode eingehend und lesenswert auch Sascha Pommrenke).

Für eine Rigidität des Angeklagten, die nur vorübergehend Kompromisse zulasse, zieht Nedopil auch die Mandatsniederlegung der Wahlverteidiger des Angeklagten heran. Dies erscheint wenig fair, da der Angeklagte die Verhandlungsöffentlichkeit dieser Situation nicht vermeiden konnte und Nedopil Mollaths  besonnene Reaktion auf diese Nachricht sowie die offenkundig nach wie vor funktionierende Kooperation mit seiner Verteidigung unbeachtet lässt: Hier drängt sich die Vermutung auf, dass Nedopil in seiner  Informationsmangelsituation ein Ereignis aus der Hauptverhandlung überinterpretiert, weil sie in das schon von ihm gefasste Schema (Kompromisslosigkeit Mollaths) passt. Generell ist es auch problematisch, wenn über den Umweg des psychiatrischen Gutachtens ungeprüfte Tatsachen Eingang in die Erörterung und Bewertung finden, wie etwa das angebliche Verhalten Mollaths gegenüber Mitpatienten oder seine Anwaltswechsel.

Wie ich oben schon sagte: Diese kritischen Punkte könne auch in der Urteilskritik angebracht werden. Jedoch ist nunmehr Rechtskraft eingetreten, so dass unsere Kritik im fall G.M. nicht mehr praktisch werden kann.

 

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

Bestimmtheitsgrundsatz und Schuldfähigkeit

Sehr geehrter Herr Prof. Müller,

vielleicht können Sie dazu noch ein paar klärende Worte sagen (danke)

MfG R. Sponsel

@all

Die Begriffs- und Abstraktionsdebatte führt wegen grundsätzlichem Fehlverständnis zu nichts. Abstraktion, Formalisierung und Modellierung sind nicht Zweck an sich, sondern wesentliche Hilfsmittel für das Durchdringen, die Systematisierung und Kontrolle u.a. von komplexen Regelsystemen. Das hat zunächst nichts mit direkter Anwendung zu tun. Es wird wohl niemand bestreiten, dass das Recht  ein Regelwerk (System) und eine Organisationsstruktur beinhaltet. Dafür ist es wissenschaftlich notwendig Begriffe, Grundregeln und Strukturmerkmale oberhalb der Bedeutungsebene zu erfassen, zu definieren und zu eruieren. Nur so lassen sich wertfrei Grundsätze zur Funktion und Willkürfreiheit bestimmen. Wie mit welchen Ungenauigkeiten und Überraschungen der Anwendungsebene grundsätzlich umgegangen werden kann, ist somit gerade auch Gegenstand einerPrüfung auf der formalen Ebene. Das bedeutet nicht, dass die formalen Regeln unmittelbar den Einzelfall entscheiden. Aber jede "neue Karte" kann mit dem Modell abgeglichen werden und umgekehrt. So prüfen sich Theorie und Praxis gegenseitig. Die formale Logik umfasst die einfache Logik auf der Bedeutungsebene, löst sich jedoch von deren Beschränkungen und unbewussten Denkfehlern.

Der angebliche Sonderstatus der Jurisprudenz kann doch nicht mit dem lapidaren Hinweis auf einen anderen Anwendungsbereich begründet werden. Zumal die Kenntnisse zu Mathematik, Informatik und wohl auch Psychologie über die Anwendungen Rechnen, Computernutzung und Verhaltensdiagnose nicht hinausgehen. 

3

Ihre Ausführungen machen mich neugierig auf mehr

Lutz Lippke schrieb:

@all

Die Begriffs- und Abstraktionsdebatte führt wegen grundsätzlichem Fehlverständnis zu nichts. Abstraktion, Formalisierung und Modellierung sind nicht Zweck an sich, sondern wesentliche Hilfsmittel für das Durchdringen, die Systematisierung und Kontrolle u.a. von komplexen Regelsystemen. Das hat zunächst nichts mit direkter Anwendung zu tun. Es wird wohl niemand bestreiten, dass das Recht  ein Regelwerk (System) und eine Organisationsstruktur beinhaltet. Dafür ist es wissenschaftlich notwendig Begriffe, Grundregeln und Strukturmerkmale oberhalb der Bedeutungsebene zu erfassen, zu definieren und zu eruieren. Nur so lassen sich wertfrei Grundsätze zur Funktion und Willkürfreiheit bestimmen. Wie mit welchen Ungenauigkeiten und Überraschungen der Anwendungsebene grundsätzlich umgegangen werden kann, ist somit gerade auch Gegenstand einerPrüfung auf der formalen Ebene. Das bedeutet nicht, dass die formalen Regeln unmittelbar den Einzelfall entscheiden. Aber jede "neue Karte" kann mit dem Modell abgeglichen werden und umgekehrt. So prüfen sich Theorie und Praxis gegenseitig. Die formale Logik umfasst die einfache Logik auf der Bedeutungsebene, löst sich jedoch von deren Beschränkungen und unbewussten Denkfehlern.

Der angebliche Sonderstatus der Jurisprudenz kann doch nicht mit dem lapidaren Hinweis auf einen anderen Anwendungsbereich begründet werden. Zumal die Kenntnisse zu Mathematik, Informatik und wohl auch Psychologie über die Anwendungen Rechnen, Computernutzung und Verhaltensdiagnose nicht hinausgehen. 

 

Sehr geehrter Herr Sponsel,

wenn ein Arzt für Psychiatrie "herzlich wenig weiß", dann wird er keine Diagnose ausschließen wollen, die er nicht widerlegen kann. Das dürfte mit seinem Berufsethos zusammenhängen, denke ich. Denn er will und darf damit nicht ausschließen, dass der Patient seine Hilfe benötigt. Das dürfte aus seinem Standpunkt doch verständlich sein. Ähnliche Überlegungen dürften einfach in der Diagnostik stecken und gelten somit auch für den Gutachter.

Das gilt jedoch nicht für Rechtsanwender oder das Gericht. Sie sind nicht Ärzte. Wenn sie sich das Nichtwissen des Arztes zu Eigen machen, dann heißt das für sie nicht, dass sie damit mit ihm einen Krankheitszustand nicht ausschließen können bzw. dürfen. Vereinfacht kann man sich dazu den Bearbeiter einer juristischen Klausur oder Hausarbeit denken, der "herzlich wenig weiß", ob A im Zustand der Schuldunfähigkeit handelte, weil der Sachverhalt ihm "herzlich wenig" Anhaltspunkte gibt. Es wäre ein grober Fehler, dann die "nicht auszuschließende" Störung zur Fähigkeit der freien Willensbildung in den Sachverhalt reinzulesen und Schuldfähigkeit zu problematisieren.

Anders als beim Arzt oder Gutachter gilt für den Rechtsanwender und das Gericht bei Nichtwissen die Vermutung der Schuldfähigkeit, die dem grundrechtlichen Menschenbild entspricht. Wenn sie aber das Nichtwissen des Arztes schlicht ignorieren und nur seine "nicht ausschließbare" Diagnose übernehmen und die dahinter steckenden Motive des Arztes außer Acht lassen, dann kommt das m.E. einer "Sachverhaltsverfälschung" in einer Klausur oder Hausarbeit sehr nah, wenn sie das auch unbewusst tun. Hier liegt m.E. das Hauptproblem. Es stellt sich die Frage, ob der Arzt und Gutachter über seine Motive für "Nichtausschließbarkeit" aufklären muss, oder sie dem Gericht bekannt sein sollten bzw. seiner Aufklärungspflicht unterliegen.

Aber das ist eigentlich nicht das Thema der Beschwer und der Zulässigkeit von Rechtsmitteln. 

Nicht ausschließbar verrückt ist selbst verrückt

WR Kolos schrieb:

Sehr geehrter Herr Sponsel,

wenn ein Arzt für Psychiatrie "herzlich wenig weiß", dann wird er keine Diagnose ausschließen wollen, die er nicht widerlegen kann. Das dürfte mit seinem Berufsethos zusammenhängen, denke ich. Denn er will und darf damit nicht ausschließen, dass der Patient seine Hilfe benötigt. Das dürfte aus seinem Standpunkt doch verständlich sein. Ähnliche Überlegungen dürften einfach in der Diagnostik stecken und gelten somit auch für den Gutachter.

Sehr geehrter Herr Kolos,

Ich werde mir darüber noch weitergehende Gedanken machen. Aber meine erste spontane Antwort ist: aus nicht ausschließen können darf nichts folgen, weil es zu vage und zu winzig ist. Für eine Diagnose und Behandlung brauche ich genügend vorliegende Merkmale. Man kann doch keinem Haldol spritzen, nur weil man nicht ausschließen kann, dass er eine Schizophrenie hat. Das ist ja hochgradig abwegig.

Dass aus nicht ausschließen können etwas folgen soll, scheint mir eine juristische Eigenart und ein Fehler.

In der § 21 StGB Umgebung ist es vermutlich eine Taktik der Verteidgung, den Maßregelvollzug zu vermeiden und ein milderes Strafmaß zu bekommen. Faktisch konstruiert man möglicherweise Verrückte. Wem nicht pisitiv klar nachgewiesen werden kann, dass er verrückt ist, der ist nicht verrückt und nicht möglicherweise verrückt nicht verrückt. Das ist doch Gaga.

