Fall Mollath - Einige Anmerkungen zur schriftlichen Urteilsbegründung des LG Regensburg

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 20.11.2014

Die schriftlich verfassten Gründe des noch nicht rechtskräftigen Urteils im wiederaufgenommenen Prozess gegen Gustl Mollath liegen seit 14 Tagen  vor.

Ein erster Blick in die mit 120 Seiten außergewöhnlich umfangreiche Begründung bestätigt meinen Eindruck aufgrund der Pressemitteilung am Tag der mündlichen Urteilsverkündung.

Damals hatte ich von einem „salomonischen Urteil“ geschrieben und bin dafür kritisiert worden. Vielleicht habe ich das Wort „salomonisch“ unangemessen gebraucht – gemeint war, dass dieses Urteil für Herrn Mollath einerseits einen Erfolg darstellt, andererseits auch nicht. Erfolgreich für ihn ist es insofern, als die jahrelange Unterbringung aufgrund einer nachgewiesenen gefährlichen Wahnerkrankung, Ergebnis des Urteils des LG Nürnberg-Fürth, nun vom LG Regensburg nachträglich als rechtsfehlerhaft zurückgewiesen wurde. Herr Mollath ist für die Unterbringungszeiten zu entschädigen.

Dieses Urteil ist aber nur Teil eines außergewöhnlichen Gesamterfolgs: Vor gut zwei Jahren, Anfang November 2012, war Herr Mollath ein seit sechseinhalb Jahren in der forensischen Psychiatrie Untergebrachter und nahezu ohne Chance in absehbarer Zeit freigelassen und rehabilitiert zu werden. Auf seiner Seite standen zwar schon damals einige private Unterstützer, eine Strafverteidigerin und einige Journalisten. Auf der Gegenseite, die ihn als nach wie vor gemeingefährlichen Wahnkranken ansah, standen aber nicht nur das seit 2007 rechtskräftige Urteil, sondern  auch seine Behandler in der Psychiatrie, mehrere psychiatrische Gutachter, die Strafjustiz an drei bayerischen Standorten und die zunächst noch vom Ministerpräsidenten gestützte bayerische Justizministerin. Gegen diese Institutionen hat Gustl Mollath im Verlauf eines knappen Jahres die Wiederaufnahme seines Strafverfahrens, und zwar in einmaliger Weise auf Antrag der Staatsanwaltschaft (!), die Freilassung aus der Unterbringung, eine erfolgreiche Verfassungsbeschwerde und nunmehr auch ein neues Urteil erreicht. Im Verlauf dieser Zeit wurden anhand des „Falls Mollath“ außerdem wichtige Fehlkonstruktionen aufgedeckt, was in ein Bundesgesetzgebungsverfahren (StGB) sowie ein Landesgesetzgebungsverfahren (Maßregelvollzugsgesetz) mündete. Ohne dies aktuell empirisch überprüft zu haben: Ein solcher Erfolg ist in der bundesrepublikanischen Rechtsgeschichte einmalig. Wer nun davon spricht (sei es auf Seiten Herrn Mollaths oder auf der Gegenseite), Herr Mollath sei insgesamt gescheitert, der hat einen verzerrten Blick auf die Wirklichkeit. Allerdings: Die verlorenen Jahre kann ihm niemand zurückgegeben; die zu erwartende Entschädigung kann diesen Verlust nicht ansatzweise ausgleichen.

Zugleich enthält das Urteil auch einen „Misserfolg“ für Gustl Mollath, weil  der schwerste Vorwurf, seine Frau am 12.08.2001 geschlagen, gebissen und gewürgt zu haben, als seine rechtswidrige Tat festgestellt wurde. Seiner Darstellung, diese Tat habe so gar nicht stattgefunden bzw. er habe sich nur gegen einen Angriff seiner Frau gewehrt, ist das LG Regensburg nicht gefolgt. Dieser Misserfolg fällt allerdings gegenüber den oben genannten Erfolgen geringer ins Gewicht.

Die  Beweiswürdigung zum Tatvorwurf am 12.08.2001, ausgeführt auf  mehr als 50 Seiten der Urteilsgründe, ist nicht nur ausführlich, sondern akribisch und auch logisch stimmig. Im Kern glaubt das Gericht den Angaben der Nebenklägerin, die sie im früheren Verfahren gemacht hat, und den Beobachtungen des Arztes, den sie zwei Tage nach der Tat aufsuchte. Eine sehr kritische Würdigung dieser Angaben war geboten, denn die Nebenklägerin hat in der Hauptverhandlung nicht ausgesagt, aber dennoch auf den geschilderten Vorwürfen beharrt. In einem Strafprozess, der als Prinzipien die Unmittelbarkeit und Mündlichkeit der Beweiserhebung in der Hauptverhandlung kennt, ist ein solches Aussageverhalten  problematisch. Der BGH hat es dennoch zugelassen, die früheren Angaben eines Hauptbelastungszeugen zu verwerten, auch wenn dieser  die Aussage in der Hauptverhandlung (berechtigt) verweigert. Allerdings erweist sich eine derartige Beweiswürdigung auch im Fall Mollath als bedenklich: Die schriftlich niedergelegten Angaben der Nebenklägerin konnten praktisch nur untereinander und indirekt über die Vernehmung von Drittzeugen geprüft werden, ohne dass die Nebenklägerin in Gefahr geraten konnte, sich bei Rückfragen  in Widersprüche zu verwickeln. Da das Gericht die Nebenklägerin nie persönlich gesehen hat, konnte ein Gesamteindruck der entscheidenden personalen „Quelle“ der Vorwürfe nicht gewonnen werden. Wenn sich das Gericht dann zentral auf die früheren Aussagen stützt, muss diese Würdigung mit Leerstellen auskommen, die positiv gefüllt werden. So spricht nach Auffassung des Gerichts für die Glaubhaftigkeit der Angaben zentral, dass die Nebenklägerin zum Zeitpunkt ihrer ersten Angaben über die Tat noch nicht die Absicht gehabt habe, sich von ihrem Mann zu trennen bzw. ihn anzuzeigen. Vielmehr habe sie ja noch Monate mit ihm zusammengelebt. Gerade dieser Umstand kann aber auch umgekehrt interpretiert werden: Dass sie noch so lange mit ihm zusammengeblieben ist, könnte eher gegen einen lebensgefährlichen Angriff sprechen. Welche Absicht die Nebenklägerin mit dem Attest positiv verfolgte, ist unbekannt. Dass es keine Motive gewesen sind, die dem Wahrheitsgehalt ihrer Angaben entgegenstanden, wird vom Gericht unterstellt. Dass die Gründe in der "Vorsorge" für ein späteres Scheidungsverfahren gelegen haben könnten, wird vom Gericht nicht diskutiert. Im Übrigen stützt sich die Kammer darauf, dass es sich bei den Tatschilderungen im Kern um konstante und darum auch zuverlässige Äußerungen handele. Das Konstanzkriterium ist allerdings ein recht schwaches Wahrheitsindiz, weil es auch einer lügenden Person ohne Weiteres gelingen kann, eine konstante Tatschilderung in mehreren Vernehmungen aufrecht zu erhalten. Angaben zum Randgeschehen (wie kam es zur Tat, was passierte vorher und nachher?) sind in den verwerteten Angaben nicht enthalten. Hierzu hätte es zur Aufklärung der mündlichen Vernehmung der Nebenklägerin bedurft.

Anders als die Nebenklägerin hat sich der Angeklagte als Beweismittel gegen sich selbst auch in der Hauptverhandlung zur Verfügung gestellt. Seine Äußerung, er habe sich gewehrt, wird vom Gericht dahingehend gewürdigt, dass es jedenfalls am 12.08.2001 zu körperlichen Auseinandersetzungen gekommen sein müsse. Diese Würdigung ist nachvollziehbar. Wenn es eine Auseinandersetzung gab, bei der sich der Angeklagte gewehrt hat, dann kann erwartet werden, dass dieser die Auseinandersetzung auch im Einzelnen schildert. Hierzu aber schwieg der Angeklagte in der Hauptverhandlung. Es trifft allerdings nicht zu, dass sich – wie das Gericht meint (S. 66) – die Verteidigungsstrategien Mollaths (einerseits: Verletzungen vom Sprung aus dem Auto, andererseits: Verletzungen von einer Gegenwehr) widersprechen: Es ist denkbar, dass beides zutrifft und die Verletzungen von der Nebenklägerin beim Arzt als von einem einzigen Ereignis herstammend geschildert wurden.

Zentral ist der Zeuge Reichel, nach dessen Aussage er die Nebenklägerin zwei Tage nach der vorgeworfenen Tat gesehen hat und Verletzungszeichen schildert, die zu den Schilderungen der Nebenklägerin passen. Auch hier bemüht sich die Kammer, eventuelle Zweifel gar nicht erst aufkommen zu lassen. [Update 22.02.2015: Das Zustandekommen des Attests und des zugrundeliegenden Krankenblattinhalts ist sowohl inhaltlich als auch datumsmäßig  nach wie vor nicht eindeutig nachvollziehbar, diesbezügliche Widersprüche in der Darstellung Reichels wurden in der HV nicht geklärt.]

Insbesondere bleibe ich bei meiner schon kurz nach dem Urteil geäußerten Auffassung, dass die Frage der gefährlichen Körperverletzung durch eine das Leben gefährdende Handlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) für mich nicht zweifelsfrei erwiesen ist. Da es keine Fotografien der Hämatome gibt, war das Gericht allein auf die – von ihm selbst eingeräumt – unzuverlässige Erinnerung des Arztes angewiesen und auf die durch den Arzt indirekt vermittelte Angabe der Nebenklägerin. Zum Würgen (auch mit Würgemalen) gibt es eine umfassende,  im Kern auch differenzierende Rechtsprechung. Die Schlussfolgerung, nicht näher dokumentierte Würgemale gingen in jedem Falle mit einer Lebensgefährdung einher, wird in der BGH-Rechtsprechung nicht geteilt. Die Angabe der Nebenklägerin, sie sei kurzfristig bewusstlos gewesen, beruht allein auf ihrer nicht überprüfbaren und auch von keinem weiteren objektiven Indiz bestätigten Angabe.

Das Gericht kommt hinsichtlich der Schudfrage zu dem Schluss, Herr Mollath habe am 12.08.2001 nicht ausschließbar unter Einfluss einer schwerwiegenden Störung gehandelt, die nicht ausschließbar zur Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB geführt habe. Obwohl dies in dubio pro reo zu einer Entlastung Mollaths führt, so dass er für den Angriff auf seine Frau weder bestraft noch untergebracht werden kann, wird diese Wertung von ihm als belastend empfunden. Ob diese subjektive Belastung als „Beschwer“ für eine Rechtsmittel (Revision) genügt, wird sicherlich Gegenstand der Begründung des von Mollath und seinem neuen Verteidiger eingelegten Rechtsmittels  sein.

Ohne auf diese verfahrensrechtliche Frage näher eingehen zu wollen, kann man aber bezweifeln, dass die materiellen Maßstäbe, die das Gericht hier an eine Subsumtion der Merkmale des § 20 StGB (und sei es auch nur in dubio pro reo) angelegt hat, zutreffend sind.

Diese Maßstäbe werden üblicherweise recht eng gesehen: Es genügen eben nicht schon jegliche Anhaltspunkte oder die bloße Nicht-Ausschließbarkeit einer Störung zur Tatzeit, um dann per Zweifelsgrundsatz eine Exkulpation vorzunehmen. Hier hat das Gericht den Zweifelsgrundsatz doppelt wirken lassen: Erstens hinsichtlich der Frage, ob an dem Tag überhaupt eine schwerwiegende Störung vorlag und zweitens dahingehend, dass diese Störung zum Ausschluss der Steuerungsfähigkeit geführt hat. Regelmäßig sind auch psychiatrische Sachverständige nicht in der Lage, einen vorhandenen Zustand „zurückzurechnen“. Hier hat der Sachverständige weder über ein aktuelle Exploration verfügt noch über Aktenmaterial mit Begutachtungen, die zeitnah zum 12.08.2001 auf eine Störung hinwiesen. Er hat deutlich gemacht, dass man von ihm praktisch Unmögliches verlangt, wenn man erwarte, er könne eine belastbare Einschätzung zu einem 13 Jahre zurückliegenden Zeitpunkt abgeben. Das Gericht hat sich über diese Bedenken hinweggesetzt und den Sachverständigen Nedopil stärker interpretiert als es seiner Stellungnahme nach angemessen war. Natürlich kann er eine Schuldunfähigkeit vor 13 Jahren nicht „ausschließen“. Das kann niemand über den Zustand eines Menschen sagen, den er zum damaligen Zeitpunkt nicht gekannt bzw. gesehen hat. Aber für eine (wenn auch nur aufgrund des Zweifelssatzes) vorgenommene Annahme der Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB reicht dieses Nichtwissen normalerweise nicht aus. Die vom Gericht für eine solche Störung aufgeführten Indizien stammen zu einem großen Teil aus der Zeit nach der Trennung der Eheleute und können daher nicht eine Tatwirksamkeit für den August 2001 belegen. Das Gericht meint, der zeitliche Zusammenhang sei „sehr eng“(S. 81), jedoch ist der situationale Zusammenhang eher fern, soweit viele weitere geschilderte Verhaltensauffälligkeiten erst nach dem Auszug der Nebenklägerin aus der gemeinsamen Wohnung auftraten. Eine belastende psychodynamische Ausnahmesituation kommt praktisch in jeder Ehekrise auf beide Partner zu. Nach dieser Logik müssten eine große Anzahl Fälle häuslicher Gewalt unter dem Blickwinkel nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit betrachtet werden.

Die Beweiswürdigung zu den anderen Tatvorwürfen hingegen stimmt mit meiner Einschätzung nach der Hauptverhandlung überein.

Das noch nicht rechtskräftige Urteil kann hier nachgelesen werden: Urteil des LG Regensburg

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Mit dem Fall Mollath zusammenhängende Fragen werden jedoch von mir weiter verfolgt. Schon für demnächst ist ein  Beitrag zur (speziellen) Frage der Revisionszulässigkeit geplant. Zu dieser Frage kann dann auch wieder diskutiert werden. 

