Fall Mollath - BGH verwirft Revision

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 09.12.2015

Mit seiner heute bekannt gemachten Entscheidung hat der 1. Senat des BGH die von Gustl Mollath gegen das Urteil des LG Regensburg vom 14. August 2014 eingelegte Revision verworfen, Pressemitteilung.

Die Entscheidung wurde sogleich mit Begründung im Wortlaut veröffentlicht.

Die Ausführlichkeit der Begründung und deren sofortige Veröffentlichung stehen im erstaunlichen Kontrast zur erstmaligen Revision des BGH im Fall Mollath, bei der ein außerordentlich fehlerhaftes und problematisches Urteil des LG Nürnberg-Fürth vom selben Senat einfach ohne nähere Begründung zur Rechtskraft „durchgewunken“ wurde. Immerhin scheint auch der BGH insofern aus dem Fall Mollath „gelernt“ zu haben. Zunächst nur ein kurzer Kommentar, den ich je nach Diskussionsverlauf möglicherweise in den nächsten Tagen ggf. noch ergänzen werde:

Wie ich schon zuvor verschiedentlich geäußert haben, war tatsächlich kaum damit zu rechnen, dass der BGH seine grundsätzliche Linie, der Tenor eines Urteils selbst müsse eine Beschwer enthalten, damit zulässig Revision eingelegt werden kann, gerade bei diesem Fall ändert. Dennoch gab es natürlich auch bei mir die leise Hoffnung, der BGH werde sich mit den sachlichen Einwänden gegen das Urteil, die auch ich noch hatte, auseinandersetzen.

Immerhin kann man den Beschluss angesichts der ausführlichen Begründung nun auch juristisch nachvollziehen, selbst wenn man ihm im Ergebnis nicht zustimmt. Es findet insbesondere auch eine Auseinandersetzung mit dem auch hier im Beck-Blog diskutierten vom EGMR entschiedenen Fall Cleve ./. Deutschland statt: Dort war der EGMR von der Tenorbeschwer abgewichen. Der BGH meint nun, das Urteil im Fall Mollath sei mit Cleve ./. Deutschland nicht vergleichbar, weil im Mollath-Urteil anders als im Cleve-Fall kein direkter Widerspruch zwischen Tenor und  Begründung festzustellen sei.

Enttäuscht bin ich vom letzten Satz der Begründung des Beschlusses, der konstatiert, die Revision sei ohnehin unbegründet gewesen. Dieser Satz ist völlig verzichtbar und gibt dem Leser Steine statt Brot.

Abgesehen von der  Kritik am Urteil des LG Regensburg möchte ich aber noch einmal darauf hinweisen: Der gesamte Fall in seiner Entwicklung und Dynamik ist ein aus Sicht des Dezember 2012 riesiger persönlicher Erfolg für Herrn Mollath und ist auch in seiner langfristigen Wirkung auf die (bayerische) Justiz und den Maßregelvollzug nicht zu unterschätzen.. Das sollte man – bei aller Enttäuschung über die heutige Entscheidung des BGH – nicht vergessen.

Update (14.12.2015): Eine eingehendere sehr kritische Analyse hat nun Oliver Garcia im delegibus-Blog veröffentlicht.

Update 3.3.2016: Die Kommentarspalte ist nach mehr als tausend Beiträgen geschlossen.

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1041 Kommentare

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Sponsel schrieb:

Das hat aber lange gedauert, bis Sie nun endlich dieses Kriterium formuliert haben.

Das hat aber lange gedauert, bis Sie nun endlich verstanden haben. Das stand schon - zwar verallgemeinernd formuliert - in meinem wortlichen Zitat aus dem Beck'schen Rechtslexikon. Derart "komplizierte" Texte aus Lexika sind, wie Gesetze, offenbar wirklich nicht für jeden auf Anhieb verständlich. Das ist das "Mißverhältnis zwischen Streben und Verstehen", wie Sie es hier formulieren.

@Gast #46

Das hieße jedoch, daß man das Grundprinzip des Strafrechts, nämlich die "Dreieinigkeit" (Tatbestand, Rechtswidrigkeit, Schuld) auseinanderreißen würde,

Ist doch schon längst passiert. In dem dreistufigen Deliktsaufbau des heutigen Strafrechts wird streng zwischen Unrecht und Schuld getrennt. Das mag zur Zeit der Grundsatzentscheidung zur Tenorbeschwer, auf die sich der BGH in seinem Beschluss beruft, noch anders gewesen sein.

@ Lippke

 

Ich denke, GM würde gerne darauf verzichten, bloßes Objekt Ihrer "Abstraktion und wissenschaftlicher Methodik" zu sein.

Auch wenn ich die Einlassungen von "Menschenrechtler" in seiner überwiegend auf das Individuum bezogenen Argumentation als zur anderen Seite kippend kritisieren würde: Ihr Wunsch nach Abstaktion und einer algorithmischen Lösung widerspricht der Rechtsstaatlichkeit ebenso.

Jeder Fall ist ein Einzelfall (eine neue Karte) und als solcher zu betrachten und zu bewerten, bei sich dadurch ständig verändernden gültigen Auslegungen der bestehenden Regeln.

Manchmal werden wegen solcher Fälle auch sogar Regeln geändert, wie z.B. im Fall Mollath.

Diese Regeln stellt übrigens die Legislative auf, nicht die Judikative. Auch das sollten Sie in Ihrem Algorithmus berücksichtigen.

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@ Kolos

 

Das ist schon seit längerem mein Eindruck:

Der dreistufige Deliktaufbau muß am Ende zusammengefügt werden, was sowohl LG und BGH auch tun.

Hier in der Diskussion jonglieren viele mit den Einzelteilen und zerlegen sie in weitere, verlieren sich darin, bekommen sie jedoch am Ende nicht zusammengefügt.

Man kann es aber dem BGH aber nicht vorwerfen, daß Sie den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen.

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Korrektur "einen Teil der juristischen Subsumtion von in dubio pro reo

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Sehr geehrter Herr Dr. Sponsel,

die Frage nach dem Unterschied von (a) "nicht ausschliessen können" und (b)  "nicht ausschließbar" hat natürlich auch akademischen Charakter.
Entscheidend sind dabei  m.E. Quantoren und Sprachpräzision, welchen Begriff man verwendet, den Begriff (b) halte ich für den strengeren.
Ich würde es so unterscheiden:
Im Fall (b) muß es per se überhaupt nicht möglich sein, etwas auszuschließen, also prinzipiell unmöglich sein und das auch immer und zu jeder Zeit.
Im Fall (a) könnte es situativ oder temporär oder personell eingeschränkt möglich sein, etwas auszuschließen, aber eben nicht nach dem derzeitigen Kenntnisstand.

Aber das ist vielleicht Geschmackssache, wie man das sieht, und "de gustibus non est disputandum".

Beste Grüße nach Erlangen

Sehr geehrter Herr Sponsel,

ich habe zwar wenig Hoffnung, aber ich will nochmal versuchen, die Begrifflichkeiten zu erläutern und auch wieder an den Fall Mollath anzuknüpfen.

Zunächst unterscheiden sich "nicht ausschließbar" und "nicht auszuschließen" in der grammatikalischen Form. Inhaltlich handelt es sich natürlich um das gleiche Konzept. Der Hauptunterschied liegt in der Funktion.

"Nicht ausschließbar" erfüllt die oben von mir (und inzwischen ja auch von einigen anderen) angeführte Funktion: Es ist im Grunde eine sprachliche Umschreibung der Voraussetzung der Anwendung des Zweifelssatzes und kommt überall da vor, wo für die Strafbarkeit erhebliche Tatsachen nicht vollständig aufgklärt werden können (eben nicht nur bei Schuldfähigkeit, sondern auch bei ganz normalen Tatbestandsmerkmalen, bei der Rechtswidrigkeit, bei Entschuldigungsnormen etc. pp.) und deshalb  das Gegenteil der jew. Strafbarkeitsvoraussetzung nicht ausgeschlossen werden kann/nicht beweisbar ist ...(andere denkbare Formulierungen können hier eingefügt werden). .

In § 323a StGB geht es nur um einen engen Teilbereich, nämlich nur um den Fall, dass sich die Folgen eines Vollrausches nicht aufklären ließen. § 323a ist dann die Folge eines i.d.p.r. Schlusses bei der Schuldfähigkeit infolge Rausch. Der Tatbestand soll insoweit die Lücke schließen, die sich daraus ergibt, dass wegen einer im Rausch begangenen Tat, bei der die Schuldunfähigkeit feststeht oder eben nur nicht auszuschließen ist, Freispruch erfolgen muss. Um dennoch einen Anknüpfungspunkt für eine Strafe zu haben, wird derjenige nach § 323a StGB für seine sich selbst in den Vollrausch versetzende Handlung bestraft. "Nicht auszuschließen" in § 323 a StGB macht eben deutlich, dass der Vollrauschtatbestand auch dann gilt ("weil"), wenn in der Entscheidung die  Schuldunfähigkeit infolge Rausch nur nicht ausgeschlossen werden kann. Es ist dies ein kleiner Anwendungsbereich der i.d.p.r.-Anwendung, bei dem es - anders als  in den meisten Fällen -  nicht bei einem Freispruch bleibt. Wie schon mehrfach hier gesagt, hätte der Gesetzgeber auch andere Worte dafür verwenden können.

Im Einzelnen ist natürlich rechtlich auch hier Vieles umstritten - zu i.d.p.r.  ebenso wie zur Norm § 323a StGB. Diese Streitigkeiten knüpfen aber nicht an der Begrifflichkeit bzw. den Worten  "nicht auscshließbar" oder "nicht auszuschließen" an, sondern an den dahinter stehendene Konzepten. Das hat alles mit dem Fall Mollath nichts zu tun. Herr Mollath befand sich nicht im Vollrausch, so dass § 323a StGB ohnehin nicht einschlägig ist.

