Fall Mollath - BGH verwirft Revision

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 09.12.2015

Mit seiner heute bekannt gemachten Entscheidung hat der 1. Senat des BGH die von Gustl Mollath gegen das Urteil des LG Regensburg vom 14. August 2014 eingelegte Revision verworfen, Pressemitteilung.

Die Entscheidung wurde sogleich mit Begründung im Wortlaut veröffentlicht.

Die Ausführlichkeit der Begründung und deren sofortige Veröffentlichung stehen im erstaunlichen Kontrast zur erstmaligen Revision des BGH im Fall Mollath, bei der ein außerordentlich fehlerhaftes und problematisches Urteil des LG Nürnberg-Fürth vom selben Senat einfach ohne nähere Begründung zur Rechtskraft „durchgewunken“ wurde. Immerhin scheint auch der BGH insofern aus dem Fall Mollath „gelernt“ zu haben. Zunächst nur ein kurzer Kommentar, den ich je nach Diskussionsverlauf möglicherweise in den nächsten Tagen ggf. noch ergänzen werde:

Wie ich schon zuvor verschiedentlich geäußert haben, war tatsächlich kaum damit zu rechnen, dass der BGH seine grundsätzliche Linie, der Tenor eines Urteils selbst müsse eine Beschwer enthalten, damit zulässig Revision eingelegt werden kann, gerade bei diesem Fall ändert. Dennoch gab es natürlich auch bei mir die leise Hoffnung, der BGH werde sich mit den sachlichen Einwänden gegen das Urteil, die auch ich noch hatte, auseinandersetzen.

Immerhin kann man den Beschluss angesichts der ausführlichen Begründung nun auch juristisch nachvollziehen, selbst wenn man ihm im Ergebnis nicht zustimmt. Es findet insbesondere auch eine Auseinandersetzung mit dem auch hier im Beck-Blog diskutierten vom EGMR entschiedenen Fall Cleve ./. Deutschland statt: Dort war der EGMR von der Tenorbeschwer abgewichen. Der BGH meint nun, das Urteil im Fall Mollath sei mit Cleve ./. Deutschland nicht vergleichbar, weil im Mollath-Urteil anders als im Cleve-Fall kein direkter Widerspruch zwischen Tenor und  Begründung festzustellen sei.

Enttäuscht bin ich vom letzten Satz der Begründung des Beschlusses, der konstatiert, die Revision sei ohnehin unbegründet gewesen. Dieser Satz ist völlig verzichtbar und gibt dem Leser Steine statt Brot.

Abgesehen von der  Kritik am Urteil des LG Regensburg möchte ich aber noch einmal darauf hinweisen: Der gesamte Fall in seiner Entwicklung und Dynamik ist ein aus Sicht des Dezember 2012 riesiger persönlicher Erfolg für Herrn Mollath und ist auch in seiner langfristigen Wirkung auf die (bayerische) Justiz und den Maßregelvollzug nicht zu unterschätzen.. Das sollte man – bei aller Enttäuschung über die heutige Entscheidung des BGH – nicht vergessen.

Update (14.12.2015): Eine eingehendere sehr kritische Analyse hat nun Oliver Garcia im delegibus-Blog veröffentlicht.

Update 3.3.2016: Die Kommentarspalte ist nach mehr als tausend Beiträgen geschlossen.

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1041 Kommentare

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Bei dieser doch m.E. inzwischen sehr festgefahrenen Debatte fällt mir als einem Nichtjuristen auf, daß einerseits angemerkt wird, Herr Mollath sei durch das Urteil in der Wiederaufnahme und durch die Verwerfung seiner Revision weiter beschwert, andererseits hat er aber doch gerade auch vom Verschlechterungsverbot profitiert und er ist entschädigt worden für seine Zeit der rechtswidrigen Unterbringung. Aus diesen  Sachverhalten zusammengenommen erscheint mir eine Erwartung, Herr Mollath hätte auch mit der Körperverletzung seiner Ehefrau überhaupt nichts zu tun gehabt, der diesbezügliche Vorwurf wäre also völlig aus der Luft gegriffen und Teil einer groß angelegten Verschwörung gegen ihn, reichlich konstruiert. Jedenfalls hat er er ja im Prozeß in Regensburg keinerlei Aussagen dazu gemacht. Zu diesem Ehestreit im Hause Mollath und diesem Punkt haben jedenfalls plausible Erklärungen von ihm doch gefehlt, dafür verurteilt konnte er aber nicht mehr werden. Die Richterin hatte selbstverständlich danach gefragt, Einlassungen dazu von Herrn Mollath fehlten. Auch darum ging es doch m.E. in beiden Prozessen, um Aufklärung auch noch dieser Angelegenheit der Körperverletzung der Frau Mollath. Oder irre ich mich da? Jedenfalls wäre ich dankbar für eine kompetente Stellungnahme dazu.

Günter Rudolphi schrieb:

Bei dieser doch m.E. inzwischen sehr festgefahrenen Debatte fällt mir als einem Nichtjuristen auf, daß einerseits angemerkt wird, Herr Mollath sei durch das Urteil in der Wiederaufnahme und durch die Verwerfung seiner Revision weiter beschwert, andererseits hat er aber doch gerade auch vom Verschlechterungsverbot profitiert und er ist entschädigt worden für seine Zeit der rechtswidrigen Unterbringung. Aus diesen  Sachverhalten zusammengenommen erscheint mir eine Erwartung, Herr Mollath hätte auch mit der Körperverletzung seiner Ehefrau überhaupt nichts zu tun gehabt, der diesbezügliche Vorwurf wäre also völlig aus der Luft gegriffen und Teil einer groß angelegten Verschwörung gegen ihn, reichlich konstruiert. Jedenfalls hat er er ja im Prozeß in Regensburg keinerlei Aussagen dazu gemacht. Zu diesem Ehestreit im Hause Mollath und diesem Punkt haben jedenfalls plausible Erklärungen von ihm doch gefehlt, dafür verurteilt konnte er aber nicht mehr werden. Die Richterin hatte selbstverständlich danach gefragt, Einlassungen dazu von Herrn Mollath fehlten. Auch darum ging es doch m.E. in beiden Prozessen, um Aufklärung auch noch dieser Angelegenheit der Körperverletzung der Frau Mollath. Oder irre ich mich da? Jedenfalls wäre ich dankbar für eine kompetente Stellungnahme dazu.

Ich glaube die überwiegende Juristenmeinung hier hat ein Problem mit der gefährlichen Körperverletzung und nicht mit der einfachen Körperverletzung.

Für die einfache Körperverletzung reicht die Aussage Mollaths. Bei der gefährlichen KV braucht man weitere Punkte die hinzukommen was die Verletzungen betrifft um zu einem Nachweis zu kommen. Zum einen die Aussage der Ehefrau, die nicht noch einmal vernommen wurde. Allerdings konnte, nach BGH korrekt, die Aussage im früheren Verfahren verwendet werden. Insoweit kann aber bezweifelt werden, ob das mit der EMRK vereinbar ist. Dann ist da noch das Attest, das es jedenfalls mit zwei verschiedenen Daten gibt und wo nicht klar ist, ob es zum Zeitpunkt der Ersterstellung überhaupt ein EDV System gab und wenn ja wie dieses ausgesehen hat. Die nach vielen Jahren verständlicherweise nicht mehr ganz präsenten Aussagen von Arzt und Arzthelferin tun ihr übriges.

Letztlich muss ja nicht Herr Mollath eine plausible Erklärung liefern, sondern das Gericht die Tat nachweisen.

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BVerfG schrieb:

Auch wenn bei der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB im Einzelfall der Besserungszweck als Nebenzweck gegenüber dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit nachrangig sein oder verblassen kann, kann ihm doch nicht jede Erheblichkeit abgesprochen werden (vgl. BVerfGE 70, 297 <316, 318>; BVerfGK 2, 55 <63>).

https://www.bverfg.de/e/rk20130705_2bvr078913.html#abs25

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@ Rudolphi

andererseits hat er aber doch gerade auch vom Verschlechterungsverbot profitiert

Das ist eben NICHT der Grund für seinen Freispruch.

Ich möchte Ihnen nahelegen, sich zunächst mit dem Urteil des LG Regensburg und dann mit der BGH-Entscheidung zu befassen, bevor Sie hier bereits lange diskutiertes Öl ins Feuer schütten, was ich im Lichte der sich doch hin und wieder fortentwickelnden Diskussion für sehr kontraproduktiv halte.

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Gast schrieb:

Das ist eben NICHT der Grund für seinen Freispruch.

Das war mir ja bereits bekannt, auch mit den Entscheidungen hatte ich mich beschäftigt, das ändert aber nichts daran, daß G.M. erneut nur freigesprochen werden konnte, was auch er, so wie ein jeder anderer, doch wußte. Aber sich an der Sachaufklärung beim angesprochenen Punkt in Regensburg zu beteiligen, das hätte ihn ein Stück weit glaubwürdiger gemacht und auch das wäre ein weiterer Pluspunkt für ihn noch gewesen.

Aber nun erledigt, nicht mehr nachzuholen, andere Betroffene in ähnlichen Fällen können es vielleicht in Zukunft besser machen und daraus lernen, alleine nur darum ging es mir (als Teil einer Fehleranalyse), Selbstkritik ist ja nie verkehrt, deshalb belasse ich es auch nun dabei wegen Ihrer anderen Kritik ("Öl ins Feuer schütten").

 

@ Gast #48

 

Bitte lassen Sie uns hierüber nicht streiten (ich hätte andere Fundstellen), ich habe Ihnen doch generell zugestimmt!

Fakt ist - das ist mir viel wichtiger -, daß die Entscheidung über § 63 im § 20 liegt, und genau dasselbe Problem haben wir bei der Zulässigkeit der Revision, um die es hier geht, nun wieder!

So lange eine im Sinne des § 20 positive oder i.d.p.r. Entscheidung gegen den Willen des Angeklagten gefällt wird, ist sie nicht "positiv" für ihn, sondern eine Zwangsmaßnahme. DAS ist der zentrale Punkt!