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1753 Kommentare

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Vielen Dank für die Zusammenfassung in #21. Für jemanden, der den Prozess nicht in allen Details vefolgt hat, musste ich länger suchen, als ich zuzugeben bereit bin, bis ich auf die relevante Stelle gestossen bin.

Bei meinen Nachforschungen bin ich zusätzlich noch auf folgende Stelle der Dokumentation von Herrn Strate gestossen, die ich für interessant halte:

Schriftsatz der Verteidigung vom 01.05.2013, S. 12 schrieb:
Die Hämatome an den Oberarmen stammten demnach von einem Festhaltegriff (was die Darstellung meines Mandanten stützt, er habe sich gegen die ihn mit Schlägen und Tritten angreifende Ehefrau gewehrt) und nicht von Faustschlägen. Die festgestellten Hämatome an Unter- und Oberschenkeln stammen demnach von Schlägen mit der flachen Hand und nicht von Tritten gegen die untere Körperhälfte (die sie im Zustand der Bewusstlosigkeit auch gar nicht wahrgenommen haben kann).

http://strate.net/de/dokumentation/Mollath-LG-Regensburg-2013-05-01.pdf

Soweit meine Google-Anwendungskenntnisse reichen, wird im Schriftsatz vom 01.05.2013 erstmals in der Dokumentation von Herrn Strate das Wort "gewehrt" (oder Varianten davon) verwendet. Der Schriftsatz ist bezogen auf den Tatvorwurf vom 12.08.2001. Ist bekannt, ob Herr Mollath selbst zeitnah zu diesem Schriftsatz den Bezug zwischen Tatvorwurf 12.08.2001 und dem "gewehrt" hergestellt hat? Oder ist der Klammerzusatz von Herrn Strate doch eher auf die vorherige Aktenlage bezogen?

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MT schrieb:

Soweit meine Google-Anwendungskenntnisse reichen, wird im Schriftsatz vom 01.05.2013 erstmals in der Dokumentation von Herrn Strate das Wort "gewehrt" (oder Varianten davon) verwendet. Der Schriftsatz ist bezogen auf den Tatvorwurf vom 12.08.2001. Ist bekannt, ob Herr Mollath selbst zeitnah zu diesem Schriftsatz den Bezug zwischen Tatvorwurf 12.08.2001 und dem "gewehrt" hergestellt hat? Oder ist der Klammerzusatz von Herrn Strate doch eher auf die vorherige Aktenlage bezogen?

 

Zu dem "ich habe mich nur gewehrt" zitiere ich aus dem Urteil im Zusammenhang und ungekürzt, um zugleich den Beleg dafür zu geben, was im Urteil daraus geworden ist (Seite 55-56 UA):

Für die Glaubhaftigkeit der angaben der Nebenklägerin spricht neben deren Zeitnähe, Konstanz und rechtsmedizinischer Nachvollziehbarkeit zudem, dass sie mit der Einlassung des Angeklagten und seinen Schreiben vom 24.9.2003 und 9.8.2002 vereinbar sind:

aa.)
Zunächst bestätigt die Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung die Angaben der Nebenklägerin insoweit, als sich aus der Formulierung, er habe sich nur gewehrt, ergibt, dass eine körperliche Auseinandersetzung tatsächlich stattgefunden hat.

Eine entsprechende Einlassung des Angeklagten hat auch die Zeugin Heinemann, Berichterstatterin in der Hauptverhandlung vom 8.8.2006, bestätigt, die angegeben hat, der Angeklagte habe sich auch am 8.8.2006 dahingehend eingelassen, dass er sich gewehrt habe, weil die Nebenklägerin ihn angegriffen habe. Zudem hat der Zeuge Eberl, Vorsitzender in der Hauptverhandlung vom 22.4.2004, bekundet, der Angeklagte habe damals nicht den Eindruck erweckt, die Taten bestreiten zu wollen, sondern eine moralische Erörterung gewollt, was in der Welt alles schief laufe.

bb.)
Ebenso spricht die Verteidigungsschrift des Angeklagten vom 24.9.2003 ("Was mich prägte") dafür, dass es am 12.8.2001 zu dem festgestellten Vorfall gekommen ist:

So hat der Angeklagte darin ausgeführt: "(...) Wir haben uns heftig gestritten, sie will nicht aufhören. Wie schon mal passiert, Sie geht auf mich los. Tritte und Schläge. Leider wehre ich mich. (...)". Im Rahmen der Hauptverhandlung hat der Angeklagte auf Frage zu den Tatvorwürfen vom 12.8.2001 lediglich erklärt, er habe mit der Formulierung "nur gewehrt" gemeint, dass er versucht habe, sich vor Schlägen zu schützen.

Sowohl die Einlassung des Angeklagten als auch sein Schreiben vom 24.9.2003 belegen, dass es zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau gekommen ist.

WR Kolos schrieb:

 

Zu dem "ich habe mich nur gewehrt" zitiere ich aus dem Urteil im Zusammenhang und ungekürzt, um zugleich den Beleg dafür zu geben, was im Urteil daraus geworden ist:

 

Wie meinen Sie das? Halten Sie das für eine verfälschende Darstellung?

GM stellt doch selber den Vergleich zur körperlichen Auseinandersetzung mit dem Bruder an.

Von daher scheidet eine Auslegung im "übertragenen" Wortsinne m.E. klar aus.

Auf der anderen Seite ist auch GM unterstellbarer Weise klug genug zu wissen, dass selbst wenn er eine ausführliche Darstellung des Angriffes gibt, Riin Escher stante pede angesichts des Verletzungsbildes die Frage stellen wird, ob Würgen/Griff nach dem Hals das angemessene Mittel der Wahl zur Abwehr war.

Der weiss doch, wie mühsam das wird, wenn er sich rechtfertigt. Hatte ja 7,5 Jahre Zeit darüber nachzudenken...

 

astroloop schrieb:

WR Kolos schrieb:

 

Zu dem "ich habe mich nur gewehrt" zitiere ich aus dem Urteil im Zusammenhang und ungekürzt, um zugleich den Beleg dafür zu geben, was im Urteil daraus geworden ist:

 

Wie meinen Sie das? Halten Sie das für eine verfälschende Darstellung?

 

 

@ Max Mustermann

Das ist doch nur ein einziger Satz, den man doch gar nicht missverstehen kann, und schon gar nicht so wie Sie das tun. Lesen Sie ihn doch einfach so wie er da steht. Ich lege in diesem Satz doch überhaupt nichts aus und meine auch nix. 

Die Einlassung des Angeklagten wurde im Urteil einzig und allein zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben herangezogen, die die Nebenklägerin gegenüber den Zeugen Simbek, Reichel und Krach gemacht haben soll. Dafür steht mein darauf folgendes Zitat des Urteils.

Die Beurteilung der Glaubhaftigkeit ist auch der Hauptkritikpunkt und das zentrale Thema dieser Diskussion. Darauf hat auch schon Professor Müller mehrmals hingewiesen. Mit meinem Zitat sollte auch dieser Zusammenhang wiederhergestellt werden.

#45

"Die festgestellten Hämatome an Unter- und Oberschenkeln stammen demnach von Schlägen mit der flachen Hand" (Schriftsatz der Verteidigung)

Schläge mit der flachen Hand verursachen (außer bei Vorliegen einer Blutgerinnungsstörung) keine Hämatome, sondern typische rötliche Doppelstriemen. Wie wörtlich sind denn solche Schriftsätze zu verstehen?

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@ #46

Lesen Sie den Abschnitt im Gesamtzusammenhang! Der Anwalt von Herrn Mollath kritisiert die verfälschende Darstellung im Urteil des LG Nürnberg-Fürth. Im Urteil heisst es, Herr Mollath habe seine Frau mit der Faust geschlagen. Im Attest dagegen steht, die Schläge seien mit der flachen Hand ausgeführt worden.

5

#47

Ich kenne die Stelle wie auch die Argumentation, möchte nur auf den Widerspruch hinweisen. 

Sollte man nun anhand der Akten und der Schriftsätze der Verteidigung Sachaufklärung betreiben?

 

 

0

@ #48

Der Anwalt von Herrn Mollath macht sich die Aussage des Attests, dass mit der flachen Hand geschlagen wurde, nicht zu eigen. Es liegt daher kein Widerspruch vor.

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@ Herr Kolos

 

Ich hatte Ihren Satz ("um zugleich den Beleg dafür zu geben, was im Urteil daraus geworden ist") auch so verstanden, als wollten Sie damit auf eine verfälschende Darstellung im Urteil hinaus. Und ich vermute, dass das nicht nur Mustermann und mir so gegangen ist. Sie sehen, es ist gar nicht so einfach, einen Text "einfach so zu lesen, wie er da steht". Da ist es doch schön, dass Sie Ihre Intention dank Mustermanns Frage klarstellen konnten.  

 

 

5

@Kolos

Lieber Herr Kolos,

warum stossen Sie sich eigentlich so am Begriff der Glaubhaftigkeit?

Im Kern ist die Sachlage doch eindeutig, oder nicht?

Es reicht doch ein Blick ins Gesetz:

§223 StGB

Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird (...) bestraft.

 

P3M sagt, GM hat sie gebissen, geschlagen, getreten und gewürgt.

Was soll denn daran nicht glaubhaft sein?

Hatte P3M keine Verletzung?

Kommt nach kriminalistischer Erfahrung oder mit ausreichender Wahrscheinlichkeit ein anderer Verursacher als GM in Frage?

Selbst wenn eine Notwehrsituation vorgelegen haben sollte, steht P3M`s Aussage nicht im Widerspruch dazu.

Wo liegt eigentlich das Problem? Wenn nicht bei der Qualifizierung als gefährlich? 

Für §223 reicht das allemal.

Oder erweitern Sie den Kreis der Glaubhaftigkeitsprüfung auch noch auf Umstände die in der Person des mutmasslichen Opfers liegen? Etwa dass sie gar kein unschuldiges Opfer ist, sondern eine Rosenkriegerin? Dass unsere Rechtsordnung sie evtl. beim Unterhalt als Opfer besser stellt und sie vlt. Vorteile hatte? Dass sie bezgl. des 31.05 mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht die Wahrheit gesagt hat? Das weiss ja sogar Brixner, ABER darauf kommt es für §223 doch gar nicht an.

 

Auch unbelehrbare Steuerhinterzieherbeihelfer darf man nicht verhauen...

 

 

Sehr geehrter Herr Mustermann,

Sie fragen:

warum stossen Sie sich eigentlich so am Begriff der Glaubhaftigkeit?

Im Kern ist die Sachlage doch eindeutig, oder nicht?

Es reicht doch ein Blick ins Gesetz:

§223 StGB

Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird (...) bestraft.

Das Glaubhaftigkeitsüberprüfungsproblem ist kein Problem des StGB, sondern der StPO, und zwar grundätzlich des § 261. Die freie richterliche Beweiswürdigung bedarf der Kontrolle, dass es sich bei ihr nicht um Willkür handelt.

Sie schreiben:

P3M sagt, GM hat sie gebissen, geschlagen, getreten und gewürgt.

Wem hat sie das gesagt, der Kammer etwa, in der HV? Die Kammer geht in ihrem Urteil davon aus, sie habe es den Zeugen Simbek, Reichel und Krach gesagt. Aber das stimmt nicht. Daran konnten sich die Zeugen nicht erinnern. Das ergibt sich aus den Urteilsgründen.

Sie fragen:

Was soll denn daran nicht glaubhaft sein?

Genauso frage ich Sie: Was soll denn daran glaubhaft sein? Das ist auch die Frage, die von der Kammer zu begründen war. Und sie begründete die Glaubhaftigkeit an der bereits von mir o.a. Stelle wie folgt (Seite 55 UA):

Für die Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin spricht neben deren Zeitnähe, Konstanz und rechtsmedizinischer Nachvollziehbarkeit zudem, dass sie mit der Einlassung des Angeklagten und seinen Schreiben vom 24.9.2003 und 9.8.2002 vereinbar sind:

Was Ihnen noch nicht klar zu sein scheint, war der Kammer durchaus klar. Soll sich die gerichtliche Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten allein auf die Aussage einer einzigen Belastungszeugin stützen, dann sind an die Überzeugungsbildung strenge Anforderungen zu stellen. Grundlage für die von der Kammer angelegten Maßstäbe war eine BGH-Entscheidung, auf die sich die Kammer ausdrücklich bezieht (Seite 56-57 UA):

Die Kammer hat alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, in ihre Überzeugungsbildung miteinbezogen und entsprechend den Maßstäben, die der Bundesgerichtshof heranzieht (BGH NStZ-RR 1998, 16 f.), die möglicherweise gegen die Zuverlässigkeit der Aussage sprechenden Umstände nicht nur einzeln und gesondert geprüft, sondern auch überprüft, ob diese in einer Gesamtschau zu durchgreifenden Zweifel an der Richtigkeit des Tatvorwurfs führen.

Die Kammer hat übersehen, dass die von ihr angelegten Maßstäbe für Zeugenaussagen gelten und sie damit die angeblichen Angaben der Nebenklägerin gegenüber der Zeugen Simbek, Reichel und Krach so gewürdigt hat, als hätte die Nebenklägerin in der Hauptverhandlung als Zeugin ausgesagt und hätte der Befragung der Kammer, der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung zur Verfügung gestanden. Die Kammer war sich also nicht einmal der erheblich eingeschränkten Möglichkeiten zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der aussageverweigernden Nebenklägerin bewusst. Sie hat den reduzierten Beweiswert nicht berücksichtigt. Damit ist ihre Beweiswürdigung nach Maßgabe der Rechtsprechung des BGH rechtsfehlerhaft. 

 

Lieber Herr Kolos,

Sie schreiben:

Das Glaubhaftigkeitsüberprüfungsproblem ist kein Problem des StGB, sondern der StPO, und zwar grundätzlich des § 261. Die freie richterliche Beweiswürdigung bedarf der Kontrolle, dass es sich bei ihr nicht um Willkür handelt.

Da stimme ich Ihnen selbstverständlich zu. Sind Ihnen denn bei der Kontrolle der richterlichen Beweisführung inhaltliche Fehlschlüsse, Unlogiken oder Widersprüche aufgefallen? Mir sind keine derart stossende Fehlannahmen bewusst, die das verfahrensgegständliche Ergebnis derart beeinflussen und somit den doch recht schweren Vorwurf der Willkür tragen könnten.