Im Fall Mollath geht es um § 20 StGB. Und hier ist die Frage (auf die ich ja auch schon in meinem Beitrag zum Urteilsspruch eingegangen bin), ob genügend Anhaltspunkte vorliegen, um überhaupt die Schuldfähigkeit zur Tatzeit infrage zu stellen und dann zur i.d.p.r.-Anwendung zu kommen:

Ohne auf diese verfahrensrechtliche Frage näher eingehen zu wollen, kann man aber bezweifeln, dass die materiellen Maßstäbe, die das Gericht hier an eine Subsumtion der Merkmale des § 20 StGB (und sei es auch nur in dubio pro reo) angelegt hat, zutreffend sind. Diese Maßstäbe werden üblicherweise recht eng gesehen: Es genügen eben nicht schon jegliche Anhaltspunkte oder die bloße Nicht-Ausschließbarkeit einer Störung zur Tatzeit, um dann per Zweifelsgrundsatz eine Exkulpation vorzunehmen. Hier hat das Gericht den Zweifelsgrundsatz doppelt wirken lassen: Erstens hinsichtlich der Frage, ob an dem Tag überhaupt eine schwerwiegende Störung vorlag und zweitens dahingehend, dass diese Störung zum Ausschluss der Steuerungsfähigkeit geführt hat. Regelmäßig sind auch psychiatrische Sachverständige nicht in der Lage, einen vorhandenen Zustand „zurückzurechnen“. Hier hat der Sachverständige weder über ein aktuelle Exploration verfügt noch über Aktenmaterial mit Begutachtungen, die zeitnah zum 12.08.2001 auf eine Störung hinwiesen. Er hat deutlich gemacht, dass man von ihm praktisch Unmögliches verlangt, wenn man erwarte, er könne eine belastbare Einschätzung zu einem 13 Jahre zurückliegenden Zeitpunkt abgeben. Das Gericht hat sich über diese Bedenken hinweggesetzt und den Sachverständigen Nedopil stärker interpretiert als es seiner Stellungnahme nach angemessen war. Natürlich kann er eine Schuldunfähigkeit vor 13 Jahren nicht „ausschließen“. Das kann niemand über den Zustand eines Menschen sagen, den er zum damaligen Zeitpunkt nicht gekannt bzw. gesehen hat. Aber für eine (wenn auch nur aufgrund des Zweifelssatzes) vorgenommene Annahme der Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB reicht dieses Nichtwissen normalerweise nicht aus. Die vom Gericht für eine solche Störung aufgeführten Indizien stammen zu einem großen Teil aus der Zeit nach der Trennung der Eheleute und können daher nicht eine Tatwirksamkeit für den August 2001 belegen. Das Gericht meint, der zeitliche Zusammenhang sei „sehr eng“(S. 81), jedoch ist der situationale Zusammenhang eher fern, soweit viele weitere geschilderte Verhaltensauffälligkeiten erst nach dem Auszug der Nebenklägerin aus der gemeinsamen Wohnung auftraten. Eine belastende psychodynamische Ausnahmesituation kommt praktisch in jeder Ehekrise auf beide Partner zu. Nach dieser Logik müssten eine große Anzahl Fälle häuslicher Gewalt unter dem Blickwinkel nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit betrachtet werden. (Selbstzitat: http://blog.beck.de/2014/11/20/fall-mollath-einige-anmerkungen-zur-schri...)

Normalerweise (also in der Praxis zu § 20 StGB in andern Fällen) bedarf es meiner Wahrnehmung nach schon stärkerer Anhaltspunkte als sie im Fall Mollath vorliegen, um überhaupt die Schuldfähigkeit für die konkrete Tatbegehung zu problematisieren. Es geht also um die Frage, wann die Grenze erreicht ist, ab der Schuldunfähigkeit infolge einer der in § 20 StGB genannten Eingangskriterien nicht ausgeschlossen werden kann. Das ist aber keine Frage der "Nichtauschließbarkeit" bzw. dieses Begriffs insgesamt, sondern eine spezielle Frage, die sich nur bei der Schuldfähigkeit stellt, da diese grundsätzlich bei erwachsenen Personen als gegeben vermutet wird.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

 

 

 

Henning Ernst Müller schrieb:

Das ist aber keine Frage der "Nichtauschließbarkeit" bzw. dieses Begriffs insgesamt, sondern eine spezielle Frage, die sich nur bei der Schuldfähigkeit stellt, da diese grundsätzlich bei erwachsenen Personen als gegeben vermutet wird.

Drei Begriffe stechen hier hervor: "grundsätzlich", "erwachsenen", "als gegeben vermutet"

Das ist schon etwas schwammig = vage, mit Verlaub, verehrter Herr Professor Müller.

Meine Meinung: Juristen sollten vielleicht mehr Mathematik betreiben.

Aber damit soll niemandem zu nahe getreten werden, das Dilemma des Unbestimmten der "Schuldfähigkeit" aber bleibt bestehen.

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Gast schrieb:

Henning Ernst Müller schrieb:

Das ist aber keine Frage der "Nichtauschließbarkeit" bzw. dieses Begriffs insgesamt, sondern eine spezielle Frage, die sich nur bei der Schuldfähigkeit stellt, da diese grundsätzlich bei erwachsenen Personen als gegeben vermutet wird.

Drei Begriffe stechen hier hervor: "grundsätzlich", "erwachsenen", "als gegeben vermutet"

Das ist schon etwas schwammig = vage, mit Verlaub, verehrter Herr Professor Müller.

Zugegeben, es ist kein einfacher deutscher Satz, aber wenn man schon das eindeutige Wort "erwachsenen" (=Personen, die keine Heranwachsenden nach §1 JGG mehr sind) für schwammig hält, drängt sich der Verdacht auf, dass hier ohne Kenntnis der Materie um der Kritik wegen kritisiert wird.

Gast schrieb:

Drei Begriffe stechen hier hervor: "grundsätzlich", "erwachsenen", "als gegeben vermutet"

Das ist schon etwas schwammig = vage, mit Verlaub, verehrter Herr Professor Müller.

Henning Ernst Müller schrieb:
Zugegeben, es ist kein einfacher deutscher Satz, aber wenn man schon das eindeutige Wort "erwachsenen" (=Personen, die keine Heranwachsenden nach §1 JGG mehr sind) für schwammig hält, drängt sich der Verdacht auf, dass hier ohne Kenntnis der Materie um der Kritik wegen kritisiert wird.

Gemäß dem § 1 JGG sind "erwachsene" Personen älter als 21 Jahre, und da schrieben Sie vorher, daß  die Schuldfähigkeit "bei erwachsenen Personen als gegeben vermutet wird."
Da aber damit keine altersmäßige Obergrenze eingezogen ist, ist die Schuldfähigkeit auch nicht ganz eindeutig am Begriff des Erwachsenen festzumachen, denn in höherem Alter gibt es unter Umständen ja auch wieder altersbedingte Einschränkungen bei der Schuldfähigkeit, wie ja allgemein bekannt ist, wenn es z.B. auch zu einem Abbau von Geisteskräften kommt, oder zu anderen altersbedingten Ausfällen, wie z.B. einer vorübergehenden Ohnmacht mit einer möglichen Schädigung von Dritten dabei, ohne daß das bereits aber vorhersehbar gewesen wäre als eine "normale" Erscheinung beim Altern.

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Gast schrieb:

Henning Ernst Müller schrieb:
Zugegeben, es ist kein einfacher deutscher Satz, aber wenn man schon das eindeutige Wort "erwachsenen" (=Personen, die keine Heranwachsenden nach §1 JGG mehr sind) für schwammig hält, drängt sich der Verdacht auf, dass hier ohne Kenntnis der Materie um der Kritik wegen kritisiert wird.

Das Zitat haben Sie falsch gekennzeichnet.

Quote:

Gemäß dem § 1 JGG sind "erwachsene" Personen älter als 21 Jahre, und da schrieben Sie vorher, daß  die Schuldfähigkeit "bei erwachsenen Personen als gegeben vermutet wird."
Da aber damit keine altersmäßige Obergrenze eingezogen ist, ist die Schuldfähigkeit auch nicht ganz eindeutig am Begriff des Erwachsenen festzumachen, denn in höherem Alter gibt es unter Umständen ja auch wieder altersbedingte Einschränkungen bei der Schuldfähigkeit, wie ja allgemein bekannt ist, wenn es z.B. auch zu einem Abbau von Geisteskräften kommt, oder zu anderen altersbedingten Ausfällen, wie z.B. einer vorübergehenden Ohnmacht mit einer möglichen Schädigung von Dritten dabei, ohne daß das bereits aber vorhersehbar gewesen wäre als eine "normale" Erscheinung beim Altern.

Ich hatte kritisiert, dass Sie den Begriff "Erwachsene" als schwammig bezeichnet hatten. Und Ihre ganze Argumentation geht deshalb am Ziel vorbei. Der Begriff "Erwachsener" wird nicht dadurch schwammig, dass nicht jeder Erwachsene schuldfähig ist. Auch ein schuldunfähiger Erwachsener bleibt erwachsen.

Um die Aussage von Prof. Müller mal einfacher zu formulieren:  "Erwachsene sind schuldfähig, es kann aber im Einzelfall eine Ausnahme festgestellt werden." - zum Beispiel altersbedingt.

 

Ich übertrage das mal auf ein anderes Beispiel: "Menschen haben grundsätzlich zwei Arme, in Einzelfällen kann es aber vorkommen, dass nur einer oder gar kein Arm vorhanden ist." Personen mit nur einem Arm bleiben trotzdem Menschen, der Begriff Mensch wird durch diese Personen nicht "schwammig".

 

Gast schrieb:
Die von mir so bezeichnete "Schwammigkeit" bezog sich auch auf diese willkürlichen Festsetzungen, die ja jederzeit vom Gesetzgeber den Realitäten angepaßt werden könnten bei der statistischen Reifeentwicklung der Menschen.

Wenn ich für irgendetwas einen festen Startpunkt definiere, ist das jedenfalls nicht "schwammig", sondern im Gegenteil sehr eindeutig. Das ist doch erneut Kritik um der Kritik willen.

Das wird auch nicht besser, wenn Sie jetzt statt "Schwammigkeit" den Begriff "Willkür" wählen und nicht mehr am Begriff "Erwachsene" rummäkeln, sondern an dessen Definition.

 

 

Es gilt ein Regel-Ausnahme-Verhältnis:

Die Regel ist: Alle Erwachsenen sind schuldfähig.
Ausnahmen kann es im Einzelfall nach den Regeln des StGB (z.B. §§ 17, 20, 35) geben und sind individuell festzustellen.

Dass in einem Fall, wo es um Ausnahmen im Einzelfall geht, nicht jeder dieser Einzelfälle beschrieben werden kann, sollte eigentlich nachvollziehbar sein.

 

I.S. schrieb:

Das Zitat haben Sie falsch gekennzeichnet.


Ja, da haben Sie recht, ich bitte um Entschuldigung.
I.S. schrieb:

Wenn ich für irgendetwas einen festen Startpunkt definiere, ist das jedenfalls nicht "schwammig", sondern im Gegenteil sehr eindeutig. Das ist doch erneut Kritik um der Kritik willen.
Das wird auch nicht besser, wenn Sie jetzt statt "Schwammigkeit" den Begriff "Willkür" wählen und nicht mehr am Begriff "Erwachsene" rummäkeln, sondern an dessen Definition.
Es gilt ein Regel-Ausnahme-Verhältnis:
Die Regel ist: Alle Erwachsenen sind schuldfähig.
Ausnahmen kann es im Einzelfall nach den Regeln des StGB (z.B. §§ 17, 20, 35) geben und sind individuell festzustellen.
Dass in einem Fall, wo es um Ausnahmen im Einzelfall geht, nicht jeder dieser Einzelfälle beschrieben werden kann, sollte eigentlich nachvollziehbar sein.


