Fall Mollath - Einige Anmerkungen zur schriftlichen Urteilsbegründung des LG Regensburg

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 20.11.2014

Die schriftlich verfassten Gründe des noch nicht rechtskräftigen Urteils im wiederaufgenommenen Prozess gegen Gustl Mollath liegen seit 14 Tagen  vor.

Ein erster Blick in die mit 120 Seiten außergewöhnlich umfangreiche Begründung bestätigt meinen Eindruck aufgrund der Pressemitteilung am Tag der mündlichen Urteilsverkündung.

Damals hatte ich von einem „salomonischen Urteil“ geschrieben und bin dafür kritisiert worden. Vielleicht habe ich das Wort „salomonisch“ unangemessen gebraucht – gemeint war, dass dieses Urteil für Herrn Mollath einerseits einen Erfolg darstellt, andererseits auch nicht. Erfolgreich für ihn ist es insofern, als die jahrelange Unterbringung aufgrund einer nachgewiesenen gefährlichen Wahnerkrankung, Ergebnis des Urteils des LG Nürnberg-Fürth, nun vom LG Regensburg nachträglich als rechtsfehlerhaft zurückgewiesen wurde. Herr Mollath ist für die Unterbringungszeiten zu entschädigen.

Dieses Urteil ist aber nur Teil eines außergewöhnlichen Gesamterfolgs: Vor gut zwei Jahren, Anfang November 2012, war Herr Mollath ein seit sechseinhalb Jahren in der forensischen Psychiatrie Untergebrachter und nahezu ohne Chance in absehbarer Zeit freigelassen und rehabilitiert zu werden. Auf seiner Seite standen zwar schon damals einige private Unterstützer, eine Strafverteidigerin und einige Journalisten. Auf der Gegenseite, die ihn als nach wie vor gemeingefährlichen Wahnkranken ansah, standen aber nicht nur das seit 2007 rechtskräftige Urteil, sondern  auch seine Behandler in der Psychiatrie, mehrere psychiatrische Gutachter, die Strafjustiz an drei bayerischen Standorten und die zunächst noch vom Ministerpräsidenten gestützte bayerische Justizministerin. Gegen diese Institutionen hat Gustl Mollath im Verlauf eines knappen Jahres die Wiederaufnahme seines Strafverfahrens, und zwar in einmaliger Weise auf Antrag der Staatsanwaltschaft (!), die Freilassung aus der Unterbringung, eine erfolgreiche Verfassungsbeschwerde und nunmehr auch ein neues Urteil erreicht. Im Verlauf dieser Zeit wurden anhand des „Falls Mollath“ außerdem wichtige Fehlkonstruktionen aufgedeckt, was in ein Bundesgesetzgebungsverfahren (StGB) sowie ein Landesgesetzgebungsverfahren (Maßregelvollzugsgesetz) mündete. Ohne dies aktuell empirisch überprüft zu haben: Ein solcher Erfolg ist in der bundesrepublikanischen Rechtsgeschichte einmalig. Wer nun davon spricht (sei es auf Seiten Herrn Mollaths oder auf der Gegenseite), Herr Mollath sei insgesamt gescheitert, der hat einen verzerrten Blick auf die Wirklichkeit. Allerdings: Die verlorenen Jahre kann ihm niemand zurückgegeben; die zu erwartende Entschädigung kann diesen Verlust nicht ansatzweise ausgleichen.

Zugleich enthält das Urteil auch einen „Misserfolg“ für Gustl Mollath, weil  der schwerste Vorwurf, seine Frau am 12.08.2001 geschlagen, gebissen und gewürgt zu haben, als seine rechtswidrige Tat festgestellt wurde. Seiner Darstellung, diese Tat habe so gar nicht stattgefunden bzw. er habe sich nur gegen einen Angriff seiner Frau gewehrt, ist das LG Regensburg nicht gefolgt. Dieser Misserfolg fällt allerdings gegenüber den oben genannten Erfolgen geringer ins Gewicht.