WR Kolos schrieb:

Das gilt jedoch nicht für Rechtsanwender oder das Gericht. Sie sind nicht Ärzte. Wenn sie sich das Nichtwissen des Arztes zu Eigen machen, dann heißt das für sie nicht, dass sie damit mit ihm einen Krankheitszustand nicht ausschließen können bzw. dürfen. Vereinfacht kann man sich dazu den Bearbeiter einer juristischen Klausur oder Hausarbeit denken, der "herzlich wenig weiß", ob A im Zustand der Schuldunfähigkeit handelte, weil der Sachverhalt ihm "herzlich wenig" Anhaltspunkte gibt. Es wäre ein grober Fehler, dann die "nicht auszuschließende" Störung zur Fähigkeit der freien Willensbildung in den Sachverhalt reinzulesen und Schuldfähigkeit zu problematisieren.

Anders als beim Arzt oder Gutachter gilt für den Rechtsanwender und das Gericht bei Nichtwissen die Vermutung der Schuldfähigkeit, die dem grundrechtlichen Menschenbild entspricht. Wenn sie aber das Nichtwissen des Arztes schlicht ignorieren und nur seine "nicht ausschließbare" Diagnose übernehmen und die dahinter steckenden Motive des Arztes außer Acht lassen, dann kommt das m.E. einer "Sachverhaltsverfälschung" in einer Klausur oder Hausarbeit sehr nah, wenn sie das auch unbewusst tun. Hier liegt m.E. das Hauptproblem. Es stellt sich die Frage, ob der Arzt und Gutachter über seine Motive für "Nichtausschließbarkeit" aufklären muss, oder sie dem Gericht bekannt sein sollten bzw. seiner Aufklärungspflicht unterliegen.

Das habe ich nicht verstanden.

M.E. verdreht das Recht bei §§ 20,21 StGB i.d.p.r. Es ist eben nicht zu Gunsten des Angeklagten, ihm Freispruch zu bescheinigen, weil man nicht ausschließen_§ kann, dass er im geisteskranken Zustand gewalttätig wurde. Nach meinem Empfinden ist das perfide.  Was ist das überhaupt für eine Grundidee, einem Angeklagten ohne ihn aufzuklären und zu befragen, etwas als Gunst aufzudrücken, was dieser als extreme Ungunst erlebt? Ich erlebe so ein System als krank.

WR Kolos schrieb:

Aber das ist eigentlich nicht das Thema der Beschwer und der Zulässigkeit von Rechtsmitteln. 

Na ja, ich finde, dass hier viele unterschiedliche, aber m.E. dennoch wichtige Gesichtspunkte aus unterschiedlichen und interessanten Perspektiven eingebracht werden. Ich denke, ich lerne hier einiges und  werde vielfach angeregt. Das reicht mir. 

 

RSponsel schrieb:
Aber meine erste spontane Antwort ist: aus nicht ausschließen können darf nichts folgen, weil es zu vage und zu winzig ist. Für eine Diagnose und Behandlung brauche ich genügend vorliegende Merkmale. Man kann doch keinem Haldol spritzen, nur weil man nicht ausschließen kann, dass er eine Schizophrenie hat.

Deswegen folgt aus i.d.p.r auch das strafrechtliche Nichts: Keine Strafe und keine Maßregel.

5

Das gilt jedoch nicht für Rechtsanwender oder das Gericht. Sie sind nicht Ärzte. Wenn sie sich das Nichtwissen des Arztes zu Eigen machen, dann heißt das für sie nicht, dass sie damit mit ihm einen Krankheitszustand nicht ausschließen können bzw. dürfen. (...)
Anders als beim Arzt oder Gutachter gilt für den Rechtsanwender und das Gericht bei Nichtwissen die Vermutung der Schuldfähigkeit, die dem grundrechtlichen Menschenbild entspricht.

Doch, genau das MÜSSEN sie wegen "in dubio PRO reo":

Sie müssen im Zweifel eine SchuldUNfähigkeit annehmen, (nicht nur) Prof. Müller hat das hier mehrfach dargelegt, weil das zu einem für den Angeklagten positiven Ergebnis, nämlich Freispruch, führt.

 

Auch dies ist im Übrigen ein Hinweis darauf, daß eine "Beschwer" zunächst (von möglichen Grundrechtsverstößen abgesehen) nur im ERGEBNIS (Urteils-Tenor) zu suchen ist, so wie i.d.p.r. eben auch ergebnisorientiert zu wirken hat.

 

 

5

Gast schrieb:

Das gilt jedoch nicht für Rechtsanwender oder das Gericht. Sie sind nicht Ärzte. Wenn sie sich das Nichtwissen des Arztes zu Eigen machen, dann heißt das für sie nicht, dass sie damit mit ihm einen Krankheitszustand nicht ausschließen können bzw. dürfen. (...)
Anders als beim Arzt oder Gutachter gilt für den Rechtsanwender und das Gericht bei Nichtwissen die Vermutung der Schuldfähigkeit, die dem grundrechtlichen Menschenbild entspricht.

Doch, genau das MÜSSEN sie wegen "in dubio PRO reo":

Sie müssen im Zweifel eine SchuldUNfähigkeit annehmen, (nicht nur) Prof. Müller hat das hier mehrfach dargelegt, weil das zu einem für den Angeklagten positiven Ergebnis, nämlich Freispruch, führt.

 

Sie übergehen die Voraussetzungen für die Anwendung des Zweifelssatzes. Ich versuche das etwas deutlicher zu machen:

Die Ausführungen Professors Nedopil zu "Nichtauszuschließen" hatten rein diagnostische Bedeutung mit einer tendenziellen Schutzwirkung für die Vorgutachten. Im Raum standen zwei Diagnosen: Persönlichkeitsstörung und Wahnstörung. Diese Diagnosen seien als Annahmen, als bloße Hypothesen zu verstehen. Es gäbe Merkmale, die auf diese Hypothesen hätten passen, die Hypothesen hätten stützen können. Deswegen könne man sie nicht gänzlich ausschließen. Sie seien nicht abwegig. Ob sie zur Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit geführt haben, das könne man nach Ansicht Professor Nedopils "nicht beurteilen". Er könne es "nicht mit letzter Sicherheit ausschließen" (Mitschrift, S. 19: "das kann man rückblickend und ohne Exploration nicht wirklich beurteilen"). 

Was man also nicht beurteilen kann, das kann man aus Sicht des Gutachters auch nicht mit letzter Sicherheit ausschließen. So ist das zu verstehen. Auf den Punkt gebracht (Aus der Mitschrift der HV vom 25.07.2014, S. 18):

VRiinLG Escher: ... dass es jetzt hier heißt: dass ein Handeln aus wahnhafter Motivation heraus kaum angenommen werden kann. Bedeutet das, dass § 20/21 offen geblieben ist?

 

Prof. Nedopil: Ja. Also kaum – also nicht angenommen werden kann. Aus meiner Überzeugung: das Handeln hat so viel realen Hintergrund ...

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Hauptverhandlung-2014-07-...

 

Ergebnis des Gutachtens: § 20/21 "Also kaum" "offen geblieben ist", "also nicht angenommen werden kann".

Voraussetzung für Anwendung des Zweifelssatzes ist die non liquet Situation. § 20/21 hätte also faktisch offen sein müssen. War aus Sicht des Gutachters aber nicht. 

Auch Professor Müller hat Zweifel, ob die Voraussetzungen vorlagen, allerdings aus einem anderen Ansatz heraus und mit einer anderen Begründung, die aber auch Zustimmung verdient.

Sehr geehrter Herr Kolos,

Die Ausführungen in Ihrem nachstehenden Kommentar führen m.E. zu der zentralen Problematik! Deswegen möchte ich Ihre Antwort auf einen Kommentar von Gast und den weiteren entscheidenden Dialog zwischen den Richtern und Prof. Nedopil fortsetzend zitieren:

[/quote]

Sie übergehen die Voraussetzungen für die Anwendung des Zweifelssatzes. Ich versuche das etwas deutlicher zu machen:

Die Ausführungen Professors Nedopil zu "Nichtauszuschließen" hatten rein diagnostische Bedeutung mit einer tendenziellen Schutzwirkung für die Vorgutachten. Im Raum standen zwei Diagnosen: Persönlichkeitsstörung und Wahnstörung. Diese Diagnosen seien als Annahmen, als bloße Hypothesen zu verstehen. Es gäbe Merkmale, die auf diese Hypothesen hätten passen, die Hypothesen hätten stützen können. Deswegen könne man sie nicht gänzlich ausschließen. Sie seien nicht abwegig. Ob sie zur Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit geführt haben, das könne man nach Ansicht Professor Nedopils "nicht beurteilen". Er könne es "nicht mit letzter Sicherheit ausschließen" (Mitschrift, S. 19: "das kann man rückblickend und ohne Exploration nicht wirklich beurteilen"). 