Aber vielleicht lesen Sie ja genauer als ich.

Wobei der nächste Einwurf von Ihnen mich in dieser Hoffnung irritiert:

 Wem hat sie das gesagt, der Kammer etwa, in der HV? Die Kammer geht in ihrem Urteil davon aus, sie habe es den Zeugen Simbek, Reichel und Krach gesagt. Aber das stimmt nicht. Daran konnten sich die Zeugen nicht erinnern. Das ergibt sich aus den Urteilsgründen.

 

Bisschen gewagt diese Behauptung, oder nicht?

Reichel für seinen Teil hat sein Hörensagen zumindest verschriftlicht. Simbeck denkt an Tetanusspritzen. Und Krach ist so schockiert, dass Sie mehr wie Schläge und Bewusstlosigkeit sowieso nicht wissen will.

Glücklicherweise stützen sich die fraglichen Angaben der Belastungszeugin ja nicht nur auf diese 3 Privatpersonen, sondern auch auf Vernehmungsrichter, Polizeibeamte und Richter. 

Auf alle Fälle wäre es mir neu, dass von Treten, Schlagen, Beissen und Würgen nie die Rede war, resp. dass sich da keiner daran erinnern kann. Vielleicht erklären Sie uns das nochmal in Ruhe.

Aber zur nächsten Frage: 

Genauso frage ich Sie: Was soll denn daran glaubhaft sein? Das ist auch die Frage, die von der Kammer zu begründen war.

Na wenn Sie mich fragen, weil die Schilderungen, die verwertet werden konnten, konstant und widerspruchsfrei waren. Zeugen können die Verletzungen bestätigen. Und der Beschuldigte räumt eine körperliche Auseinandersetzung ja auch ein...

Also in einem Rechtsstaat ist das Gericht nun aufgrund der Verfassung ziemlich unter Zugzwang.

Die müssen jetzt nur noch ein rechtsfehlerfreies Urteil hinkriegen.

Ob dieser Einwand dem gerecht wird?

Die Kammer war sich also nicht einmal der erheblich eingeschränkten Möglichkeiten zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der aussageverweigernden Nebenklägerin bewusst. Sie hat den reduzierten Beweiswert nicht berücksichtigt. Damit ist ihre Beweiswürdigung nach Maßgabe der Rechtsprechung des BGH rechtsfehlerhaft. 

Das sieht die Kammer aber anders:

 

So ist sich die Kammer insbesondere bewusst gewesen, dass keine unmittelba­ren weiteren Tatzeugen zu Verfügung gestanden sind, die Nebenklägerin selbst von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht und der Angeklagte sich nur äußerst knapp zur Sache eingelassen hat, so dass letztlich Aussage gegen Aussage gestanden ist und nur Zeugen vom Hörensagen haben vernommen werden können. Außerdem hat die Kammer in ihre Beweiswürdigung mit einbezogen, dass die Nebenklägerin ihr Zeugnisverweigerungsrecht ausgeübt, aber der Verwer­tung ihrer Angaben zugestimmt hat, so dass eine Konfrontationsmöglichkeit in der Hauptverhandlung nicht bestanden hat. 

S. 57 UA

Oder fantasiert die Kammer sich ein Bewusstsein zusammen?

Letztlich wäre es dann hilfreich, dass Sie konkrete Anhaltspunkte im Sachverhalt darstellen, bei denen der niedrige Beweiswert nicht zum Tragen gekommen ist.

Trotz des niedrigen Beweiswertes, der ja durch alle anderen Beweismittel zumindest wieder einwenig ausgeglichen wird, bleibt die Anschuldigung doch weiter glaubhaft.

Also zumindest für §223 seh ich keine Probleme.

 

 

Sehr geehrter Herr Mustermann,

als Beleg dafür, dass die Kammer sich des begrenzten Beweiswerts bewusst war, zitieren Sie eine Stelle aus dem Urteil (S. 57 UA), aus der sich lediglich ergibt, dass der Kammer die Umstände bekannt waren, die Voraussetzung für Beweiswerteinschränkung sind. Die Kammer war sich demnach zwar der fehlenden Möglichkeit der unmittelbaren Befragung und der fehlenden Konfrontationsmöglichkeit bewusst. Sie war sich aber nicht der erheblich eingeschränkten Möglichkeiten zur Überprüfung der Glaubhaftigkeit bewusst und der sich daran anschließenden Folge der Beweiswertreduktion. Wie mir scheint, ist Ihnen das auch nicht bewusst.

Der von Ihnen genannte Katalog von Kriterien für eine Willkürentscheidung ist selbstverständlich nicht abschließend. Willkürlich dürfte sein auch die Bewertung eines mittelbar erlangten Beweises mit herabgesetzten Wert wie eines vollwertigen und unmittelbar erlangten Beweises.

Sie schreiben:

Glücklicherweise stützen sich die fraglichen Angaben der Belastungszeugin ja nicht nur auf diese 3 Privatpersonen, sondern auch auf Vernehmungsrichter, Polizeibeamte und Richter. 

Auf alle Fälle wäre es mir neu, dass von Treten, Schlagen, Beissen und Würgen nie die Rede war, resp. dass sich da keiner daran erinnern kann. Vielleicht erklären Sie uns das nochmal in Ruhe.

Dass davon mal die Rede war, genügt nicht den Anforderungen einer Urteilsbegründung. Als Surrogat für die Schilderungen der Tathandlung durch die Nebenklägerin werden im Urteil wiederholt diese drei Zeugen genannt. Die Angaben stützen sich nur insoweit auf "Vernehmungsrichter, Polizeibeamte und Richter" als es galt die Konstanz der Schilderung zu begründen. Wenn lediglich das Attest und  "Vernehmungsrichter, Polizeibeamte und Richter" als Surrogat für die Schilderung hätten herhalten müssen, dann bliebe die Konstanz doch sehr fraglich.

Konstanzbegriff des LG ein Loreleyproblem

WR Kolos schrieb:

Dass davon mal die Rede war, genügt nicht den Anforderungen einer Urteilsbegründung. Als Surrogat für die Schilderungen der Tathandlung durch die Nebenklägerin werden im Urteil wiederholt diese drei Zeugen genannt. Die Angaben stützen sich nur insoweit auf "Vernehmungsrichter, Polizeibeamte und Richter" als es galt die Konstanz der Schilderung zu begründen. Wenn lediglich das Attest und  "Vernehmungsrichter, Polizeibeamte und Richter" als Surrogat für die Schilderung hätten herhalten müssen, dann bliebe die Konstanz doch sehr fraglich.

Ich darf nocheinmal auf meine Analyse des Konstanzbegriffs des LGs hinweisen: Zusammenfassung der Ergebnisse der Analyse der 21 Konstanz-Textstellen:

http://www.sgipt.org/forpsy/Mollath/ipgipt/wa/MkUAPA1.htm#Zusammenfassun...

Die Konstanzbewertung des LG hat aus allgemeiner beweismethodischer Sicht daher keinerlei Beweiswert es sei denn für ein Worthülsen- und Leerformeln-Festival ;-)

 

RSponsel schrieb:

Konstanzbegriff des LG ein Loreleyproblem

WR Kolos schrieb:

Dass davon mal die Rede war, genügt nicht den Anforderungen einer Urteilsbegründung. Als Surrogat für die Schilderungen der Tathandlung durch die Nebenklägerin werden im Urteil wiederholt diese drei Zeugen genannt. Die Angaben stützen sich nur insoweit auf "Vernehmungsrichter, Polizeibeamte und Richter" als es galt die Konstanz der Schilderung zu begründen. Wenn lediglich das Attest und  "Vernehmungsrichter, Polizeibeamte und Richter" als Surrogat für die Schilderung hätten herhalten müssen, dann bliebe die Konstanz doch sehr fraglich.

Ich darf nocheinmal auf meine Analyse des Konstanzbegriffs des LGs hinweisen: Zusammenfassung der Ergebnisse der Analyse der 21 Konstanz-Textstellen:

http://www.sgipt.org/forpsy/Mollath/ipgipt/wa/MkUAPA1.htm#Zusammenfassun...

Die Konstanzbewertung des LG hat aus allgemeiner beweismethodischer Sicht daher keinerlei Beweiswert es sei denn für ein Worthülsen- und Leerformeln-Festival ;-)

 

 

Eine überzeugende Kritik, Herr Sponsel.

Was auch immer die Kammer unter Konstanz versteht, es ist nicht zu viel verlangt, das in den Urteilsgründen darzulegen. Wie so oft, stellt sich dann die Frage, ob sie damit gegen eine Soll-Regel verstoßen habe. 

 

Im Fall Mollath haben wir es mit zwei besonderen Umständen zu tun:

1. Das Urteil wird allein auf die Wahrnehmung einer einzigen Belastungszeugin gestützt.

2. Diese Belastungszeugin hatte die Aussage verweigert. 

Aus 1. folgt (u.a. BGH NStZ-RR 1998, 16 f.), dass aus dem Gebot einer optimalen Aufklärung des Sachverhalts strenge Anforderungen zu stellen sind. Hierbei hat sich die Beweiswürdigung vor allem mit der Entwicklung der Zeugenaussage und ihrer Konstanz auseinanderzusetzen.

Aus 2. folgt ( 4 StR 189/99, BGHSt 45, 203) bei Verzicht auf das Verwertungsverbot:

Freilich wird das Tatgericht bei der Würdigung des so erhobenen Beweises zu beachten haben, daß der Beweiswert der Aussage wegen der erheblich eingeschränkten Möglichkeiten zur Überprüfung der Glaubhaftigkeit der Aussage wesentlich geringer ist als bei einer unmittelbaren Aussage des Zeugen.

 

Die Kammer hat in den Urteilsgründen versichert, dass sie die von BGH in NStZ-RR 1998, 16 f. angelegten Maßstäbe zu ihrer Überzeugungsbildung herangezogen habe. Man kann selbstverständlich wie Mein Name dagegen einwenden, die bloße Versicherung reiche nicht aus. Denn der Zweck der Maßstäbe liegt in der Kontrolle und Überprüfbarkeit der richterlichen Überzeugungsbildung. Es muss sich also aus den Urteilsgründen ergeben, dass die strengen Anforderungen an das Gebot einer optimalen Aufklärung beachtet wurden. 

Lassen wir mal die erforderliche Auseinandersetzung mit der Entwicklung der Aussage außen vor.

Man kann also prüfen, ob die von der Kammer vorgenommene Konstanzprüfung den Anforderungen genügt. Dagegen kann man mit Ihrer Kritik einwenden, dass die Kammer versäumt habe darzulegen, welche Voraussetzungen sie an die Konstanz einer Aussage gestellt habe. Damit habe sie sich der Kontrolle durch die Revision entzogen.

Man kann aber auch aus dem besonderen Umstand zu 2. grundsätzlich die Unmöglichkeit einer Konstanzprüfung begründen. Der BGH sieht die Möglichkeit zur Überprüfung der Glaubhaftigkeit grundsätzlich für erheblich eingeschränkt, wenn die Aussage nicht unmittelbar in der HV erfolgte, dem Gericht der persönliche Eindruck fehlte und eine Befragung durch das Gericht unterblieb. Gleichwohl war in dem von BGH (BGHSt 45, 203) entschiedenen Fall die Konstanzprüfung dadurch möglich, weil die Kammer auf die Zeugenaussage einer Psychologin zugreifen konnte, die über den Inhalt und das Ergebnis ihrer Gespräche mit der Hauptbelastungszeugin berichten habe. Ein solches Beweissurrogat stand dem LG Regensburg nicht zur Verfügung. 

Ist es unter den besonderen Umständen im Fall Mollath überhaupt denkbar, eine Konstanzprüfung vorzunehmen? Oder anders gefragt: Angenommen, der Kammer wären die besonders schwierigen Voraussetzungen für eine Konstanzprüfung (kein persönlicher Eindruck, keine Befragungsmöglichkeit) bewusst gewesen und sie hätte zu diesem Zweck einen Aussagepsychologen beauftragt. Halten sie es für denkbar, dass ein Sachverständige unter diesen Umständen eine Aussage zur Konstanz hätte treffen können?

Konstanzprüfung

Sehr geehrter Herr Kolos,

Sie fragen:

WR Kolos schrieb:

Ist es unter den besonderen Umständen im Fall Mollath überhaupt denkbar, eine Konstanzprüfung vorzunehmen? Oder anders gefragt: Angenommen, der Kammer wären die besonders schwierigen Voraussetzungen für eine Konstanzprüfung (kein persönlicher Eindruck, keine Befragungsmöglichkeit) bewusst gewesen und sie hätte zu diesem Zweck einen Aussagepsychologen beauftragt. Halten sie es für denkbar, dass ein Sachverständige unter diesen Umständen eine Aussage zur Konstanz hätte treffen können?

Wir wissen nicht, was das LG unter Konstanz versteht, weil es das nicht erklärt (scheint so was wie ein Richterprinzip zu sein: man erklärt seine Begriffe nicht). In der Aussagepsychologie gelten sehr strenge Maßstäbe, die hier nicht erfüllt oder nicht kontrollierbar sind. Selbst wenn wir uns auf das "Kerngeschehen" (wird auch nicht erklärt) beschränken - was m.E. sinnvoll ist - haben wir mindestens zwei unterschiedliche "Kerngeschehensmerkmale", einmal vier (S. 43 und 61) und einmal sechs (S. 48). Wie die Konstanzprüfung vorzunehmen ist, habe ich für beide Fälle hier ausgeführt:

http://www.sgipt.org/forpsy/Mollath/ipgipt/wa/MkUAPA1.htm#Exkurs:%20Form...

 

Nachdem ich das Strate-Buch gelesen habe, kann ich mich nicht des Eindrucks erwehren, dass die hier in diesem Blog geführte Klein-Klein-Diskussion, z.B. ob Mollath seine Frau mit der Faust oder mit der flachen Hand geschlagen hat, ob das Attest zu den Hämatomen zutreffend war oder nicht usw., an der eigentlichen Kernfrage völlig vorbeigeht.

Gerhard Strate hat sich auf den Seiten 15 bis 206 seines Buches nur mit der forensischen Psychiatrie befasst. Die entscheidende Frage lautet doch:

Wie kann einen Staat charakterisieren, der einen Menschen, die eine Körperverletzung begangen hat, über sieben Jahre seines Lebens in der Psychiatrie wegsperrt?