Die  Beweiswürdigung zum Tatvorwurf am 12.08.2001, ausgeführt auf  mehr als 50 Seiten der Urteilsgründe, ist nicht nur ausführlich, sondern akribisch und auch logisch stimmig. Im Kern glaubt das Gericht den Angaben der Nebenklägerin, die sie im früheren Verfahren gemacht hat, und den Beobachtungen des Arztes, den sie zwei Tage nach der Tat aufsuchte. Eine sehr kritische Würdigung dieser Angaben war geboten, denn die Nebenklägerin hat in der Hauptverhandlung nicht ausgesagt, aber dennoch auf den geschilderten Vorwürfen beharrt. In einem Strafprozess, der als Prinzipien die Unmittelbarkeit und Mündlichkeit der Beweiserhebung in der Hauptverhandlung kennt, ist ein solches Aussageverhalten  problematisch. Der BGH hat es dennoch zugelassen, die früheren Angaben eines Hauptbelastungszeugen zu verwerten, auch wenn dieser  die Aussage in der Hauptverhandlung (berechtigt) verweigert. Allerdings erweist sich eine derartige Beweiswürdigung auch im Fall Mollath als bedenklich: Die schriftlich niedergelegten Angaben der Nebenklägerin konnten praktisch nur untereinander und indirekt über die Vernehmung von Drittzeugen geprüft werden, ohne dass die Nebenklägerin in Gefahr geraten konnte, sich bei Rückfragen  in Widersprüche zu verwickeln. Da das Gericht die Nebenklägerin nie persönlich gesehen hat, konnte ein Gesamteindruck der entscheidenden personalen „Quelle“ der Vorwürfe nicht gewonnen werden. Wenn sich das Gericht dann zentral auf die früheren Aussagen stützt, muss diese Würdigung mit Leerstellen auskommen, die positiv gefüllt werden. So spricht nach Auffassung des Gerichts für die Glaubhaftigkeit der Angaben zentral, dass die Nebenklägerin zum Zeitpunkt ihrer ersten Angaben über die Tat noch nicht die Absicht gehabt habe, sich von ihrem Mann zu trennen bzw. ihn anzuzeigen. Vielmehr habe sie ja noch Monate mit ihm zusammengelebt. Gerade dieser Umstand kann aber auch umgekehrt interpretiert werden: Dass sie noch so lange mit ihm zusammengeblieben ist, könnte eher gegen einen lebensgefährlichen Angriff sprechen. Welche Absicht die Nebenklägerin mit dem Attest positiv verfolgte, ist unbekannt. Dass es keine Motive gewesen sind, die dem Wahrheitsgehalt ihrer Angaben entgegenstanden, wird vom Gericht unterstellt. Dass die Gründe in der "Vorsorge" für ein späteres Scheidungsverfahren gelegen haben könnten, wird vom Gericht nicht diskutiert. Im Übrigen stützt sich die Kammer darauf, dass es sich bei den Tatschilderungen im Kern um konstante und darum auch zuverlässige Äußerungen handele. Das Konstanzkriterium ist allerdings ein recht schwaches Wahrheitsindiz, weil es auch einer lügenden Person ohne Weiteres gelingen kann, eine konstante Tatschilderung in mehreren Vernehmungen aufrecht zu erhalten. Angaben zum Randgeschehen (wie kam es zur Tat, was passierte vorher und nachher?) sind in den verwerteten Angaben nicht enthalten. Hierzu hätte es zur Aufklärung der mündlichen Vernehmung der Nebenklägerin bedurft.