 

 

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Gast schrieb:

Fakt ist - das ist mir viel wichtiger -, daß die Entscheidung über § 63 im § 20 liegt, und genau dasselbe Problem haben wir bei der Zulässigkeit der Revision, um die es hier geht, nun wieder!

So lange eine im Sinne des § 20 positive oder i.d.p.r. Entscheidung gegen den Willen des Angeklagten gefällt wird, ist sie nicht "positiv" für ihn, sondern eine Zwangsmaßnahme. DAS ist der zentrale Punkt!

Mit einem i.d.p.r. 20er kommen Sie nie in den § 63 StGB. Wo soll das "nicht positiv" sein gegenüber der Verurteilung?

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Genau

Gast schrieb:

So lange eine im Sinne des § 20 positive oder i.d.p.r. Entscheidung gegen den Willen des Angeklagten gefällt wird, ist sie nicht "positiv" für ihn, sondern eine Zwangsmaßnahme. DAS ist der zentrale Punkt!

@ Gast #2

Mit einem i.d.p.r. 20er kommen Sie nie in den § 63 StGB.

Richtig, habe ich auch nicht behauptet. Positiv beschieden, ist er aber Grundlage des § 63, den auch Sie kritisieren.

Was soll jetzt die Haarspalterei?

Wo soll das "nicht positiv" sein gegenüber der Verurteilung?

Die nicht vorhandene Revisionsmöglichkeit - das ist doch spätestens in der Diskussion hier klar geworden, oder Ihnen noch immer nicht??

 

Mit Zustimmung des Angeklagten sähe ich da kein Problem, hier verhält es sich aber anders:

Nachdem offenbar wurde, daß Mollath damals zu Unrecht weggesperrt wurde, arbeitet man sich am 63er ab - schonmal ein Erfolg...

Nun aber offenbart sich doch das eigentliche Grundproblem, indem schon wieder und aus dem gleichen Grund, dem 20er, aus Sicht vieler Unrecht geschieht, (wohl) positiv Gemeintes negativ wirkt.

 

Und wenn Sie es gerne überspitzt hätten:

In Kenntnis der Zustände in den forensischen Kliniken ist es einem Angeklagten inzwischen nicht mehr zu verdenken, eine Verurteilung tatsächlich als positiver zu erachten als ein 63er - SO ist die Realität!

Daß das alles mal anders gedacht war, ist ja möglich, sogar wahrscheinlich, nur: Die Verhältnisse ändern sich - durch Lobbyismus z.B.

Gesetze werden letztlich von uns Bürgern gemacht, Schuld ist nicht die Justiz!

Als Bürger müssen wir verstehen, wo das Problem liegt, um die Verhältnisse demokratisch zu ändern.

 

Was sich in dieser BGH-Entscheidung zeigt, ist aus meiner Sicht, daß das Problem darin liegt, daß der Gesetzgeber meint, er schütze jemand, der eine strafbewehrte Tat ausführt, indem behauptet wird, derjenige sei psychisch krank.

 

Wir haben hier schon zwei mögliche Folgen, beide am "Fall Mollath", beide auf Basis des § 20 StGB, die belegen, daß der intendierte Schutzzweck so nicht greift - nämlich dann, wenn der Angeklagte gar nicht "geschützt" werden will, was sein MENSCHENRECHT ist, auf "Schutz" zu verzichten!:

1. Wegsperren nach § 63 und damit einhergehender Umkehr der Beweislast der Gefährlichkeit

2. Keine Revisionsmöglichkeit bezüglich der (angeblich) zu Grunde liegenden Tat nach Freispruch wg. § 20

 

 

 

 

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Quote:

Die nicht vorhandene Revisionsmöglichkeit - das ist doch spätestens in der Diskussion hier klar geworden, oder Ihnen noch immer nicht??

Wenn ich Ihnen analog antworten würde, würde das so aussehen: In Deutschland gilt aber nunmal der Untersuchungsgrundsatz, das sollte jedem hier nach der Diskussion klar sein, oder Ihnen etwa nicht????

Die Frage ist doch, wo das Problem ist. Ich sehe das darin, dass die Beschwer verneint wird.

Um mal das überspitzte Gegenbeispiel zu bringen:

Der Angeklagte entscheidet sich, fachmännisch gut beraten durch seinen Pflichtverteidiger und (Vorsicht Ironie) im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte, nicht auf Schuldunfähigkeit zu plädieren. Dieser formal vollkommen psychisch gesunde Mensch wird dann formal vollkommen korrekt zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.

In Haft fängt er dann an, sich den Kopf an der Wand einzuschlagen. Aber da formal korrekt gerichtlich festgestellt wurde, dass derjenige nicht schuldunfähig war, braucht er keine psychische Betreuung. Er ist ja formal vollkommen gesund und haut sich wohl aus eigenem freien Willen den Kopf ein.

Das kann man mit so ziemlich jeder psychischen Krankheit durchspielen, es muss nicht immer so grafisch sein. Das Beispiel diente nur zur Illustration. Ist aber meines Wissens in den USA so ähnlich vorgekommen, wo das "Wegsperren und Schlüssel wegschmeißen" von psychisch kranken Menschen auch gute Sitte ist. Die Ausnahmesituation Gefängnis trägt aber zur psychischen Gesundheit eben wohl eher nicht positiv bei. Im deutschen System ist es sogar bei § 63 StGB wenigstens Nebenzweck. Der von i.d.p.r. § 20 StGB Betroffene ist wenigstens in Freiheit und kann da Hilfe suchen (oder er ist vollkommen gesund und braucht gar keine - auch gut).

Also m.E. ist das "formale" viel eher das Problem. Das wird dann als "Menschenrecht" verkauft, nur wirklich nutzen kann dieses "Menschenrecht" auf Dauer nur der, der einen guten Wahlverteidiger aufbieten kann.

Per Saldo erhält man weniger Menschenrecht als vorher, weil es allen beteiligten Behörden das Recht zum Wegschauen gibt.

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Ob das Gefängnis oder die Forensik die "bessere" Alternative für einen Delinquenten ist, auch das dürfte eine Geschmacksfrage sein und von den eigenen Ansprüchen an die weitere Lebensgestaltung abhängen.

Bei Anders Breivik gab es auch zwei Gutachten, auch vermutlich wegen des Drucks aus der Öffentlichkeit / Politik (welches Gericht kann sich denn völlig davon frei machen?), mit ganz unterschiedlichen Ergebnissen zur Schuldfähigkeit, er selber aber wollte schuldfähig sein, denn nur so rechtfertigt er ja seine monströsen Taten als bewußt und geplant ausgeführte Taten.

Hätte er aber von "inneren Stimmen" gesprochen, die ihm diese Taten nahegelegt oder gar befohlen hätten (auch als ein bewußtes Täuschungsmanöver), dann hätte es vermutlich keine zwei Möglichkeiten fur ihn gegeben.

Nach einiger Zeit hätte er das auch so bezeichnen können, daß er die Gutachter doch nur an der Nase herum geführt hatte, weil das Leben in der Forensik angenehmer als im Gefängnis wäre.

 

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Quote:

The movement to deinstitutionalize the mentally ill began from a place of humanity, but it hasn't ended there, at least not yet. The Treatment Advocacy Center report questions how much we've really learned about treating the mentally ill in the last 200 years, pointing out that people with mental illness were routinely confined in prisons and jails from 1770 to 1820. "Because this practice was regarded as inhumane and problematic, until 1970, such persons were routinely confined in hospitals. Since 1970, we have returned to the earlier practice of routinely confining such persons in prisons and jails."

https://www.washingtonpost.com/news/wonk/wp/2015/04/30/a-shocking-number...

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Mir ist die Provokation bewusst, aber trotzdem: ein Zahn sollte erneut gezogen werden. Jede Profession hat Grenzen ihrer Erkenntnisfähigkeit. Es gehört zur Professionalität diese Grenzen zu erkennen und einzugestehen. Kollateralschäden mögen in Ausnahmefällen hinnehmbar sein, aber nicht als Restwahrscheinlichkeit zu Ausnahmen vom Regelfall oder Inkaufnahme einer Fehldeutung bei unklarer Tatsachen- und Rechtslage. Im vorliegenden Fall gibt es ein Füllhorn dieser offensichtlichen Unpässlichkeit und gleichzeitiger Ignoranz gegenüber diesen Erkenntnisgrenzen. Der SV N. hätte die Begutachtung klar als unmöglich mitteilen und ggf. auf eine entsprechende Vergütung verzichten müssen. Der Arzt hätte eingestehen müssen, dass seine Arbeitsweise und Dokumentation nicht dazu geeignet war, um eine KV zu diagnostizieren und viele Jahre später dazu Zeugnis abzulegen. Auch damit wurde auf unangemessene Weise Honorar eingenommen und Sachverstand nur vorgegeben. Bereits daraus, aber auch aus vielen weiteren Sachverhalten, kann man die Unangemessenheit der Arbeitsweise fast aller beteiligten Richter ersehen. Auch diese waren und sind offensichtlich nicht bereit, die Grenzen ihrer Fähigkeiten einzugestehen und auf übergriffige Anmaßungen zu verzichten. Die Frage ist m.E. nur ob es sich bei diesen Grenzüberschreitungen allein um persönliches Versagen oder auch systematisches Versagen handelt. Vergleichbar ist dies mit der Behauptung eines Naturwissenschaftlers, er könne die Existenz oder Nichtexistenz von Gott beweisen. Der Wissenschaftler würde als Person versagen und seine "Beweisführung" die Grenzen der Erkenntnisfähigkeit verletzen. Kaffeesatzleserei hier wie dort. Es verstösst gegen Treu und Glauben mit solchem als Sachverstand deklariertem Glaubensbekenntnissen Vergütungen für wissenschaftlich fundierte Tätigkeit zu beanspruchen. 