Das ist die Frage, die man hier diskutieren sollte, also die Frage: Welchen Staat haben wir eigentlich?

5

@ Max Mustermann: das LG Regensburg kann noch so oft in die Urteilsbegründung schreiben, dass es alle Umstände berücksichtigt habe oder ihr der geringere Beweiswert bewusst gewesen sei. Das ist nicht entscheidend, denn in der von der Kammer zitierten BGH-Entscheidung 2 StR 140/97 (NZStr-RR 1998, 16) heißt es ausdrücklich

müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, daß der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat

Eine Behauptung, man habe dies getan, ersetzt nicht die Erörterung selbst in den Urteilsgründen! Das wäre so, als würde man in einer Deutschunterricht-Erörterung den Hauptteil, nämlich das Anführen und Werten der Argumente weglassen und statt dessen hinschreiben: "der Autor hat alle Argumente berücksichtigt und gewichtet und kommt zu dem Ergebnis ..." und würde sich hinterher über eine 6 beschweren.

Der BGH führte im o.a. Beschluss weiter aus:

Das Landgericht hat sich zudem mit einzelnen, möglicherweise Zweifel begründenden Indizien in nur unzureichender Weise auseinandergesetzt. 

Wo bitte ist das denn in der Urteilsbegründung des LG Regensburg in Bezug auf das Aussageverhalten der Nebenklägerin geschehen?

Das LG Regensburg behauptet nur, es habe den Anforderungen des BGH entsprochen, hat sie aber tatsächlich ignoriert.

 

 

Mein Name schrieb:
Wo bitte ist das denn in der Urteilsbegründung des LG Regensburg in Bezug auf das Aussageverhalten der Nebenklägerin geschehen?

Das Gericht hat sich mit allen Zweifeln einzeln auseinandergesetzt.

Beim Zeugnisverweigerungsrecht handelt es sich um ein Recht der Zeugin. Die Wahrnehmungen dieses Rechtes braucht die Zeugin nicht gesondert begründen. Und auch das mit guten Gründen.

Wollen Sie StPO konformes Verhalten nun negativ auslegen? Als nächstes dann auch beim Schweigerecht des Angeklagten ebenso?

Es ist unzulässig, wenn das Gericht über die Wahrnehmung eines zugesicherten Rechtes Spekulationen anstellt und Rückschlüsse zu ziehen versucht.

Das ist dann wirklich rechtsfehlerhaft und setzt das Urteil einem Revisionsanspruch der StA aus.

 

Da bin ich ja froh, dass Sie und Kolos ansonsten keinen krassen Widerspruch in der Urteilsbegründung finden, i.d.S dass es das Gericht unterlasssen hätte, einzelne Zweifel erregende Umstände ausser Acht zu lassen, ausser das rechtskonforme Verhalten der Belastungszeugin.

astroloop schrieb:
Das Gericht hat sich mit allen Zweifeln einzeln auseinandergesetzt.
Indem es die Zeugin Simbek, die etwas völlig anderes aussagt als sie 2004 beeidet hat, für glaubwürdig hält?

Indem es die Schilderungen der Zeugin Gabriele Kracht, die von der Nebenklägerin in klarer Belastungsabsicht aufgesucht wurde, unkritisch übernimmt? 

So schöne Fehler in der Beweiswürdigung sieht man selten; Doppeldenk hat in der Rechtsprechung nichts verloren.

Mittlerweile arten Ihre Beiträge ja zu klassischem Fehlgriff aus. Stets treffsicher daneben.

Mein Name schrieb:

astroloop schrieb:
Das Gericht hat sich mit allen Zweifeln einzeln auseinandergesetzt.
Indem es die Zeugin Simbek, die etwas völlig anderes aussagt als sie 2004 beeidet hat, für glaubwürdig hält?

Urteil lesen bildet. Auf S.19f. UA setzt sich  das Gericht eingehend mit Ihrem Zweifel ausseinander.

Mein Name schrieb:

Indem es die Schilderungen der Zeugin Gabriele Kracht, die von der Nebenklägerin in klarer Belastungsabsicht aufgesucht wurde, unkritisch übernimmt? 

Nicht im Winter 2001/2002. Also vor der Trennung.

 

Die Zeugin Krach-Olschewsky hat nämlich geschildert, dass sie selbst die Nebenklägerin bei einem Banktermin angesprochen habe, da die­ sie zunehmend verstörter gewirkt, deutlich abgenommen und eine große dunkle Brille getragen habe. 

S.29 ebd.

Mein Name schrieb:

So schöne Fehler in der Beweiswürdigung sieht man selten; Doppeldenk hat in der Rechtsprechung nichts verloren.

Manche gehen selbst beim Schattenboxen K.O....

astroloop schrieb:

Mein Name schrieb:

Das Landgericht hat sich zudem mit einzelnen, möglicherweise Zweifel begründenden Indizien in nur unzureichender Weise auseinandergesetzt. 

Wo bitte ist das denn in der Urteilsbegründung des LG Regensburg in Bezug auf das Aussageverhalten der Nebenklägerin geschehen?

Das Gericht hat sich mit allen Zweifeln einzeln auseinandergesetzt.

Falsch: es hat sich nicht mit einzelnen, möglicherweise Zweifel begründenden Indizien auseinandergesetzt, sondern nur angeführt, was für die Glaubwürdigkeit spricht. Nur mit solch einer Einseitigkeit kam man zum gewünschten Ergebnis.

Eine korrekte Beweiswürdigung sieht anders aus.

 

Alle Umstände geprüft?

Mein Name schrieb:

@ Max Mustermann: das LG Regensburg kann noch so oft in die Urteilsbegründung schreiben, dass es alle Umstände berücksichtigt habe oder ihr der geringere Beweiswert bewusst gewesen sei. Das ist nicht entscheidend, denn in der von der Kammer zitierten BGH-Entscheidung 2 StR 140/97 (NZStr-RR 1998, 16) heißt es ausdrücklich

müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, daß der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat

Eine Behauptung, man habe dies getan, ersetzt nicht die Erörterung selbst in den Urteilsgründen! Das wäre so, als würde man in einer Deutschunterricht-Erörterung den Hauptteil, nämlich das Anführen und Werten der Argumente weglassen und statt dessen hinschreiben: "der Autor hat alle Argumente berücksichtigt und gewichtet und kommt zu dem Ergebnis ..." und würde sich hinterher über eine 6 beschweren.

Der BGH führte im o.a. Beschluss weiter aus:

Das Landgericht hat sich zudem mit einzelnen, möglicherweise Zweifel begründenden Indizien in nur unzureichender Weise auseinandergesetzt. 

Wo bitte ist das denn in der Urteilsbegründung des LG Regensburg in Bezug auf das Aussageverhalten der Nebenklägerin geschehen?

Das LG Regensburg behauptet nur, es habe den Anforderungen des BGH entsprochen, hat sie aber tatsächlich ignoriert.

Vielen Dank für diesen BGH-Hinweis. Ich darf an dieser Stelle an meine Analyse dieser Worthülse und Leerformel erinnern:

http://www.sgipt.org/forpsy/Mollath/ipgipt/wa/MkUAPA4.htm#Zusammenfassun...

 

"Gerhard Strate hat sich auf den Seiten 15 bis 206 seines Buches nur mit der forensischen Psychiatrie befasst."

Für Sie ein Gewinn, für andere - auch der forensischen Psychiatrie gegenüber kritisch eingestellte Leser - ein Ärgernis und wahrscheinlich noch gar nicht das größte: Man hätte schon erwarten können, dass er nicht nur die f.P. und - mit vollem Namen und wirklich mit der Schrotflinte! - einzelne Psychiater an den Pranger stellt, sondern dass er sich zumindest ein wenig mit der f.P. auseinandersetzt. Es ist noch nicht einmal immer klar, ob er von der Psychiatrie allgemein oder von den Besonderheiten der f.P. spricht, dass diese nämlich von begangenen Straftaten auszugehen hat (§63 StGB). Etwas anderes als Ressentiments kann ich jedenfalls nicht identifizieren, Ressentiments, die den Blick auf die Problematik der forensischen Begutachtung und Unterbringung eher verstellen als dass sie irgend etwas erhellen.

Als erfahrener Strafverteidiger wird Herr Strate es wohl verstehen, die Grenze zum Rufmord gerade eben nicht zu überschreiten. Dennoch: dieses Buch ist geeignet, nicht nur das Rechtsempfinden, sondern vor allem das moralische Empfinden vieler Leser zu verletzen. Nur zu postulieren, es seien erwachsene Personen, die wüssten, was sie tun, reicht nicht, im Gegenteil, es suggeriert vielmehr, dass es sich um besonders bösartige Menschen handelt, die alle und jederzeit nur danach strebten, Herrn Mollath bewusst zu schaden, ohne dass diese sich artikulieren könnten, ohne dass dies anderweitig beweisbar wäre. Insofern ist es ja noch recht positiv zu sehen, dass die meisten potentiellen Leser, wenn sie sich, wovon auszugehen ist, nicht intensiv in den Fall eingearbeitet haben, wegen der Kleinteiligkeit der Darstellung an manchen Stellen (z. B. die Zitate aus Originaldokumenten, die Nachbarschaftsgeschichte - wieder mit vollem Namen! - versteht ja kaum jemand) mit diesem Buch nicht viel anfangen können.

 

 

 

3

Sehr geehrter Max Mustermann,

Sie definieren Glaubhaftigkeit mit Widerspruchsfreiheit + Konstanz.

Die Aussage von GM "ich habe mich nur gewehrt" und "ich hätte mich verprügeln lassen sollen" zu körperlichen Auseinandersetzungen war wohl widerspruchsfrei und konstant. Sie war also nach Ihrer Definition glaubhaft.

Es kam also zu Streit und gegenseitiger Körperverletzung, bei der GM abwehrend bei seiner Frau Verletzungen verursachte. Das Gericht hätte ja nun prüfen müssen, ob Notwehr vorlag und ausgeübt wurde. Zum Tatverlauf gibt es aber wohl nichts Genaues. Wie kommen Sie zu "Für §223 reicht das allemal. " ?

Wäre eine Einstellung wegen fehlendem Tatnachweises bzw. möglicher Notwehr rechtsfehlerhaft gewesen?

Sie fragten:

Wo liegt eigentlich das Problem? Wenn nicht bei der Qualifizierung als gefährlich? 

Bei gefährlicher KV u.a. durch Würgen bis zur Bewusstlosigkeit stellt sich die Glaubhaftigkeit der Behauptung von Notwehr natürlich ganz anders dar. Wenn nicht gerade ein lebensbedrohender Angriff mit Waffen abzuwehren war, dürfte Würgen bis zur Bewusstlosigkeit kaum noch als Notwehr durchgehen. War die Feststellung einer gefährlichen KV also die Vorraussetzung dafür, die ansonsten glaubhafte Notwehraussage zu kippen?

Im Urteil heißt es dazu auf S.66: Zwar ist aus rechtsmedizinischer Sicht – wie der Sachverständige Prof. Dr. E nachvollziehbar ausgeführt hat- eine Unterscheidung, ob das Ver-letzungsbild der Nebenklägerin durch vorsätzliche Misshandlung und [Anm:oder ist wohl gemeint] Notwehr verursacht wurde, nicht möglich.

Dem widerspricht das Gericht unmittelbar auf S.67: Die Einlassung des Angeklagten beinhaltet jedoch weder die Schilderung eines Angriffs der Nebenklägerin, noch lässt sie den Schluss zu, Würgen, Beißen, Treten und Schlagen seien geeignet und erforderlich gewesen, um einen sol-chen Angriff abzuwehren.

GM erklärt aber offensichtlich, dass er angegriffen wurde, schon wenn er behauptet, sich nur gewehrt zu haben. Gab es nach Auffassung des Gerichts keinen Angriff, nicht mal eine Gegenwehr? Gibt es überhaupt eine schlüssige Darstellung des Tathergangs?

Weiter erklärt das Gericht: Schließlich erscheint die Äußerung des Angeklagten, er habe sich gegen seine Ehefrau nur gewehrt, angesichts des erheblichen und komplexen Verletzungs-bildes mit einer Vielzahl von Verletzungen an verschiedenen Körperstellen und der körperlichen Überlegenheit des Angeklagten gegenüber seiner Frau, die der Zeuge R als sehr dünn und kläglich aussehend geschildert hat, fernliegend.

Diese Feststellung des Gerichts erfolgte offensichtlich gegen die Erklärung des Rechtsmediziners zur rechtsmedizinischen Sicht, die das Gericht zuvor noch als nachvollziehbar einstufte. Das Gericht kam also nicht aus rechtsmedizinischer Sicht zum Ausschluss der Notwehr. Es stützt sich vielmehr auf die körperliche Überlegenheit des Beschuldigten und die Vielzahl der Verletzungen. Eine Vielzahl von Verletzungen spricht bei Abwehrhaltung aber eher für die Zurückhaltung des Abwehrenden. Denn auch die körperliche Überlegenheit würde das umgehende Überschreiten von zurückhaltenden Abwehrhandlungen erfordern, um eine Vielzahl von Verletzungen zu vermeiden, wenn der unterlegene Angreifer von seinen Angriffen nicht ablässt. Die Logik des Gerichts ist in diesem Zusammenhang nicht nachvollziehbar.