Anders als die Nebenklägerin hat sich der Angeklagte als Beweismittel gegen sich selbst auch in der Hauptverhandlung zur Verfügung gestellt. Seine Äußerung, er habe sich gewehrt, wird vom Gericht dahingehend gewürdigt, dass es jedenfalls am 12.08.2001 zu körperlichen Auseinandersetzungen gekommen sein müsse. Diese Würdigung ist nachvollziehbar. Wenn es eine Auseinandersetzung gab, bei der sich der Angeklagte gewehrt hat, dann kann erwartet werden, dass dieser die Auseinandersetzung auch im Einzelnen schildert. Hierzu aber schwieg der Angeklagte in der Hauptverhandlung. Es trifft allerdings nicht zu, dass sich – wie das Gericht meint (S. 66) – die Verteidigungsstrategien Mollaths (einerseits: Verletzungen vom Sprung aus dem Auto, andererseits: Verletzungen von einer Gegenwehr) widersprechen: Es ist denkbar, dass beides zutrifft und die Verletzungen von der Nebenklägerin beim Arzt als von einem einzigen Ereignis herstammend geschildert wurden.

Zentral ist der Zeuge Reichel, nach dessen Aussage er die Nebenklägerin zwei Tage nach der vorgeworfenen Tat gesehen hat und Verletzungszeichen schildert, die zu den Schilderungen der Nebenklägerin passen. Auch hier bemüht sich die Kammer, eventuelle Zweifel gar nicht erst aufkommen zu lassen. [Update 22.02.2015: Das Zustandekommen des Attests und des zugrundeliegenden Krankenblattinhalts ist sowohl inhaltlich als auch datumsmäßig  nach wie vor nicht eindeutig nachvollziehbar, diesbezügliche Widersprüche in der Darstellung Reichels wurden in der HV nicht geklärt.]

Insbesondere bleibe ich bei meiner schon kurz nach dem Urteil geäußerten Auffassung, dass die Frage der gefährlichen Körperverletzung durch eine das Leben gefährdende Handlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) für mich nicht zweifelsfrei erwiesen ist. Da es keine Fotografien der Hämatome gibt, war das Gericht allein auf die – von ihm selbst eingeräumt – unzuverlässige Erinnerung des Arztes angewiesen und auf die durch den Arzt indirekt vermittelte Angabe der Nebenklägerin. Zum Würgen (auch mit Würgemalen) gibt es eine umfassende,  im Kern auch differenzierende Rechtsprechung. Die Schlussfolgerung, nicht näher dokumentierte Würgemale gingen in jedem Falle mit einer Lebensgefährdung einher, wird in der BGH-Rechtsprechung nicht geteilt. Die Angabe der Nebenklägerin, sie sei kurzfristig bewusstlos gewesen, beruht allein auf ihrer nicht überprüfbaren und auch von keinem weiteren objektiven Indiz bestätigten Angabe.

Das Gericht kommt hinsichtlich der Schudfrage zu dem Schluss, Herr Mollath habe am 12.08.2001 nicht ausschließbar unter Einfluss einer schwerwiegenden Störung gehandelt, die nicht ausschließbar zur Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB geführt habe. Obwohl dies in dubio pro reo zu einer Entlastung Mollaths führt, so dass er für den Angriff auf seine Frau weder bestraft noch untergebracht werden kann, wird diese Wertung von ihm als belastend empfunden. Ob diese subjektive Belastung als „Beschwer“ für eine Rechtsmittel (Revision) genügt, wird sicherlich Gegenstand der Begründung des von Mollath und seinem neuen Verteidiger eingelegten Rechtsmittels  sein.

Ohne auf diese verfahrensrechtliche Frage näher eingehen zu wollen, kann man aber bezweifeln, dass die materiellen Maßstäbe, die das Gericht hier an eine Subsumtion der Merkmale des § 20 StGB (und sei es auch nur in dubio pro reo) angelegt hat, zutreffend sind.