Jein! Sehen Sie, verehrter I.S., da gehen wir m.E. nur von  unterschiedlichen Ansätzen aus. Exakt (= nicht "schwammig")  ist für mich eben nicht eine bloße Feststellung, eine Regel hat auch Ausnahmen.

Exakt ist für mich z.B.  97,3 % aller Fälle sind Regelfälle, und 2,7 % aller Fälle sind Ausnahmen, das wären dann wesentlich genauere, mathematisch-statistische Aussagen, die auch nicht "schwammig" in meinem eigenen Sinn wären.

Ich habe eben einen mathematisch bzw. statistischen Anspruch bei Aussagen oder auch bei Begriffen bzw. termini technici, wohlwissend aber, daß das hier offensichtlich bei Juristen nicht so üblich ist, mit Verlaub und allem Respekt vor Ihnen und auch vor der ganzen Jurisprudenz.

Günter Rudolphi schrieb:

Ich habe eben einen mathematisch bzw. statistischen Anspruch bei Aussagen oder auch bei Begriffen bzw. termini technici, wohlwissend aber, daß das hier offensichtlich bei Juristen nicht so üblich ist, mit Verlaub und allem Respekt vor Ihnen und auch vor der ganzen Jurisprudenz.

Dann jetzt an Sie die Frage: Wie wende ich Statistik auf etwas wie die Beschwer an? Ich habe jetzt keine Zahl für Sie, aber ich wette der ganz erheblich überwiegende Teil der Fälle braucht nichts anderes als einen Blick auf den Tenor, um die Beschwer festzustellen. Die § 20 StGB Fälle sind dagegen der krasse Ausnahmefall. Also was tun?

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Gast schrieb:

Dann jetzt an Sie die Frage: Wie wende ich Statistik auf etwas wie die Beschwer an? Ich habe jetzt keine Zahl für Sie, aber ich wette der ganz erheblich überwiegende Teil der Fälle braucht nichts anderes als einen Blick auf den Tenor, um die Beschwer festzustellen. Die § 20 StGB Fälle sind dagegen der krasse Ausnahmefall. Also was tun?

Die Situation mit der Beschwer wird ja doch überwiegend als unbefriedigend empfunden, nur sehe ich da jetzt keine Lösung, die allen gefallen könnte, weil es für den BGH ja auch nur die zwei Möglichkeiten der Entscheidung (Verwerfung oder Zulassung der Revision) gab, keine dazwischenliegende, außer im Tenor, und das tat der BGH. Und daran trägt auch G.M. doch selber eine gewisse Mitverantwortung retrospektiv betrachtet, und zwar bei seinem ersten Prozeß und bei seinem zweiten Prozeß. Nach der Anklage beim ersten Prozeß wäre eine Bewährungsstrafe m.E. möglich gewesen und das wäre der sprichwörtliche "Spatz in der Hand" gewesen. G.M. gab den psychiatrischen Gutachtern aber meistens auch noch Futter für ihn beschwerende ungünstige Gutachten. Deren methodische Fehler kamen dann noch extra hinzu. Verpaßte Chancen, oder für G.M. "dumm gelaufen", salopp gesagt.

Ansonsten haben die Gerichte im Strafmaß die Möglichkeit, die "Beschwer" im Einzelfall für den Angeklagten dem vorgegebenen Strafrahmen anzupassen und ihm ein paar deutliche Worte mit auf den Weg zu geben, was ja auch getan wird, neben Auflagen usw., was die StPO eben so alles hergibt.

Er hat  bei beiden Prozessen die sprichwörtliche "Taube auf dem Dach" gewollt, die ist aber jetzt endgültig abgeflogen, wenn nicht der EGMR noch ein anderes Votum abgeben sollte, woran ich aber nicht mehr glauben kann.

 

 

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auch G.M. doch selber eine gewisse Verantwortung .....

Er hat  bei beiden Prozessen die sprichwörtliche "Taube auf dem Dach" gewollt, die ist aber jetzt endgültig abgeflogen, wenn nicht der EGMR noch ein anderes Votum abgeben sollte, woran ich aber nicht mehr glauben kann.

[/quote]

Bei allem Respekt, Herr Rudolpi für Ihre Kommentare, es kann nicht angehen, dass dem Justiz- und Psychiatrieopfer, Herr Gustl Mollath eine nennenswerte Verantwortung für dieses weitere Fehlurteil im WA-Verfahren und das daraus entstandende Rechtsproblem (Tenorbeschwer, Nichtzulässigkeit der Revision) zu geschoben wird.

Dies entspricht einer vermaledeiten "Täter-Opfer-Umkehrung", die vielfach und fatalerweise in unserer Gesellschaft passiert und durch die Opfer nochmals diskriminiert und verhöhnt werden. Dabei nehme ich Bezug auf die skandalöse Verdächtigung der Familienangehörigen bei den NSU-Morden!

Die positivistische Fehlbegutachtung durch Prof. Nedopil und das Urteil im WA-Verfahren basiert auf einer fehlenden nicht selbstkritischen Einsicht, Sichnichteingestehenwollen und dem daraus folgendem R e c h t b e h a l t e n w o l l e n  und einem starren Anspruch, volktümlich ausgedrückt, einer  Rechthaberei ! Davor ist auch die Justiz und ein hochkarätiger Gutachter nicht gefeit. Dazu folgt bald die Begründung für diese Aussage!

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Offensichtlich hatte doch das Nürnberger Gericht auch aus dem Verhalten des GM bei der Verhandlung selber auf seinen psychischen Zustand ("Geisteszustand", abgekürzt Gz) zum angenommenen Tatzeitpunkt (t) zurückgeschlossen.

Und das ist ja der Fehler bei allen retrograden Untersuchungen eines "Geisteszustandes", der ja keine zeitliche Konstante darstellt, sondern ebenso von vielen anderen Parametern (u,v,w .....), die aber auch noch näher zu untersuchen und zu benennen wären, abhängt.

Gz = f(t,u,v,w, .....)

Der "Geisteszustand" ist eine Funktion vieler Parameter.

Vielleicht sollten sich auch Juristen mal noch etwas mehr mit der Logik der Begrifflichkeiten beschäftigen und auch den (analogen) Unterschied zwischen etwas ist (b) "nicht machbar" und etwas (a) "kann nicht gemacht" werden bedenken.

Nehmen Sie z.B. die kontrollierte Kernfusion hier auf der Erde als mein Beipiel aus der Physik, denn da findet gerade ein Umdenken statt.

(b) war nie richtig, (a) war bisher richtig, aber das ändert sich ja gerade.

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@ Dr Sponsel

Gerne sofort sobald Sie mir nachweisen, dass irgendeine wissenschaftliche Disziplin das leistet was Sie von der Juristerei gern hätten.

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Eine plumpe sophistische Form, Unvermögen einzugestehen

Gast schrieb:
@ Dr Sponsel Gerne sofort sobald Sie mir nachweisen, dass irgendeine wissenschaftliche Disziplin das leistet was Sie von der Juristerei gern hätten.

Aber Sie gehen ja implizit noch weiter und sagen, wenn ich Sie richtig verstehe, keine Wissenschaft kann Begriffe nachvollziehbar und akzeptel definieren. Und da es niemand kann, muss es auch die Jurisprudenz nicht können. Sie formulieren also die Metaregel: Die Jurisprudenz kann definieren, wenn es andere Wissenschaft können. Das müssen die letzten 2500 Jahre Wissenschaftsgeschichte Sie gänzlich unberührt gelassen haben; so was geht also auch.

Ich arbeite gerade an einer Zusammenfassung der hier gemachten Vorschläge. Das ist ja ein beispielloses Trauerspiel. Wenn das repräsentativ für die Rechtswissenschaft ist, ist alles klar. Oder waren einige Einlassungen als Faschingsbeitrag gedacht?

RSponsel schrieb:

Gast schrieb:
@ Dr Sponsel Gerne sofort sobald Sie mir nachweisen, dass irgendeine wissenschaftliche Disziplin das leistet was Sie von der Juristerei gern hätten.

Aber Sie gehen ja implizit noch weiter und sagen, wenn ich Sie richtig verstehe, keine Wissenschaft kann Begriffe nachvollziehbar und akzeptel definieren.

Sie verstehen mich, wohl zum wiederholten Male, vorsätzlich falsch. Natürlich kann jede Wissenschaft die ihr zugehörigen Begriffe definieren. Was Sie aber wissen wollen, wenn Sie nach der Definition von Rechtsbegriff fragen, ist wann ein Begriff als der Rechtswissenschaft zugehörig definiert ist.

Dann müsste es also die Rechtswissenschaft als einzige, oder eine von wenigen, trauerspielartig nicht auf die Reihe kriegen, abstrakt zu definieren, woran man die der Rechtswissenschaft zugehörigen Begriffe erkennt.

Dementsprechend müsste es Ihnen ein leichtes sein, reflexartig ein paar Wissenschaften aufzuzählen, die das hinbekommen. Also wie definiert man den (nicht einen!) Medizinbegriff, Informatikbegriff, meinetwegen Psychologiebegriff? Und woran erkennt man, ganz abstrakt, dass in einem medizinischen, informatik'schen oder psychologischen Text gerade Fachbegriffe verwendet werden im Unterschied zu normalem Deutsch?

Und jetzt bitte kein Trauerspiel abliefern.

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Sie vermischen die Kategorien - trotzdem kein Problem

Gast schrieb:

Dementsprechend müsste es Ihnen ein leichtes sein, reflexartig ein paar Wissenschaften aufzuzählen, die das hinbekommen. Also wie definiert man den (nicht einen!) Medizinbegriff, Informatikbegriff, meinetwegen Psychologiebegriff? Und woran erkennt man, ganz abstrakt, dass in einem medizinischen, informatik'schen oder psychologischen Text gerade Fachbegriffe verwendet werden im Unterschied zu normalem Deutsch?

Und jetzt bitte kein Trauerspiel abliefern.

Rechtsbegriff gehört zur Rechtswissenschaft, ist also ein Unterbegriff. Da über die Sprache der Rechtswissenschaft gesprochen wird, gehört die Frage nach der Definition eines Rechtsbegriffs zur Metasprache und Methodologie.

Rechtsbegriff_§ ist nach derzeitigen Erklärungen ein schwammiger und unklarer Begriff. Die Rechtswissenschaft kann derzeit nicht erklären, was einen Begriff zum Rechtsbegriff macht und woran man erkennen kann, dass ein Wort nun als Rechtsbegriff gemeint ist. Meist werden nicht einmal Umschreibungen für nötig erachtet. 

Zu Ihren Wünschen:

Psychologie_psy ist die Wissenschaft vom Erleben und Verhalten. "_psy" aus Sicht der Psychologie. 

Psychopathologie_psy ist die Wissenschaft vom gestörten Erleben und Verhalten. "_psy" aus Sicht der Psychologie. 

Besser wäre es, um in der Analogie zu bleiben, einen Begriff aus der Psychologie oder Psychopathologie zu wählen.