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Lutz Lippke schrieb:

...... Jede Profession hat Grenzen ihrer Erkenntnisfähigkeit. Es gehört zur Professionalität diese Grenzen zu erkennen und einzugestehen. Kollateralschäden mögen in Ausnahmefällen hinnehmbar sein, aber nicht als Restwahrscheinlichkeit zu Ausnahmen vom Regelfall oder Inkaufnahme einer Fehldeutung bei unklarer Tatsachen- und Rechtslage. Im vorliegenden Fall gibt es ein Füllhorn dieser offensichtlichen Unpässlichkeit und gleichzeitiger Ignoranz gegenüber diesen Erkenntnisgrenzen. Der SV N. hätte die Begutachtung klar als unmöglich mitteilen und ggf. auf eine entsprechende Vergütung verzichten müssen. Der Arzt hätte eingestehen müssen, dass seine Arbeitsweise und Dokumentation nicht dazu geeignet war, um eine KV zu diagnostizieren und viele Jahre später dazu Zeugnis abzulegen.  Vergleichbar ist dies mit der Behauptung eines Naturwissenschaftlers, er könne die Existenz oder Nichtexistenz von Gott beweisen. Der Wissenschaftler würde als Person versagen und seine "Beweisführung" die Grenzen der Erkenntnisfähigkeit verletzen.

Diesen Ausführungen von Herrn Lutz Lippke kann ich nur zustimmen. Seine Gedanken  auf eine "Ethik" umgesetzt:

Den Anspruch über einen existenziell schwer betroffenen Menschen zu u r t e i l e n, insbesondere wenn es um die Psyche, die Seele eines Menschen geht, wird ein Seelenarzt, ein Richter nur gerecht, wenn und inwieweit sein "Ego" zurücktritt und durch selbstkritische "Bescheidenheit" und Empathie eingegrenzt ist. Im christlichen Glauben D e m u t  bezeichnet.

"Es gibt keine irdische Gerechtigkeit" meine Worte an Herrn Mollath  kurz vor der Urteilsverkündigung.

Es ist zu hoffen und Herrn Mollath zu wünschen, dass er wie bislang eine bewundernwerte Souveränität und Selbstbewußtsein gegenüber den ungerechten Entscheidungen aufbringt und  auch durch die Anwendung des § 20 StGB und die Nichtzulässigkeit der Revision erhaben ist.

Es geht  nicht darum destruktiv die Justiz undifferenziert mit Dreck zu bewerfen , sondern um eine kritisch gleichwohl konstruktive Kritik an den Entscheidungen der Gerichte im Fall Mollath und um eine größeres lebensnahes Bewußtheit von Recht und Gerechtigkeit (Rechtsbewußtsein).  Dem Rechtstaat und unserer Verfassung kommt gerade in der gegenwärtigen Krisenzeit eine herausragende Bedeutung zu.

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# Lutz Lippke, Waldemar Kolos, Prof. Müller

Lutz Lippke schrieb:

Jede Profession hat Grenzen ihrer Erkenntnisfähigkeit. Es gehört zur Professionalität diese Grenzen zu erkennen und einzugestehen.......

Im vorliegenden Fall gibt es ein F ü l l h o r n  dieser offensichtlichen Unpässlichkeit und gleichzeitiger Ignoranz gegenüber diesen Erkenntnisgrenzen.

Sehr geehrter Herr Lippke,

Sie sprechen im o.a. Kommentar von einem „F ü l l h o r n" ......

Der Komplex mit der fragwürdigen Belastung durch die KV ist weitgehend kritisch hinterfragt und reflektiert worden. Ich habe in zwei Kommentaren  versucht , diesen Bereich zusammenfassend darzustellen. Wäre es Ihnen möglich alle diffizilen juristischen Probleme, rechtlich zweifelhafte bzw. unhaltbare Rechtspositionen des WA-Urteils und des BGH-Beschlusses in einer sehr komprimierten Zusammenfassung darzustellen? Sie haben dazu auch als Nichtjurist sehr gute Voraussetzungen. Eine Zusammenfassung, eine sehr komprimierte Gesamtschau würde zu der notwendigen Transparenz der sehr komplexen Rechtsproblematik beitragen und auch verdeutlichen, dass das Urteil im WA-Verfahren aus einer Vielzahl von Gründen und insgesamt gesehen schwerwiegende Mängel in der Rechtssprechung aufweist.

Nachfolgende wichtige Aussagen in den Kommentaren von Herrn Waldemar Rober Kolos habe ich nur unzureichend nachvollziehen können. Vielleicht kann sich Herr Kolos und auch Prof. Müller dazu ergänzend äußern.

#43. 18.02.2016

Die "normativen Bewertung" des psychowissenschaftlichen Befunds ist eine Zumutung. Anja Schiemann hat recht......

 #27: 17.02.2016

Ich möchte noch einmal auf die Bewertung des Steuerungsvermögens zurückkommen. Der renommierte Sachverständige Professor Nedopil sagte ausdrücklich: Ich kann das nicht beurteilen. Die Richter des LG Regensburg antworteten konkludent darauf: Das macht nichts, aber wir können das. 

Ich muss gestehen, ich habe gedacht: Das geht nicht, das ist doch eindeutig. Ich glaube, ich habe mich geirrt. So eindeutig scheint das nicht zu sein. Das entnehme ich schon aus der Einführung in der Habilitationsschrift von Anja Schiemann, Unbestimmte Schuldfähigkeitsfeststellungen: Verstoß der §§ 20, 21 StGB gegen den Bestimmtheitsgrundsatz nach Art. 103 II GG (2012), Seite 4:

Man spricht insoweit auch von der "normativen Bewertung" des psychowissenschaftlichen Befunds. Das natürliche Unbehagen, was sich daran knüpfen müsste, dem Richter zuzumuten, etwas zu entscheiden, was der Sachverständige selbst sich nicht zutraut, ihm zuzumuten, dem Täter etwas "zuzuschreiben", was er gar nicht wissen kann, regt sich offensichtlich bei den Beteiligten in Rechtsprechung und Rechtslehre nicht - außer vielleicht in rehabilitierenden Argumentationsmustern, die aber an dieser Stelle noch nicht aufzuzeigen sind. Auch wird im Laufe dieser Arbeit enttarnt, wie das Begründungsmuster der "Normativität" eine Auslegung legitimieren soll, die jenseits empirischer Wirklichkeit liegt.

Auf Seite 176 kommt Anja Schiemann auch auf die Verständigungsprobleme zu sprechen:

Insoweit können vom Sachverständigen verwendete Rechtsbegriffe mit den Rechtsbegriffen des Gerichts divergieren und insoweit zu einer Fehlinterpretation führen. Oder das Gutachtenergebnis wird in einer Weise interpretiert, die der Auffassung des Sachverständigen nicht entspricht. In zwei von Vettel ausgewerteten Fällen kam es zu einer anderen Störungsdiagnose durch das Gericht, ansonsten beruhten die Abweichungen auf einer anderen Bewertung der Störungsschwere. Genau diese Bewertungsdivergenzen hinsichtlich der Störungsschwere lassen aber wie anhand der einzelnen Merkmale unten gezeigt wird - so ziemlich jede "rechtliche" Beurteilung zu. 

https://books.google.de/books?id=C6AlGmFIv98C&pg=PR2&lpg=PR2&dq=Anja+sch...

 

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Herr Lippke, während ein Wissenschaftler aber sagen kann - oder sagen muß - diese Frage ist nicht entscheidbar von meiner eigenen Profession her, hatte das Gericht in Regensburg eine irgendwie geartete Entscheidung zu treffen gehabt. Wenn ich Sie richtig verstehe, dann hätten Sie einen Freispruch (wegen erwiesener Unschuld?) präferiert bei voller Schuldfähigkeit?

Oder nur eine Ausklammerung der Frage der Schuldfähigkeit, die dann als voll gegeben angenommen gewesen wäre?

Was wäre für Sie die angemessene Entscheidung des Regensburger Gerichts gewesen?

Könnten Sie das einmal näher skizzieren?

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Gast schrieb:

Herr Lippke, während ein Wissenschaftler aber sagen kann - oder sagen muß - diese Frage ist nicht entscheidbar von meiner eigenen Profession her, hatte das Gericht in Regensburg eine irgendwie geartete Entscheidung zu treffen gehabt. Wenn ich Sie richtig verstehe, dann hätten Sie einen Freispruch (wegen erwiesener Unschuld?) präferiert bei voller Schuldfähigkeit?

Oder nur eine Ausklammerung der Frage der Schuldfähigkeit, die dann als voll gegeben angenommen gewesen wäre?

Was wäre für Sie die angemessene Entscheidung des Regensburger Gerichts gewesen?

Könnten Sie das einmal näher skizzieren?

Ich bezweifle, dass ein Richter eine irgendwie geartete Entscheidung treffen muss. Es darf nur eine ehrliche Entscheidung getroffen werden. Ersetzen Sie im Urteil "überzeugt" durch "müssen glauben", dann sind Sie bei der irgendwie gearteten Entscheidung. Das "irgendwie" hat jedoch keinen erklärten professionellen Hintergrund, sondern implizierte persönliche / parteiliche Gründe. Genauso kann der Naturwissenschaftler als Person ein Bekenntnis abgeben, dass er an Gott glaubt oder nicht. Das hat nichts mit seiner Profession zu tun, allenfalls im Umfang einer Hypothese. Eine Hypothese als Überzeugung bzw. sogar tatsächliche Feststellung darzustellen und nur mit den verstärkenden Gründen zu "belegen" und sich gleichzeitig auf die allgemeine Annahme der richterlichen Fähigkeit zur Unparteilichkeit zu berufen, stellt unmittelbares Versagen dar. Sollte es tatsächlich einen Feststellungs- und Entscheidungszwang zu Sachverhalten geben, obwohl dies professionell gar nicht möglich ist, dann liegt der Fehler bereits im System. Diese Frage kann man also auch diskutieren, wenn man im konkreten Fall die Entscheidungsfähigkeit bejahen würde. M.E. nach konnte ein solcher Fall nicht anhand der Sachverhalte zur Tat, sondern nur anhand der Sachverhalte zum Prozeßverlauf und dem aktuellen Strafanspruch entschieden werden. Die Mängel des Vorprozesses und die unklare Tatsachenlage ließ keine substantiierten Feststellungen zur Tat und Schuldfähigkeit zu. Freispruch aus Mangel an Beweisen mit Angabe der Prozessmängel und der Unentscheidbarkeit. Wenn der Angeklagte erwiesene Unschuld wollte, hätte er spätestens in der Revision deutlich machen müssen, dass er an der Aufklärung zum Tatvorwurf gehindert wurde. Da ich den Revisionsantrag nicht kenne, will ich dazu nicht spekulieren. Da diese Frage jedoch im Zweifel auch zugunsten des Beschuldigten entschieden werden musste, halte ich eine entsprechende Begründung für möglich. Es mag sein, dass der Angeklagte sich juristisch und prozessual z.T. ungeschickt verhielt. Sein Verhalten war jedoch weitgehend konsistent, während fast alle anderen Beteiligten erhebliche Ausfälle, Eigeninteressen, Rückratlosigkeit und Unbestimmtheit offenbarten. Es wurde explizit die Charakterstärke und Moral des Angeklagten als Wahnursache gesehen. Das Vorgehen der Juristen und SV sagt mehr über deren Selbstbild aus, als über den Beschuldigten und Sachfragen des Prozesses. 