Diese Maßstäbe werden üblicherweise recht eng gesehen: Es genügen eben nicht schon jegliche Anhaltspunkte oder die bloße Nicht-Ausschließbarkeit einer Störung zur Tatzeit, um dann per Zweifelsgrundsatz eine Exkulpation vorzunehmen. Hier hat das Gericht den Zweifelsgrundsatz doppelt wirken lassen: Erstens hinsichtlich der Frage, ob an dem Tag überhaupt eine schwerwiegende Störung vorlag und zweitens dahingehend, dass diese Störung zum Ausschluss der Steuerungsfähigkeit geführt hat. Regelmäßig sind auch psychiatrische Sachverständige nicht in der Lage, einen vorhandenen Zustand „zurückzurechnen“. Hier hat der Sachverständige weder über ein aktuelle Exploration verfügt noch über Aktenmaterial mit Begutachtungen, die zeitnah zum 12.08.2001 auf eine Störung hinwiesen. Er hat deutlich gemacht, dass man von ihm praktisch Unmögliches verlangt, wenn man erwarte, er könne eine belastbare Einschätzung zu einem 13 Jahre zurückliegenden Zeitpunkt abgeben. Das Gericht hat sich über diese Bedenken hinweggesetzt und den Sachverständigen Nedopil stärker interpretiert als es seiner Stellungnahme nach angemessen war. Natürlich kann er eine Schuldunfähigkeit vor 13 Jahren nicht „ausschließen“. Das kann niemand über den Zustand eines Menschen sagen, den er zum damaligen Zeitpunkt nicht gekannt bzw. gesehen hat. Aber für eine (wenn auch nur aufgrund des Zweifelssatzes) vorgenommene Annahme der Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB reicht dieses Nichtwissen normalerweise nicht aus. Die vom Gericht für eine solche Störung aufgeführten Indizien stammen zu einem großen Teil aus der Zeit nach der Trennung der Eheleute und können daher nicht eine Tatwirksamkeit für den August 2001 belegen. Das Gericht meint, der zeitliche Zusammenhang sei „sehr eng“(S. 81), jedoch ist der situationale Zusammenhang eher fern, soweit viele weitere geschilderte Verhaltensauffälligkeiten erst nach dem Auszug der Nebenklägerin aus der gemeinsamen Wohnung auftraten. Eine belastende psychodynamische Ausnahmesituation kommt praktisch in jeder Ehekrise auf beide Partner zu. Nach dieser Logik müssten eine große Anzahl Fälle häuslicher Gewalt unter dem Blickwinkel nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit betrachtet werden.

Die Beweiswürdigung zu den anderen Tatvorwürfen hingegen stimmt mit meiner Einschätzung nach der Hauptverhandlung überein.

Das noch nicht rechtskräftige Urteil kann hier nachgelesen werden: Urteil des LG Regensburg

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Mit dem Fall Mollath zusammenhängende Fragen werden jedoch von mir weiter verfolgt. Schon für demnächst ist ein  Beitrag zur (speziellen) Frage der Revisionszulässigkeit geplant. Zu dieser Frage kann dann auch wieder diskutiert werden. 

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@ #37

Ich meine die vier Grundtypen im Wesentlichen in der juristischen Herangehensweise wiederzuerkennen:

Ja - Herr Mollath hat Frau Mas gewürgt

Nein - Herr Mollath hat Frau Mas nicht gewürgt

Unklar - über in dubio pro reo zu lösen, entspricht juristisch dem Nein

Teils - Frage erübrigt sich bei der einfachen Körperverletzung

 

An Sie ebenfalls die Frage, was Sie zu #27 meinen.

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# Prof. Müller vom 05.12.14

 

Ich möchte doch noch einmal auf das ursprüngliche Strafverfahren zurückkommen und auf die Aussagen der Richterin Heinemann.

 

Sie sind hier der Meinung sind, dass die Dame als Zeugin leider „ziemlich unbrauchbar“ war und sich in vielen Einzelfragen auf ihren „gnädigen Gedächtnisschwund“ berufen hat.

 

Die Tatsache, dass sich Frau Heinemann im WAV an viele Dinge nicht mehr erinnert hat, ist meiner Meinung nach allerdings kein Indiz dafür, dass sie sich in den Bereichen, an die sie sich erinnert, etwa falsch erinnert hätte.