Was man also nicht beurteilen kann, das kann man aus Sicht des Gutachters auch nicht mit letzter Sicherheit ausschließen. So ist das zu verstehen. Auf den Punkt gebracht (Aus der Mitschrift der HV vom 25.07.2014, S. 18

VRiinLG Escher: ... dass es jetzt hier heißt: dass ein Handeln aus wahnhafter Motivation heraus kaum angenommen werden kann. Bedeutet das, dass § 20/21 offen geblieben ist?

Prof. Nedopil: Ja. Also kaum – also nicht angenommen werden kann. Aus meiner Überzeugung: das Handeln hat so viel realen Hintergrund ...

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Hauptverhandlung-2014-07-25.pdf

Ergebnis des Gutachtens: § 20/21 "Also kaum" "offen geblieben ist", "also nicht angenommen werden kann".

Voraussetzung für Anwendung des Zweifelssatzes ist die non liquet Situation. § 20/21 hätte also faktisch offen sein müssen. War aus Sicht des Gutachters aber nicht. 

Auch Professor Müller hat Zweifel, ob die Voraussetzungen vorlagen, allerdings aus einem anderen Ansatz heraus und mit einer anderen Begründung, die aber auch Zustimmung verdient.

[/quote]

Sehr geehrter Herr Kolos,

Die Ausführungen in Ihrem o.a. Kommentar führen m.E. zu der zentralen Problematik! Deswegen möchte ich den weiteren entscheidenden Dialog zwischen den Richtern und Prof. Nedopil fortsetzend zitieren:

"RiinLG Koller: S. 109 zurück. Wenn Sie sagen, dass ein Handeln aus wahnhafter Motivation kaum anzunehmen ist – dann ist es Ihre Einschätzung aus Ihrer heutigen Sicht. D.h. aber nicht, dass eine Aufhebung der Steuerungsfähigkeit gleichwohl ausgeschlossen werde könnte?
Prof. Nedopil: Richtig. Es sind ja zwei Quantifizierungen, die in diesem Satz enthalten sind. Eine: wie weit geht die Beeinträchtigung und die zweite wie wahrscheinlich ist sie? Und die eine Quantifizierung, also wie weit geht die Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit, da würde ich sagen: das kann man rückblickend und ohne Exploration nicht wirklich beurteilen. Es könnte sein, dass sie auch aufgehoben wäre. Ich halte das für nicht wirklich wahrscheinlich, aber ich kann es auch nicht mit letzter Sicherheit ausschließen. Die Verminderung der Steuerungsfähigkeit ist aus unterschiedlichen Gründen eher wahrscheinlich, aber auch nicht sehr wahrscheinlich und zwar deswegen – will nicht sagen aus welchen Gründen, das würde es verkomplizieren - dass er damals in einer tatsächlichen Ehekrise war, dass es zu Auseinandersetzungen kam, dass es auch aus der affektiven Belastung zu einer Beeinträchtigung hätte kommen können, die nicht zur Aufhebung führt. Das ist wahrscheinlich– das ist aber auch nicht so, dass ich davon überzeugt bin, wie ich auch –das muss ich auch sagen – wie ich auch von der Diagnose des Wahnes auch nicht wirklich überzeugt bin.

Das habe ich, glaube ich, deutlich genug gesagt.

K o m m e n t a r :

Hat die Prof. Nedopil deutlich genug gesagt, in seinem Satz klingen Zweifel an, ob das Gericht seine Aussagen tatsächlich richtig verstanden hat. Diese Zweifel sind m.E.berechtigt!

Aus diesen zunächst verwirrenden, vielleicht auch ambivalenten Aussagen von Prof. Nedopil wird im Grunde genommen deutlich, dass er tatsächlich herzlich wenig weiß, wie er ja selbst vorher eingestanden hat. Wenn Prof.N. davon spricht, "das ist wahrscheinlich" und gleichzeitig eindeutig aussagt, dass er nicht davon überzeugt ist und die weitere Aussage trifft "wie ich auch von der Diagnose des Wahnes auch nicht wirklich überzeugt bin"  ist m.E. zu folgern, dass er als erfahrener forensischer Gutachter prinzipiell die k l a r e   Überzeugung hat, dass G.M. keinen Wahn hatte und auch nicht die Steuerfähigkeit aufgehoben war. Dies dürfte seiner Einsicht in die Realitäten des gesamten Falles Mollath und auch seiner Ethik, seinem berufsethischen Standpunkt und seinem Pflichtgefühl als Gutachter entsprechen, worauf Prof. Nedopil mehrmals Bezug genommen hat.  Entweder hatte  Prof. Nedopil diese Überzeugungen oder Zweifel. Alles Andere ist ein indifferentes Herumgeeiere. Ich halte und gehe von seiner Überzeugung aus und nicht von seiner scheinbaren K o n z e s s i o n an fernerliegende Zweifel, die ihm durch die Befragung der Richterinnen abgerungen wurden.

Insofern teile ich die Auffassung von Dr. Sponsel, der davon spricht, diese Schlussfolgerungen wären " G a g a ".

"Gast" führt aus, dass das Gericht sich für die Anwendung des Zweifelsatzes und somit für den § 20 StGB entschieden hat. Dem ist so. Es stellt sich nur die Frage, ob die sehr differenzierten Ausführungen von Prof. Nedopil die Anwendung des § 20 StGB tatsächlich rechtfertigen. Das WA-Gericht hätten  m.E. auch die Überzeugungen des Gutachters übernehmen können - dies aus einer Vielzahl von Gründen!- und es stellt sich die Frage, weshalb die Notwendigkeit bestand, G.M. in grotesker Weise retrospektiv 12 Jahre rückwirkend für unzurechnungsfähig zu erklären, obwohl das WA-Gericht diese komplexen, psychiatrischen Fragen letztendlich nicht verantwortlich beurteilen können. 

Sowohl Prof. Nedopil, als auch das Gericht hätten eindeutiger die Realität anerkennen können, dass diese Frage nach so langer Zeit auch aufgrund der mehr als fragwürdigen Gesamtumstände und der grundlegenden Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Ex-Frau nicht mehr beurteilt werden kann. Dies hätte dazugeführt, den § 20 StGB nicht anwenden zu können und zu der Notwendigkeit geführt, sich verantwortlicher  mit der Anklage der fragwürdigen Körperverletzung und nicht nur oberflächlich und einseitig mit der Unglaubwürdigkeit der Hauptbelastungszeugin beschäftigen zu müssen.

 

5

Sehr geehrter Herr Sponsel,

Sie schreiben:

Dass aus nicht ausschließen können etwas folgen soll, scheint mir eine juristische Eigenart und ein Fehler.

Nein, das ist nicht eine juristische Eigenart und ein Fehler, sondern die (menschenrechtlich gesicherte) Anwendung von i.d.p.r.

In der § 21 StGB Umgebung ist es vermutlich eine Taktik der Verteidgung, den Maßregelvollzug zu vermeiden und ein milderes Strafmaß zu bekommen.

Ja, das gilt aber noch mehr für § 20 StGB, da aus der Nichtausschließbarkeit der Schuldunfähigkeit ein Freispruch resultieren kann (also nicht nur mildere Strafe), eine Unterbringung aber ausgeschlossen bleibt (weil dort der Zweifelssatz umgekehrt gilt).

Faktisch konstruiert man möglicherweise Verrückte.

Faktisch konstruiert man nur, dass jemand zur Tatzeit (in diesem Fall: an einem Tag vor 14 Jahren) nicht ausschließbar schuldunfähig war. Dass so jemand (überhaupt oder für immer?) "verrückt" sei, ist vielleicht eine verbreitete Idee. Ich bin aber ehrlich erschüttert, dass Sie als jemand, der sonst jeden Begriff bis zum i-Tüpfelchen analysiert, diese Differenzierung nicht sehen wollen oder können, ja diese hier sogar bestätigen wollen, oder habe ich Sie falsch verstanden?

Wem nicht pisitiv klar nachgewiesen werden kann, dass er verrückt ist, der ist nicht verrückt und nicht möglicherweise verrückt nicht verrückt. Das ist doch Gaga.

Ja, das kann der Fall sein, weshalb ich in solchen Fällen zumindest die Überprüfung in der Revision befürworte. Aber es gilt eben auch: Wem nicht positiv nachgewiesen werden kann, dass er  eine rechtswidrige Tat auch schuldhaft begangen hat, der darf nicht bestraft werden. Hieraus entsteht die Problematik, über die wir seit Monaten diskutieren. Einfache Lösungen helfen hier kaum. Ihre Lösung wäre offenbar: Wie im angloamerikanischen Recht ist die Schuldunfähigkeit eine "defense", die vom Angeklagten vorgetragen werden muss, damit sie berücksichtigt wird. Wer sich darauf nicht beruft, wäre automatisch als schuldfähig anzusehen.  Das ist durchaus überlegenswert, momentan widerspricht es aber dem Untersuchungsgrundsatz des deutschen Strafprozesses.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

Henning Ernst Müller schrieb:
Ihre Lösung wäre offenbar: Wie im angloamerikanischen Recht ist die Schuldunfähigkeit eine "defense", die vom Angeklagten vorgetragen werden muss, damit sie berücksichtigt wird. Wer sich darauf nicht beruft, wäre automatisch als schuldfähig anzusehen.  Das ist durchaus überlegenswert, momentan widerspricht es aber dem Untersuchungsgrundsatz des deutschen Strafprozesses.