Zum Beispiel Wahn (analog Rechtsbegriff):

Wahn_psypath =def liegt vor, wenn mit rational unkorrigierbarer (Logik, Erfahrung) Gewissheit ein falsches Modell der Wirklichkeit oder ein falscher Erkenntnisweg zu einem richtigen oder falschen Modell der Wirklichkeit vertreten wird.

    Beispiel falsches Modell der Wirklichkeit: Ein Passant gähnt und das deutet ein fränkischer Proband als Zeichen Horst Seehofers, worauf er in die Knie geht und laut ruft: „Allmächd, Allmächd“. Muss man so jemanden einsperren? Natürlich nicht.

    Beispiel falscher Erkenntnisweg eines richtigen Modells der Wirklichkeit: Ein Passant gähnt und ein Proband zieht daraus den Schluss, dass Banken in hohen Maße an Steuerbetrugsdelikten beteiligt sind. Passantengähnen ist keine in unserer Kultur und Wissenschaft anerkannte Erkenntnisquelle für Schwarzgeldschiebereien, die natürlich ein völlig reales Modell der Wirklichkeit sind (Mollathe hatte und hat völlig Recht_real).

 

 

RSponsel schrieb:

Rechtsbegriff gehört zur Rechtswissenschaft, ist also ein Unterbegriff. Da über die Sprache der Rechtswissenschaft gesprochen wird, gehört die Frage nach der Definition eines Rechtsbegriffs zur Metasprache und Methodologie.

An meiner Hervorhebung sieht man Ihren Fehler - einen Rechtsbegriff zu definieren ist nicht das Problem. Mehr oder weniger schwierig, wie Sie richtig in einem anderen Beitrag feststellen. Die Definition des Rechtsbegriffs ist aber nicht möglich, oder jedenfalls sehe ich immer noch nicht wie.

Quote:

Rechtsbegriff_§ ist nach derzeitigen Erklärungen ein schwammiger und unklarer Begriff. Die Rechtswissenschaft kann derzeit nicht erklären, was einen Begriff zum Rechtsbegriff macht und woran man erkennen kann, dass ein Wort nun als Rechtsbegriff gemeint ist. Meist werden nicht einmal Umschreibungen für nötig erachtet.

Ja richtig erkannt. Aber andere Disziplinen kriegen es eben auch nicht hin. Jedenfalls zeigen Sie nicht auf, wie.

Quote:

Zu Ihren Wünschen:

Psychologie_psy ist die Wissenschaft vom Erleben und Verhalten. "_psy" aus Sicht der Psychologie. 

Psychopathologie_psy ist die Wissenschaft vom gestörten Erleben und Verhalten. "_psy" aus Sicht der Psychologie. 

Besser wäre es, um in der Analogie zu bleiben, einen Begriff aus der Psychologie oder Psychopathologie zu wählen.

Zum Beispiel Wahn (analog Rechtsbegriff):

Wahn_psypath =def liegt vor, wenn mit rational unkorrigierbarer (Logik, Erfahrung) Gewissheit ein falsches Modell der Wirklichkeit oder ein falscher Erkenntnisweg zu einem richtigen oder falschen Modell der Wirklichkeit vertreten wird.

    Beispiel falsches Modell der Wirklichkeit: Ein Passant gähnt und das deutet ein fränkischer Proband als Zeichen Horst Seehofers, worauf er in die Knie geht und laut ruft: „Allmächd, Allmächd“. Muss man so jemanden einsperren? Natürlich nicht.

    Beispiel falscher Erkenntnisweg eines richtigen Modells der Wirklichkeit: Ein Passant gähnt und ein Proband zieht daraus den Schluss, dass Banken in hohen Maße an Steuerbetrugsdelikten beteiligt sind. Passantengähnen ist keine in unserer Kultur und Wissenschaft anerkannte Erkenntnisquelle für Schwarzgeldschiebereien, die natürlich ein völlig reales Modell der Wirklichkeit sind (Mollathe hatte und hat völlig Recht_real).

Bei meiner Hervorhebung wieder Ihr Fehler. Wahn ist ein Begriff aus der Psychologie. Nur woran erkennt man, dass Wahn ein Begriff aus der Psychologie ist, das erklären Sie nicht. Das wäre die Analogie zu Rechtsbegriff.

Wie Sie oben korrekt darstellen:

Quote:

Die Rechtswissenschaft kann derzeit nicht erklären, was einen Begriff zum Rechtsbegriff macht und woran man erkennen kann, dass ein Wort nun als Rechtsbegriff gemeint ist.

Analog gilt:

Quote:

Die Psychologie kann derzeit nicht erklären, was einen Begriff zum Psychologiebegriff macht und woran man erkennen kann, dass ein Wort nun als Psychologiebegriff gemeint ist.

Das ist der gordische Knoten  hier.

 

3

Sie haben einerseits Recht - meine Analogie Wahn / Rechtsbegriff passt nicht, andererseits nicht, dass man Rechtsbegriff nicht definieren könne, die Rechtspflege tut es nicht oder nicht hinreichend klar

Gast schrieb:

Rechtsbegriff gehört zur Rechtswissenschaft, ist also ein Unterbegriff. Da über die Sprache der Rechtswissenschaft gesprochen wird, gehört die Frage nach der Definition eines Rechtsbegriffs zur Metasprache und Methodologie.

An meiner Hervorhebung sieht man Ihren Fehler - einen Rechtsbegriff zu definieren ist nicht das Problem. Mehr oder weniger schwierig, wie Sie richtig in einem anderen Beitrag feststellen. Die Definition des Rechtsbegriffs ist aber nicht möglich, oder jedenfalls sehe ich immer noch nicht wie.

Einverstanden. Wahn ist ein objektspraclicher Begriff der Psychopathologie, Rechtsbegriff ist ein metasprachlicher Begriff der Rechtswissenschaft. Eine Analogie zwischen Objekt- und metasprachlichen Sprachgebrauch ist unpassend. Bei Wahn_psypath und Schuldfähigkeit_§ passte die Analogie.

Gast schrieb:

RSponsel schrieb:

Rechtsbegriff_§ ist nach derzeitigen Erklärungen ein schwammiger und unklarer Begriff. Die Rechtswissenschaft kann derzeit nicht erklären, was einen Begriff zum Rechtsbegriff macht und woran man erkennen kann, dass ein Wort nun als Rechtsbegriff gemeint ist. Meist werden nicht einmal Umschreibungen für nötig erachtet.

Gast schrieb:

Ja richtig erkannt. Aber andere Disziplinen kriegen es eben auch nicht hin. Jedenfalls zeigen Sie nicht auf, wie.

RSponsel schrieb:

Zu Ihren Wünschen:

Psychologie_psy ist die Wissenschaft vom Erleben und Verhalten. "_psy" aus Sicht der Psychologie. 

Psychopathologie_psy ist die Wissenschaft vom gestörten Erleben und Verhalten. "_psy" aus Sicht der Psychologie. Psychopathologie_psychiat ist die Wissenschaft vom gestörten Erleben und Verhalten. "_psyichiat" aus Sicht der Psychiatrie. 

 

Die beiden Definitionen der Psychologie und Psychopathologie sind wie die Wahndefinition in Ordnung. Aber ich korrigiere mich nun dahingehend, dass die Definition von Wahn nicht analog der Rechtsbegriffdefinition ist. 

Gast schrieb:

Bei meiner Hervorhebung wieder Ihr Fehler. Wahn ist ein Begriff aus der Psychologie. Nur woran erkennt man, dass Wahn ein Begriff aus der Psychologie ist, das erklären Sie nicht.

Wahn ist u.a. ein Begriff aus der Psychopathologie.  Wenn die Psychopathologie die Wissenschaft vom gestörten Erleben und Verhalten ist, dann kann ich entweder umschreiben, dass ich Wahn aus psychopathologischer - und nicht aus soziologischer, alltäglicher, ... , biochemischer, neurowissenschaftlicher ... ästhetischer, ... metaphysischer ... Sicht - betrachte oder einfach indizieren Wahn_psypath. Wenn Wahn auch als Rechtsbegriff betrachtet werden soll, dann kann man das umschreiben - Wahn als Rechtsbegriff - oder einfach indizieren: Wahn_§.  Wahn_psypath betrachtet das Phänomen Wahn unter dem Gesichtspunkt gestörten Erlebens und Verhaltens, so habe ich Psychopathologie definiert. [mehr und genauere, indizierte Beispiele hier]

Gast schrieb:

Das wäre die Analogie zu Rechtsbegriff.

Wie Sie oben korrekt darstellen:

RSponsel schrieb:

Die Rechtswissenschaft kann derzeit nicht erklären, was einen Begriff zum Rechtsbegriff macht und woran man erkennen kann, dass ein Wort nun als Rechtsbegriff gemeint ist.

Gast schrieb:

Analog gilt:

Die Psychologie kann derzeit nicht erklären, was einen Begriff zum Psychologiebegriff macht und woran man erkennen kann, dass ein Wort nun als Psychologiebegriff gemeint ist.

Das ist der gordische Knoten  hier.

Ein Begriff der Psychologie ist ein Begriff aus dem Erleben oder Verhalten.  Ein Begriff der Psychopathologie ist ein Begriff aus dem gestörten Erleben oder Verhalten. Erleben und Verhalten finden Sie hier näher spezifiziert.  Nach der Methode Kamlah/ Lorenzen [Lorenzen sogar im Deutschen Rechtslexikon zitiert] kann man zur weiteren Präzisierung Beispiele und Gegenbeispiele angeben.

Zur Problematik um die Rechtsbegriffen in der Beziehung StA/ Gericht und Sachverständige mache ich noch einen gesonderten Beitrag wie auch noch ein Zwischenfazit der bisherigen Diskussion.

 

 

RSponsel schrieb:

Ein Begriff der Psychologie ist ein Begriff aus dem Erleben oder Verhalten.  Ein Begriff der Psychopathologie ist ein Begriff aus dem gestörten Erleben oder Verhalten. Erleben und Verhalten finden Sie hier näher spezifiziert.  Nach der Methode Kamlah/ Lorenzen [Lorenzen sogar im Deutschen Rechtslexikon zitiert] kann man zur weiteren Präzisierung Beispiele und Gegenbeispiele angeben.

Gut das ist eine Definition. Diese hilft aber auch nur sehr begrenzt weiter, m.E. Was man damit ausschließen kann, ist das "nicht ausschließbar" ein Begriff der Psychologie/Psychopathologie ist. Was damit aber nicht möglich ist, ist die Antwort auf die zweite Frage

Quote:

Und woran erkennt man, ganz abstrakt, dass in einem [...] psychologischen Text gerade Fachbegriffe verwendet werden im Unterschied zu normalem Deutsch?

bzw. in Ihrer Formulierung

Quote:

woran man erkennen kann, dass ein Wort nun als Rechtsbegriff gemeint ist

, wobei Rechtsbegriff durch Begriff der Psychologie zu ersetzen wäre,

zu finden. Ich kann nach der Definition keine Abgrenzung vornehmen, ob Wahn jetzt gerade in einem Text als Fachbegriff der Psychologie gebraucht wird, oder im allgemeinen Sinn. Denn auch der allgemein gebrauchte "Wahn" ist ein Begriff aus dem Erleben und Verhalten. Ich kann natürlich Indizien heranziehen wie den Autor des Textes oder den Zusammenhang innerhalb des Textes. Auch Beispiele/Gegenbeispiele würden sicher weiterhelfen. Nur ganz auf den Punkt bringt das die Sache auch nicht.