 

Im Wortprotokoll des WAV von Dr. Strate (http://strate.net/de/dokumentation/Mollath-Hauptverhandlung-2014-07-11.p...), s. hier die Seiten 31 und 32, schildert sie ausführlich und mit einigen Details, die sie auch nicht etwa der Presse entnommen haben kann, wie es dazu kam, dass auf die Zeugeneinvernahme der Frau Dr. Reichel und des Herrn Dr. Reichel verzichtet worden ist.

 

Die Richterin Heinemann scheint nicht gewusst zu haben, dass die Dres. Reichel gar nicht auf der Ladungsliste standen und demzufolge nie geladen worden sind.

 

Die Ärztin, von der sie annahm, sie wäre geladen gewesen, hätte während der Hauptverhandlung angerufen und gesagt sie wäre in der Praxis und könne nicht weg. Der Sohn, der das Attest ausgestellt hätte, wäre zur Zeit nicht da gewesen und verreist. Darauf wäre das Attest im Einverständnis mit dem Verteidiger und der StA verlesen worden.

 

Es wäre zur Debatte gestanden, zu vertagen, um diese Zeugin zu laden. Es wären keine anderen Verhandlungstermine mehr frei gewesen, der Vorsitzende wäre „ab Januar“ ständig in anderen Hauptverhandlungen gestanden, die er mit dem anderen Beisitzer führen wollte, oder musste.

 

Sie selber wollte in einen lange geplanten Urlaub fahren, die ganzen anderen Hauptverhandlungstage wären schon mit ihrem Urlaub abgestimmt gewesen und deshalb wäre es ziemlich schwierig geworden.

 

Und dann habe es dieses Einverständnis von den Anwälten gegeben, „so dass das verlesen wurde“.

 

Also, ich denke, wenn die Richterin Heinemann gewusst hätte, dass die Zeugin Reichel, bzw. ihr Sohn sowieso nie auf der Ladungsliste stand, dann hätte auch diese ganze Debatte mit dem Kollegium, plus die (angebliche?) telefonische Absage der Ärztin für sich, plus den Sohn, während der laufenden HV, nicht stattfinden brauchen, über welche sie sehr detailreich berichtet.

 

Dann geht es weiter damit, dass die Richterin Escher der Zeugin Heinemann vorhält, dass „die Ärztin auf Blatt 17 des Urteils zitiert sei“ und die Frau Heinemann mitteilt, sie hätte das Urteil diktiert und dann später nicht mehr gesehen.

 

Unterschrieben worden ist das Urteil ja dann sowieso nur vom vors. Richter.

 

Der übliche dritte Berufsrichter hat in diesem Verfahren leider auch gefehlt, die beiden Laienrichter haben das Urteil nicht zum Lesen erhalten, unterschreiben tun sie sowieso nicht.

 

Dem Laienrichter W. ist nur aufgefallen, dass der vors. Richter ständig den Daumen auf dem Attestdatum hatte, während er das Attest vorlas.

 

Zusammen mit den Details, die Dr. Strate zusammengetragen hat, um aufzuweisen wie dieses spezielle Verfahren überhaupt beim vors. Richter B. gelandet ist, sind diese Einzelheiten „in der Gesamtschau“, für mich zumindest, schon interessant.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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@ MT 10.12.2014 #36

Niemand sagt, dass das Urteil nicht evaluiert werden kann. Das sollte es, und zwar nicht zu knapp! Ich stelle die Überlegungen von Herrn Sponsel auch nicht grundsätzlich in Frage. Dazu fehlen mir die Kenntnisse der Psychologie. Die Kritik muss nur an den richtigen Teilen des Urteils erfolgen. Eine aussagepsychologische Analyse des vom Gericht dargestellten Tathergangs ist, wenn ich das mal etwas übersptitzt formulieren darf, nur wenig brauchbarer als eine aussagepsychologische Analyse der Rechtsbehelfsbelehrung. Das merkt jeder Jurist auf den ersten Blick, mit den in #18 beschriebenen Konsequenzen.