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Lutz Lippke schrieb:
Die Mängel des Vorprozesses und die unklare Tatsachenlage ließ keine substantiierten Feststellungen zur Tat und Schuldfähigkeit zu. Freispruch aus Mangel an Beweisen mit Angabe der Prozessmängel und der Unentscheidbarkeit.

Die Tatbegehung einer einfachen Körperverletzung ist, nicht zuletzt durch die "ich habe mich gewehrt"-Aussagen von GM so offensichtlich, dass das Gericht insoweit nicht ernsthaft von "Mangel an Beweisen" ausgehen konnte.

Die gesamten Fragen in Zusammenhang mit dem Arzt drehen sich ja, wie Gast in #1 richtig feststellt, um die Frage, ob der Nachweis der gefährlichen Körperverletzung (also das "Würgen bis zur Bewusstlosigkeit") wirklich gelungen ist.

Aber auch bei einer einfachen KV muss sich das Gericht mit der Schuldfrage auseinandersetzen.

 

Menschenrechtler schrieb:

Der Sachverständige hat den angeklagten G.M. psychiatrisch beurteilt, stigmatisiert und pathologisiert, b e v o r das WA-Gericht über die Anklage der Körperverletzung entschieden hatte. Diese Verfahrensweise entspricht nicht rechtsstaatlichen Normen!

Da in dem WA-Verfahren auch die im ersten Verfahren ergangene Unterbringungsanordnung gegen GM überprüft werden sollte, musste gem. § 244 Abs 2 StPO auch darüber Beweisaufnahme erfolgen, weil entscheidungserheblich.

Da hätte ich doch bitte mal eine rechtliche Begründung, wieso §244 Abs 2 StPO eine "nicht rechtsstaatliche Norm" sein soll.

zu den Kommentaren von Herrn Kolos # 23 vom 13.2. + # 41 und meinen Kommentaren # 2  und # 29 Seite 14

Wenn ich insbes. Oliver Garcia, Herrn Lutz Lippke und natürlich Herrn Prof. Müller bitten darf auf die dargestellten Probleme und Fragen einzugehen, die auf dem Grenzgebiet zwischen der juristischen und psychiatrischen Gebiet liegen und deswegen schwer zu beantworten sind:

Es stellt sich die g r u n d s ä t z l i c h e Frage, ob die sehr differenzierten Ausführungen von Prof. Nedopil

die Anwendung des § 20 StGB tatsächlich rechtfertigen. Das WA-Gericht hätten  m.E. auch die Überzeugungen des Gutachters übernehmen können und  dies aus einer Vielzahl von Gründen!

Wenn die Stellungnahme von Prof. Dr. Nedopil für die Anwendung des § 20 StGB nicht ausreichend war, ergibt sich die weitere juristische Frage:

Ist es ein Rechtsfehler oder nur ein richterlicher " Ermessensfehler", wenn das LG die Aussagen des Sachverständigen möglicherweise fehlinterpretiert und entgegen der psychiatrischen Stellungnahme die hohen Anforderungen bei der Schuldunfähigkeit außer Acht lässt?

Nach meinem Dafürhalten müsste sich das WA-Gericht aufgrund der unzureichenden Kenntnisse in diesen komplexen psychiatrischen Fragen i.d.R. daran halten nicht beschwerender, belastender zu urteilen, als ein Gutachten (die Stellungnahme von Prof. Nedopil) inhaltlich hergibt.

P.S. : Ein Absatz in meinem Kommentar # 9 aus Versehen doppelt abgedruck. Dies bitte ich zu entschuldigen.

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Es verstösst gegen Treu und Glauben...

Das ist das letzte, was einem immer einfällt, wenn einem gar nichts einfällt. Juristische Einfalt als Prinzip.

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Das würde mich aber nun doch brennend interessieren nach allen bisherigen Ausführungen, wie ein Gericht eine angenommene (wissenschaftlich) unentscheidbare Frage (hier Frage nach der Schuldfähigkeit) explizit durch die §§ 20,21, oder dann auch implizit ohne diese §§, entscheided.

Vorschläge dazu?

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Gast schrieb:

Das würde mich aber nun doch brennend interessieren nach allen bisherigen Ausführungen, wie ein Gericht eine angenommene (wissenschaftlich) unentscheidbare Frage (hier Frage nach der Schuldfähigkeit) explizit durch die §§ 20,21, oder dann auch implizit ohne diese §§, entscheided.

Vorschläge dazu?

 

Zunächst denke ich, sollte man deutlich unterscheiden zwischen Entscheidungsfragen und Beurteilungsfragen eines Sachverhalts. M.E. ist der Zweifelssatz eine Rechtsfigur der Entscheidung, nicht der Beurteilung. Sie gibt an, wie zu entscheiden ist, wenn die Beurteilung unentschieden oder offen (non liquet) ist. 

Dazu Henning Ernst Müller, Behördliche Geheimhaltung und Entlastungsvorbringen des Angeklagten, S. 73, (1992) mit Nachweisen aus Rechtsprechung und -literatur:

Genügen die Tatsachen, die nach einer umfassenden Ermittlung als gewiß festgestellt werden können, um die Verwirklichung des Tatbestands auszufüllen, kann ein Urteil gefällt werden. In dubio pro reo gibt an, wie zu entscheiden ist, wenn die Feststellungen nicht ausreichen, um den Tatbestand als verwirklicht anzusehen. Insoweit gibt in dubio pro reo in der Situation des non liquet eine bestimmte Rechtsfolgenwahl vor. Die vorteilhaftere Rechtsfolge ergibt sich demnach nicht aus der Fiktion eines günstigen Sachverhalts, sondern aus der Unbewiesenheit des belastenden Tatumstands. Der Erleichterung des Urteilsfindungsvorgangs und der Verständlichkeit der Urteilsbegründung mag es dienlich sein, die dem Tatumstand widersprechenden Tatsachen zu fingieren, weil sie nicht zu widerlegen sind. Der Umweg über die Fiktion ist aber im Prinzip entbehrlich und es wird sogar besondere Vorsicht bei der Sachverhaltsunterstellung empfohlen, da es allein auf die Rechtsfolge ankomme.

https://books.google.de/books?id=yhLU0MyTVecC&printsec=frontcover&hl=de&...

 

Die Beurteilung der Eingangsmerkmale 20/21 StGB und ihre Auswirkung auf die Steuerungsunfähigkeit wird durch den Sachverständigen vorgenommen, die Entscheidung durch das Gericht. Dazwischen liegt aber noch die richterliche Beweiswürdigung (261 StPO). 

Ganz nebenbei: Bei der interessanten Umfrage von Hans Mathias Kepplinger, Rudolf Gerhardt, Stefan Geiss, Die Kunst der richterlichen Entscheidungsfindung, geht es u.a. auch um "Rechtsfindung" oder "Urteilsfindung" (u.a. Frage 2), also eine ähnliche Unterscheidungskategorie. Frage Seite 13, Antworten in %:

"Was empfinden Sie als den schwierigsten Teil der 
Urteilsfindung?"

"Die Feststellung des Tathergangs/des Sachverhalts" 62
"Die Feststellung der inneren Motive" 33
"Die Feststellung der Schuldfähigkeit" 2
Weiß nicht/keine Antwort 3 

http://www.kepplinger.de/files/Die_Kunst_der_richterlichen_Entscheidungs...

@ I.S.

Sie gehen davon aus, dass es sein Menschenrecht ist, auf Schutz zu verzichten.

Selbstverständlich. Lesen Sie dazu einschlägige Urteile und Literatur unter dem Stichwort "Recht auf Krankheit".

Wir reden hier aber ausdrücklich von Personen, die eventuell nicht genau wissen, was sie tun.

Nein, von denen rede ich nicht.

Diese Personen unterliegen § 1896 BGB und dürfen nur nach den Voraussetzungen des § 1906 in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden.

Ich sehe nicht ein, warum hier für Straftäter prinzipiell etwas anderes gelten soll, außer daß die Gesellschaft vor ihnen geschützt werden soll, was aber mit einer Gefängnisstrafe ebenso erfüllt wäre.

 

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Straftäter werden grundsätzlich nach dem Strafrecht behandelt, nicht nach dem bürgerlichen Recht.

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eine größeres lebensnahes Bewußtheit von Recht und Gerechtigkeit (Rechtsbewußtsein)

Dass Sie dem Regensburger Gericht mangelndes "Rechtsbewußtsein" vorwerfen und von ihm ein "größeres lebensnahes Bewußtheit von Recht und Gerechtigkeit" [sic!] fordern, ist - gelinde gesagt - völlig daneben und keineswegs das, was man "im christlichen Glauben D e m u t bezeichnet". Es besteht überhaupt kein Grund angesichts dieses wohlgesetzten Urteils von "ungerechten Entscheidungen" zu Lasten Mollaths zu sprechen. Ihr Verständins von "irdischer" (Un-) Gerechtigkeit ist nicht das des Gesetzes und demokratischen Gesetzgebers, eine Differenzierung, die Sie auch in hundert Jahren noch nicht verstanden haben werden.