Dass die Berufung auf Notwehr widerlegt sei, zieht das Gericht aus einem Widerspruch der Verteidigungsstrategien des Beschuldigten zu den Verletzungsursachen (Notwehr vs. Sprung aus dem fahrenden Auto) und dem fehlenden Hinweis auf Notwehr im Schreiben von GM am 09.08.2002. Das Schreiben habe ich auf die Schnelle nicht gefunden. Auf S.68 zitiert das Gericht aber in einem anderen Zusammenhang aus diesem Schreiben, dass inhaltlich offensichtlich nicht auf die körperliche Auseinandersetzung eingeht, sondern seine Sorgen zu den illegalen Geschäften thematisiert. "Seit vielen Jahren, habe ich begonnen, erst sachte, Dich zum Ausstei-gen zu bewegen. Auch ich war unter dieser finanziellen Abhängigkeit, die Du, durch Deine illegalen Geschäfte, erarbeitet hast. Ich hin daran, seelisch und körperlich, fast zerbrochen.“

Dass diese illegalen Geschäfte eigentlicher Auslöser der Auseinandersetzungen war, hält das Gericht für nicht ausschließbar (S.67). Das GM die mögliche Provokation seiner Frau mit dem Attestfax nicht auf gleicher Ebene erwiderte (z.B. mit Du hast das und das und ich habe nur das und das), sondern die Ursache der Auseinandersetzung argumentativ aufarbeiten wollte, blendet das Gericht mit seinem Bezug auf den fehlenden Hinweis Notwehr vollkommen aus. Zumal es offensichtlich auch rund 1 Jahr nach dem Vorfall an einem expliziten Tatvorwurf fehlte. Ob das Fax aus Sicht des Gerichts zwingend eine umgehende Verteidigung gegen den Vorwurf der gefährlichen KV und Darstellung von Notwehrsituation herausforderte, thematisiert das Gericht dann aber nicht.

Der Widerspruch in den Verteidigungsstrategien kann ich gar nicht nachvollziehen. Auf S.15 ist Mollaths Darstellung zum Sprung aus dem Auto wiedergegeben. Es besteht doch gar kein Widerspruch, wenn GM behauptet, dass sich seine Frau Verletzungen aus diesem Vorfall zugezogen hat. Die Aussage, dass diese Verletzungen für das Attest genutzt wurden, widerspricht nicht der Möglichkeit, dass auch eine Auseinandersetzung am 12.08.2001 stattfand. Welche Verletzungen im unstreitig unzureichenden Attest dokumentiert wurden, erfuhr GM ja frühestens am 08.08.2002 und dies ohne Zuordnung zu Tatverlaufserklärungen.

Sollte meine vorläufige Einschätzung des Schreibens vom 09.08.2002 zutreffen, ist aus meiner Sicht das Gericht beim Ausschluss der Notwehr manipulativ vorgegangen. Im Zusammenhang mit den fragwürdigen Umständen und der unterirdischen Qualität des Attestes offenbart sich eine Tendenz des Gerichts zur Verharmlosung der Beweismängel und Behauptung eines üblichen Normalverhaltens, dass eher am Gericht zweifeln lässt, als an Mollath gezeigten Verhalten.

 

 

 

4

Lutz Lippke schrieb:

Es kam also zu Streit und gegenseitiger Körperverletzung, bei der GM abwehrend bei seiner Frau Verletzungen verursachte. Das Gericht hätte ja nun prüfen müssen, ob Notwehr vorlag und ausgeübt wurde.?

Das hat das Gericht auch getan. Es hat doch durch Nachfragen versucht, die Notwehrhandlung zu bestätigen. Das blieb aber erfolglos, weil GM nichts weiter sagen wollte. Es gab nur eine andere Person, die etwas zur Notwehrlage hätte sagen können und die hat die Aussage komplett verweigert.
 

Wenn man sich das mal völlig losgelöst vom Fall GM betrachtet, stellt man schnell fest, dass O.Garcia Recht hat und dass es im Grundsatz erstmal "nur" ein normaler Fall häuslicher Gewalt ist:

M hat F geschlagen. Vor Gericht behauptet M dann aber, sich nur gewehrt zu haben. Details wie der Angriff abgelaufen ist, wie M sich genau verteidigt hat, wieso die körperlich unterlegene F ihn angegriffen hat - zu all dem will er nichts sagen. Jetzt muss das Gericht einschätzen, ob die Aussage "Ich hab mich gewehrt" in dem Zusammenhang glaubwürdig ist, wenn selbst auf Nachfrage die Notwehrsituation nicht erläutert wird. Da kann das Gericht dann durchaus die Schlussfolgerung ziehen, dass an der Notwehrbehauptung nicht viel dran ist. Die Möglichkeit, dass das Gericht M in irgendeiner Form absichtlich benachteiligen will, wird einem da nicht so ohne weiteres in den Sinn kommen.

Im Fall GM ist es dann vor allem das vorherige Justizunrecht, welches dazu führt, dass an sich normale gerichtliche Bewertungen, die zu Lasten von GM gehen, kritischer gesehen werden, als man das in einem anderen Fall ohne diese Vorgeschichte tun würde.

Quote:
Wäre eine Einstellung wegen fehlendem Tatnachweises bzw. möglicher Notwehr rechtsfehlerhaft gewesen?

Wegen fehlendem Tatnachweis wäre sehr schwer. Dass da was vorgefallen ist, hat ja sogar GM bestätigt - nur eben als durch Notwehr gerechtfertigt.
Eine Einstellung wegen Notwehr wäre wohl denkbar gewesen, wenn die Notwehr trotz der dünnen Aussage von GM aus irgendwelchen anderen "Gesamtschau-"Gründen für das Gericht glaubhaft gewesen wäre. Das ließe sich vermutlich gerade so rechtsfehlerfrei begründen.

 

Quote:
Die Einlassung des Angeklagten beinhaltet jedoch weder die Schilderung eines Angriffs der Nebenklägerin, noch lässt sie den Schluss zu, Würgen, Beißen, Treten und Schlagen seien geeignet und erforderlich gewesen, um einen sol-chen Angriff abzuwehren.

GM erklärt aber offensichtlich, dass er angegriffen wurde, schon wenn er behauptet, sich nur gewehrt zu haben. Gab es nach Auffassung des Gerichts keinen Angriff, nicht mal eine Gegenwehr? Gibt es überhaupt eine schlüssige Darstellung des Tathergangs?

Die Aussage von GM, dass er angegriffen wurde, hat das Gericht ja auch berücksichtigt und entsprechend nachgefragt, um sich einen Eindruck davon zu machen, ob diese Angabe glaubhaft ist. Das Gericht sagt deshalb auch nicht "GM hat nichts von einem Angriff gesagt", sondern vermisst "die Schilderung eines Angriffs der Nebenklägerin". Bei der "Schilderung" geht es meiner Meinung nach nicht um das "ob", sondern um das "wie" dieses Angriffs und dazu hat GM eben nichts gesagt. Und weil er zum "wie" nichts sagen will, sieht das Gericht dann auch die Aussage zum "ob" nicht mehr als glaubhaft an und geht deshalb nicht davon aus, dass es Notwehr war.

@Gast #14

"mit vollem Namen! - versteht ja kaum jemand ... Als erfahrener Strafverteidiger wird Herr Strate es wohl verstehen, die Grenze zum Rufmord gerade eben nicht zu überschreiten."

Sie selbst nennen Mollath und Strate mit vollem Namen, aber wollen nicht, dass Richter und Gutachter mit vollem Namen genannt werden. Wie passt das zusammen?

Zum Beispiel hat der Fehlgutachter Kröber, der vom Gericht sogar Honorar für sein falsches Gutachten über sein Objekt "Mollath" erhalten hat, seine Kollegen zu einem "öffentlichen Fallseminar" über das "Objekt" seines Falschgutachtens eingeladen, unter voller Namensnennung, versteht sich.

Im Gesetz steht (§ 839a BGB), dass sich Falschgutachter für ihr Falschgutachten schadenersatzpflichtig machen. Dagegen hat Kröber für sein Falschgutachten von den Richtern sogar noch Honorar erhalten. Meinen Sie, dass man die Namen der Richter und den Namen des Gerichts nicht nennen darf?

5

Sehr geehrter Prof. Müller,

nachdem ich mich nun doch mit einigen Details in der Urteilsbegründung intensiver beschäftigt hatte, wollte ich noch einmal sehen, ob meine Fragen zu diesen Details in ihrem obigen Artikel bereits thematisiert waren. Siehe da, eigentlich sprechen Sie alle oder fast alle Detailfragen an, die mir auch aufgefallen sind. In einigen Punkten erklären Sie Ihre abweichende Sicht bis hin zur Feststellung einer fehlerhaften Auffassung des Gerichts. In anderen Detailfragen nennen Sie nur kurz die Wertung des Gerichts und lassen Ihre eigene Wertung offen. Zumindest was meine intersubjektive Wahrnehmung betrifft, ist Ihnen aus meiner derzeitigen Sicht wohl kaum Wesentliches entgangen.

In einem gewissen Widerspruch dazu, stehen für mich Ihre allgemeinen Wertungen. Ich habe nachfolgend mal die für mich nicht nachvollziehbaren Wertungen fett dargestellt. Mir scheint es so, als würde in der zusammenfassenden Wertung ein Diskrepanz zu den Detailwertungen im Artikel auftreten.

Die  Beweiswürdigung zum Tatvorwurf am 12.08.2001, ausgeführt auf  mehr als 50 Seiten der Urteilsgründe, ist nicht nur ausführlich, sondern akribisch und auch logisch stimmig.
Wenn sich das Gericht dann zentral auf die früheren Aussagen stützt, muss diese Würdigung mit Leerstellen auskommen, die positiv gefüllt werden.
Diese Würdigung ist nachvollziehbar. Wenn es eine Auseinandersetzung gab, bei der sich der Angeklagte gewehrt hat, dann kann erwartet werden, dass dieser die Auseinandersetzung auch im Einzelnen schildert.
Die Würdigung erscheint auch widerspruchsfrei. Immerhin: Die gesamte Würdigung zur Körperverletzung ist transparent. Das Gericht hat seine subjektive Überzeugungsbildung intersubjektiv nachvollziehbar dargelegt.

 

Ich sehe einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen "muss diese Würdigung mit Leerstellen auskommen, die positiv gefüllt werden." und "subjektive Überzeugungsbildung".

Ich interpretiere das so, dass das Gericht keinen objektiven Tatnachweis geführt hat, sondern sich unter positivem Auffüllen von Leerstellen eine subjektive Überzeugung gebildet hat und diese für Sie allgemein nachvollziehbar dargelegt hat. Es ist also ein Meinungsurteil mit nachvollziehbarer Begründung. Gehe ich mit dieser Deutung zu weit?

Herzliche Grüsse

Lutz Lippke

5

#15

Der Name des Autors und der Titel sind ja bekannt, warum sollte man sie da nicht im Munde führen?

Ob man jemanden bloßstellt, nur weil es ein anderer auch tut, ist eine Frage des persönlichen Stils.

Völlig inakzeptabel ist es, wenn sogar Personen, die nur am Rande des Falles auftauchen, mit ihrem vollen Namen in eine riesige Öffentlichkeit gezerrt werden - es gibt ja gewiss nicht wenige, die sich erhoffen, dass dieses Buch ein Bestseller wird, vlt. kennen Sie ja auch die positive Rezension im SPIEGEL.

Stellen Sie sich einfach einmal vor, Sie würden in dieser Weise vorgeführt, Ihre Kinder würden von ihren Klassenkameraden gehänselt, nur weil man das schwarz auf weiß im Bestseller eines Staranwalts lesen kann - dann muss es doch auch wahr sein, nicht wahr?

 

2

- dann muss es doch auch wahr sein, nicht wahr?

Richtig! Nur welche Aussage in dem Strate-Buch ist nicht wahr?

Dagegen ist inzwischen durch das Wiederaufnahmeurteil erwiesen, daß die vorangehenden Urteile, z.B. von Brixner, und die vorangehenden Gutachten, z.B. von Kröber, falsch sind. Denn wenn z.B. das Urteil von Brixner und z.B. das Gutachten von Kröber wahr wären, dann wäre Mollath noch immer als "gemeingefährlicher Geisteskranker" gemäß § 63 StGB in der Anstalt.

5

Sehr geehrter Herr Lippke,

Sie schreiben:

Ich interpretiere das so, dass das Gericht keinen objektiven Tatnachweis geführt hat, sondern sich unter positivem Auffüllen von Leerstellen eine subjektive Überzeugung gebildet hat und diese für Sie allgemein nachvollziehbar dargelegt hat. Es ist also ein Meinungsurteil mit nachvollziehbarer Begründung. Gehe ich mit dieser Deutung zu weit?

Ja, so ist es seit Abschaffung von  Beweisregeln, man nennt es "freie Beweiswürdigung". Beweisregeln bedeutete, dass bestimmte Zeugenaussagen oder Beschuldigtenaussagen mehr zählten als andere (z.B. Reinigungseid oder übersiebnen: Man benötigte sechs Eideshelfer, um eine Klage zu gewinnen, Beweiswertunterschiede zwischen Christeneid und Judeneid, zwischen Frauen und Männern, Bürgern und anderen Leuten,  keine Verurteilung ohne Geständnis, das dann erfoltert wurde etc.  Also seit Abschaffung solcher Methoden beruht praktisch jedes Urteil (auch) auf subjektiver Überzeugung des Gerichts. Das Urteil muss allerdings intersubjektiv überzeugend begründet werden, d. h. für andere nachvollziehbar sein, keine Denkfehler enthalten. Maßstab ist hier der vernünftige Zweifel, der überwunden werden muss. Das Gericht hier hatte wohl keine vernünftigen Zweifel daran, dass die Körperverletzung stattgefunden hat und auch nicht gerechtfertigt war. Es ist nicht erforderlich, dass alle Menschen ebenso denken wie das Gericht oder ebenso überzeugt sind. Sonst könnten praktisch nur auf frischer Tat Ertappte Täter verurteilt werden. Deshalb ist die Diskussion hier auch hinsichtlich dieser richterlichen Überzeugung müßig, sofern wir nicht Rechtsfehler bei der Beweiswürdigung identifizieren.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

Henning Ernst Müller schrieb:

Sehr geehrter Herr Lippke,

Sie schreiben:

Ich interpretiere das so, dass das Gericht keinen objektiven Tatnachweis geführt hat, sondern sich unter positivem Auffüllen von Leerstellen eine subjektive Überzeugung gebildet hat und diese für Sie allgemein nachvollziehbar dargelegt hat. Es ist also ein Meinungsurteil mit nachvollziehbarer Begründung. Gehe ich mit dieser Deutung zu weit?