Außer einigen Einführungssemestern kann ich auch nicht mit Kenntnissen in Psychologie aufwarten. Aus der Methodenlehre weiß ich aber, dass die Psychologie mit Testverfahren grundsätzlich an naturwissenschaftliche Qualitäten anknüpft und erheblichen Aufwand in methodische Fertigkeiten investiert, um hohe Wahrscheinlichkeiten zur Gültigkeit der Ergebnisse zu erreichen. Bei aussagepsychologischen Analysen werden wohl tatsächliche und formale Widersprüche/ Übereinstimmungen geprüft, die Rückschlüsse auf die Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit von Aussagen zulassen. Faktisch gehört das schon zu jedem psychologischen Fragebogenverfahren.

Was das Attest angeht, würde mich mal Ihre Meinung zu #27 interessieren.

Wenn das Gericht einerseits behauptet, dass das ärztliche Attest den gerichtlichen und rechtsmedizinischen Anforderungen nicht genügt, aber umgehend diese Erkenntnis pauschal als "üblich" für Hausärzte relativiert, besteht m.E. bereits aussagepsychologisch ein erheblicher Widerspruch. Eine Hypothesenbildung und deren Abklärung/Abgrenzung durch das Gericht kann ich schon gar nicht erkennen.

Denn zu welchem Arzt gehen Opfer von häuslicher Gewalt in familiären Streitsituationen freiwillig, wenn sie gerade nicht um ihr Leben oder weitere Misshandlungen fürchten? Vermutlich zum Hausarzt. Der soll dann, abgesehen von einer Behandlung möglicher gesundheitlicher Beschwerden, die sichtbaren Verletzungen dokumentieren, damit bei einer möglichen weiteren Auseinandersetzung gesetzliche Maßnahmen gegen häusliche Gewalt ergriffen werden könnten. Dies sind zunächst zivilrechtliche Maßnahmen und sollten insofern vom Strafrecht als Familienstreitsache eher gemieden werden. Selbst von erheblicher Gewalt Betroffene müssen sich selbst dazu durchringen, Strafanzeige zu stellen, bevor das Strafrecht zuständig wird. Eine zeitnahe rechtsmedizinische Begutachtung und polizeiliche Ermittlung der Umstände sollten dann wohl obligatorisch sein. Aus einem ungeklärten Fall häuslicher Gewalt mit mangelhaften Erkenntnissen zu Umständen und Folgen Jahre später ein klares Urteil zu einseitiger, lebensbedrohlicher Körperverletzung zu generieren, ist hoffentlich eher unüblich und besonders erklärungsbedürftig.

Wohin geht Jemand der einseitige lebensbedrohliche Gewalt nur behauptet? Ein Rechtsmediziner könnte die Behauptungen vermutlich halbwegs sicher überprüfen und infrage stellen. Ein Hausarzt müsste den Patienten wohl an einen Experten überweisen oder sich zumindest fachlich zu rechtsmedizinischen Anforderungen genauer informieren. Ein mangelhaftes Attest eines Hausarztes würde durch polizeiliche Ermittlungen hoffentlich zur kritischen Überprüfung der Angaben führen und wegen dieser Entdeckungsgefahr eine Strafanzeige vom selbsterklärten Opfer auf einen späteren Zeitpunkt vertagt werden, wo die Überprüfung kaum noch möglich ist.

Welche Schlussfolgerungen bewegen einen Hausarzt, dem vom Opfer lebensbedrohliche Gewalt geschildert wird, er aber daraufhin weder eine Behandlung, eine Überweisung zum Experten, noch eine Prüfung der eigenen fachlichen Kenntnisse für notwendig hält und nur ein mangelhaftes Attest erstellt? Welche Überlegungen stellt dieser Hausarzt an, wenn er später mit diesem mangelhaften Attest als Zeuge im Strafverfahren wegen schwerer Körperverletzung und vielen Jahren forensischer Unterbringung in Anspruch genommen wird? Welche Möglichkeiten hat er, sich eventuellen Überprüfungen zur Erfüllung seiner ärztlichen Pflichten und Haftung zu entziehen?