Ich halte das deutsche Prinzip für vorzugswürdig. Wenn wir am Reißbrett arbeiten: Der Angeklagte sollte eine Überprüfungsmöglichkeit in der Revision bekommen, abgesichert durch ein Verschlechterungsverbot. Das angloamerikanischen Prinzip führt nur dazu, dass schlechte Pflichtverteidiger ggf. aus praktischen Zwängen heraus die Berufung auf Schuldunfähigkeit scheuen. Das wäre ein klarer Schritt in die falsche Richtung.

5

Nicht ausschließbar_§ ein überflüssiger Rechtsbegriff

Henning Ernst Müller schrieb:

Sehr geehrter Herr Sponsel,

Sie schreiben:

Dass aus nicht ausschließen können etwas folgen soll, scheint mir eine juristische Eigenart und ein Fehler.

Nein, das ist nicht eine juristische Eigenart und ein Fehler, sondern die (menschenrechtlich gesicherte) Anwendung von i.d.p.r.

Natürlich ist es eine juristische Eigenart: wer sonst käme jemals auf die Idee, aus etwas Winzigem, bloß möglichen solche Rechtsfolgen zu knüpfen? Und es ist deshalb auch ein Rechtsbegriff, weil die Zuerkennung von nicht ausschließbar_§ Rechtsfolgen hat, wie Sie ja ausführen.

Henning Ernst Müller schrieb:

...

Sponsel schrieb:

Faktisch konstruiert man möglicherweise Verrückte.

Faktisch konstruiert man nur, dass jemand zur Tatzeit (in diesem Fall: an einem Tag vor 14 Jahren) nicht ausschließbar schuldunfähig war. Dass so jemand (überhaupt oder für immer?) "verrückt" sei, ist vielleicht eine verbreitete Idee. Ich bin aber ehrlich erschüttert, dass Sie als jemand, der sonst jeden Begriff bis zum i-Tüpfelchen analysiert, diese Differenzierung nicht sehen wollen oder können, ja diese hier sogar bestätigen wollen, oder habe ich Sie falsch verstanden?

Ja, und mich erschüttert, dass aus der bloßen, winzigen Möglichkeit, dass vor 14 Jahren eine Verrücktheit nicht ausgeschlossen werden kann, dies dazu führt, dass man Mollath eben diese winzige, theoretische Möglichkeit für 10 Jahre ins Zentralregister schreibt und dann noch scheinheilig meint, man habe ihm mit dem Freispruch wegen nicht ausschließbarer_§ Schuldunfähigkeit einen Gefallen getan. Es ist falsch, aus bloßer theoretischer Möglichkeit solche Folgerungen abzuleiten. Man wollte Mollath mit der nicht ausschleßbaren_§ Verrücktheit beschweren und gleichzeitig die berufsethisch und fachlichen verwerlichen Fehler der forensischen PsychiaterInnen relativieren und neutralisieren.

Sponsel schrieb:

Wem nicht positiv klar nachgewiesen werden kann, dass er verrückt ist, der ist nicht verrückt und nicht möglicherweise verrückt nicht verrückt. Das ist doch Gaga.

Henning Ernst Müller schrieb:

Ja, das kann der Fall sein, weshalb ich in solchen Fällen zumindest die Überprüfung in der Revision befürworte. Aber es gilt eben auch: Wem nicht positiv nachgewiesen werden kann, dass er  eine rechtswidrige Tat auch schuldhaft begangen hat, der darf nicht bestraft werden. Hieraus entsteht die Problematik, über die wir seit Monaten diskutieren. Einfache Lösungen helfen hier kaum. Ihre Lösung wäre offenbar: Wie im angloamerikanischen Recht ist die Schuldunfähigkeit eine "defense", die vom Angeklagten vorgetragen werden muss, damit sie berücksichtigt wird. Wer sich darauf nicht beruft, wäre automatisch als schuldfähig anzusehen.  Das ist durchaus überlegenswert, momentan widerspricht es aber dem Untersuchungsgrundsatz des deutschen Strafprozesses.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

Ich bleibe nicht nur bei Gaga sondern sage auch, hier wird mit Gaga Unrecht fabriziert.

mit bestem Gruß

Rudolf Sponsel

RSponsel schrieb:

Natürlich ist es eine juristische Eigenart: wer sonst käme jemals auf die Idee, aus etwas Winzigem, bloß möglichen solche Rechtsfolgen zu knüpfen?

Das hat das Parlament so festgelegt in einem Gesetz. Es ist schon ziemlich schief, dem parlamentarischen Gesetzgeber "juristische Eigenart" vorzuwerfen.

Die Schweinerei, die der BGH zu verantworten hat, ist dass er dem i.d.p.r. + § 20 StGB Verurteilten keine Beschwer zugesteht, die einen "besseren" Freispruch ermöglicht, der zu keinem Eintrag in das Bundeszentralregister führen würde.

Wenn Sie ein Problem damit haben, dass allgemein in i.d.p.r. + § 20 StGB Fällen ein Eintrag in das BZR erfolgt, müssen Sie sich mit der Legislative in Verbindung setzen und eine Änderung des Gesetzes fordern. Damit hat der BGH oder allgemein "die Juristen" nichts zu tun.

Es ist schon immer wieder interessant zu sehen wie "den Juristen" allgemeine Gesetzlosigkeit vorgeworfen wird, wenn aber etwas ganz genau im Gesetz vorgeschrieben ist, übergeht man das und meint es würde damit argumentiert, es würde dem Angeklagten "ein Gefallen" getan. Das ist schlicht falsch und das behauptet auch keiner.

Es kann mir aber keiner ernsthaft verkaufen eine strafrechtliche Verurteilung + ein so ziemlich jedem zugänglicher BZR Eintrag sei ungünstiger als oder gleich ungünstig wie Freispruch + ein BZR Eintrag, der auch noch nur einem sehr eingeschränkten Kreis zugänglich ist. Diese Logik ließe sich sogar mathematisch ausdrücken, ganz allgemeingültig und ohne die juristische "Schwammigkeit" oder was sonst noch so alles immer die Runde macht hier.

Ich kann mich Prof. Müller nur anschließen, wenn es um das i-Tüpfelchen geht.

5

RSponsel schrieb:

Und es ist deshalb auch ein Rechtsbegriff, weil die Zuerkennung von nicht ausschließbar_§ Rechtsfolgen hat, wie Sie ja ausführen.

Dann wäre wieder so ziemlich jedes Wort in einer Rechtsquelle Rechtsbegriff. Außerdem macht es keinen Sinn etwas als Rechtsbegriff zu titulieren, wenn es die Allgemeinbedeutung hat.l

0

Henning Ernst Müller schrieb:
Wie im angloamerikanischen Recht ist die Schuldunfähigkeit eine "defense", die vom Angeklagten vorgetragen werden muss, damit sie berücksichtigt wird. Wer sich darauf nicht beruft, wäre automatisch als schuldfähig anzusehen.  Das ist durchaus überlegenswert, momentan widerspricht es aber dem Untersuchungsgrundsatz des deutschen Strafprozesses.

Die Probleme der vorzutragenden Schuldunfähigkeit bestehen ja vor allem dann, wenn "seelische Abartigkeiten" bestehen, die der Täter sich nicht eingestehen will, geschweige denn vor Gericht ausbreiten will.

Die Abkehr vom Untersuchungsgrundsatz nimmt billigend in Kauf, dass solche Menschen dann im Gefängnis landen, anstatt dass ihnen geholfen wird.

 

 

Menschenrechtler schrieb:
Das Gericht verlangt von einem Sachverständigen eine hundertprozentige "Gewißheit", die es unter diesen Umständen bei dieser Problematik im vornherein nicht geben kann und deshalb illusorisch ist. Aus diesem lebensrealistischen Grund kann m.E. der Zweifelssatz im vornherein n i c h t   angewendet werden.

1. Das Gericht verlangt keine "hundertprozentige 'Gewissheit'". Der Sachverständige soll so genau er kann Auskunft geben. Wenn er etwas nicht weiss, dann kann er auf Basis seiner Erfahrung Vermutungen äußern und schildern, was er für wahrscheinlich hält.

2. Der Zweifelssatz kann rein denklogisch nur dann zum Tragen kommen, wenn eben KEINE "hundertprozentige 'Gewißheit'" gibt. Andernfalls gäbe es ja gar keinen Grund für Zweifel.

Ihre Lösung wäre offenbar: Wie im angloamerikanischen Recht ist die Schuldunfähigkeit eine "defense", die vom Angeklagten vorgetragen werden muss, damit sie berücksichtigt wird. Wer sich darauf nicht beruft, wäre automatisch als schuldfähig anzusehen.  Das ist durchaus überlegenswert, momentan widerspricht es aber dem Untersuchungsgrundsatz des deutschen Strafprozesses.