Ja, so ist es seit Abschaffung von  Beweisregeln, man nennt es "freie Beweiswürdigung". Beweisregeln bedeutete, dass bestimmte Zeugenaussagen oder Beschuldigtenaussagen mehr zählten als andere (z.B. Reinigungseid oder übersiebnen: Man benötigte sechs Eideshelfer, um eine Klage zu gewinnen, Beweiswertunterschiede zwischen Christeneid und Judeneid, zwischen Frauen und Männern, Bürgern und anderen Leuten,  keine Verurteilung ohne Geständnis, das dann erfoltert wurde etc.  Also seit Abschaffung solcher Methoden beruht praktisch jedes Urteil (auch) auf subjektiver Überzeugung des Gerichts. Das Urteil muss allerdings intersubjektiv überzeugend begründet werden, d. h. für andere nachvollziehbar sein, keine Denkfehler enthalten. Maßstab ist hier der vernünftige Zweifel, der überwunden werden muss. Das Gericht hier hatte wohl keine vernünftigen Zweifel daran, dass die Körperverletzung stattgefunden hat und auch nicht gerechtfertigt war. Es ist nicht erforderlich, dass alle Menschen ebenso denken wie das Gericht oder ebenso überzeugt sind. Sonst könnten praktisch nur auf frischer Tat Ertappte Täter verurteilt werden. Deshalb ist die Diskussion hier auch hinsichtlich dieser richterlichen Überzeugung müßig, sofern wir nicht Rechtsfehler bei der Beweiswürdigung identifizieren.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

Vielen Dank für die Erläuterung und historische Einbettung, die intersubjektiv (ein neues Wort für mich) nachvollziehbar ist. Im Allgemeinen sehe ich da aber trotzdem grundlegende Probleme, die ich hier aber mal draußen lassen will.

Im Konkreten fällt mir dank Dr. Sponsels akribischer Suche nach der Formel Gesamtschau/Gesamtwürdigung/ Gesamtheit auf, dass die Gesamtschau vom Gericht nicht nur auf die Gesamtheit der "Beweise" angewandt wurde und dann gegen eine oder mehrere ebenso in der Gesamtheit positiv erfassten Gegenhypothesen abgeklärt wurde, sondern schon fast jede einzelne Feststellung das Ergebnis einer Gesamtschau ist. Die recht willkürlich angewandte Ausschlussmethodik in den einzelnen Punkten beinhaltet bereits immer die subjektive Beweiswürdigung mittels Gesamtschau, so dass es nie zu einer sichtbaren und verbundenen Prüfung von möglichen Gegenhypothesen kommt. Das kann natürlich auch mit dem Urteilsstil zusammenhängen, aber lässt im Nachhinein nicht einmal im Ansatz die ernsthafte Verfolgung eines möglichen anderen Tatgeschehens erkennen. Denn vernünftige Zweifel bilden sich doch erst durch die Verknüpfung von alternativen Deutungsmöglichkeiten. Diese alternativen Deutungsmöglichkeiten jeweils bereits im Keim zu ersticken, erscheint mir manipulativ. Formalisieren kann ich das gerade nicht, aber für gute Logiker sollte das möglich sein. Ist diese inflationäre Durchdringung eines Urteils mit der Methode Gesamtschau bis in die einzelnen Sachverhalte und dann noch einmal in ihrer Gesamtheit wirklich üblich? Gibt es vergleichbare Urteile, einschlägige Rechtsprechung oder Erkenntnisse der Rechtstheorie dazu?      

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Gesamtschau Fundstellen in der schriftlichen Urteilsbegründung

Lutz Lippke schrieb:

... Im Konkreten fällt mir dank Dr. Sponsels akribischer Suche nach der Formel Gesamtschau/Gesamtwürdigung/ Gesamtheit auf, dass die Gesamtschau vom Gericht nicht nur auf die Gesamtheit der "Beweise" angewandt wurde und dann gegen eine oder mehrere ebenso in der Gesamtheit positiv erfassten Gegenhypothesen abgeklärt wurde, sondern schon fast jede einzelne Feststellung das Ergebnis einer Gesamtschau ist. ...

 

 

Ich habe die 27 Fundstellen zu dem Wort "Gesamtschau" schon erfasst - aber noch nicht  kritisch untersucht - und ins Netz gestellt:

http://www.sgipt.org/forpsy/Mollath/ipgipt/wa/HS04_GeSchau.htm

 

RSponsel schrieb:

Gesamtschau Fundstellen in der schriftlichen Urteilsbegründung

 

Ich habe die 27 Fundstellen zu dem Wort "Gesamtschau" schon erfasst - aber noch nicht  kritisch untersucht - und ins Netz gestellt:

Wenn Ihnen der Begriff "Gesamtschau" soviel Mühe bereitet, dann können Sie ja gerne einmal Ihr eigenes Internet-Konvulut nach den Begriffen "Zusammenfassung", "Übersicht" und "Überblick" abzählen.

Vielleicht hilft Ihnen das ja...was soll das eigentlich?

Wittgenstein im Westentaschenformat? Die Diskussion ist schon seit ewigen Zeiten durch...

astroloop schrieb:

RSponsel schrieb:

Gesamtschau Fundstellen in der schriftlichen Urteilsbegründung

 

Ich habe die 27 Fundstellen zu dem Wort "Gesamtschau" schon erfasst - aber noch nicht  kritisch untersucht - und ins Netz gestellt:

Wenn Ihnen der Begriff "Gesamtschau" soviel Mühe bereitet, dann können Sie ja gerne einmal Ihr eigenes Internet-Konvulut nach den Begriffen "Zusammenfassung", "Übersicht" und "Überblick" abzählen.

Vielleicht hilft Ihnen das ja...was soll das eigentlich?

Wittgenstein im Westentaschenformat? Die Diskussion ist schon seit ewigen Zeiten durch...

Ohne hier schon in die Details zu gehen, erscheinen mir die Begriffe "Gesamtschau", "Zusammenfassung", "Übersicht" und "Überblick" bei der Beweiswürdigung von 2-3 Einzelsachverhalten sehr fragwürdig.

Wenn Sachverhalt 1 und Sachverhalt 2, dann Beweis 1. Ist das schon eine Gesamtschau oder einfach nur ein Logikschritt?

Begründet das Gleiche bei der Hinzunahme von Wahrscheinlichkeiten eine Gesamtschau? Wenn Sachverhalt 1 und vielleicht Sachverhalt 2, dann vielleicht Beweis 1, dann in der Gesamtschau Beweis 1? Was stellt ein solches Konstrukt "Gesamtschau" in diesem Detail-Zusammenhang dar? Ich sehe darin zunächst nur eine dogmatische Entscheidung außerhalb von Logik oder Denkgesetzen.

Die nächste Stufe wäre dann z.B.: Wenn Beweis 1 und vielleicht Beweis 2, dann vielleicht Tatnachweis, dann in der Gesamtschau Tatnachweis.

Ohne die Gesamtschau in der 1. Stufe ergäbe sich jedoch eine andere Situation, nämlich

Wenn vielleicht Beweis 1 und vielleicht Beweis 2, dann ?

Wird also über mehrere Stufen der Zweifel jeweils unmittelbar durch dogmatische Entscheidung eliminiert, verschwindet der Zweifel und damit die Gegenhypothese automatisch in den höheren Stufen.

Ich kenn mich mit der Anwendbarkeit einer solchen weichen Logik nicht so gut aus. Ich weiß, dass z.B. die Wahrscheinlichkeitsrechnung nur sehr eingeschränkt für die Entscheidung von Einzelfällen geeignet ist und die von der gleichartigen Fallanzahl abhängige Fehlerwahrscheinlichkeit von Mathematikern und ordentlichen Psychologen genau berechnet werden kann und hoffentlich auch beachtet wird. Was ist Wahrscheinlichkeit für einen Juristen? Welche Kontrollstrukturen, Fehlerberechnungen und Analysen kennt der Jurist zu den "Denkgesetzen" und der "Gesamtschau"?

Steht das alles bei Wittgenstein? Ich finde in diesem Zusammenhang vor allem -ismus. Die ganzen Denkschulen resultieren nach meiner sicher zu kurzen "Gesamtschau" aus dem früheren Bestreben in der Empirie absolute Wahrheiten beweisen zu können. Verwunderlich finde ich die Bezüge zur Mathematik bzw. den Naturwissenschaften. Denn dort wird eigentlich nie ein Absolutheitsanspruch formuliert. Vielmehr gibt es in jedem Theoriemodell feststehende Axiome aus denen strenge, also wirklich strenge Ableitungsregeln gewonnen werden, die ausschließlich widerspruchsfreie Erkenntnisse ermöglichen, aber eben nur auf der Basis der Gültigkeit der Axiome. Also keinerlei Gesamtschau oder Rumeierei in und nach den Ableitungen. Was nicht beweisbar ist, bleibt  Vermutung. Wird aber ein Axiom als falsch oder unzuverlässig nachgewiesen, verfällt mit der Basis das gesamte Theoriegebäude zur Spekulation. Da hilft dann auch keine Gesamtschau mehr. Die grundsätzliche Unsicherheit oder Einschränkung des Absoluten einer wissenschaftlichen Logik liegt also in den Axiomen. Es gibt nach meiner Kenntnis zwei wesentliche Beweisstrategien bei Ja/Nein-Entscheidungen. Man kann bei positiver Annahme versuchen Ja widerspruchsfrei zu beweisen oder aber Nein widerspruchsfrei zu widerlegen. Ich glaube nicht, dass man das Mischen kann. Welche Denkgesetze und Beweisstrategien im Juristischen schlüssig verfolgt werden, konnte ich bisher noch nicht erkennen. Soviel nur dazu, dass die Diskussion seit ewigen Zeiten durch ist.   

 

5

Warum ist es sinnvoll, das Urteil nach Textstellen zu durchsuchen? - Wichtige Begriffe müssen erklärt werden.

Sehr geehrter Herr Mustermann,

Sie verstehen meine Methode nicht ("was soll das eigentlich?"), greifen sie aber an:

Mustermann schrieb:

Wenn Ihnen der Begriff "Gesamtschau" soviel Mühe bereitet, dann können Sie ja gerne einmal Ihr eigenes Internet-Konvulut nach den Begriffen "Zusammenfassung", "Übersicht" und "Überblick" abzählen.

Vielleicht hilft Ihnen das ja...was soll das eigentlich?

Wittgenstein im Westentaschenformat? Die Diskussion ist schon seit ewigen Zeiten durch...

Ich möchte die Methode daher erklären.

Das Urteil enthält eine ganze Reihe wichtiger Worte, deren Begriffe nicht klar sind (Glaubwürdigkeit, Glaubhaftigkeit, Konstanz u.a.m.). Für die Erklärung gibt es im Allgemeinen zwei Wege. Der allgemeine, normale und insbesondere der wissenschaftliche Weg besteht darin, einen wichtigen Begriff beim ersten Gebrauch in der verwendeten Bedeutung anzugeben, entweder direkt erklärt oder durch einen angemessenen und klaren Verweis mit genauer Fundstelle. Ein solches übliches Vorgehen pflegt die schriftliche Urteilsbegründung des LG Regensburg nicht. Man kennt also die Bedeutung der - nicht irgendwelchen, sondern wichtigen und zentralen - Begriffe nicht. Das allein sollte schon ein Revisionsgrund sein (ich bin mir aber ziemlich sicher, dass das nicht so ist).

Machen Sie bitte nicht mich für den hanebüchenen Begriffsstil der Urteilsbegründung verantwortlich. Ich versuche nur richtig oder besser zu verstehen, was das LG meinen könnte.

Was kann man, ich also tun, um dennoch den Bedeutungen näherzukommen? Eine gute Methode ist: man schaut sich die Textstellen an und gewinnt aus den Texten selbst Bedeutungsinformation. So kann man z.B. der Textstelle S. 62 entnehmen, dass das Gericht folgende Aussage-Merkmale als Glaubwürdigkeitsindizien verwendet: (keine) Übertreibungen, (kein) Belastungseifer, Einräumen von Erinnerungslücken (eine der 19 vom BGH anerkannten Kriterien für eine realerlebnisfundierte Merkmalsanalyse), Bemühen um eine zutreffende - nicht übertriebene - Darstellung. Daher ist es sinnvoll, die Textstellen mit entsprechenden Suchworten zu finden, um sozusagen durch den impliziten Gebrauch, die Bedeutung zu erschließen. Und damit da nichts entgeht, ist es sinnvoll den gesamten Urteilstext mit entsprechenden Suchworten zu durchsuchen. 

Die Sprachprobleme zwischen Juristen und Nichtjuristen sind enorm, weil Rechtstexte ein Kauderwelsch von alltäglichen, bildungssprachlichen, fachlichen und Rechtsbegriffen verwenden, ohne jeweils deutlich zu machen, in welcher Sprache (alltäglich, bildungssprachlich, fachlich/ fachwissenschaftlich, rechtsbegrifflich) sie gerade sprechen. Ich werde diesen unerträglichen Begrifsswirrwarr   besonders im Teil 5 "Klarheit, Verständlichkeit, Nachvollziehbarkeit" noch erörtern.

Ihre Anspielung auf Wittgenstein (Tractatus?), wie viele Ihrer Schnellschussmeinungen, bleibt kryptisch. Da sind Sie ganz beim Landgericht. Die Nummerierung bei meinen Textfundstellen ist zweifach begründet: 1) technisch-serviceleistungsmotiviert, um schnell und einfach Textstellen über Zielmarken anspringen zu können; 2) um in der Argumentation schnell und leicht Belege anführen zu können.

@ Foto biene

Entschuldigung, diese heftige Reaktion verwundert doch sehr.

Ob dieses Forum geeignet ist, persönliche Interessen zu verfolgen, vermag ich nicht zu beurteilen.

Offen gesagt: mein Interesse an dem Buch hält sich in Grenzen, das meiner Buchhandlung ebenso.

 

 

 

2

@Fotobiene

Mir ist aufgefallen, dass Strate zwei Namen NICHT genannt hat:

Erstens hat Strate den Namen des schuldunfähigen Gutachters Martin Krupinski verschwiegen, der ein Kollege von Norbert Nedopil ist und von dem Staatsanwalt Lothar Schmitt für schuldunfähig erklärt worden ist.

Zweitens hat Strate die Namen der BGH-Richter verschwiegen, die die damalige Revision als "offensichtlich unbegründet" verworfen haben. Warum Strate die Namen der BGH-Richter verschwiegen hat, ist mir unklar.

4

Ich trage die Seiten nach, wo die von Strate verschwiegenen Namen stehen müssten:

Zu erstens siehe Seite 75.

Zu zweitens siehe Seite 131.