Wie konnte das Gericht verschiedene, denkbare Hypothesen zur Glaubhaftigkeit von Patientin und Arzt überprüfen und voneinander abgrenzen? Hat es diese Möglichkeiten genutzt oder warum gerade nicht? Eine Hypothesenbildung zur Urheberschaft und Echtheit des Attests könnte sich ggf. daran anschließen.

Ob diese Fragen im Rahmen einer Urteilsüberprüfung zu stellen sind, weiß ich nicht. Aber solche Fragen gebietet der gesunde Menschenverstand eines unvoreingenommenen Dritten, auf den sich Gesetze auch ab und zu berufen. 

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Sie sprechen hier mehrfach vom "Hausarzt". - Die angeblich lebensbedrohlich Verletzte ist aber seltsamerweise gerade nicht zu ihrem eigenen Hausarzt gegangen, sondern zu einem ihr angeblich bis zu diesem Termin vollkommen fremden Nichtfacharzt in Ausbildung.

Das mag ja noch irgendwie nachvollziehbar sein, wenn man in einer besonderen Krankheitssituation erstmals zu einem Spezialisten geht, aber es ist vollkommen absurd, dass man in einer derartigen Situation erstmals zu einem Arztanfänger geht, der keinerlei Qualifikation für Gewaltopferbeurteilungen hat.

Dem Arzt hätte schon die Tatsache, dass eine ihm (angeblich) vollkommen Unbekannte mit einer derart brisanten Geschichte bei ihm als Berufsanfänger auftaucht komisch und vor allem verdächtig erscheinen müssen.

Aber die Frau Dr. Krach hat sich ja auch nicht gewundert, dass die Exfrau M. mit toxikologischen Erwägungen zu ihr als Psychiaterin gekommen ist und nicht stattdessen einen Toxikologen um Rat gefragt hat. Die Exfrau wollte wissen ob der Gatte evt. Vergiftungserscheinungen hätte und ob sie die Ernährung (die ihr persönlich übrigens nicht geschadet hat) umstellen solle.

 

 

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WR Kolos schrieb:
Aber sie hätte der Befragung des Gerichts, der Anklagevertretung und der Verteidigung zur Verfügung gestanden. Damit wäre die Möglichkeit zur Beurteilung ihrer Glaubhaftigkeit nicht eingeschränkt. Dieser Schwierigkeit ist sich die Kammer m.E. nicht einmal bewusst gewesen, indem sie im Wesentlichen aus der "Vereinbarkeit" des Verletzungsbildes mit der geschilderten Verletzungshandlung aus dem "dilettantischen" Attest auf die Glaubhaftigkeit der Nebenklägerin schloss (S. 50 UA). Das ist für mich der entscheidende Punkt meiner Urteilskritik. 

Sehr geehrter Herr Kolos,

es kommt ein wenig darauf an, was das Gericht unter "Glaubhaftigkeit" verstehen will.

Im Prinzip hat P3M herzlich wenig von sich gegeben: "Geschlagen, getreten, gebissen und gewürgt hat er mich!"

Halte ich mit dem Verletzungsbild für vereinbar. Und glaubhaft ist das auch.

Aber darum geht es Ihnen nicht und das verstehe ich auch.

Ich teile Ihren Kritik in diesem Punkt vollauf.

Zum einen wundere ich mich, dass der BGH Entscheid -der ja unter der Randbedingung zustande kam (wenn ich das richtig im Kopf habe), dass das Mädchen schon ausführlich von einer Sachverständigen befragt wurde und diese Sitzungen auf einem anderen Niveau protokolliert wurden-  so ohne weiteres auf alle möglichen Fälle der Aussageunlust übtertragbar sein soll. Die Nebenbedingung einer ausführlichen, vorherigen Befragung liegt in unserem Fall wahrlich nicht vor.