Exactly!
Das war meine Idee, aus meiner Sicht DAS Grundproblem, hier in der Diskussion zuletzt auch von Herrn Kolos gut entwickelt.

Früher in dieser Diskussion - ich kann es nicht mehr finden - wurde darauf hingewiesen, daß diese Problematik des deutschen Rechts auch von UNHRC kritisiert wurde, auch in dem Zusammenhang gab es einen guten Ansatz (Polhane?).

Wenn Dr. Sponsel oben darauf hinweist, daß eine Reform des § 20, 21 StGB dringend erforderlich ist, halte ich das für richtig, allerdings noch viel grundlegender als von ihm vermutlich gedacht, nämlich viel mehr wie von Ihnen, Prof. Müller, hier gesagt.

0

Viele dieser Grundsatzdiskussionen, auch um das "Ausschließen" oder die "Schuldfähigkeit" kranken m.E. daran, daß hier zu sehr antagonistisch gedacht wird.
Wer etwas nicht (völlig) ausschließen kann, der muß ja eine Möglichkeit einräumen, entscheidend aber ist doch die Wahrscheinlichkeit dieser Möglichkeit, und dann kommt die Mathematik mit ihren Zahlen ins Spiel.
Und so gibt es zwischen einer Schuldfähigkeit und einen Schuldunfähigkeit ja der verminderte Schuldfähigkeit, in Zahlen gibt es jeden Wert zwischen 100% schuldfähig und völlig schuldunfähig, das wäre dann 0 % schuldfähig.
Die sog. Grautöne oder Zwischenwerte sind kontinuierlich d.h. analog vorhanden zwischen den Eckwerten, oder zwischen Schwarz und Weiß.

@ G. Rudolphi

Wie immer man zur Tenorbeschwer steht, auf eine 'Mitverantwortung' des Angeklagten kann es nicht ankommen bei der Beurteilung einer Zulässigkeitsvoraussetzung.

5

@ Kolos

 

Das Gericht sah dies aber anders und begründete das auch.

Alleine darauf kommt es bei i.d.p.r. an.

Auch das wurde hier schon mehrfach erklärt.

4

Gast schrieb:

@ Kolos

 

Das Gericht sah dies aber anders und begründete das auch.

Alleine darauf kommt es bei i.d.p.r. an.

Auch das wurde hier schon mehrfach erklärt.

Genau darum geht es bei der Vermeidung einer formalen Logik, von bestimmbaren Begriffen und Regeln im Recht. Nämlich sich in jeder Lage auf eine andere Situation (neue Karte) oder Meinung zum Recht berufen zu können. Widersprüche werden so nicht auf Willkür überprüft, sondern nur als andere oder sogar gegensätzliche Ansicht verkauft. Aus einem Gemisch von Regel und Sachverhalt wird ein Gemisch von Rechtszitat und Homestory. Ein Freispruch ohne Homestory (Urteilsgründe) ist nicht vollstreckbar. Ansonsten würde der Freigesprochene seinen Freispruch als Joker gegen jeden Strafanspruch verwenden können. Aber bei der Beschwer zählt nur die Urteilsformel, weil nur diese für den Strafanspruch relevant ist. Die Urteilsformelbeschwer wird so zum Joker des Gerichts. Nun zählt die Homestory für den Strafanspruch nichts. Die Beispiele ließen sich wohl unendlich fortführen,z.B. Anwendung von "nicht ausschließbar" und i.d.p.r. in Beweisantragssachen, bei der Besorgnis der Befangenheit u.a.. Die Beliebigkeit und Willkür der Rechtspraxis lässt sich möglicherweise mit formaler Logik systematisch nachweisen. Daher das Unbestimmte und die Scheu vor Evaluation.

3

Gast schrieb:

@ Kolos

 

Das Gericht sah dies aber anders und begründete das auch.

Alleine darauf kommt es bei i.d.p.r. an.

Auch das wurde hier schon mehrfach erklärt.

 

Das Gericht begründete das keineswegs so, als hätte es anders gesehen als der Sachverständige. Vielmehr liest sich die Begründung so, als hätte sich das Gericht auf den Sachverständigen gestützt. Professor Nedopil wird sich wohl schwer gewundert haben, wie seine Ausführungen verstanden und im Urteil dargestellt wurden. 

Aber das ist ein allgemeines Problem, mitunter der sogenannten Verhandlungswidrigkeit. Also kein besonderes Problem des § 20 StGB und der Anwendung des Zweifelssatzes. Dies wäre auch dann in der Revision nicht überprüfbar, wenn sie auch zulässig wäre. Die Ausführungen des Sachverständigen werden für gewöhnlich aus dem Verhandlungsprotokoll nicht entnommen werden können und die Mitschriften der Verteidigung haben in der Revision keine Bedeutung.

Diesbezüglich ist der Kritikansatz von Professor Müller vor dem Hintergrund der gesteigerten Anforderungen an die Voraussetzungen für die Anwendung des Zweifelssatzes bei Schuldfähigkeit deutlich eleganter und griffiger. Das ist schon klar.

Es ging hier aber um die Frage - hoffentlich nur am Rande, ob die "Nichtausschließbarkeit" für das Vorliegen von Eingangsmerkmalen des § 20/21 von einem psychiatrischen Gutachter anders gemeint sein kann, als sie von dem Gericht verstanden und in die Entscheidungsfindung übernommen wird. Aus den Verhandlungsmitschriften und den o.a. Zitaten lässt sich entnehmen: Ja, kommt wohl vor. 

Der Sachverständige sagt: Ich kann es nicht ausschließen, weil ich es nicht beurteilen kann.

Und das Gericht schreibt daraufhin: Wir können es beurteilen, weil der Sachverständige es nicht ausschließen kann, und zwar in Anwendung des Zweifelssatzes.

Stellen Sie sich vor, der Sachverständige wäre gefragt worden, ob der Angeklagte in dem nicht auszuschließenden Zustand möglicherweise eine Notwehrlage (irrtümlich) habe annehmen können ("Ich habe mich nur gewehrt"). Der Sachverständige hätte dann darauf ähnlich geantwortet, dass er das nicht beurteilen und daher nicht ausschließen könne. Hätte der Zweifelssatz dann nicht schon bei der Rechtswidrigkeit angewendet werden müssen? Natürlich nicht. Genauso wenig wie bei Schuldfähigkeit. Eigentlich aber nicht "genauso wenig". Denn die Anforderungen sind bei Schuldfähigkeit höher als bei Rechtswidrigkeit. Die Hürde, die dabei zu nehmen ist, die ist bei Rechtswidrigkeit erheblich niedriger. 

Aufgrund der Diskussion und des Dialogs zwischen Prof. Nedopil und der Vorsitzenden Richterin kristallisiert sich m.E. die entscheidende Frage heraus, ob der § 2O StGB überhaupt rechtmäßig angewandt wurde. Reicht die psychiatrische Begründung der Stellungnahme von Prof. Nedopil den h o h e n   A n f o r d e r u n g e n bei der Schuldfähigkeit aus? Diese wichtige Diskussion wurde nicht vertieft.

Herr Kolos führt im nachstehenden Kommentar aus:

Der Sachverständige sagt: Ich kann es nicht ausschließen, weil ich es nicht beurteilen kann.

Und das Gericht schreibt daraufhin: Wir können es beurteilen, weil der Sachverständige es nicht ausschließen kann, und zwar in Anwendung des Zweifelssatzes.

 

Das Gericht begründete das keineswegs so, als hätte es anders gesehen als der Sachverständige. Vielmehr liest sich die Begründung so, als hätte sich das Gericht auf den Sachverständigen gestützt. Professor Nedopil wird sich wohl schwer gewundert haben, wie seine Ausführungen verstanden und im Urteil dargestellt wurden. 

Aber das ist ein allgemeines Problem, mitunter der sogenannten Verhandlungswidrigkeit. Also kein besonderes Problem des § 20 StGB und der Anwendung des Zweifelssatzes. Dies wäre auch dann in der Revision nicht überprüfbar, wenn sie auch zulässig wäre........

Es ging hier aber um die Frage - ......, ob die "Nichtausschließbarkeit" für das Vorliegen von Eingangsmerkmalen des § 20/21 von einem psychiatrischen Gutachter anders gemeint sein kann, als sie von dem Gericht verstanden und in die Entscheidungsfindung übernommen wird. Aus den Verhandlungsmitschriften und den o.a. Zitaten lässt sich entnehmen: Ja, kommt wohl vor. 

Der Sachverständige sagt: Ich kann es nicht ausschließen, weil ich es nicht beurteilen kann.

Und das Gericht schreibt daraufhin: Wir können es beurteilen, weil der Sachverständige es nicht ausschließen kann, und zwar in Anwendung des Zweifelssatzes. Denn die Anforderungen sind bei Schuldfähigkeit höher als bei Rechtswidrigkeit. Die Hürde, die dabei zu nehmen ist, die ist bei Rechtswidrigkeit erheblich niedriger. 