Die ursprüngliche Frage war ja, woran man erkennt, dass "nicht ausschließbar/ausschließen" kein Rechtsbegriff ist.

Bei der Rechtswissenschaft als Lehre von den Rechtsquellen kommt im Gegensatz zur Psychologie/Pschopathologie erschwernd hinzu, dass der Wortschatz nicht auf etwas wie "Erleben und Verhalten" einschränkbar ist. Denn der ist vom Rechtsquellengeber (z.B. Gesetzgeber) vorgegeben und kann sich jederzeit ändern. Wenn der Gesetzgeber in § 323a StGB "vorsätzlich" schreibt, ist klar dass es sich um einen Rechtsbegriff handelt, bei dem ebenfalls dort zu findenden "ist" kommt wohl wirklich keiner auf die Idee, das als Rechtsbegriff zu verstehen. Bei dem "nicht auszuschließen" könnte man streiten, da sage ich aber es kommt drauf an, ob es eine vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichende juristische Definition oder wenigstens Bedeutung gibt. Und ja woher man das wiederum nimmt kann ich genauso nur indiziell beantworten wie die Frage, ob Wahn als Begriff der Psychologie verwendet wird.

Im Ergebnis bleibe ich dabei, dass der Vergleich zur Sprache der tauglichste ist.

 

@ Prof. Müller

Ich stimme zu, dass die Begriffssucherei beim Thema Mollath nicht weiterhilft. Ich fand es aber wichtig, aufgrund der doch immer sehr grundlegenden Vorbehalte gegen die Rechtswissenschaft noch ein letztes Mal darauf einzugehen.

4

Differenzierte Kennzeichnung ist vor allem dort notwendig, wo mehrere Disziplinen beteilgt sind

Das Problemfeld liegt einmal in der interdisziplinären Befassung: Psychologie, Rechtspsychologie (eine eigene Disziplin), Psychopathologie, Psychiatrie, Medizin, Rechtsmedizin, Psychotherapie, Psychosomatik.

Zum zweiten ist es ein spezifischer Anspruch des Rechts, die Entscheidungshoheit über Rechtsbegriffe zu haben. Dann sollte sich das Recht natürlich um eine differenzierte Sprache bemühen, wenn es sich an Psycholog-, Psychopatholog-, Psychiater-, Psychotherapeut- oder MedizinerInnen wendet. Dieses Problem wird nicht dadurch gelöst, dass Sie lernen, wie in einem Psychologiebuch deutlich gemacht wird, dass man von Psychologie zu sprechen gewillt ist. 

Gast schrieb:

RSponsel schrieb:

Ein Begriff der Psychologie ist ein Begriff aus dem Erleben oder Verhalten.  Ein Begriff der Psychopathologie ist ein Begriff aus dem gestörten Erleben oder Verhalten. Erleben und Verhalten finden Sie hier näher spezifiziert.  Nach der Methode Kamlah/ Lorenzen [Lorenzen sogar im Deutschen Rechtslexikon zitiert] kann man zur weiteren Präzisierung Beispiele und Gegenbeispiele angeben.

Gut das ist eine Definition.  Diese hilft aber auch nur sehr begrenzt weiter, m.E. Was man damit ausschließen kann, ist das "nicht ausschließbar" ein Begriff der Psychologie/Psychopathologie ist.

Halten wir erstmal fest: Sie wollten eine Definition und Sie haben gleich zwei bekommen.

Gast schrieb:

Ich kann nach der Definition keine Abgrenzung vornehmen, ob Wahn jetzt gerade in einem Text als Fachbegriff der Psychologie gebraucht wird, oder im allgemeinen Sinn. Denn auch der allgemein gebrauchte "Wahn" ist ein Begriff aus dem Erleben und Verhalten.

Wenn nichts näher spezifiziert ist, können Sie gar nichts entnehmen. Daher kommen ja meine Vorschläge zur Spezifikation - nicht generell und überhaupt, aber natürlich an den kritischen Schnittstellen, z.B. wenn die Staatsanwaltschaft schreibt, man möge ein Schuldfähigkeitsgutachten erstellen.

Gast schrieb:

Ich kann natürlich Indizien heranziehen wie den Autor des Textes oder den Zusammenhang innerhalb des Textes. Auch Beispiele/Gegenbeispiele würden sicher weiterhelfen. Nur ganz auf den Punkt bringt das die Sache auch nicht.

Aber schon ziemlich nahe. Am besten ist die klare Kennzeichnung mit den mehrfach aufgezeigten beiden Möglichkeiten, z.B. physiologisch bedeutet Angst ... erlebenspsychologisch bedeutet Angst ..., neurobiologisch bedeutet Angst ...

oder Angst_physiol ... erlebenspsychologisch_psy  ..., Angst_neurob

Gast schrieb:

Die ursprüngliche Frage war ja, woran man erkennt, dass "nicht ausschließbar/ausschließen" kein Rechtsbegriff ist.

Zum Erkennen: Indem es dazu gesagt wird; zum Begründen warum oder warum es kein Rechtsbegriff ist oder sein soll: an den Argumenten. Einige forensische Psychiater wie z.B Prof. Foerster oder Prof. Kröber haben das ausgeführt. Auf meinen Seiten können Sie das übrigens sehr ausführlich nachlesen.

Ich denke, hier ist eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe "Rechtsbegriffe und Sachverständige" nötig - wie damals bei den Mindestanforderungen an Schuldfähigkeits- oder Prognosegutachten.

 

 

 

Die positivistische Stellungnahme von Prof.N. hat zu dem Fehlurteil im WA-Verfahren geführt:

Das WA-Gericht schließt sich erklärtermaßen mit der nachstehenden Urteilbegründung der Stellungnahme von Prof. N. an:

Nach der klassischen Literatur stellt Prof. Nedopil die Hypothese auf: „dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Entstehung einer wahnhaften Storung besteht, wenn bestimmte Personlichkeitsmerkmale mit bestimmten Beziehungsmustem und sozialen Rahmenbedingungen zusammentreffen.

Die für die Entwicklung wahnhafter Störungen pradestinierte Persönlichkeit wird nach den Ausführungen des Sachverstandigen als „sensitiv" bezeichnet.So konne eine Verbindung von Empfindsamkeit und Kränkbarkeit auf der einen und Übermachhaltigkeit und hoher Selbstanspruch auf der anderen Seite den Betroffenen in Konflikten oder Krankungen misstrauisch werden und den Bezug zur Realitat verlieren lassen.Entscheidend für die Diagnose einer wahnhaften Storung seien nicht die Vorstellungen als solche, die der Betroffene habe und ausere, sondern die Abgehobenheit von der Wirklichkeitserfahrung der Mitmenschen. Maßgebend sei weiter,wie der Betroffene mit diesen Vorstellungen umgehe, ob er noch in der Lage sei, diese zu hinterfragen, oder ob diese Vorstellungen eine solche Macht gewinnen, dass sie die Persönlichkeit immer mehr prägten und der Betroffene im eigenen geschlossenen Denksystem gefangen sei und Ereignisse in

einer Art Privatrealitat verarbeite.

 

K O M M E N T A R .

Diese „Kann“-Betrachtungsweise, diese Hypothese ist in sich vordergründig schlüssig und auch differenziert, bleibt aber tatsächlich an der Oberfläche. Diese bruchstückhaften, positivistische Feststellungen, stellen keinen lebensnahen mitmenschlichen, psychologisch reflektierten Lebenszusammenhang zu Gustl Mollath und dem fundamentalen Konflikt her und sind für das Fehlurteil verantwortlich! Sind die o.g. Schlussfolgerungen auf Herrn Gustl Mollath tatsächlich zutreffend?

G.M. befand sich bereits vor der KV in einer fundamentalen Ehekrise. Er vertrat dabei nachweisbar eine integre Position, seine Frau zu schützen und die gesellschaftszerstörenden Schwarzgeldgeschäfte zu beenden. Durch das ihm per FAX zugesandte Attest, die Anzeige der Freiheitsberaubung, das Attest von Dr. K., die erste Verhandlung vor dem AG, dem systematischen Verfolgungsfeldzug der Nebenklägerin hat G.M.realitätsgerecht wahrgenommen, dass seine Ex-Frau gegen ihn destruktiv vorgeht und ihn existenzell gefährdet, vernichten will. Darauf hat er versucht sich zu schützen, sich zu wehren, in dem er diese Vorgänge beobachtet, seine Kontrahenten zur Rede gestellt hat, die Schwarzgeldgeschäfte dem Arbeitgeber und Verantwortungsträgern mitteilt. Das ihm von Prof. Nedopil und in der Folge angelastete Mißtrauen war also ganz und gar berechtigt und realitätsgerecht, wie auch die weitere Entwicklung bis zum Wegräumen in der Forensik bewiesen hat.

Eine zentrale Bedeutung für die „nicht ausschließbare seelische Abartigkeit“ nimmt die Feststellung ein, dass G.M. eine „ sensitive Persönlichkeitsstruktur“ besitzt. Diese Sensibilität wird einseitig und belastend als eine Grundvoraussetzung für diese psychiatrische Diagnose mißbraucht.,statt darauf einzugehen, ob nicht gerade Sensivität eine sehr wertvolle soziale mitmenschliche Charaktereigenschaft ist. Tatsächlich hat G.M. durch seine Wachheit und Nachhaltigkeit die Mißstände im „dunklen Ort des Rechts“ indirekt an das Licht der Öffentlichkeit gebracht.

G.M. wurde von seiner Ex-Frau charakterlich fundamental enttäuscht und ihm ein unwiederbringlicher existenzieller Schaden zugefügt. Und Prof. Nedopil und auch das Gericht wertet diese „Empfindsamkeit“ und Sensibiliät

unempathisch als eine „Kränkbarkeit“, eine Vorbedingung für Realitätsverlust und für eine wahrscheinliche wahnhafte Störung.

Gustl Mollath hat in der Gerichtsverhandlung 2006 mit seiner ausgeprägten Sensibilität und seinem Realitätssinn vorausgesehen, dass er verurteilt und in die Forensik weggeräumt werden soll.