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Wird hier jetzt nicht gerade die Quadratur des Kreises versucht?

Beide divergierende Standpunkte sind nun deutlich geworden und jeder hat auch etwas für sich, aber sie sind nicht in Übereinstimmung zu bringen.

Mit einer Plattitüde m.E. auf den Punkt gebracht: Rechtsprechung (auch die genau nach Recht und Gesetz) wird nicht immer als gerecht empfunden. Nichts Neues aber unter der Sonne.

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Lutz Lippke schrieb
Es wurde explizit die Charakterstärke und Moral des Angeklagten als Wahnursache gesehen

Wo und von wem wurde "explizit" die "Charakterstärke und Moral des Angeklagten als Wahnursache gesehen", bzw. wo und in welchem Zusammenhang ist davon die Rede? Habe ich das irgendwo überlesen oder geheimnissen Sie schon wieder etwas als "explizit" in die Feststellungen hinein, was ausser in Ihrer Vorstellungswelt nirgendwo "explizit" vorhanden ist und verkaufen uns das hier schon wieder als wahrhaftige Tatsache?

 

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Wenn der Angeklagte erwiesene Unschuld wollte, hätte er spätestens in der Revision deutlich machen müssen, dass er an der Aufklärung zum Tatvorwurf gehindert wurde.

Wie bitte?!

GM wurde in der HV mehrfach aufgefordert, das zu tun.

Er hat sich dazu nicht geäußert, das wurde hier nun mehrfach zitiert!

Das Vorgehen der Juristen und SV sagt mehr über deren Selbstbild aus, als über den Beschuldigten und Sachfragen des Prozesses.

Was ein solcher Satz in diesem Zusammenhang über seinen Autor sagt, möchte ich mir ersparen zu schreiben.

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Ich möchte noch einmal auf die Bewertung des Steuerungsvermögens zurückkommen. Der renommierte Sachverständige Professor Nedopil sagte ausdrücklich: Ich kann das nicht beurteilen. Die Richter des LG Regensburg antworteten konkludent darauf: Das macht nichts, aber wir können das. 

Ich muss gestehen, ich habe gedacht: Das geht nicht, das ist doch eindeutig. Ich glaube, ich habe mich geirrt. So eindeutig scheint das nicht zu sein. Das entnehme ich schon aus der Einführung in der Habilitationsschrift von Anja Schiemann, Unbestimmte Schuldfähigkeitsfeststellungen: Verstoß der §§ 20, 21 StGB gegen den Bestimmtheitsgrundsatz nach Art. 103 II GG (2012), Seite 4:

Man spricht insoweit auch von der "normativen Bewertung" des psychowissenschaftlichen Befunds. Das natürliche Unbehagen, was sich daran knüpfen müsste, dem Richter zuzumuten, etwas zu entscheiden, was der Sachverständige selbst sich nicht zutraut, ihm zuzumuten, dem Täter etwas "zuzuschreiben", was er gar nicht wissen kann, regt sich offensichtlich bei den Beteiligten in Rechtsprechung und Rechtslehre nicht - außer vielleicht in rehabilitierenden Argumentationsmustern, die aber an dieser Stelle noch nicht aufzuzeigen sind. Auch wird im Laufe dieser Arbeit enttarnt, wie das Begründungsmuster der "Normativität" eine Auslegung legitimieren soll, die jenseits empirischer Wirklichkeit liegt.

Auf Seite 176 kommt Anja Schiemann auch auf die Verständigungsprobleme zu sprechen:

Insoweit können vom Sachverständigen verwendete Rechtsbegriffe mit den Rechtsbegriffen des Gerichts divergieren und insoweit zu einer Fehlinterpretation führen. Oder das Gutachtenergebnis wird in einer Weise interpretiert, die der Auffassung des Sachverständigen nicht entspricht. In zwei von Vettel ausgewerteten Fällen kam es zu einer anderen Störungsdiagnose durch das Gericht, ansonsten beruhten die Abweichungen auf einer anderen Bewertung der Störungsschwere. Genau diese Bewertungsdivergenzen hinsichtlich der Störungsschwere lassen aber wie anhand der einzelnen Merkmale unten gezeigt wird - so ziemlich jede "rechtliche" Beurteilung zu. 

https://books.google.de/books?id=C6AlGmFIv98C&pg=PR2&lpg=PR2&dq=Anja+sch...

@ Kolos

Genau.

Und (auch) darum halte ich - in Übereinstimmung mit der UN-BRK/UNHRC den § 20 (21) StGB - zumindest in der bestehenden Form für schlecht.

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#25,26 @Gast oder Gäste

Lesen Sie die Kommentare von Menschenrechtler. Die stecken voller Bezüge auf explizite Festellungen im Urteil zum Charakterbild und Moralvorstellungen. Die Schwarzgeldgeschäfte werden im Urteil nun als wahr unterstellt, also selbst keine Wahnvorstellung. Ein "Typ" wie GM musste nach Ansicht des Gerichts aber aufgrund seines moralischen Anspruchs in dieser Lage nicht ausschließbar einem Wahnsystem verfallen. Das sagt viel über das Selbstbild und Gesellschaftsverständnis der beteiligten Richter aus. Natürlich sagt mein Kommentar auch etwas über mich aus. Das ist der Unterschied zur anonymen Mäkelei.

Zur Frage einer Verhinderung von Aufklärung hatte ich die Möglichkeit einer Begründung durch GM nicht ausgeschlossen, aber eben dazu nicht spekulieren wollen. Wenn Sie sich mit dem Urteil vollends identifizieren wollen, können Sie das wohl kaum anonym tun. Den Nachweis einer Offensichtlichkeit Ihrer Behauptungen sehe ich nicht. Sie argumentieren zum Urteil ebenso einseitig und selektiv wie zu meinem Kommentar. Schema: Finde irgendein anpassbares Argument, erkläre dies zum Entscheidenden und ignoriere dazu alle Widersprüche und Zweifel. Untermauere die Darstellung mit Unterstellungen oder Umdeutungen zu Gegenargumenten. Ich finde das fad und unergiebig.

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@ Lippke

Vorab:
Sie referieren mehrfach auf die Anonymität der hier diskutierenden "Gäste": Aus meiner Sicht trägt das zur Versachlichung bei, weil man keine Person "bekämpft", sondern sich mit Sachargumenten - egal von wem - auseinandersetzen muß. Das tun Sie hier jedoch WIEDER - trotz sachlich sehr konkreten Widerspruchs - nicht, sondern bleiben im Allgemeinen, verweisen auf andere.

Sie beschweren sich über einseitige und selektive Auswahl in der Gegenrede: Verzeihung, aber das implizierte Verlangen, jeden einzelnen Ihrer Sätze zu kommentieren, ist sicher nicht im Sinne einer sachlich weiterführenden Diskussion, und so verfahren auch Sie selbst vernünftigerweise nicht.

 

Zur Sache:

Die Schwarzgeldgeschäfte werden im Urteil nun als wahr unterstellt, also selbst keine Wahnvorstellung.

Das ist korrekt, aber: Was hat das mit der in Frage stehenden Körperverletzung zu tun?
Rechtfertigt es sie aus Ihrer Sicht??
Ist die Idee, aufgrund eines korrekten moralischen Anspruchs eine Körperverletzung begehen zu dürfen/müssen aus Ihrer Sicht juristisch zu rechtfertigen?

Das sagt viel über das Selbstbild und Gesellschaftsverständnis der beteiligten Richter aus. Natürlich sagt mein Kommentar auch etwas über mich aus.

Ja, was sagt es denn über die Richter aus? Daß sie befinden, daß es auch bei zugestandenen zutreffenden moralischen Bedenken Unrecht, aber möglicherweise wahnhaften Vorstellungen zuzuschreiben ist, diesen Bedenken durch Prügeln seiner Frau begegnen zu dürfen? Und was sagt Ihr Kommentar also über Sie aus?

Zur Frage einer Verhinderung von Aufklärung hatte ich die Möglichkeit einer Begründung durch GM nicht ausgeschlossen, aber eben dazu nicht spekulieren wollen.

Was ist auszuschließen oder zu spekulieren, wenn Fakt ist, daß GM dazu sogar auf Nachfrage nichts sagte? Was reden Sie da?

 

 

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Wahn und Wahrheit - Wahn kann auch vorliegen, wenn der Wahninhalt wahr ist

 

Gast schrieb:

Zur Sache:

Die Schwarzgeldgeschäfte werden im Urteil nun als wahr unterstellt, also selbst keine Wahnvorstellung.

Das ist korrekt, aber ...

Das ist nicht korrekt, wenn auch auf Anhieb diese These provozierend unverständlich erscheint. Ich habe mir selbst vor langer Zeit die Haare gerauft, als ich das erste Mal mit dem Phänomen konfrontiert war: kann etwas ein Wahn sein, wenn der Wahninhalt inhaltlich wahr ist. Genau dieser Punkt erschwert die Wahndefinition ungemein ("oder ein falscher Erkenntnisweg zu einem richtigen oder falschen ..."):

Quote:

Wahn liegt vor, wenn mit rational unkorrigierbarer Gewissheit ein falsches Modell der Wirklichkeit oder ein falscher Erkenntnisweg zu einem richtigen oder falschen Modell der Wirklichkeit vertreten wird. 

Mollaths Schwarzgeldverschiebungsthesen waren wahr, weshalb sie aber theoretisch dennoch Wahn sein könnten, wenn Mollath falsche Erkenntniswege genutzt hätte, was er aber nicht hat, sondern wie Ermittlungsbehörden Beweise und Belege angab. Die Schweinerei ist in diesem Land ist ja, Leute zu psychiatrisieren, die Wahrheiten aussprechen, die den Mächtigen und Herrschenden nicht passen. Dagegen ist konsequent und unermüdlich anzukämpfen, denn das hat mit Rechtsstaat nicht mehr das Mindeste zu  tun, das sind mafiöse, oligarche oder bananenrepublikanische Methoden von Unrechtsstaaten. Partiell trifft dies auch für Deutschland zu, wie die Skandalfälle belegen. Das geht natürlich nur mit einer willfährigen und korrupt anmutenden forensischen Psychiatrie (natürlich sollte man auch die Psychologen im Auge behalten).