 

Die Ausführungen Professors Nedopil zu "Nichtauszuschließen" hatten rein diagnostische Bedeutung ….. Im Raum standen zwei Diagnosen: Persönlichkeitsstörung und Wahnstörung. Diese Diagnosen seien als Annahmen, als bloße Hypothesen zu verstehen. Es gäbe Merkmale, die auf diese Hypothesen hätten passen, die Hypothesen hätten stützen können. Deswegen könne man sie nicht gänzlich ausschließen. Sie seien nicht abwegig. Ob sie zur Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit geführt haben, das könne man nach Ansicht Professor Nedopils "nicht beurteilen". Er könne es "nicht mit letzter Sicherheit ausschließen" (Mitschrift, S. 19: "das kann man rückblickend und ohne Exploration nicht wirklich beurteilen"). 

Was man also nicht beurteilen kann, das kann man aus Sicht des Gutachters auch nicht mit letzter Sicherheit ausschließen. So ist das zu verstehen. Auf den Punkt gebracht (Aus der Mitschrift der HV vom 25.07.2014, S. 18

VRiinLG Escher: ... dass es jetzt hier heißt: dass ein Handeln aus wahnhafter Motivation heraus kaum angenommen werden kann. Bedeutet das, dass § 20/21 offen geblieben ist?

Prof. Nedopil: Ja. Also kaum – also nicht angenommen werden kann. Aus meiner Überzeugung: das Handeln hat so viel realen Hintergrund ...

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Hauptverhandlung-2014-07-25.pdf

Ergebnis des Gutachtens: § 20/21 "Also kaum" "offen geblieben ist", "also nicht angenommen werden kann".

Voraussetzung für Anwendung des Zweifelssatzes ist die non liquet Situation. § 20/21 hätte also faktisch offen sein müssen. War aus Sicht des Gutachters aber nicht. 

[/quote]

Fortsetzung des Protokolls:

"RiinLG Koller: S. 109 zurück. Wenn Sie sagen, dass ein Handeln aus wahnhafter Motivation kaum anzunehmen ist – dann ist es Ihre Einschätzung aus Ihrer heutigen Sicht. D.h. aber nicht, dass eine Aufhebung der Steuerungsfähigkeit gleichwohl ausgeschlossen werde könnte?
Prof. Nedopil: Richtig. Es sind ja zwei Quantifizierungen, die in diesem Satz enthalten sind. Eine: wie weit geht die Beeinträchtigung und die zweite wie wahrscheinlich ist sie? Und die eine Quantifizierung, also wie weit geht die Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit, da würde ich sagen: das kann man rückblickend und ohne Exploration nicht wirklich beurteilen. Es könnte sein, dass sie auch aufgehoben wäre. Ich halte das für nicht wirklich wahrscheinlich, aber ich kann es auch nicht mit letzter Sicherheit ausschließen. Die Verminderung der Steuerungsfähigkeit ist aus unterschiedlichen Gründen eher wahrscheinlich, aber auch nicht sehr wahrscheinlich und zwar deswegen – will nicht sagen aus welchen Gründen, das würde es verkomplizieren - dass er damals in einer tatsächlichen Ehekrise war, dass es zu Auseinandersetzungen kam, dass es auch aus der affektiven Belastung zu einer Beeinträchtigung hätte kommen können, die nicht zur Aufhebung führt. Das ist wahrscheinlich– das ist aber auch nicht so, dass ich davon überzeugt bin, wie ich auch –das muss ich auch sagen – wie ich auch von der Diagnose des Wahnes auch nicht wirklich überzeugt bin.

Das habe ich, glaube ich, deutlich genug gesagt.

 

Mein K o m m e n t a r # 29 vom 14.2.2016:

Hat dies Prof. Nedopil tatsächlich deutlich genug gesagt,? In seinem Satz klingen Zweifel an, ob das Gericht seine

Aussagen tatsächlich richtig verstanden hat. Diese Zweifel sind m.E. berechtigt!

Aus diesen zunächst verwirrenden, vielleicht auch ambivalenten Aussagen von Prof. Nedopil wird im Grunde genommen

deutlich, dass er tatsächlich herzlich wenig weiß, wie er ja selbst vorher eingestanden hat. Wenn Prof.N. davon spricht,

"das ist wahrscheinlich" und gleichzeitig eindeutig aussagt, dass er nicht davon überzeugt ist und die weitere Aussage

trifft "wie ich auch von der Diagnose des Wahnes auch nicht wirklich überzeugt bin"  ist m.E. zu folgern, dass er als

erfahrener forensischer Gutachter prinzipiell die k l a r e   Überzeugung hat, dass G.M. keinen Wahn hatte und auch

nicht die Steuerfähigkeit aufgehoben war. Dies dürfte seiner Einsicht in die Realitäten des gesamten Falles Mollath und

auch seiner Ethik, seinem berufsethischen Standpunkt und seinem Pflichtgefühl als Gutachter entsprechen, worauf

Prof. Nedopil mehrmals Bezug genommen hat.  Entweder hatte  Prof. Nedopil diese Überzeugungen oder Zweifel

. Alles Andere ist ein indifferentes Herumgeeiere. Ich halte und gehe von seiner Überzeugung aus und nicht von seiner

scheinbaren K o n z e s s i o n an fernerliegende Zweifel, die ihm m.E. situationsbedingt durch die Befragung der

Richterinnen abgerungen wurden.

 

Es stellt sich die g r u n d s ä t z l i c h e Frage, ob die sehr differenzierten Ausführungen von Prof. Nedopil

die Anwendung des § 20 StGB tatsächlich rechtfertigen. Das WA-Gericht hätten  m.E. auch die Überzeugungen des Gutachters übernehmen können und  dies aus einer Vielzahl von Gründen!

Wenn die Stellungnahme von Prof. Dr. Nedopil für die Anwendung des § 20 StGB nicht ausreichend war,

ergibt sich die weitere juristische Frage:

Ist es ein Rechtsfehler oder nur ein richterlicher " Ermessensfehler", wenn das LG die Aussagen des

Sachverständigen fehlinterpretiert und entgegen der psychiatrischen Stellungnahme die hohen

Anforderungen bei der Schuldunfähigkeit außer Acht lässt?

Nach meinem Dafürhalten müsste sich die Rechtssprechung aufgrund der unzureichenden Kenntnisse in

den komplexen psychiatrischen Fragen i.d.R. daran halten nicht beschwerender, belastender zu urteilen,

als ein Gutachten inhaltlich hergibt.
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

5

#25 ist von mir verantwortet
Ich bin derzeit nur eingeschränkt online. Ich werde aber demnächst versuchen, mit Quellen und einem konkreterem Beispiel das Problem aus meiner Sicht deutlich zu machen.

0

@ Lippke

Aus einem Gemisch von Regel und Sachverhalt wird ein Gemisch von Rechtszitat und Homestory. Ein Freispruch ohne Homestory (Urteilsgründe) ist nicht vollstreckbar. (...)
Die Beliebigkeit und Willkür der Rechtspraxis...

Sie können absolut sicher sein, daß ich mich an einer solchen "Diskussion" aus der Sicht Ihrer seltsam gemischten Kartenspiel-Homestory-Scheinlogik-Welt nicht beteiligen werde.

3

@ Gast #19

Das angloamerikanischen Prinzip führt nur dazu, dass schlechte Pflichtverteidiger ggf. aus praktischen Zwängen heraus die Berufung auf Schuldunfähigkeit scheuen. Das wäre ein klarer Schritt in die falsche Richtung.

Die Gründe für die wenig häufige Anwednung der "insanity defense" liegen nicht im von Prof. Müller skizzierten Prinzip, sondern der Praxis-Erfahrung aus Jury-Entscheidungen, die es in D so gar nicht gibt.

Zum anderen wäre es aus meiner Sicht ein klarer Schritt in die richtige Richtung, vermutlich sogar noch nicht einmal ausreichend, wenn man insbesondere die Forderungen des UNHRC dazu berücksichtigt, die ich hier als bekannt voraussetze.

0

Gast schrieb:

Die Gründe für die wenig häufige Anwednung der "insanity defense" liegen nicht im von Prof. Müller skizzierten Prinzip, sondern der Praxis-Erfahrung aus Jury-Entscheidungen, die es in D so gar nicht gibt.

Und Juries gibt es erfahrungsgemäß in D sehr wenige. Wer sich die defense wünscht, muss sie in das bestehende System von StPO und Praxis einfügen. Da würde es, m.E., zu dem dargestellten Problem kommen.

0

Sehr geehrter Herr Dr. Sponsel,

könnten Sie aufgrund Ihrer Qualifikation und Ihrer professionellen Erfahrung in der Aussagepsychologie ausführen, wie die Aussagen von Prof. Nedopil zu verstehen und zu interpretieren sind ? Es bestehen in zweifacher Hinsicht in Bezug auf die Schuldunfähigkeit rudimentäre Restzweifel: 1. ob eine Wahnerkrankung überhaupt vorgelegen haben kann und die Steuerungsfähigkeit aufgehoben sein könnte 2. und ob dies retrospektiv nach 12 Jahren überhaupt noch festgestellt werden kann. Nach meinem Dafürhalten hat dies zu der Überzeugung von Prof.Dr. Nedopil geführt, dass er darauf keine verantwortliche Antwort geben kann und deshalb der § 20 StGB o f f e n  ist.  Diese Formulierung "offen" kann ich nicht verläßlich nachvollziehen und bitte darauf einzugehen.