Auch dewegen liegt „keine Abgehobenheit von der Realitätserfahrung“ der Mitmenschen“ vor. Diese Mitmenschen realisieren, dass es sehr leicht und schnell gehen kann in die Psychiatrie eingewiesen zu werden. Dem Realitätssinn von G.M. und der Mitmenschen entsprach es auch, im Gegensatz zum Psychiater Dr. L. von der Realität der massenweisen Schwarzgeldgeschäfte auszugehen. Frauen und Männer, die sich in einer schweren enttäuschenden Ehekrise und in der Trennungsphase befinden, konzentrieren sich sich meist auf die Privatrealität, ziehen sich aus Trauer und zur Verarbeitung zurück.

Das gesamte Verhalten von Gustl Mollath ist menschlich, empathisch nachvollziehbar und kann deswegen nicht pathologisiert werden.

Wenn bestimmte Eigenschaften von G.M. ungewöhnlich sind, entsprechen sie seiner ungewöhnlichen und außergewöhnlichen Persönlichkeits- und Charakterstruktur. Die sehr komplexe und ausdifferenzierte Charakterstruktur von G.M. auch im Zusammenhang mit seinen ethischen, gesellschaftlichen Werten mag zwar für viele Menschen eigensinnig und problematisch erscheinen. Ein komplexer, von vielen Menschen als schwieriger Charakter empfunden zu werden, rechtfertigt keineswegs die Diagnose einer nicht ausschließbaren seelischen Abartigkeit. Zu diesem Mißbrauch hat u.a. die immense Ausweitung der psychiatrischen Diagnosen geführt, wie Dr. Weinberger seit langer Zeit publik gemacht hat.

Auch nicht der ungewöhnliche Anspruch von G.M. gesellschaftlich Postives bewirken zu können. Die Wirkung durch G.M. hat sich tatsächlich bewahrheitet: durch sein couragiertes, konsequentes Verhalten hat er entscheidend dazu beigetragen, dass die Mißstände im Dunklen Ort des Rechts an das Licht der Öffentlichkeit gekommen sind und Reformen angestoßen wurden. Sein Verhalten in den Ausnahmesituation Forensik und auch vor dem WA-Gericht beweist, dass er sehr autonom eine ausgeprägte Selbstdisziplin und somit auch Steuerungsfähigkeit besitzt.

Die völlig einseitige, noch dazu retrospektive, nicht neutrale, psychiatrische Stellungnahme und die positivistische Urteilsbegründung lassen offensichtlich jegliches mitmenschliche, psychologisch postives Einfühlungsvermögen und Empathie vermissen, lässt selber lebensnahe und menschliche, psychologische Zusammenhänge außer Acht. Dem betroffenen G.M. wird zum zweiten Mal eine untaugliche psychiatrische Diagnosetheorie und häßliche Diagnose übergestülpt und alle Tatsachen ignoriert, die gegen diese Hypothese und Diagose sprechen.

Durch diese Urteilsbegründung ist m.E. Herr Gustl Mollath in seinen Grundrechten nach Artikel 1 und 2 schwerwiegend verletzt.

Auch sein Auftreten und seine Friedfertigkeit im WA-Verfahren spricht gegen die ihm angelastete KV und gegen eine mögliche seelische Abartigkeit!

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Positiv wäre, wenn der vorangegangene Kommentar von "Gast" käme, er kam allerdings vom "Menschenrechlter".

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GM ging in ein Verfahren mit vielen mächtigen und starken Gegnern, neben seiner Frau, den Banken und einem ersten Anschein nach hatten sich auch noch Justiz und  Psychiater gegen ihn gestellt, daß er bei dieser Konstellation aber damals m.E. vielleicht auch etwas überreagierte oder in Panik verfiel, das ist zu einem gewissen Grad doch nachvollziehbar.

Auf alle Fälle konnte damit eine ja weit verbreitete Fehlentwicklung der ausufernden Psychiatrisierung und damit auch Stigmatisierung aufgezeigt werden, da er eben gleich in eine Schublade gesteckt wurde, mit dem Etikett § 20 und § 63 StGB vorne dran. Die Grundlagen dafür sind aber letztendlich vage und undefiniert, was ja inzwischen vielfach belegt wurde.
 

Ohne eine öffentliche Wahrnehmung wurde diese Schublade dann auch schnell für viele Jahre dauerhaft geschlossen.

Die Grundlagen dafür sind aber letztendlich vage und undefiniert, was ja inzwischen vielfach belegt wurde.

...was aber auch daran liegt, dass die Sachverständigen und Gerichte auf jeden Fall den "Fehler" vermeiden wollen, jemanden nicht als gefährlich eingestuft bzw. eingewiesen zu haben, der sich ggf. später doch wieder einmal als "gefährlich" entpuppt und eine (schwere) Straftat begeht. Man wandelt da zwischen Skylla und Charybdis, nämlich einerseits dem Ziel, dem Angeklagten gerecht zu werden und andererseits aber auch die Sicherheitsinteressen der Gesellschaft (und der Medien) nicht zu vernachlässigen. Hier den richtig goldenen Schmuggelpfad zu finden, ist nahezu unmöglich.

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Gast schrieb:

Die Grundlagen dafür sind aber letztendlich vage und undefiniert, was ja inzwischen vielfach belegt wurde.

...was aber auch daran liegt, dass die Sachverständigen und Gerichte auf jeden Fall den "Fehler" vermeiden wollen, jemanden nicht als gefährlich eingestuft bzw. eingewiesen zu haben, der sich ggf. später doch wieder einmal als "gefährlich" entpuppt und eine (schwere) Straftat begeht. Man wandelt da zwischen Skylla und Charybdis, nämlich einerseits dem Ziel, dem Angeklagten gerecht zu werden und andererseits aber auch die Sicherheitsinteressen der Gesellschaft (und der Medien) nicht zu vernachlässigen. Hier den richtig goldenen Schmuggelpfad zu finden, ist nahezu unmöglich.

Zustimmung, die "Gefährlichkeit" steht aber keinem auf der Stirn geschrieben, von früherem Verhalten auf späteres Verhalten zu schließen, das muß immer empirisch und statistisch betrachtet (verifiziert) werden, es wird immer Risiken dabei geben, auch bei den bisher völlig "unauffälligen" Menschen ohne frühere BZR-Einträge und ohne frühere F-Diagnosen.

GM ging in ein Verfahren mit vielen mächtigen und starken Gegnern, neben seiner Frau, den Banken und einem ersten Anschein nach hatten sich auch noch Justiz und  Psychiater gegen ihn gestellt, daß er bei dieser Konstellation aber damals m.E. vielleicht auch etwas überreagierte oder in Panik verfiel, das ist zu einem gewissen Grad doch nachvollziehbar.

Wie bitte?

Wovon sprechen Sie? Von der Körperverletzung sicherlich nicht, denn da gab es diese Konstellation noch nicht.

 

 

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Gast schrieb:
Wie bitte?

Wovon sprechen Sie? Von der Körperverletzung sicherlich nicht, denn da gab es diese Konstellation noch nicht.

Das Verfahren vor dem Nürnberg/Fürther Gericht natürlich war angesprochen und dann auch noch der weitere Fortgang in den diversen Bezirkskrankenhäusern.

Auch bei Dr. hc. Gerhard Strate können Sie alles dazu nachlesen.

 

Das war nicht meine Frage.

Wo reagierte GM über oder verfiel in Panik? Welche Situation meinen Sie?

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Gast schrieb:

Das war nicht meine Frage.

Wo reagierte GM über oder verfiel in Panik? Welche Situation meinen Sie?

Er holte beim ersten Gerichtsverfahren zu einem Rundumschlag aus, die Nazikeule inbegriffen.

Er schrieb viele recht wirre Briefe und stellte ebensolche Anträge, auch beim letzten Prozeß.

Das Hickhack mit seinem doch versierten Verteidiger Strate kam hinzu.

Manchmal wäre weniger da mehr gewesen.

Und er blockte dann doch berechtigte Fragen der Richterin zum Vorwurf der Körperverletzung einfach ab.

Das paßte nicht zusammen.

Das waren schon einige seiner Überreaktionen oder Panikreaktionen nach meiner eigenen Meinung, die ja niemand teilen muß.

Er hatte zu wenig Prozeßerfahrung und wußte auch etwas zu wenig mit den Psychiatern / Gutachtern umzugehen.

 

Nach meiner eigenen Meinung hatte sich GM strategisch und taktisch öfters ungeschickt verhalten, leider auch in seinem letzten Prozeß noch nach Wiederaufnahme.

Da hätte er speziell auf den Vorwurf der Körperverletzung sehr detailliert auch eingehen sollen, er hatte ja alle Fragen dazu völlig abgeblockt, auch Strate hatte darauf hingewiesen.

Aber das wäre nun wieder ein altes Debattenthema, was aber auch schon zu Genüge abgehakt wurde.

@ Rudolphi

Und was haben Ihre Behauptungen mit dem hier von Prof. Müller vorgegebenen Thema - Entscheidung des BGH - zu tun?

Ich verstehe wirklich nicht, was Sie überhaupt sagen wollen.

 

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Gast schrieb:

@ Rudolphi

Und was haben Ihre Behauptungen mit dem hier von Prof. Müller vorgegebenen Thema - Entscheidung des BGH - zu tun?

Ich verstehe wirklich nicht, was Sie überhaupt sagen wollen.

 

Die Entscheidung des BGH paßt ja in das doch mit inneren Widersprüchen behaftete System der ganzen Justiz, auch und gerade in puncto der §§ 20 und 63 StGB. Wer sich schon auf so viele unklare Begriffe abstützt, wie die Justiz, der kann doch keine Klarheit generieren.

Wenn Sie das bisher aber noch nicht verstanden haben, verehrter Kommenator "Gast", wer hat dann ein Problem?

@ I.S.

Dann stellt sich aber schon die Frage, ob der Angeklagte überhaupt gegen das Urteil vorgehen wird. Ich brauche keine Ausnahme für etwas formulieren, was in der Praxis nicht vorkommt.

Ich stimme Ihnen zu, weise aber darauf hin, daß Sie selbst mit Ihrem Vorschlag eine recht weitreichende Ausnahme für einen in der Praxis fast nicht vorkommenden Fall formulieren möchten, nämlich, daß der freigesprochene Angeklagte gegen seinen Freispruch vorgehen möchte.

Zunächst kann man sich fragen, ob es noch eine Ehrverletzung ist, wenn da steht, er habe jemanden in Notwehr verprügelt.
... Überspitzt gesagt: Was auch immer derjenige gemacht hat - er durfte es.

Für den Fall, den der Angeklagte behauptet - es gab gar keine Prügelei - sehe ich keinen Unterschied. Ein Pazifist mag sich auch in dieser Behauptung beschwert sehen.
Objektiv gesehen macht es wegen der "Dreieinigkeit" jedenfalls keinen Unterschied, in beiden Fällen gibt es Freispruch.

... Gründe für die fehlende Schuld einen negativen Eindruck machen, die dann zu einem berechtigten Interesse führen können, diese "Ehrverletzung" überprüfen zu lassen.