5

#26

Wenn Sie mit meinem Kommentar, der auf einen anderen Bezug nahm, nicht einverstanden sind, dann entfernen Sie ihn doch bitte. Über Fragen persönlicher Leseeindrücke kann man aus meiner Sicht ohnehin nicht so diskutieren, wie das hier offensichtlich erwartet wird. Ich denke nur, dass man überzeugender für die Verbesserung der Verhältnisse eintritt, wenn man sich nicht angreifbar macht, indem man auf die Persönlichkeitsrechte anderer nicht ausreichend Rücksicht nimmt.

1

Gast schrieb:
Ich denke nur, dass man überzeugender für die Verbesserung der Verhältnisse eintritt, wenn man sich nicht angreifbar macht, indem man auf die Persönlichkeitsrechte anderer nicht ausreichend Rücksicht nimmt.

Seit wann macht man sich angreifbar, wenn andere Scheisse bauen?

Wissen Sie eigentlich, was unser Kröber in Potsdam als erstes rausgehauen hat?

"Ich weiss, dass ich viel Kritik erhalte habe. Ich habe mir aber meine Meinung (!) gebildet und dabei bleibe ich auch."

Leider, kam die Gegenfrage aus dem Publikum nicht, was er denn einem Straftäter für eine Sozialprognose gibt, wenn dieser in gleicherweise das Gespräch beginnt.

Die sind alle erwachsen und wissen, was sie tun.

Wenn sie sich lieber für ihre Taten verstecken wollen, dann stimmt doch was nicht.

Kröber macht vor, wie man souverän damit umgeht: "Ich mache keine Fehler."

 

@ Fotobiene #29

"Hätte man die Namen aller beteiligten Richter und Schöffen in dem gesamten Komplex Mollath nennen wollen, wäre das wohl sehr lang geworden. Sich hier auf die wichtigsten Beteiligten zu beschränken, halte ich für durchaus sinnvoll."

Die Namen der verantwortlichen BGH-Richter dürften meines Erachtens nicht verheimlicht werden aus folgenden Gründen:

Der grösste Skandal in der Mollath-Affäre ist die Tatsache, dass der BGH, genauer gesagt die Richter des 1. Senats, die Revision mit der pauschalen Phrase "offensichtlich unbegründet" vom Tisch gefegt haben und damit unter Verstoß gegen ihre eigenen Richtlinien die jahrelange Unterbringung von Mollath in letzter Instanz verursacht haben.

Die Richter aller 5 Strafsenate, unter der Federführung von Richter am BGH Dr. Axel Boetticher, haben bereits im Jahr 2005, also zeitlich vor dem unheilvollen Brixler-Fehlurteil, eindeutige

"Mindestanforderungen für Schuldfähigkeitsgutachten"

festgelegt, die in Heft 2 der NStZ und dann später auch auf diversen Websites im Internet erschienen sind, z.B. hier:

http://bios-bw.de/images/stories/pdfs/boetticher-mindestanforderungen-ns...

Darin heißt es:

"Die 5 Strafsenate des BGH haben schon früher für einzelne Bereiche der Schuldfähigkeitsbeurteilung Vorgaben der fachpsychiatrischen oder fachpsychologischen Wissenschaft übernommen und den Tatrichtern auferlegt, im Urteil die aus der Begutachtung gewonnenen Erkenntnisse darzulegen und ihre richterlichen Entscheidungen bei der ihnen obliegenden Beantwortung der Rechtsfragen zu begründen."

Und der Kernpunkt dieser "Mindestanforderungen für Schuldfähigkeitsgutachten" lautet:

"Vollständigkeit der Exploration"

Selbst ein Laie kann erkennen, dass dem Scheingutachten des Scheingutachters Dr. Klaus Leipziger:

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Gutachten-Leipziger-2005-...

KEINE "Vollständigkeit der Exploration" zugrunde liegt.

Genauer gesagt:

Der Scheingutachter Dr. Klaus Leipziger hat ÜBERHAUPT KEINE Exploration durchgeführt, sondern von bestimmten Petitessen wie der Benutzung von "Kernseife" auf die angebliche Geisteskrankheit von Mollath geschlossen.

Die Richter des 1. Senats erkannten unzweifelhaft anhand ihrer eigenen "Mindestanforderungen für Schuldfähigkeitsgutachten", dass das Fehlurteil des Tatrichters Brixler ein Fehlurteil ist, weil es die vom BGH selbst festgelegten Mindestanforderungen ganz offensichtlich und unübersehbar missachtet hat.

Trotzdem haben die Richter des 1. Senats in Kenntnis dieser Tatsache die Revision als "offensichtlich unbegründet" verworfen und damit die jahrelange gegen die eigenen Richtlinien des BGH verstoßende Unterbringung von Mollath in letzter Instanz verursacht.

Das ist der eigentliche Skandal in der ganzen Mollath-Affäre.

Dass Strate ausgerechnet die Namen dieser wichtigsten, weil in letzter Instanz verantwortlichen BGB-Richter verschwiegen hat, aber dafür den Namen des am 13.02.2007 unbeteiligten BGH-Richters Armin Nack benennt (Seite 134 im Strate-Buch), halte ich für befremdlich, wenn man bedenkt, dass Strate selbst Randfiguren wie bestimmte weniger wichtige Polizisten namentlich benannt hat.

5

Komplott-Hypothese Materialien - Beziehungsmatrix

Ich habe zwischendurch mal ein wenig Materialien zur Komplott-Hypothese gesammelt* und mir einige Gedanken gemacht, wie man das aufbereiten könnte. Sehr nützlich wird hierzu wahrscheinlich eine Beziehungsmatrix sein, in der in den Zeilen und Spalten alle Beteiligten (1. Silbe des Namens genügt) angeführt werden.  Man kann die Matrix dann wie folgt lesen: Zeile steht für  Z steht in Beziehung zu S in Spalte. Die Spalte kann man lesen S steht in Beziehung zu Z. Manche Beziehungen sind symmetrisch, z.B. Partnerschaft, Verheiratet oder Sportvereinskamerad, andere sind es nicht (zwingend), z.B. Einfluss nehmen, anzeigen. In die Zellen können dann die Beziehungskürzel eingetragen werden.  Hinsichtlich der Zeiten habe ich noch keine so rechte Idee. Die Hauptdiagonale enthält dann die Beziehung, die jemand zu sich selbst hat oder Charakterisierungen (z.B. kompromisslos, überzeugt von sich, ...; Aktenachter, Meiner, Verschmiertechniker, amorph, ...)

Zwei Fragen an Herrn Prof. Müller u.a. kriminologisch Kundige: 1) Gibt es für kriminologische Zwecke etwa schon Beziehungsmatrixprogramme oder geht man da noch solide zu Fuß? 2) Gibt es eine Komplott-Taxonomie in der Krimonologie, die über Bender  & Nack hinausgeht? Komplotte spielen ja auf vielen Rechtsgebieten eine beträchtliche Rolle (Familienrecht, Versicherungsbetrug, Bandenkriminalität, Wirtschaftskriminalität, ...)

Obwohl Bender & Nack dem Komplott 17 Seiten in ihrer Vernehmungslehre widmen, hat sich das LG, obwohl es ja mehrere Indizien gab (z.B. Stellenplanmanipulation um den "scharfen Hund" dran zu bringen, Attestfragwürdigkeiten, Sachbeschädigungsszenario), damit nicht richtig auseinandergesetzt. Das Wort Komplott habe ich nur auf S. 80 gefunden, da aber von Mollath gegenüber Dr. Simmerl gebraucht.

Das LG erörtert aber die Falschbeschuldigung, ich glaube aber nicht im Sinne eines Komplotts.

*

In beck-online: <Suchworte>

<Komplotthypothese>: 6 Treffer

<Vernehmung  Komplott> 391 Treffer

<Aussagen Komplott> 482 Trefferr

<Komplott Verdacht> 309 Treffer

<Zeugenvernehmung Komplott> 61 Treffer

@I.S.

Sie setzen sich mit meinem Kommentar #12 vom 16.12. auseinander, haben dabei aber Einiges übersehen.

Lutz Lippke schrieb: Es kam also zu Streit und gegenseitiger Körperverletzung, bei der GM abwehrend bei seiner Frau Verletzungen verursachte. Das Gericht hätte ja nun prüfen müssen, ob Notwehr vorlag und ausgeübt wurde?

war meine Konsequenz aus der Definition: Glaubhaftigkeit = Widerspruchsfreiheit + Konstanz, die Max Mustermann hier vertrat. Damit wäre nach dieser Definition vom Gericht ein Angreifen seiner Frau festgestellt worden, was sich aber im Urteil gerade nicht wiederfindet.

Auf S.10 des Urteils wird vom Gericht der Tathergang festgestellt. Demnach kam es zunächst zu einer Auseinandersetzung. In welcher Form und aus welchem Grund lässt das Gericht an dieser Stelle vollkommen offen. Das Gericht weiß aber, GM habe dann ohne rechtfertigenden Grund mit Wissen und Wollen angegriffen und seine Frau verletzt. Das Gericht hat die Aussage von GM zur Abwehrhaltung also als nicht glaubhaft eingeschätzt.

Die Definition Glaubhaftigkeit = Widerspruchsfreiheit (der Aussage) + Konstanz wäre also entweder ungenügend oder vom Gericht falsch angewandt worden. Allerdings begründet das Gericht zu Widersprüchen in den Aussagen von GM, was noch eine kritische Prüfung verdient. Soweit aber zu diesem Zitat von mir.

Mit der gerichtlichen Feststellung, dass GM angegriffen habe, wäre eine Prüfung von Abwehr oder Notwehr auch eigentlich schon hinfällig. So sicher war sich das Gericht wohl aber nicht und hat auch zur Notwehr Feststellungen getroffen, aber nicht die, die Sie behaupten.

Das Gericht behauptet zwar, dass GM keinen Angriff seiner Frau geschildert hätte, was so aber nicht stimmt. GM berief sich auf Abwehrhandlungen, was ja die Schilderung eines Angriffs seiner Frau impliziert, wenn es denn eine körperliche Auseinandersetzung gegeben hatte. Zu dieser Frage gibt es noch weitere Feststellungen im Urteil, die eine kritische Prüfung verdienen.

Das Gericht wertete weiter zur Abwehr, das Verletzungsbild mache wegen der Vielzahl der Verletzungen und der körperlichen Überlegenheit von GM eine Abwehr fernliegend (S.67). Damit widerspricht sich das Gericht selbst zur Einschätzung, dass die Ausführungen des Rechtsmediziners nachvollziehbar waren. Denn dieser hatte lt. Gericht den Ausschluss von Notwehr aus dem Verletzungsbild als nicht möglich erklärt (S.66). Daraus ergeben sich 2 Möglichkeiten. Entweder widerspricht das Gericht aus unerklärten Gründen doch der Feststellung des Rechtsmediziners zum Verletzungsbild und deren Nachvollziehbarkeit oder das Gericht bezog sich in der Wertung nicht wie dargestellt auf das Verletzungsbild, sondern auf andere Umstände. In jedem Fall enthält das Urteil an dieser Stelle Widersprüche in der gerichtlichen Wertung.

Andere Umstände könnten die Feststellungen des Gerichts zur Notwehr sein. Denn das Gericht sieht die Notwehr bereits als widerlegt an, weil es einen Widerspruch in der Verteidigungsstrategie von GM gäbe (S.66) und weil GM im Schreiben vom 09.08.2002 keinen Hinweis auf Abwehrhandlungen gab (S.67). Auch diese Wertung verdient noch eine kritische Prüfung.

I.S. schreibt: "M hat F geschlagen. Vor Gericht behauptet M dann aber, sich nur gewehrt zu haben. Details wie der Angriff abgelaufen ist, wie M sich genau verteidigt hat, wieso die körperlich unterlegene F ihn angegriffen hat - zu all dem will er nichts sagen."

Woher wissen Sie das alles? Zu Aussagepflichten GM's und Ihren weiteren Schlussfolgerungen kann ich nicht so viel beitragen. Deswegen hatte ich Fragen formuliert. Ich habe aber Zweifel an Ihrer Logik.

Zum "Was und Wie" des gesamten Tatverlaufs, der Umstände und der gerichtlichen Wertungen ist das Urteil nicht sehr übersichtlich. Oben habe ich ohne Anspruch auf Vollständigkeit zunächst 4 Sachverhalte benannt, die aus der unmittelbaren Begründung des Gerichts Fragen für mich aufwerfen. Einer üblichen Denklogik "Wenn A und B, dann gilt C" entzieht sich damit das Urteil. Es gibt Widersprüche in den Wertungen und ungenannte Gründe, die wirksam werden und möglicherweise an irgendeiner anderen Stelle im Urteil auftauchen. Die methodischen Gründe dafür verdienen ebenfalls noch eine kritische Prüfung.

 

 

 

 

 

 

4

Lutz Lippke schrieb:

war meine Konsequenz aus der Definition: Glaubhaftigkeit = Widerspruchsfreiheit + Konstanz, die Max Mustermann hier vertrat. Damit wäre nach dieser Definition vom Gericht ein Angreifen seiner Frau festgestellt worden, was sich aber im Urteil gerade nicht wiederfindet.

Wenn Sie sich schon auf mich kleines Licht berufen wollen, dass auch im kompletten Sinnzusammenahng:

Na wenn Sie mich fragen, weil die Schilderungen, die verwertet werden konnten, konstant und widerspruchsfrei waren. Zeugen können die Verletzungen bestätigen. Und der Beschuldigte räumt eine körperliche Auseinandersetzung ja auch ein...

GM Darstellung war nie konstant. Mal hat er die Taten nicht begangen. Mal hat er sich nur gewehrt. Dann ist P3M aus dem Auto gefallen.

 

Der war mit der verheiratet. Der weiss doch, wo die Verletzungen herkommen. Oder ob es die überhaupt gab, angesichts des fragwürdigen Attests.

 

Und nur dass das mal klar ist:

Wer sich auf Notwehr berufen will, muss sich rechtfertigen.

Das heisst: Darstellung eines rechtswidrigen Angriffes.

 

Sollte ja möglich sein, wenn die Belastungszeugin nicht widersprechen kann.

 

Hat er nicht gemacht, also ist er dran. Ganz einfach.

 

Der Staat muss (!) handeln. Alles was ihr hier versucht zu fabrizieren, riecht nach Aufruf zu Rechtsbeugung.