Das Gericht verlangt von einem Sachverständigen eine hundertprozentige "Gewißheit", die es unter diesen Umständen bei dieser Problematik im vornherein nicht geben kann und deshalb illusorisch ist. Aus diesem lebensrealistischen Grund kann m.E. der Zweifelssatz im vornherein n i c h t   angewendet werden.

4

Das Gericht verlangt von einem Sachverständigen eine hundertprozentige "Gewißheit"...

Unsinn.  Ein Gericht verlangt vom  Sachverständigen niemals eine hundertprozentige "Gewißheit" und kann mit Zweifeln professionell umgehen. Dem Urteil liegt zugrunde, "dass es möglich und nicht ganz fernliegend sei, dass beim Angeklagten eine schwere andere seelische Abartigkeit in Form einer wahnhaften Störung vorgelegen habe", vgl. Urteil, S. 69 ff.

Das wurde alles auch schon hundertemal dargelegt und diskutiert. Den Urteilskritikern wird es nicht gelingen, dem Urteil mit der altbekannten fundamentalistischen semper-aliquid-haeret-Methode am Zeug zu flicken, also zu hoffen, es werde schon etwas hängen bleiben, wenn man nur möglichst oft und möglichst unbeirrt immer wieder mit möglichst viel Dreck um sich wirft.

3

# Gast: Ist Ihnen nicht bewußt, dass Sie sich mit Ihren obenstehenden Worten selbst ins Abseits begeben und Sie zu erkennen geben, wie Sie zu der Meinungsfreiheit stehen. Ich bitte den Administrator zu überprüfen, ob der Kommentar

von "Gast" mit der gebotenen Sachlichkeit eines Rechtsblogs zu vereinbaren ist. Im Übrigen war das WA-Gericht auf eine verläßliche, nachvollziehbare, begründete Aussage, also umgangssprachlich ausgedrückt "Gewißheit" der psychiatrischen Stellungnahme angewiesen, dies gilt für die "Gewißheit" des Zweifels oder die "Gewißheit des Nichtzweifels".

 

3

Menschenrechtler schrieb:

[...] es kann nicht angehen, dass dem Justiz- und Psychiatrieopfer, Herr Gustl Mollath eine nennenswerte Verantwortung für dieses weitere Fehlurteil im WA-Verfahren und das daraus entstandende Rechtsproblem (Tenorbeschwer, Nichtzulässigkeit der Revision) zu geschoben wird.

Dies entspricht einer vermaledeiten "Täter-Opfer-Umkehrung", die vielfach und fatalerweise in unserer Gesellschaft passiert und durch die Opfer nochmals diskriminiert und verhöhnt werden. Dabei nehme ich Bezug auf die skandalöse Verdächtigung der Familienangehörigen bei den NSU-Morden!

Die positivistische Fehlbegutachtung durch Prof. Nedopil und das Urteil im WA-Verfahren basiert auf einer fehlenden nicht selbstkritischen Einsicht, Sichnichteingestehenwollen und dem daraus folgendem R e c h t b e h a l t e n w o l l e n  und einem starren Anspruch, volktümlich ausgedrückt, einer  Rechthaberei ! Davor ist auch die Justiz und ein hochkarätiger Gutachter nicht gefeit. Dazu folgt bald die Begründung für diese Aussage!


Hierzu möchte ich jetzt doch noch anmerken, all diese gerade erhobenen Vorwürfe sind auch einmal selber auf das eigene Verhalten anzuwenden, verehrter Kommentator "Menschenrechtler".

Eine "Täter-Opfer-Umkehrung" hierbei ist ein absurder Vorwurf, diesen Schuh kann ich mir auch nicht anziehen, der ist viel zu unpassend.
Mir geht es nämlich um eine (zugegeben und auch so bereits bemerkte) retrospektive (!) "Manöverkritik" oder "Supervision", suchen Sie sich den geeigneteren Begriff bitte selber aus. Der Fall Mollath ist ja weder ein absoluter Ausnahmefall, noch der Regelfall, er zeigt aber sehr deutlich, wie schnell ein Mensch in die Mühlen von Justiz und Psychiatrie geraten kann.
Da muß es doch auch gestattet sein, über eine bestmögliche Strategie (und Taktiken) eines davon Betroffenen nachzudenken, wozu aber auch das Nachdenken über mögliche Fehler von Herrn Mollath dabei gehört.
Denn daraus können andere Betroffene ja noch lernen, denen vielleicht Ähnliches noch widerfährt oder bereits schon widerfahren ist.
Auch ein Strafverteidiger ist nach dem zweiten Staatsexamen und ersten Prozeßerfahrungen doch noch kein absoluter Meister in seinem Fach.
Und da meine ich, Gustl Mollath hätte ruhig mal auf einen solchen etwas mehr hören können, aber er wollte das ja auch nicht.

Die Schwachstelle bei einer Exploration für den Probanden / Betroffenen ist in der Regel die Nichtöffentlichkeit, das Fehlen neutraler Zeugen dabei und eine komplette Videoaufzeichnung, damit die Exploration auch später für das Gericht und die Öffentlichkeit nachvollziehbar ist. Außerdem gilt immer: Wer fragt, der führt!
Das muß der Proband / Betroffene aber wissen und seine eigene Strategie und seine eigenen Taktiken darauf ausrichten. Sonst gibt er das Heft des Handelns eben völlig aus seiner eigenen Hand. Wie man das Heft des Handelns aber als Proband / Betroffener auch in einer Exploration behält, das ist eben die wahre Kunst dabei, diese Chance hätte G.M. gehabt und er hat sie m.E. leider nicht genützt.

Wie Herr Sponsel soeben ausführte, suggerierte der Gutachter Nedopil  eine Störung (positiv), weil er das Nichtvorhandensein einer Störung (negativ) selbstverständlich auch nicht völlig ausschließen konnte.

Das wesentliche Kriterium wären aber doch die Wahrscheinlichkeiten dabei, die aber auch genau zu beziffern wären nach streng wissenschaftlichen Gesichtspunkten.

Damit hatte der Psychiater Nedopil m.E. einen altbekannten rhetorischen Trick angewendet, der eigentlich unredlich, unwürdig und m.E. auch verwerflich ist.

Siehe aber auch andere Bereiche der öffentlichen Debatten, wo Restrisiken, Wahrscheinlichkeiten und das Nichtauschließenkönnen von Störungen eine wichtige Rolle spielen.

Sehr geehrter Herr Rudolphi, danke für die Klärung in Ihrem Kommentar # 39, dem ich zustimme. Mit der "Täter- und Opferumkehrung" habe ich nicht Sie gemeint, sondern mich gegen die Tendenz im Fall Mollath gewandt, dass G.M. maßgeblich selbst das WA-Urteil zu vertreten hat.

0

Menschenrechtler schrieb:

Mit der "Täter- und Opferumkehrung" habe ich nicht Sie gemeint, sondern mich gegen die Tendenz im Fall Mollath gewandt, dass G.M. maßgeblich selbst das WA-Urteil zu vertreten hat.

Das Urteil hat selbstverständlich einzig und alleine und auschließlich das Gericht zu vertreten und vertritt es auch mit berechtigt gutem Gewissen. Selbst zuzuschreiben hat sich Mollath allerdings, dass er verminte Angaben zur Sache gemacht hat, die Einfluss auf die Überzeugungsbildung des Gerichts gehabt haben, was sich rechtsstaatlicherweise auch so gehört, andernfalls man das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ja gleich abschaffen könnte. Jeder ist selbst seines (Un-) Glückes Schmied.

3

Die Entscheidung iS Mollath würde übrigens bereits nach fünf Jahren nicht mehr im Führungszeugnis für Behörden auftauchen, § 32 Abs. 3 Nr. 3 BZRG.

Zur Erinnerung: In einem regulären Führungszeugnis würde die Entscheidung gar nicht erst auftauchen, § 32 Abs. 2 Nr. 11 BZRG.

5

@ I.S.

Die Probleme der vorzutragenden Schuldunfähigkeit bestehen ja vor allem dann, wenn "seelische Abartigkeiten" bestehen, die der Täter sich nicht eingestehen will, geschweige denn vor Gericht ausbreiten will.

Die Abkehr vom Untersuchungsgrundsatz nimmt billigend in Kauf, dass solche Menschen dann im Gefängnis landen, anstatt dass ihnen geholfen wird.

 

Sie meinen mit "geholfen wird" den § 63 StGB?

Diese Zwangs"hilfen" der Art wie Mollath sie erlebte??

Genau dieses Problem entsteht doch schon durch den Untersuchungsgrundsatz und § 20, das IST doch das Problem!

 

 

 

 

2

Gast schrieb:

@ I.S.

Die Probleme der vorzutragenden Schuldunfähigkeit bestehen ja vor allem dann, wenn "seelische Abartigkeiten" bestehen, die der Täter sich nicht eingestehen will, geschweige denn vor Gericht ausbreiten will.