Ich verstehe, was Sie in Abgrenzung zu Notwehr meinen, aber das Argument eines "negativen Eindrucks" der Gründe für das Fehlen einer Schuld ist dasselbe wie "schlicht unangenehme Aussagen" in Bezug auf den Tatbestand, das der BGH in RN 24 zurecht ablehnte.

Würde man aus dem gleichen Grund hinnehmen müssen, aus dem man auch die Wiederaufnahme erlaubt, obwohl eine Bestrafung ausscheidet. Gelegentlich hat so eine "Überprüfung" im Strafverfahren eben auch das Ziel, die Ehre des Angeklagten wiederherzustellen.

Das halte ich für sachlich falsch.
Die Wiederaufnahme ("zugunsten"!) erfordert sogar mehr noch als eine Revision bestimmte Bedingungen, die in § 359 StGB festgelegt sind. Eine "Ehrverletzung" gehört ganz offensichtlich nicht dazu.

5

Verzeihung: § 359 StPO, da hat mir die Autokorrektur einen Streich gespielt.

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RSponsel schrieb:
Beispiel: Nicht ausschließbar_§ =def ein Sachverhalt, der möglich, wenn auch nicht wahrscheinlich ist; er könnte der Fall sein.

Wie ich bereits schrieb:

Quote:
"Nicht ausschließbar/ausschließen" wird dadurch nicht zum Rechtsbegriff, weil es keine gegenüber dem allgemeinen Sprachgebrauch abweichende juristische Bedeutung erhält.

Welch Erkenntnisgewinn!

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@Sponsel_Q

So ein Unsinn! Wer kommt denn auf einen derartig abwegigen Gedanken? Das kann kein einigermaßen Mensch mehr lesen und verstehen. Von Sprache, Literatur, Stil und Sprachgefühl haben Sie wohl noch nie etwas gehört? Wörtern, die Unsinn oder Quatsch sind, kann man übrigens ein_U oder ein _Q anhängen.

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@ Dr. Sponsel

Und in Ergänzung zu #28 verweise ich darauf, dass Sie explizit nach der Definition von "Rechtsbegriff" gefragt haben und nicht nur nach "nicht ausschließlich/ausschließbar".

RSponsel schrieb:
Ich wollte von einem promovierten Juristen nur wissen (#9), woran man einen Rechtsbegriff im Unterschied zu anderen erkennt?
Zu dem (Un)Sinn siehe #23.

3

Wie kann man Rechtsbegriffe definieren?

Ein Ausflug zu Beispielen aus dem Waffenrecht mit einigen Begriffsbestimmungen zu Messern (hat natürlich auch nichts mit dem BGH und GM zu tun):

Waffengesetz (WaffG)
Anlage 1 (zu § 1 Abs. 4)
Begriffsbestimmungen

Zitat:

Tragbare Gegenstände im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe b sind
2.1
Messer,
2.1.1
deren Klingen auf Knopf- oder Hebeldruck hervorschnellen und hierdurch oder beim Loslassen der Sperrvorrichtung festgestellt werden können (Springmesser),
2.1.2
deren Klingen beim Lösen einer Sperrvorrichtung durch ihre Schwerkraft oder durch eine Schleuderbewegung aus dem Griff hervorschnellen und selbsttätig oder beim Loslassen der Sperrvorrichtung festgestellt werden (Fallmesser),
2.1.3
mit einem quer zur feststehenden oder feststellbaren Klinge verlaufenden Griff, die bestimmungsgemäß in der geschlossenen Faust geführt oder eingesetzt werden (Faustmesser),
2.1.4
Faltmesser mit zweigeteilten, schwenkbaren Griffen (Butterflymesser),

 

So werden diese Messer (gefettet) mit Begriffsbestimmungen im WaffG definiert.

Es geht also prinzipiell, auch juristische Begriffe über Begriffsbestimmungen zu definieren, wenn der Gesetzgeber es nur will.

q.e.d.

(Wie gesagt, hat nichts mit dem BGH und GM zu tun, aber mit einigen der inzwischen ja ausufernden Diskussionen hier, die sich im Kreise drehen.)

 

Ergänzung zu #33: Wahn ist ja auch ein Wort der Allgemeinsprache. Ich kann genausowenig genau abstrakt definieren, ob jetzt Wahn allgemein verwendet wird oder als psycho(patho)logischer Fachbegriff wie ich genau abstrakt definieren könnte, ob Zweifel jetzt gerade Zweifel im juristischen i.d.p.r. Sinne meint oder das Allgemeinverständnis von i.d.p.r.

5

Diese Begriffsklauberei ist m.E. längst ausgereizt und lenkt gegenwärtig nur noch von substanziellen Fragen ab.

Z.B. auf meinen umfassenden Kommentar # 9 über die positivistische psychiatrische  Stellungnahme von Prof. Nedopil

und das dadurch entstandene Fehlurteil wurde nicht eingegangen und  offensichtlich hat auch "Gast" keine Argumente.

Aus meinem Kommentar die entscheidenden Aussagen:

Das gesamte Verhalten von Gustl Mollath ist menschlich, empathisch nachvollziehbar und kann deswegen nicht pathologisiert werden.

Wenn bestimmte Eigenschaften von G.M. ungewöhnlich sind, entsprechen sie seiner ungewöhnlichen und außergewöhnlichen Persönlichkeits- und Charakterstruktur. Die sehr komplexe und ausdifferenzierte Charakterstruktur von G.M. auch im Zusammenhang mit seinen ethischen, gesellschaftlichen Werten mag zwar für viele Menschen eigensinnig und problematisch erscheinen. Ein komplexer, von vielen Menschen als schwieriger Charakter empfunden zu werden, rechtfertigt keineswegs die Diagnose einer nicht ausschließbaren seelischen Abartigkeit. Zu diesem Mißbrauch hat u.a. die immense Ausweitung der psychiatrischen Diagnosen geführt, wie Dr. Weinberger seit langer Zeit publik gemacht hat.

Auch nicht der ungewöhnliche Anspruch von G.M. gesellschaftlich Postives bewirken zu können. Die Wirkung durch G.M. hat sich tatsächlich bewahrheitet: durch sein couragiertes, konsequentes Verhalten hat er entscheidend dazu beigetragen, dass die Mißstände im Dunklen Ort des Rechts an das Licht der Öffentlichkeit gekommen sind und Reformen angestoßen wurden. Sein Verhalten in den Ausnahmesituation Forensik und auch vor dem WA-Gericht beweist, dass er sehr autonom eine ausgeprägte Selbstdisziplin und somit auch Steuerungsfähigkeit besitzt.

Die völlig einseitige, noch dazu retrospektive, nicht neutrale, psychiatrische Stellungnahme und die positivistische Urteilsbegründung lassen offensichtlich jegliches mitmenschliche, psychologisch postives Einfühlungsvermögen und Empathie vermissen, lässt selber lebensnahe und menschliche, psychologische Zusammenhänge außer Acht. Dem betroffenen G.M. wird zum zweiten Mal eine untaugliche psychiatrische Diagnosetheorie und häßliche Diagnose übergestülpt und alle Tatsachen ignoriert, die gegen diese Hypothese und Diagose sprechen.

 

5

Warum sollen nicht mehrere Themenstränge nebeneinander laufen?

Menschenrechtler schrieb:

Diese Begriffsklauberei ist m.E. längst ausgereizt und lenkt gegenwärtig nur noch von substanziellen Fragen ab.

Ich denke, da ist so gut wie gar nichts geklärt.

Menschenrechtler schrieb:

Z.B. auf meinen umfassenden Kommentar # 9 über die positivistische psychiatrische  Stellungnahme von Prof. Nedopil und das dadurch entstandene Fehlurteil wurde nicht eingegangen und  offensichtlich hat auch "Gast" keine Argumente.

Ich bin oben darauf eingegangen (12,#22): Nicht ausschließbar bei Prof. Nedopil

Menschenrechtler schrieb:

Aus meinem Kommentar die entscheidenden Aussagen:

Das gesamte Verhalten von Gustl Mollath ist menschlich, empathisch nachvollziehbar und kann deswegen nicht pathologisiert werden.

Diese Regel ist in der Psychologie und Psychopathologie unbekannt. Aber die abenteuerliche Herleitung nicht ausschließbaren Wahnes der Mollath-Gutachter ist natürlich nicht nur hanebüchen, sondern auch wissenschaftlich und berufsethisch verwerflich.

Es ging übrigens um gefähliche Körperverltzung, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung. Das musste geklärt werden, auch wenn Mollath anderes vorrangig klären wollte. Dass es nicht optimal lief, hat mit Dr. B's Folklore Entgleisung und Mollaths Aussageverhalten am Schluss zu tun. Die Schlussfolgerungen des Gerichts aus Letzerem halte ich für nicht tragbar. Ich will aber zugeben: Mollath hatte eine Riesenchance, aber er hat sie vielleicht nicht gesehen, nicht "richtig" sehen wollen und Präferenzen gesetzt, mit denen er sich nicht durchsetzen konnte. Erfahrungen, die wir wohl alle mehr oder wenigen kennen.

Menschenrechtler schrieb:

Z.B. auf meinen umfassenden Kommentar # 9 über die positivistische psychiatrische  Stellungnahme von Prof. Nedopil und das dadurch entstandene Fehlurteil wurde nicht eingegangen ...

Menschenrechtler schrieb:

Aus meinem Kommentar die entscheidenden Aussagen:

Das gesamte Verhalten von Gustl Mollath ist menschlich, empathisch nachvollziehbar und kann deswegen nicht pathologisiert werden.

Diese Regel ist in der Psychologie und Psychopathologie unbekannt. Aber die abenteuerliche Herleitung nicht ausschließbaren Wahnes der Mollath-Gutachter ist natürlich nicht nur hanebüchen, sondern auch wissenschaftlich und berufsethisch verwerflich.

Sehr geehrter Herr Dr. Sponsel, danke für Ihr Eingehen. Mit der o.g. Aussage: "Das gesamte Verhalten von G.M. ist menschlich, empathisch nachvollziehbar und kann deswegen nicht pathologisiert werden." wollte ich zum Ausdruck bringen, dass keine wahnhaften Inhalten im "normalen"  nachvollziehbaren Verhalten von G.M. zu erkennen war. Wie Sie ausführen ist die Herleitung der  "nicht aussschließbaren seelische Abartigkeit" (und die daraus folgende Schuldunfähigkeit) auch vom wissenschaftlichen und auch berufsethischen Standpunkt verwerflich.

5

Nachtrag: Es wird ja unterschieden zwischen strafunmündigen Kindern bis 14 und Jugendlichen bis 18 und Heranwachsenden bis 21 im Gesetz.

Alle darüber sind Erwachsene. Wenige Tage eines Lebens ziehen da jetzt u.U. ganz erhebliche Rechtsfolgen nach sich, was ja auch einen gewissen Willkürcharakter hat.

Einem positiven Reifeprozeß mit diesen (willkürlichen) Eckdaten müßte aber logischer Weise auch ein negativer gegenüber gestellt werden, was mir aber als kaum praktikabel erscheint.