Zur Frage der Unmöglichkeit des Inhalts., was Jaspers noch glaubte: Das alte (dritte) Jasper'sche Wahnkriterium von der Unmöglichkeit des Inhalts ist in der Psychiatrie seit langem vom Tisch. Bereits Berner (1965, S. 5) schreibt rückblickend: "Umgekehrt ist auch die besonders von MATUSSEK, SCHMIDT, MAYER-GROSS herausgestrichene Tatsache, daß der Wahn keineswegs immer inhaltlich falsch sein muß — ein gewichtiges Gegenargument gegen die 'Irrtumsthese'." [Quelle]

 

@ Gast #20

Ich glaube Sie und Herr Lippke reden aneinander vorbei. Herr Lippke bezweifelt, juristisch ausgedrückt, glaube ich die Feststellung von i.d.p.r. § 20 StGB, nicht (jedenfalls nicht hier unmittelbar) die Tatbegehung. Etwa so zusammengefasst (#29): Die Schwarzgeldgeschäfte waren wahr, deshalb unterlag GM insoweit keinem Wahn. Deshalb hat das Gericht den "Typ" von GM herangezogen und daraus auf einen nicht ausschließbaren Wahn geschlosen. Dazu gab es aber zu wenig (oder keine) Anhaltspunkte.

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Gast #30 war gemeint.

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Der Sachverständige hat den angeklagten G.M. psychiatrisch beurteilt, stigmatisiert und pathologisiert, b e v o r das WA-Gericht über die Anklage der Körperverletzung entschieden hatte. Diese Verfahrensweise entspricht nicht rechtsstaatlichen Normen!

Dazu ein Kommentar vom 7.7.2014 von Franzerl:“Eine vernünftige Strafprozeßordnung würde zunächst einmal die Tatsachenklärung vorsehen und nicht bereits auch über Unschuldige Gutachten erstellen lassen, sondern erst falls eine Täterschaft feststeht und über die Schuldfähigkeit befunden werden soll, so wie es in anderen Rechtssystemen der Fall ist.“

Diese Problematik des § 244 Abs.2 und 246a StPO wurde bereits im März 2015 ausführlich im Beck-Blog diskutiert und insbes. von Prof.Müller, Dr. Sponsel, L.L., MT, f&f eingehend kommentiert.

Nachstehend wird versucht zu reflektieren, wie sich Prof. Nedopil konkret in dieser Problematik verhalten hat:

Aus dem Protokoll über den Dialog zwischen dem Gericht und dem sachverständigen Psychiater Herrn Prof.Dr. Nedopil wird überdeutlich, dass der Sachverständige weitgehend und auch zielführend von dem Tatbestand der KV ausgegangen ist. Prof. N. setzte sich nahezu ausschließlich mit der psychischen Verfassung von G.M., einer möglichen seelischen Erkrankung und der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit auseinander. Der Sachverständige geht faktisch bereits davon aus, dass G.M. die KV nachgewiesen werden wird bzw. nachgewiesen werden kann, also dieses Urteil zu erwarten war. Prof. N. stellte zwar sehr kurze Bemerkungen sinngemäß in den Raum „sofern von der Tat ausgegangen werden kann“, vertieft jedoch in keiner Weise, daß es möglich sein könnte, dass G.M. die KV nicht begangen hat, es sich um eine Falschbeschuldigung handelt. Prof. Nedopil hat zwar, wie auch der Herr Oberstaatsanwalt geäußerst und die Einsicht, dass die Ex-Frau einen Belastungseifer hatte und zielgerichtet und nachhaltig für die Unterbringung von G.M gesorgt hat, geht jedoch dieser m.E. zwingend notwendigen zweiten Hypothese, der Unschuldsvermutung nicht angemessen nach. Prof. Müller hatte allerdings im März 2015 dazu eine andere Auffassung geäußert.

Prof. Nedopil hat selbst entschieden 12 T a g e am WA-Verfahrens und auch an der Vernehmung der fragwürdigen Zeugen teilzunehmen (und dadurch absehbar G.M. indirekt seine Verteidigungsmöglichkeiten nahezu gänzlich beschnitten). Der Sachverständige konnte umfassend die Gesamtproblematik des Falles Mollath, den Beziehungskonflikt, als Mediziner das fragwürdige Zustandekommen und den Inhalt der Atteste, die sehr fragwürdige Glaubwürdigkeit der Arzthelferin und auch der Ex-Frau kritisch reflektieren und hinterfragen. Der Verteidiger, Herr Dr. Strate, bezichtigte später in seinem Plädoyer die Nebenklägerin schwerwiegend manipulativ und die Hauptzeugin ein Lügnerin zu sein.

Auch wenn die Hauptaufgabe eines Sachverständigen darin bestand eine psychiatrische Stellungnahme zum Angeklagten abzugeben, besteht zweifelsohne die Notwendigkeit insbesondere bei einer Beziehungstat auch die Handlungsmotive, die Glaubwürdigkeit der Zeugen, die Möglichkeit einer Falschbeschuldigung einzubeziehen. Und auch mögliche Zweifel des Gutachters an der an der G.M. angelasteten KV dem Gericht mitzuteilen. Der Gutachter hat sich wie bereits Dr. Leipziger 2006 indifferent herausgehalten.

Die gutachterliche Stellungnahme hätte erst dann an professioneller Qualität, seinen erklärten Ansprüchen an Ethik und Überzeugungskraft gewonnen, wenn Prof. Nedopil sich auch dieser Verantwortung gestellt hätte.

Diesen Anforderungen ist m.E. die psychiatrische Stellungnahme – ohnehin kein Gutachten – nicht gerecht geworden. Insofern stellt die Fixierung, Festlegung auf G.M. als Täter eine vorverurteilende, nicht neutrale und deshalb nicht objektive Stellungnahme dar und hat die Weichen für dieses fragwürdige Urteil entscheidend gestellt.

Dieses grundsätzliche Defizit kann nicht allein Prof. Nedopil angelastet werden, sondern ist ein systemischer Fehler der Strafprozessordnung, die nach § 244 Abs. 2 und § 246a StPO aus prozeßökonomischen Gründen eine Begutachtung während des Gerichtsverfahrens vorsieht.

Die Interlokut-Regelung, die in der Schweiz angewandt wird, gewährleistet zuerst die gerichtliche Entscheidung über einer Straftat und im zweiten Verfahren die Entscheidung über die Schuldfähigkeit. Diese zwei Rechtsfragen sollten und müßten m.E. strikt und konsequent auseinandergehalten und entschieden werden.

Mit der Interlokut-Verfahrensweise wird auch die entwürdigende Zwangsbegutachtung vor Gericht, die zu einer prozessualen Benachteiligung, insbesondere extrem in diesem WA-Verfahren geführt hat, im vornherein vermieden. Dieses in Deutschland praktizierte strafprozessuale Verfahren führt nachweislich vielfach zu Vorverurteilungen von möglicherweisen und auch tatsächlichen ohnehin schwer benachteiligten psychisch kranken Menschen. Die Strafprozessordnung bedarf hinsichtlich dieser rechtsstaatlich sehr problematischen Verfahrensweise einer längst überfälligen Reform.

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Mit der Interlokut-Verfahrensweise wird auch die entwürdigende Zwangsbegutachtung vor Gericht, die zu einer prozessualen Benachteiligung, insbesondere extrem in diesem WA-Verfahren geführt hat, im vornherein vermieden

Warum würde durchd ie Einführung des Schuldinterlokuts die Begutachtung durch den psychiatrischen Sachverständigen vermieden? Können Sie das erklären?

Der Sachverständige hat den angeklagten G.M. psychiatrisch beurteilt, stigmatisiert und pathologisiert, b e v o r das WA-Gericht über die Anklage der Körperverletzung entschieden hatte. Diese Verfahrensweise entspricht nicht rechtsstaatlichen Normen!

Was soll daran rechtsstaatswidrig sein? Wollen Sie damit sagen, dass unser Strafrecht generell rechtsstaatswidrig ist? Nicht alles was man anders bzw. sogar besser machen könnte, ist schon deshalb rechtsstaatswidrig. Über das Schuldinterlokut wurde schon vor Jahrzehnten diskutiert ohne dass sich der demokratische deutsche Gesetzgeber damit anfreunden konnte.

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Gast schrieb:

Mit der Interlokut-Verfahrensweise wird auch die entwürdigende Zwangsbegutachtung vor Gericht, die zu einer prozessualen Benachteiligung, insbesondere extrem in diesem WA-Verfahren geführt hat, im vornherein vermieden

Warum würde durch die Einführung des Schuldinterlokuts die Begutachtung durch den psychiatrischen Sachverständigen vermieden? Können Sie das erklären?

Der Sachverständige hat den angeklagten G.M. psychiatrisch beurteilt, stigmatisiert und pathologisiert, b e v o r das WA-Gericht über die Anklage der Körperverletzung entschieden hatte. Diese Verfahrensweise entspricht nicht rechtsstaatlichen Normen!

Was soll daran rechtsstaatswidrig sein? Wollen Sie damit sagen, dass unser Strafrecht generell rechtsstaatswidrig ist? Nicht alles was man anders bzw. sogar besser machen könnte, ist schon deshalb rechtsstaatswidrig. Über das Schuldinterlokut wurde schon vor Jahrzehnten diskutiert ohne dass sich der demokratische deutsche Gesetzgeber damit anfreunden konnte.

Meine Antwort: Bei dem Schuldinterlokutverfahren würde im ersten Verfahren, bei dem  n u r  über die Straftat entschieden wird, die psychiatrische Zwangsbegutachtung und das Gutachten z u n ä c h s t  entfallen.