Die Abkehr vom Untersuchungsgrundsatz nimmt billigend in Kauf, dass solche Menschen dann im Gefängnis landen, anstatt dass ihnen geholfen wird.

 

Sie meinen mit "geholfen wird" den § 63 StGB?

Natürlich nicht. §63 hat strenge Anforderungen und ich halte bei weitem nicht jeden, der schuldunfähig ist, deshalb für so gefährlich, dass §63 notwendig ist. Therapien sind, je nach Schwere der psychischen Probleme, auch anders möglich - ohne die Leute aus ihrem normalen Leben zu reissen. Das wird in vielen Fällen sogar vielversprechender sein.

Gefängnis halte ich in jedem Fall für eine sehr schlechte Wahl, da wird dem Täter garantiert nicht geholfen.

 

 

Gast schrieb:
Wir haben hier schon zwei mögliche Folgen, beide am "Fall Mollath", beide auf Basis des § 20 StGB, die belegen, daß der intendierte Schutzzweck so nicht greift - nämlich dann, wenn der Angeklagte gar nicht "geschützt" werden will, was sein MENSCHENRECHT ist, auf "Schutz" zu verzichten!:

1. Wegsperren nach § 63 und damit einhergehender Umkehr der Beweislast der Gefährlichkeit

2. Keine Revisionsmöglichkeit bezüglich der (angeblich) zu Grunde liegenden Tat nach Freispruch wg. § 20

Zwei Folgen, die sich gegenseitig ausschließen, denn wenn Wegsperren angeordnet ist, sind Rechtsmittel möglich.

 

Für die Anwendung des §63 muss festgestellt werden, dass der Täter schuldunfähig ist und "weitere erhebliche rechtswidrige Taten" von ihm zu erwarten sind. Das ist schon eine deutliche Hürde. Das hiermit verbundene Problem sehe ich aber nicht im Bereich der Gesetze. Einerseits müssten die Gerichte diese Hürden entsprechend anwenden, und dürfen nur dann die Unterbringung anordnen, wenn diese auch notwendig ist. Andererseits muss die unterbringende Einrichtung vernünftig arbeiten und Behandlungen anbieten, anstatt die Leute nur mit Medikamentencocktails ruhigzustellen. Entsprechende Probleme aus dem Fall GM wurden schon im ersten Thread zu dem Thema breit diskutiert.

Dabei sollte man natürlich nicht das Problem vergessen, was die Gesellschaft bei solchen Einrichtungen hat: Weder will man hinnehmen, dass jemand länger in Behandlung bleibt als notwendig, noch will man riskieren, dass jemand zu früh freikommt und dann erneut Taten begeht.

 

Sie gehen davon aus, dass es sein Menschenrecht ist, auf Schutz zu verzichten. Wir reden hier aber ausdrücklich von Personen, die eventuell nicht genau wissen, was sie tun. Andernfalls wäre §20 und vor allem §63 gar nicht in der Diskussion. (Und üblicherweise geht es auch nicht um über 10 Jahre alte Fälle, so dass die Möglichkeit nicht so fernliegend ist, dass sich der geistige Zustand zum Zeitpunkt der Entscheidung noch einigermaßen mit dem zum Zeitpunkt der Tatbegehung übereinstimmt.)

Wenn man da was ändern will, dann muss man bitte auch mal klarmachen: Wo will man die Grenze ziehen, ob/wann man diese Leute auch vor sich selber schützen muss? Oder schickt man jeden Täter, der sich selber für schuldfähig hält, ins Gefängnis, auch wenn man sich sehr sicher ist, dass er eigentlich andere Hilfe bräuchte?

Halte ich nicht für die menschenwüdigere Lösung.

 

Nur weil GM hier aus einer privilegierten Situation (sichere Straffreiheit) aus agieren konnte, ist das für mich kein Grund, ihn im Rahmen einer Lex GM anders zu behandeln, als das mit einem Täter geschehen würde, der dies Privileg nicht hat. Es spricht für mich nichts dagegen, jedem einen Rechtsweg außerhalb der Tenorbeschwer zu eröffnen (zum Beispiel wegen der festgestellten rechtswidrigen Tatbegehung). Es spricht aber meiner Meinung nach einiges dagegen, die Schuldfähigkeit durch den Täter vorgeben zu lassen, weil die Gefahr zu groß wäre, dass dadurch jemand im Knast landet, der da wegen seines geistigen Zustands nichts zu suchen hat.

 

 

Gast schrieb:

Das würde mich aber nun doch brennend interessieren nach allen bisherigen Ausführungen, wie ein Gericht eine angenommene (wissenschaftlich) unentscheidbare Frage (hier Frage nach der Schuldfähigkeit) explizit durch die §§ 20,21, oder dann auch implizit ohne diese §§, entscheided.

Vorschläge dazu?

Das kommt drauf an, an welcher Stelle die unentscheidbare Frage steht.

Arzt: Ist nicht nachvollziehbar, welche Folgen eine Körperverletzung genau hatte, kommt die gefährliche KV nicht in Betracht, sondern nur die einfache.

Psychologe: Wenn aufgrund der Unentscheidbarkeit einer wissenschaftlichen Frage Zweifel an der Schuldfähigkeit verbleiben, so muss idpr wegen §20 freigesprochen werden.

I.S. schrieb:

Arzt: Ist nicht nachvollziehbar, welche Folgen eine Körperverletzung genau hatte, kommt die gefährliche KV nicht in Betracht, sondern nur die einfache.

Das ist logisch argumentiert.

 

I.S. schrieb:

Psychologe: Wenn aufgrund der Unentscheidbarkeit einer wissenschaftlichen Frage Zweifel an der Schuldfähigkeit verbleiben, so muss idpr wegen §20 freigesprochen werden.

Das ist weniger logisch argumentiert und ist auch reine Willkür, denn weder die Art der "Zweifel", noch der Schweregrad der "Zweifel" finden so eine Berücksichtigung. Damit hätte das Gericht ja fast freie Entscheidung, was es als "Zweifel" im Einzelfall deklariert.

2

I.S. schrieb:

 Wenn [...] Zweifel an der Schuldfähigkeit verbleiben, so muss idpr wegen §20 freigesprochen werden.

Ein Angeklagter, der vorgibt, im Auftrag einer "höheren Macht", oder wegen einer Stimme aus dem Wasserhahn getötet zu haben, der würde dann darunter fallen? Soll das Ihr Ernst sein?

Auch wenn der psychiatrische Gutachter z.B. eine paranoide Schizophrenie (oder ähnliche Störungen bzw. Psychopathologien) weder ausschließen noch diagnostizieren kann, weil sonst keine weiteren Symptome bisher aufgefallen sind?

Das kann es doch auch nicht sein.

3

§ 63 StGB gilt hauptsächlich dem Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Tätern und nicht der Heilung des Täters, bzw. nur insoweit, als es dem Schutz der Bevölkerung dient. Es geht also nicht um altruistische "Zwangshilfen", sondern um ganz egoistische Zwangsicherung. Unter dieser Prämisse ist es natürlich auch klar, daß der Inquisitionsgrundstz gelten muss.

0

@ Gast #45

 

Bitte nicht mit § 66 StGB verwechseln!

Und falls Sie es nur polemisch meinten: Es ist auch historisch nicht ganz richtig, insbesondere mit dem angeblichen "Inquisitionsgrundsatz".

Dem sehr alten Bedürfnis, psychisch Kranke vor Strafe zu schützen, stand schon immer das Schutzbedürfnis der Gesellschaft gegenüber. Lange Zeit wurden solche Straftäter freigelassen, und es oblag der Exekutive, sie in "Irrenanstalten" wegzusperren - Polizeirecht.

Davor wiederum sollte psychisch Kranken der § 63 StGB Schutz bieten, was lange Zeit auch so gesehen wurde.

Tatsächlich, so denke ich, - und insofern haben Sie recht - liegt der § 63 dem § 66 sehr nahe.

Während der § 66 ganz offen der Sicherheit der Gesellschaft dienen soll, "versteckt" sich der § 63 hinter dem § 20, primär auf "Besserung" durch "Heilung" gerichtet.

Ich persönlich hätte damit auch kein Problem, sofern der Angeklagte selbst dem zustimmen würde, sich also selbst als krank bezeichnet und heilen lassen möchte.

Lehnte man nur § 63 ab - wie viele Psychiatriekritiker - würden viele psychisch kranke Straftäter freigelassen werden müssen.

Da waren wir historisch schon mal, das war nicht gut (s.o.).

Da die Entscheidung für § 63 aber bereits in § 20 seine Basis hat, müßte aus meiner Sicht hier etwas geändert werden:

Nur bei Krankheitseinsicht eine Verteidigungsmöglichkeit mit § 20, ansonsten Gefängnis, ggf. mit anschließender Sicherheitsverwahrung (§ 66), immer mit der Möglichkeit, sich im Gefängnis selbst für eine Heilung und Verlegung in eine Klinik zu entscheiden.

 

 

5

Seiten

Die Kommentare sind für diesen Beitrag geschlossen.