Die von mir so bezeichnete "Schwammigkeit" bezog sich auch auf diese willkürlichen Festsetzungen, die ja jederzeit vom Gesetzgeber den Realitäten angepaßt werden könnten bei der statistischen Reifeentwicklung der Menschen.

2

Sehr geehrte Kommentatoren,

1.

Die Begriffsdebatte führt m.E. wirklich vom Kern der Diskussion fort. Es stimmt ja, dass es die Rechstwissenschaft mit vielen unklaren, schwammigen und  streitigen Begriffen zu tun hat - jedenfalls im Unterschied zur Mathematik. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: die Jurisprudenz bemüht sich, Konflikte zwischen Menschen im realen Alltag zu regeln, sie ist kulturabhängig, geschichtsabhängig und politikabhängig. Der Alltag der Menschen birgt eine unendlcihe Vielzahl von Möglichkeiten, Abweichungen etc. Die Jurisprudenz insgesamt bemüht sich, diese unendliche Vielzahl von Möglichkeiten tendenziell zu abstrahieren und dadurch zu reduzieren auf entscheidungsfähige Sachverhalte, damit man Regeln anwenden kann. Die Schwammigkeit, Unklarkheit und Streitigkeit der entwickelten Begriffe liegt an der Funktion der Jurisprudenz.  Einige hier tun so, als sei es ein von den Juristen gehütetes Geheimnis, dass ihre Begriffe unklar seien. Das ist nun aber wirklich nicht der Fall. Gerade darum (nämlich, ob die gefundenen Begriffe klar sind oder zu schwammig etc.) wird sehr häufig gestritten in der Rechtswissenschaft, manchmal könnte man meinen, es sei die Hauptarbeit der Rechtswissenschaft, an ihren Begriffen zu feilen. Der Rechtsanwender (Richter etc.) will natürlich möglichst klare unanfechtbare Begriffe haben, damit seine Entscheidung auch "hält"; deswegen behaupten die Urteilsverfasser natürlich auch gern, dass etwas "ganz klar" oder unzweifelhaft so oder so sei, bzw. es wird mit großem Aufwand begründet, warum die Tenorbeschwer auch im Fall G.M. "hält". Man kann es  aber nicht der Rechtswissenschaft oder gar allen Juristen vorwerfen, dass Entscheidungen nicht mittels Trigonometrie zu treffen sind.  Die Mathematik kann im von vornherein abstraktesten  Raum theoretisieren, muss sich mit keinem Alltagskonflikt zwischen Menschen  befassen und hat es daher insofern leicht, klare Begriffe zu formulieren. Und auch wenn die Informatik in der Lage ist, klare Begriffe zu formulieren (glaube ich sofort), dann tut sich die praktische Informatik (ebenso wie die Justiz) manchmal schwer damit, meine Alltagsprobleme mit Computern zu lösen bzw. handhabbar zu machen (Hand hoch, wer nicht davon ein Lied singen kann). Ein kurze Antwort an Herrn Sponsel: Sie bringen folgendes Beispiel:

Wahn_psypath =def liegt vor, wenn mit rational unkorrigierbarer (Logik, Erfahrung) Gewissheit ein falsches Modell der Wirklichkeit oder ein falscher Erkenntnisweg zu einem richtigen oder falschen Modell der Wirklichkeit vertreten wird.    Beispiel falsches Modell der Wirklichkeit: Ein Passant gähnt und das deutet ein fränkischer Proband als Zeichen Horst Seehofers, worauf er in die Knie geht und laut ruft: „Allmächd, Allmächd“. Muss man so jemanden einsperren? Natürlich nicht.

Wahn führt ohnehin nicht zu einer Einsperrung nach § 63 StGB, sondern nur dann, wenn eine Straftat der Person festgestellt wird (im Beispiel: der gähnende Passant wird umgebracht)  UND der Wahn diese Tat veranlasst hat (im Beispiel mit Hilfe von Sachverständigen zu klären, es genügt aber nicht Nichtausschließbarkeit) UND der Wahn dazu führt, dass die Person künftig gefährlich ist (Prognose mit Hilfe des Sachverständigen). Was ich sagen will: Einerseits bis zu den Anführungsstrichen penibel auf Begriffe zu setzen, andererseits eine gewisse Lässigkeit zu den Voraussetzungen einer Unterbringung an den Tag zu legen, das passt nicht gut zusammen. Aus anderen Ihrer Ausführungen schließe ich, dass Sie zwischen Rechtswissenschaft und Rechtspraxis nicht unterscheiden (wollen?), m. E. eine Fehlvorstellung.

 

2.

Zu Schuldfähigkeit und Alter: Es ist ja richtig, dass Schuld und Schuldfähigkeit komplexe und teilweise unklare Grundbegriffe des Strafrechts sind - bessere und gerechtere Vorschläge sind willkommen.  Aber diese Unklarheit ist teils eben auch der Komplexität der Wirklichkeit "geschuldet" (Vorsicht Ironie). Die Altersgrenzen in StGB und JGG versuchen genau das, was ich oben andeutete: In der sehr komplexen Welt einige klare Grenzen einzufügen. Der Gesetzgeber regelt zunächst, dass es unter 14 gar keine Strafmündigkeit gibt (gemeint ist im Kern fehlende Schuldfähigkeit unter 14), obwohl natürlich mit einem empirischen Maßstab viele 13 jährige schon genauso schuldfähig sind wie andere mit 15. Von 14 bis 17 (Jugend) muss zur Annahme des Alters ZUSÄTZLICH  positiv die Verantwortungsreife (im Kern nichts anderes als Schuldfähigkeit) festgestellt werden (vgl. § 3 JGG, das wird oft nicht verstanden/übersehen), ab 18 gilt dann eine Vermutung der Schuldfähigkeit, die aber durch Anhaltspunkte für Schuldunfähigkeit, die auf den Kriterien des § 20 beruht, widerlegt werden kann. Das ist immerhin ein leidlich gut funktionierendes Regel-/Ausnahmesystem (nicht mehr so gut passt es, wenn es keine taggenauen Geburtsurkunden gibt). Aber ich wäre natürlich offen für bessere Vorschläge. An I.S.: § 17 und § 35 StGB haben mit der Schuld, nicht aber mit der Schuldfähigkeit zu tun.

 

3.

Zur Schuldfähigkeit im Fall Mollath: "Menschenrechtler" ist hier jedenfalls näher dran an der entscheidenden Problematik als die Begriffshuber, nämlich bei der Frage, ob das Verhalten von G.M., das verschiedentlich beobachtet wurde, Anlass geben durfte, seine Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt in Frage zu stellen. Das LG Regensburg hat dies bejaht und unter Bezugnahme auf das Gutachten Nedopils begründet. Der BGH hat nicht dazu Stellung genommen, weil die Revision nicht zugelassen wurde. (Man kann aus dem obiter dictum entnehmen, dass der BGH wohl eher derselben Ansicht war wie das LG, jedenfalls auf den ersten Blick wohl  keine Denkgesetzverstöße in der Würdigung erkannt hat). Aber die Kritik daran wird von mir geteilt.

 

4.

Zur Beschwer: Meines Erachtens sollte es grds. eine die Rechtsmittelzulässigkeit begründende Beschwer darstellen, wenn im freisprechenden Urteil eine rechtswidrige Tat des Angeklagten festgestellt wurde. Während Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit nur aufbautechnische Kategorien desselben Unrechts sind, ist die Schuldfrage eine davon deutlich getrennte.

 

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

 

Zur Problematik der Rechtsbegriffe im Beziehungsfeld Recht/Psycho/SV

Rechtsbegriffe sind nur deshalb für die forensisch-psychologisch-psychopatholgische Arbeit praktisch bedeutsam, weil Juristen - verständlicherweise - beanspruchen, die Beurteilungsgewalt über Rechtsbegriffe zu haben. Über Rechtsbegriffe entscheiden JuristInnen, nicht Psycholog-, Psychiater- oder MedizinerInnen. Psycholog-, Psychiater- und MedizinerInnen sollten daher wissen, ob sie für den Begriffsinhalt eines Wortes zuständig sind oder nicht. Daraus ergibt sich zwingend die Frage, wie man den Worten denn entnehmen kann, ob sie als Rechtsbegriff, als Allgemeinbegriff oder als Fachbegriff zu verstehen sind. Schuldfähigkeit hat z.B. mindestens ein halbes Dutzend Bedeutungen: im (1) Alltag, in der (2) Bildungssprache, (3) literarisch, in (4) Psychologie, (5) Psychiatrie, (6) Soziologie, (7) Theologie, (8) Philosophie/Ethik und (9) im Recht ...

Wenn ein Gericht oder eine StA von einem Sachverständigen ein "Schuldfähigkeitsgutachten" verlangt - solche unklaren Beweisfragen werden ständig auf den Weg gebracht -  so stellt sich die Frage, was "Schuldfähigkeit" in diesem Kontext bedeutet? Ich neige zu einer antinomischen Antwort: Schuldfähigkeit bedeutet in diesem Kontalt einen Rechtsbegriff, darf aber keinen bedeuten. Streng grammatikalisch verlangt die StA vom Sachverständigen mit dieser Formulierung, dass er die Arbeit des Gerichts verrichtet. Tut er das aber, kann er eine auf den Deckel bekommen. Gemeint ist idealiter, dass der Sachverständige die psychologisch-psychopathologischen Entsprechungen der Schuldfähigkeit_§ erforschen soll. Doch weder ist klar, was Schuldfähigkeit_§ bedeutet noch die Entsprechungen Schuldfähigkeit_psy/psypath

Ich denke, wir brauchen hier eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe wie seinerzeit die des BGH zur Formulierung der Mindestanforderungen an Schuldfähigkeitsgutachten, damit der Sumpf mal trocken gelegt wird.

Dieser unhaltbare und wirre Zustand wurde vom Vorsitzenden des Hartmannbundes Dr. Klaus Reinhardt am Beispiel Einwilligungsfähigkeit im Ärzteblatt scharf kritisiert mit den Worten: "'Bei der vermeintlich so einfachen Bestimmung der Einwilligungsfähigkeit des Patienten treten in der täglichen Praxis Tausende Grenzfälle auf', sagte der HB-Vorsitzende. Es sei inkonsequent und inakzeptabel, Ärzte aufzufordern, die Einwilligungsfähigkeit der Patienten zu bestimmen, ihnen aber als Grundlage dafür nur schwammige Rechtsbegriffe an die Hand zu geben." [Original DÄB 23.7.2012] Sekundär-Quelle: psychiatrienogo am August 1, 2012 in Zwang und Gewalt]

Ich verstehe im Grunde nicht, weshalb sich Recht und Rechtswissenschaft so anstellen, für ordentliche terminologische Verhältnisse zu sorgen. Das führt nämlich genau dazu, dass solch allgemeine, wissenschaftliche  und berufsethische Entgleisungen wie Fall Mollath und vielfach mehr zustrande kommen.

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