Falls der Angeklagte die Tat nicht begangen hat, entfällt eine Begutachtung ganz. Damit erspart man sich dieses ganze juristische und gutachterliche, intransparente Durcheinander und beugt Vorurteilen, Vorverurteilungen und Fehlurteilen vor !!! Wenn die Schuld festgestellt wird und tatsächlich eine psychische Krankheit in   B e t r a c h t  kommt, besteht die Notwendigkeit im  z w e i t e n   Verfahren den Straftäter psychiatrisch zu begutachten und über seine Schuldunfähigkeit zu befinden. Dies wäre eine konsequente, transparente und rechtlich einwandfreiere Verfahrensweise, als die bislang Praktizierte. Das dies lange diskutiert und nicht eingeführt wurde, stellt kein überzeugendes Argument dar. Es hat auch lange gedauert, bis die von Ihnen aufgeführte demokratische Gesetzgebung Realität wurde.

Sie fragen, was daran rechtsstaatswidrig sein soll! Antwort: Dies habe ich sehr ausführlich dargestellt.

Ihre provokante Frage: "Wollen Sie damit sagen, dass unser Strafrecht generell rechtsstaatswidrig ist? ist völlig deplaziert und kennzeichnet Ihre  unseriöse Kommentartechnik. Ich glaube und vertraue auf die Errungenschaft unseres Rechtsstaates, vertrete jedoch die Auffassung, dass Anspruch und Wirklichkeit in vielen Bereichen auseinanderklafft und die Weiterentwicklung und Wahrung unseres Rechtsstaates elementar wichtig ist für das Zusammenleben in der deutschen Gesellschaft. Dies ist übrigens auch der öffentlich erklärte Standpunkt von Herrn Mollath!

Eigentlich hätte Sie sich diese überflüssigen Fragen auch selbst beantworten können, zumal ich den Eindruck habe das es Ihnen nicht um die Beantwortung geht, sondern darum  meine Meinungsäußerung zu diskreditieren.

 

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Menschenrechtler schrieb:
Meine Antwort: Bei dem Schuldinterlokutverfahren würde im ersten Verfahren, bei dem  n u r  über die Straftat entschieden wird, die psychiatrische Zwangsbegutachtung und das Gutachten z u n ä c h s t  entfallen.

Falls der Angeklagte die Tat nicht begangen hat, entfällt eine Begutachtung ganz. Damit erspart man sich dieses ganze juristische und gutachterliche, intransparente Durcheinander und beugt Vorurteilen, Vorverurteilungen und Fehlurteilen vor !!!

Es hätte zumindest den Vorteil, dass niemand mehr völlig sachfremde Erwartungen an den Psychologen hat, beispielsweise dass dieser die Aufgaben des Gerichts übernimmt, indem er die Tatbegehung feststellt oder die Glaubwürdigkeit von Zeugen bewertet. Wenn man alle Zuständigkeiten verwechselt, kommt natürlich ein "intransparentes Durcheinander" auf, keine Frage.

 

Die Nachteile an dem Schuldinterlokut bestehen immer dann, wenn er zur Anwendung kommt, also wenn es tatsächlich auf die Schuldfrage ankommt:

 

Das Verfahren dauert dann deutlich länger. Insbesondere für Angeklagte, die sich in Haft befinden, zweifellos ein Nachteil.

 

Man bekommt das Urteil außerdem scheibchenweise. Bei einer vollständigen Entscheidung lautet die Zusammenfassung "Freispruch". Wird hingegen in Etappen geurteilt, heisst es erstmal "Täter", bis die Entscheidung über die Schuld irgendwann was anderes ergibt. Für diejenigen, die hinterher einen Freispruch wegen fehlender Schuld bekommen, dürfte das kein wirklicher Vorteil sein, wenn erst einmal der Fokus auf die begangene Tat gelegt wird, ohne das Korrektiv "ohne Schuld" danebenzustellen.

Ganz im Gegenteil. Anstatt von Anfang an einen Freispruch zu bekommen, wird derjenige erstmal als Täter bezeichnet und danach freigesprochen wegen Schuldunfähigkeit. Das Sonderverfahren lenkt meiner Ansicht nach den Fokus noch deutlich stärker auf die Schuldunfähigkeit, als das bei eine sofortigen Freispruch der Fall ist.

 

Und noch ein Problem kommt dazu: Ein gesondertes Verfahren über die Schuldfähigkeit des Täters, was nicht in jedem Fall stattfindet, kann leicht den Eindruck zurücklassen, dass er nicht "völlig normal" sein kann, sonst hätte es gar keinen Grund gegeben, das Verfahren wegen Schuldunfähigkeit überhaupt zu beginnen. Das bedeutet, dass die Eröffnung des zweiten Verfahrens alleine schon für manche einen Makel darstellen kann.

 

 

Abschließend: Es gibt gute Gründe für und gegen ein Schuldinterlokut, die man gut vertreten kann. Aber einer der beiden Verfahrensarten ohne ernsthaften Grund (und ohne Auseinandersetzung mit den Nachteilen der Alternative) die Rechtsstaatlichkeit abzusprechen, ist keine Argumentation, sondern Stammtischpolemik und wird auch nicht besser durch Fettschrift.

@Gast #30

Genaugenommen ging es mir weniger um Anonymität als um Wiedererkennung. So ist Gast eben nicht von Gast zu unterscheiden. Sie demonstrieren das Problem hervorragend, in dem sich mich mit "wieder" oder "wie schon bei vorherigen Kommentaren" wiedererkennen. Damit können Sie auf mehr zurückgreifen, als Sie selbst preisgeben. Dem sollten Sie mit Sorgfalt entsprechen und meine Argumente in meinem Sinne nachvollziehen.

Wenn ich erneut auf Menschenrechtler und Dr. Sponsel verweise, dann bleibe ich nicht im Allgemeinen oder Unklaren, sondern beziehe mich auf deren Aussagen und Inhalte. Ich kann diese nicht alle wiederholen.

So stellt Dr. Sponsel sehr gut klar, dass nicht allein das Ergebnis zählt, sondern der Weg eine wichtige Rolle spielt. Die Schwarzgeldgeschäfte waren nicht das Ergebnis eines Wahns, wie es die Gerichte zuvor behaupteten. Richter oder SV Lippke hätte sich mit dem Unvermögen seiner Vorgänger demütig auseinandergesetzt, bevor er zur Tagesordnung übergeht. Der Angeklagte GM hätte dem Richter oder SV Lippke dadurch vielleicht die Unvoreingenommenheit und das Streben nach Wahrhaftigkeit abgenommen und sich klarer geäußert. Wir hätten dann aus berufenen Munde erfahren, ob es eine KV gab, wer wem zusetzte und warum, sowie Motive, Nöte und Fehler. Da Strafe nicht anstand, konnte dies der einzige Zweck des Verfahrens sein. Mir nun wieder zu unterstellen, dass ich eine KV rechtfertigen will, ist das übliche Prinzip. Nennen wir es juristische Dreckschleuder. Was ?! Niemals! Juristen arbeiten sachlich. Nennen wir es Voreingenommenheit? Nein Juristen arbeiten sachlich. Sie nehmen den Allgemeinheitsgrundsatz, der gefühlt ihrer Sicht auf Dinge und Menschen entspricht und werten als integre und omnipotente Instanz über Andere. Sie selbst bzw. ihre Sicht ist ja der Maßstab. Was sollte Voreingenommenheit also sein? Ist doch faktisch ausgeschlossen.

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Richter oder SV Lippke hätte sich mit dem Unvermögen seiner Vorgänger demütig auseinandergesetzt, bevor er zur Tagesordnung übergeht.

Dann wäre Richter Lippke ganz schnell und demütig nicht mehr Richter, denn zum einen ist das nicht seine Aufgabe, zum anderen könnte er ein "Unvermögen seiner Vorgänger" erst nach erneuter Beweisaufnahme überhaupt (für sich in seinem Kämmerlein, wenn er mag) beurteilen, wäre ansonsten voreingenommen.

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Meine Antwort: Bei dem Schuldinterlokutverfahren würde im ersten Verfahren, bei dem n u r über die Straftat entschieden wird, die psychiatrische Zwangsbegutachtung und das Gutachten z u n ä c h s t entfallen.

Aber der Angekl. würde im ersten Verfahren einer Straftat schuldig gesprochen werden, ganz unabhängig, ob er unzurechnungsfähig war oder nicht. Das muss man auch nicht unbedingt wollen. Das ist eine Frage der Zweckmäßigkeit und keine Frage der Rechtsstaatlichkeit. Nicht alles, was Sie präferieren, ist schon deshalb alleineseligmachend rechtsstaatlich und alles andere rechtsstaatswidrig. Das sollten Sie sich dringend abgewöhnen. So geht das nicht. Juristen sind gewöhnt, notfalls drei oder mehr Meinungen gelten zu lassen und fleissig zu diskutieren und bezeichnen nicht alles andere immer gleich mit der Keule "rechtsstaatswidrig".

Eigentlich hätte Sie sich diese überflüssigen Fragen auch selbst beantworten können, zumal ich den Eindruck habe das es Ihnen nicht um die Beantwortung geht, sondern darum  meine Meinungsäußerung zu diskreditieren.

Wenn Sie keine Lust haben, am Blog teilzunehmen, dann lassen Sie es doch einfach.

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@Gast #39

Ich würde hoffen, dass Richter oder SV Lippke so unabhängig wäre, sich im Ergebnis nicht von solcherlei Bedrohung beeinflussen zu lassen und sich seine richterliche Überzeugung im Bewusstsein dieser Einflüsse unvoreingenommen zu bilden. Ihm wäre bewusst, welche Zumutungen die Prüfung des nicht existierenden Strafanspruchs und der unerwünschten Thematisierung des Versagens der Justiz bei Beschuldigten auslösen kann. Er würde erkennen, welchen Druck Zeugen verspüren, wenn Ihnen unter Vorhalt Erinnerungen abgefordert werden und Ihre Erklärungen zu Lücken und eigenen Unsicherheiten nicht abgenommen werden. Psychologen kennen das als Konsistenzstreben ("ich hätte das gern so getan oder gedacht") und sozialer Erwünschtheit ("ich erinnere mich so, wie es von mir erwünscht wird, gerade wenn ich unsicher bin oder eigene Irrtümer/Fehler befürchte"). Das gilt auch für Beschuldigte. GM wirkte auf mich eher als robust gegen diese Art der Normierung. Seine Einsilbigkeit wäre bei Richter oder SV Lippke wohl eher als Fatalismus angekommen und nicht als verschämtes Tateingeständnis. Richter oder SV Lippke hätte in anbetracht der tatsächlichen Einsichtsfähigkeit konkret zum Tagesablauf am 12.8.01 nachgefragt. Der Beschuldigte hätte so erkennen können, dass Richter oder SV Lippke tatsächlich an einer schlüssigen Erklärung interessiert ist und sich nicht an eine einseitige Deutung von Indizien und fragwürdigen Zeugenaussagen bindet.