Hätte das schriftlich ausgeteilte GA Nedopils nicht nach dem mündlichen überarbeitet werden müssen?

Sehr geehrter Herr Prof. Müller,

ich sitze derzeit über der vergleichenden Analyse der beiden GA von Prof. Nedopil. Das schriftliche wurde am 23.7.2014 verfasst, das abweichende mündliche am  24.7.2014. Nach der mündlichen Erstattung wurde aber das schriftliche ausgeteilt, wobei offensichtlich die zahlreichen veränderten Stellen nicht gekennzeichnet wurden. Ist das in Ordnung?

Es gibt im mündlichen GA Stellen (ca. 10), die sich im schriftlichen nicht finden und umgekehrt (ca. 20, so wurde z.B. Prof. Pfäfflin und seine SKID-Fehlleistung geschont). Rechtlich entscheidend ist ja das mündliche GA, dem allerdings in der HV bei dieser Länge und Komplexität niemand mit richtigem Verständnis folgen kann. Da scheint mir die StPO sehr reformbedürftig, weil sich die meisten RichterInnen ja unwillig oder unfähig zeigen, ihre GA so erziehen, dass sie § 184 GVG  erfüllen.

Wie das denn nun einzuschätzen? Ich meine, korrekt wäre gewesen, wenn die Beteiligten ein GA überreicht bekommen hätten, das dem mündlich erstattetem GA entspricht. Wie sehen Sie das?

@ all:

Auf die Gefahr hin, dass ich was ganz Entscheidendes grob verpasst habe, mit welcher Zielsetzung wird hier nun die Urteilsbegründung analysiert?

Sprich, welcher potentielle Output ist dabei anvisiert?

Das frage ich ganz gezielt unter dem Aspekt, mit welcher Argumentation die durchaus betrachtenswerte Beleuchtung (durch diverse Kommentatoren hier) von Vorgängen, die eben gerade zu eben DIESER Urteilsbegründung geführt haben, für:

"Braucht man jetzt doch nicht mehr drüber reden, ist ja schon vorbei, kann man ja jetzt nicht mehr ändern" abgehandelt
und z.T. auch -würgt werden.

Oder andersrum gefragt, was kann beim kleinteiligen "Durchkauen" der Urteilsbegründung auch nur theoretisch rauskommen, dass beim Durchkauen absolut kritischer Punkte bei der Entstehung dieser Urteilsbegründung NICHT rauskommen kann?

Mit Bitte um fachkundige Aufklärung :-)

5

@ I.S. zu #40 vom 17.12.

Gern antworte ich Ihnen auch zu diesem Kommentar, mit dem Sie auf 2 Kommentare vom bzw. vor dem 11.12. eingehen.

Mein Einwand "Vielleicht haben Sie ja das Haar in der Suppe gefunden. Wie hatte es denn bis dahin geschmeckt?" bezog sich darauf, dass ich im 1. Kommentar im Zusammenhang mit dem Zitat Weiteres kommentierte und Sie diesen Zusammenhang nicht berücksichtigt hatten. Diesen Kommentar habe ich aber nicht mehr gefunden und natürlich sind Sie nicht verpflichtet, den gesamten Kommentar für beachtenswert zu halten. Verstehen Sie in diesem Sinne bitte Haar, Salz, Stecknadel als Synonyme.

Sie schreiben:

Natürlich bestehen die Risiken für einen Arzt, genau wie für jeden anderen, dass er möglicherweise für fehlerhaftes Verhalten haften muss. Das ist aber eine Selbstverständlichkeit.

Aber dass es um diese grundsätzliche Frage geht, läßt sich aus Ihrem Post nicht entnehmen. Da sprechen Sie von diesem konkreten Arzt aus dem Prozess gegen GM, der sich an diese Sache erinnern kann. Und Sie spekulieren darüber, was es für Folgen hätte haben können, wenn er das nicht gekonnt hätte.

Und zu diesem konkreten Fall, über den Sie geschrieben haben, hätte ich ja eigentlich gerne gewusst, wo da der zivilrechtliche Anspruch überhaupt hätte bestehen können (die Durchsetzbarkeit können wir da gerne außen vor lassen), wenn "explizit wegen des mangelhaften Attestes" ein Freispruch erfolgt wäre.

Es ging ja in diesem Zusammenhang um die Glaubhaftigkeit des Arztes als Zeuge im Verfahren. Angenommen der Arzt hätte ein akkurates, rechtsmedizinisch verwertbares Attest mit genauen Angaben und Fotos mit Maßangaben erstellt und würde nun nach 13 Jahren dazu befragt werden. Es gäbe wohl kaum Bedenken zur Glaubwürdigkeit, wenn sich der Arzt an die festgestellten Einzelheiten nicht mehr erinnern könnte. Würde er aber jedes Detail aus dem Erinnern heraus aufzählen, Uhrzeiten, Abfolge der Fotos, Maßangaben bis auf den Millimeter würden vermutlich Zweifel aufkommen, dass dieses Erinnern direkt aus der Untersuchung und nicht aus dem vorliegenden Attest stammt. Das Attest hätte Beweiswert, die fehlende oder behauptete Erinnerung u.U. nicht.

Im hiesigen Fall lag dagegen ein minderwertiges Attest ohne unmittelbar rechtsmedizinisch verwertbare Angaben vor. Zu welchem Zweck wurde das Attest beauftragt und erstellt? Es sollte doch wohl der Nachweisführung dienen, oder? Einen solchen Auftrag hätte der Arzt mit diesem Attest nachweislich nicht erfüllt. Das Strafverfahren selbst löst juristisch vermutlich keine Haftung aus. Aber mit dem Ausgang des Strafverfahrens könnten doch mittelbar zivilrechtliche Ansprüche verbunden sein, wie Schadensersatz oder eherechtliche Ansprüche. Für abwegig halte ich das nicht. Ob diese ersatzweise gegen den pflichtverletzenden Arzt durchsetzbar wären, steht ja auf einem ganz anderen Blatt. Auch mögliche berufsrechtliche Folgen und den Ehrverlust sollten Sie nicht vergessen. Ich unterstelle, dass der Arzt dazu auch nichts Genaues wusste und sich durchaus Sorgen machen konnte. Ich hätte jedenfalls diese Sorgen. Das ist durchaus ein Motiv zum Ausbügeln des vorherigen Versagens. Dafür musste der Arzt sich nicht besonders anstrengen. Das Wenige was das Attest schon hergab und noch einige unverfängliche Anekdoten zu den Umständen der Untersuchung, kann man sich auch nachträglich als Erinnerung zurecht legen. Eine Verschlechterung der Situation für den Arzt wäre dadurch kaum zu befürchten gewesen. Ein Beweis des echten Erinnerns oder aber der Manipulation wäre wohl kaum möglich und auch gar nicht Voraussetzung für die Einschätzung ob das direkte Erinnern an die Untersuchung glaubhaft oder unglaubhaft ist. Es hätte begründeter Zweifel daran genügt. Dafür reicht schon der Umstand, dass der Arzt Zugang zum Attest hatte.

Unter diesen Umständen kann ich die Feststellung der Glaubhaftigkeit der Erinnerung des Arztes nicht nachvollziehen. Das mangelhafte Attest bekam erst durch die "glaubhafte" Erinnerung des Arztes an die Untersuchung einen Beweiswert.

 

4

Max Mustermann schrieb:
Wer sich auf Notwehr berufen will, muss sich rechtfertigen.

Das heisst: Darstellung eines rechtswidrigen Angriffes.

Sollte ja möglich sein, wenn die Belastungszeugin nicht widersprechen kann.

Hat er nicht gemacht, also ist er dran. Ganz einfach.

Das klingt einleuchtend. Die Frage ist nur, warum das nicht an GM herangekommen ist. Was ich nicht wirklich verstehe (psychologisch schon, aber nicht strategisch): dass man sich so auf die Anwesenheit des Psychiaters eingeschossen hat. GM wollte nicht in seiner Anwesenheit zu den Tatvorwürfen aussagen, aber es gab jede Menge andere Einlassungen. Den SV interessiert ja nicht nur, was der Angeklagte zu den Tatvorwürfen sagt (das interessiert doch in erster Linie das Gericht), sondern wie er spricht und wie er sich verhält. Es war fast, als wenn die Psychiatrie vor Gericht angeklagt gewesen wäre, und das hat die Sache deutlich komplizierter gemacht als sie eigentlich war. Eigentlich darf man sich über die unvorteilhaften Äußerungen am Ende nicht wundern, sondern nur darüber, dass es zu keinem Zeitpunkt in der langen Vorbereitung und beim Prozess möglich war, GM klar zu machen, worum es geht.

1

Gast 1 schrieb:
Max Mustermann schrieb:
Wer sich auf Notwehr berufen will, muss sich rechtfertigen. Das heisst: Darstellung eines rechtswidrigen Angriffes. Sollte ja möglich sein, wenn die Belastungszeugin nicht widersprechen kann. Hat er nicht gemacht, also ist er dran. Ganz einfach.
Das klingt einleuchtend. Die Frage ist nur, warum das nicht an GM herangekommen ist.  Eigentlich darf man sich über die unvorteilhaften Äußerungen am Ende nicht wundern, sondern nur darüber, dass es zu keinem Zeitpunkt in der langen Vorbereitung und beim Prozess möglich war, GM klar zu machen, worum es geht.

Zur Beweiswürdigung Notwehr aus dem Urteil S.66/67 :

Insbesondere schließt die Kammer sicher aus, dass der Angeklagte der Nebenklägerin die festgestellten Verletzungen lediglich in Notwehr beigebracht haben könnte:

1.a) Rechtsmedizinische Beweisaufnahme:

Zwar ist aus rechtsmedizinischer Sicht – wie der Sachverständige Prof. Dr. E nachvollziehbar ausgeführt hat- eine Unterscheidung, ob das Verletzungsbild der Nebenklägerin durch vorsätzliche Misshandlung und Notwehr verursacht wurde, nicht möglich.

1.b) Rechtsmedizinische Beweiswürdigung des Gerichts:

Schließlich erscheint die Äußerung des Angeklagten, er habe sich gegen seine Ehefrau nur gewehrt, angesichts des erheblichen und komplexen Verletzungsbildes mit einer Vielzahl von Verletzungen an verschiedenen Körperstellen und der körperlichen Überlegenheit des Angeklagten gegenüber seiner Frau, die der Zeuge R als sehr dünn und kläglich aussehend geschildert hat, fernliegend.

1.c) Liegt ein logischer Widerspruch zwischen der Beweisaufnahme und dessen Würdigung vor?

Beweiswürdigung zum Aussageverhalten GM:

2.a) Zunächst offenbart sich bereits ein Widerspruch in den beiden Verteidigungsstrategien des Angeklagten. Die Einlassung des Angeklagten, sich am 12.8.2001 gegen seine damalige Ehefrau nur gewehrt zu haben, ist nämlich nicht vereinbar mit der Angabe, die Verletzungen der Nebenklägerin rührten von einem Sprung aus dem fahrenden Auto her.

Warum sind die Aussagen nicht vereinbar? Liegt ein logischer Widerspruch vor?

2.b) Zudem findet sich in der Reaktion des Angeklagten im Schreiben vom 9.8.2002 auf die Übersendung des Attests keinerlei Hinweis darauf, dass sich der Angeklagte nur gewehrt hätte.

Was bewertet das Gericht hier? Das Aussageverhalten vor Gericht ganz sicher nicht. Aber was ist das?

2.c) Desweiteren erschöpft sich die dahingehende Einlassung des Angeklagten darauf, dass er pauschal angegeben hat, er habe nur Schläge abgewehrt. Die Einlassung des Angeklagten beinhaltet jedoch weder die Schilderung eines Angriffs der Nebenklägerin, ...

Das Gericht erkennt ganz offensichtlich, dass mit "Schläge abwehren" ein Angriff abgewehrt wird, verleugnet aber die Schilderung eines Angriffs. "Schläge" ist Schilderung eines Angriffs, "abgewehrt" die Reaktion. Diesen Widerspruch offenbart das Gericht unmittelbar mit

2.d) ...noch lässt sie den Schluss zu, Würgen, Beißen, Treten und Schlagen seien geeignet und erforderlich gewesen, um einen solchen Angriff abzuwehren.

dieser "Schluss" ist wieder eine Beweiswürdigung im Widerspruch zur rechtsmedizinischen Beweisaufnahme (siehe 1.a)

3. Beweismethode 

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hält die Kammer jedoch ein durch Notwehr gerechtfertigtes Handeln des Angeklagten für widerlegt.

Das Widerlegen als allgemeine Beweismethode setzt die zu widerlegende Hypothese als gegeben und richtig voraus. Sie wird positiv verfolgt, bis sich ein unheilbarer Widerspruch ergibt, der den (erhofften) Irrtum beweist und damit die positive Annahme widerlegt. Widerlegen ist keine Methode des permanenten Anzweifelns, sondern des scheiternden Versuchs die Aussage mit den Beweisregeln abzuleiten.

Mit der Rechtsmedizin war die Notwehr nachvollziehbar vereinbar (1.a), das Gericht wertet aber trotzdem entgegengesetzt (1.b, 2.d). Keine Widerlegung.

Den Widerspruch und die Unvereinbarkeit der Verteidigungsstrategien von GM behauptet das Gericht pauschal und ohne nachvollziehbare Begründung (2a).

Das Gericht normiert die Reaktion auf einen unklaren, außergerichtlichen Vorwurf (2.b). Vollkommen unverständlich. Keine Widerlegung.

Das Gericht erkennt die Schilderung des Angriffs: "Schläge abwehren", leugnet sie dann aber (2.c). Keine Widerlegung.

Gast 1 schreibt:

"Die Frage ist nur, warum das nicht an GM herangekommen ist....GM klar zu machen, worum es geht"

Es stimmt so nicht, wie Max Mustermann es oben locker behauptet. Siehe dazu 1.-3.

Das Gericht ist in seinen schriftlichen Äußerungen schon kaum nachvollziehbar, wie sollte es dann in der mündlichen Verhandlung für GM verständlich und kalkulierbar gewesen sein? GM hat  möglicherweise die Unlogik und Methodenlosigkeit des Gerichts bemerkt, aber wie sollte er sich darauf einstellen? 

 

 

 

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