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Die "normativen Bewertung" des psychowissenschaftlichen Befunds ist eine Zumutung. Anja Schiemann hat recht. Nehmen wir aber an, die Berufsrichter wüssten aufgrund ihrer Ausbildung, was das ist und was genau sie da tun. Woher aber sollen das die Schöffen wissen. Wüsste z.B. der Laienrichter Lippke, was von ihm erwartet wird? Könnte man (die/der Vorsitzende) ihm das erklären? Ist das überhaupt möglich?

 

Ich würde hoffen, dass Richter oder SV Lippke so unabhängig wäre, sich im Ergebnis nicht von solcherlei Bedrohung beeinflussen zu lassen und sich seine richterliche Überzeugung im Bewusstsein dieser Einflüsse unvoreingenommen zu bilden.

Ja, von der "Bedrohung" durch Fakten der zunächst durchzuführenden Beweisaufnahme möchte Richter Lippke sich lieber nicht beeinflussen lassen und völlig unabhängig von Regeln des Rechtsstaats und der Logik sich erstmal bewußt werden, was für eine "Zumutung" es ist, auf der Richterbank sitzen zu müssen.

"Psychologen kennen das als"... Hmmm. Hat jemand eine Idee?

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@I.S.

Eigentlich fassen Sie gut zusammen, warum die Tatzuweisung und auch die Zuweisung des nicht ausschließbaren Wahns eine Beschwer darstellen muss. Denn die Zusammenlegung der Prüfungen löscht nicht das Zwischenergebnis "Zuweisung der Täterschaft", sondern verlagert diese nur aus prozessökonomischen Interessen in die Urteilsgründe. Das 1. Teilurteil lautet: Begehung einer strafwürdigen Tat. Eindeutige Zulässigkeit der Revision. Das 2. Teilurteil lautet: Schuldunfähigkeit, wegen nicht ausschließbarer anderer seelischer Abartigkeit. Eindeutig eine Zuweisung, die ein nicht seelisch Abartiger als Zumutung wahrnimmt.

Ich bin mir sicher, dass eine Justiz, die anspruchslose Artigkeit und Hinnahme erwartet oder sogar erzwingt, kaum zur Ruhe und notwendiger Überzeugungskraft kommen wird. Es geht hier m.E. nach nicht um GM, sondern um das Ansehen und die Zukunft der Justiz. Bindet sich diese an die in diesem Fall vorgeführten Verfahrensweisen ist das ein weiterer Schritt in Richtung Isolation und Vertrauensverlust. U.a. im Fall Arnold konnte man feststellen, dass die Justiz selbst keine Verantwortung übernehmen will. In dem Fall entschied man sich für die alleinige Schuld der Nebenklägerin. Im Fall GM waren die Verfehlungen der Justiz so offensichtlich, dass man nicht auf gleiche Weise vorgehen konnte. Es wäre in jedem Fall Verantwortung der Justiz übriggeblieben. Durch die Tatzuweisung und Wahnvermutung solltr dies relativiertb 

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Mir scheint, es gibt hier falsche Vorstellungen über das Schuldinterlokut.

Es sind keine zwei Verfahren mit getrennt anfechtbaren (Teil-)Urteilen, sondern es ist lediglich eine Zweiteilung der Hauptverhandlung mit einem Urteil am Ende.

Hier mal die schweizerische StPO dazu (beachte insbesondere. Abs. 4):

Art. 342 Zweiteilung der Hauptverhandlung

1 Das Gericht kann auf Antrag der beschuldigten Person oder der Staatsanwaltschaft oder von Amtes wegen die Hauptverhandlung zweiteilen; dabei kann es bestimmen, dass:

a. in einem ersten Verfahrensteil nur die Tat- und die Schuldfrage, in einem zweiten die Folgen eines Schuld- oder Freispruchs behandelt werden; oder

b. in einem ersten Verfahrensteil nur die Tatfrage und in einem zweiten die Schuldfrage sowie die Folgen eines Schuld- oder Freispruchs behandelt werden.

2 Die Entscheidung über die Zweiteilung der Hauptverhandlung ist nicht anfechtbar.

3 Bei einer Zweiteilung dürfen die persönlichen Verhältnisse der beschuldigten Person nur im Falle eines Schuldspruchs zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht werden, es sei denn, dass sie für die Frage des objektiven oder subjektiven Tatbestandes von Bedeutung sind.

4 Die Entscheide über die Tat- und die Schuldfrage werden nach ihrer Beratung eröffnet, sind jedoch erst mit dem gesamten Urteil anfechtbar. 

https://www.admin.ch/opc/de/federal-gazette/2007/6977.pdf

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Gast schrieb:

Mir scheint, es gibt hier falsche Vorstellungen über das Schuldinterlokut.

Es sind keine zwei Verfahren mit getrennt anfechtbaren (Teil-)Urteilen, sondern es ist lediglich eine Zweiteilung der Hauptverhandlung mit einem Urteil am Ende.

Hier mal die schweizerische StPO dazu (beachte insbesondere. Abs. 4):

Art. 342 Zweiteilung der Hauptverhandlung

1 Das Gericht kann auf Antrag der beschuldigten Person oder der Staatsanwaltschaft oder von Amtes wegen die Hauptverhandlung zweiteilen; dabei kann es bestimmen, dass:

a. in einem ersten Verfahrensteil nur die Tat- und die Schuldfrage, in einem zweiten die Folgen eines Schuld- oder Freispruchs behandelt werden; oder

b. in einem ersten Verfahrensteil nur die Tatfrage und in einem zweiten die Schuldfrage sowie die Folgen eines Schuld- oder Freispruchs behandelt werden.

2 Die Entscheidung über die Zweiteilung der Hauptverhandlung ist nicht anfechtbar.

3 Bei einer Zweiteilung dürfen die persönlichen Verhältnisse der beschuldigten Person nur im Falle eines Schuldspruchs zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht werden, es sei denn, dass sie für die Frage des objektiven oder subjektiven Tatbestandes von Bedeutung sind.

4 Die Entscheide über die Tat- und die Schuldfrage werden nach ihrer Beratung eröffnet, sind jedoch erst mit dem gesamten Urteil anfechtbar. 

https://www.admin.ch/opc/de/federal-gazette/2007/6977.pdf

Für Ihren sehr informativen Kommentar danke ich Ihnen. Diese sinnvolle und auch notwendige strafprozessuale Regelung diferenziert vermutlich zwischen eindeutigen Straftaten, bei denen der Täter bespielsweise einen Mord gestanden hat oder der Täter zweifelsfrei feststeht u n d  gleichzeitig der Täter z.B. nachweislich bereits vorher  psychisch krank war u n d  deswegen die Schuldunfähigkeit konkret in Betracht kommt. In diesem Fall dürfte die Verfahrensweise nach Punkt a von amtswegen (oder auf Antrag angewandt) werden. In Fällen, in denen weder die Täterschaft feststeht und auch noch offen ist, ob der Angeklagte psychisch krank und deswegen schuldunfähig sein könnte, dürfte m.E. das Gerichtsverfahren nach Punkt b durchgeführt werden.

Der Fall G.M. wäre sehr wahrscheinlich nach der schweizerischen Interlokut-Regelung nach dem Verfahren b justiziell behandelt worden, da sowohl die Täterschaft und auch die psychische Krankheit, die Unzurechnungsfähigkeit offen und  zweifelhaft war. Diese Verfahrensweise wäre für Herrn Mollath substanziell von eindeutigem Vorteil gewesen: Im ersten Verfahrens t e i l  wäre G.M. nicht einer entwürdigenden Zwangsbeobachtung ausgesetzt und hätte sich von Anfang an  s t r e s s f r e i selbst in das Verfahren voll und ganz einbringen und verteidigen  k ö n n e n und möglicherweise auch zu der Notwehrsituation mit mehr Vertrauen eine Aussage gemacht, o  h n e einen Psychiater im Rücken zu haben und  sich in die  Gefahr zu begeben aufgrund von Äußerungen vorschnell und vor dem Schuldspruch pathologisiert zu werden.

 

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Im ersten Verfahrens t e i l wäre G.M. nicht einer entwürdigenden Zwangsbeobachtung ausgesetzt

Das glaube ich ncht. Um im zweiten Verfahrensteil sinnvoll gutachten zu können, hätte der Gutachter auch im ersten Verfahrensteil teilnehmen müssen, andernfalls ihm wichtige Informationen für sein Gutachten gefehlt hätten. Auch insoweit wäre Mollath also einer "einer entwürdigenden Zwangsbeobachtung ausgesetzt" worden, wobei ein Angeklagter in einem öffentlichen Strafprozess grundsätzlich immer in der öffentlichen Hauptverhandlung "einer entwürdigenden Zwangsbeobachtung" durch Presse und sonstige Öffentlichkeit ausgesetzt ist. Das gehört dazu und ist insoweit gar nicht "entwürdigend", sondern rechtsstaatlich zwingend.

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Die eigentliche Frage ist ja, was ein Gutachter durch Beobachtung im Prozess überhaupt zu erkennen vermag.

Der Angeklagte jedenfalls dürfte sich dadurch in seiner Handlungsweise eingeschränkt sehen, da alles was er macht vom Gutachter gegen ihn verwendet werden könnte.

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