 

Zum anderen -um beim BGH Fall zu bleiben- sehe auch ich in dieser Konstellation eine tiefgreifende Beschneidung der Verteidigung. Eigentlich unzumutbar. Das Gericht möchte dem Mädchen die traumatische Erfahrung ersparen, nochmal öffentlich über das Kerngeschehen zu berichten (menschlich verständlich) und die Verteidigung hat noch nicht einmal die Möglichkeit, Fragen zum Randgeschehen zu stellen. (Ich kenn den BGH Fall nicht, aber das fiel mir unmittelbar ein)

 

Sollte nicht gehen. Auf alle Fälle stösst man sich am inflationären Gebrauch, dass nun auch eine P3M Anteil/Vorteil daran haben sollte.

 

Aber der Fall Mollath wäre nicht der Fall Mollath, wenn er nicht auch da Aspekte aufzeigen würde.

 

An der Stelle erscheint es mir wichtig kurz den Einschub zu machen, dass mir Strate`s Strategie eigentlich erst richtig aufging, als ich das Urteil zum ersten Mal gelesen habe. 

Ich find den Typ genial. Saublöd, dass Mollath ihm so in die Parade gefahren ist. Jetzt werden wir nie erfahren, ob es nicht vielleicht doch geklappt hätte. Wenn GM doch nur geschwiegen hätte...dann hätt er seinen Filmvertrag, wäre in den Talkshows, könnt ein Buch schreiben und Vorträge halten.

Strate hat den in einer Sänfte zum Sieg getragen...und der haut so einen Blödsinn raus.

 

Das ist nämlich die Kehrseite der aussageverweigernden Belastungszeugin:

Die kann sich gar nicht mehr wehren!

GM hätte irgendwas behaupten können: "Meine Frau steht auf SM und hat mich gezwungen, Sie zu würgen!" oder irgendwas.

Was hätte das Gericht denn dann gemacht? Dann wäre dem sehr schnell bewusst geworden, wie schwierig das mit der Gaubhaftigkeit ist.

Das Strate natürlich keine Beratung in Gerichtsanlügen erteilt -gerade bei einem pro bono Fall- ist klar, aber dass die beiden sich nicht koordinieren konnten...

Die Möglichkeiten, die sich aufgetan haben, weil P3M gekniffen hat...

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Sehr geehrter Herr Mustermann,

Sie schreiben:

Im Prinzip hat P3M herzlich wenig von sich gegeben: "Geschlagen, getreten, gebissen und gewürgt hat er mich!"

Halte ich mit dem Verletzungsbild für vereinbar. Und glaubhaft ist das auch.

Und das glaube ich Ihnen wiederum nicht. Sie haben das Verletzungsbild doch gar nicht gesehen. Und Ihnen hat die Nebenklägerin auch nichts erzählt. Sie kennen sie überhaupt nicht. Und was die "Vereinbarkeit" angeht, so steht sie für fehlende Widersprüchlichkeit als Aspekt der Glaubhaftigkeit. Deswegen ist Ihre Formulierung ( ... für vereinbar. Und glaubhaft ... auch.) noch fragwürdiger als die der Kammer. 

Ich gehe davon aus, dass Sie im Alltag, bei ähnlicher Konstellation, wenn Sie so etwas von Hörensagen mit bekämen, gefragt, ob Sie das glauben, genau das sagen würde wie viele andere auch: Weiß ich nicht. Das kann ich nicht beurteilen.

Genau das durfte man auch von der Kammer erwarten. Denn sie hatte überhaupt keinen Wissensvorsprung gegenüber anderen zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Nebenklägerin.

Sie schreiben:

Aber darum geht es Ihnen nicht und das verstehe ich auch.

Doch, genau darum geht es mir, u.a.. Die Kammer war sich genauso wenig wie Sie darüber bewusst, dass sie die Glaubhaftigkeit überhaupt nicht beurteilen konnte, weil die Möglichkeiten dafür einfach zu beschränkt waren.

WR Kolos schrieb:

Doch, genau darum geht es mir, u.a.. Die Kammer war sich genauso wenig wie Sie darüber bewusst, dass sie die Glaubhaftigkeit überhaupt nicht beurteilen konnte, weil die Möglichkeiten dafür einfach zu beschränkt waren.

Oh...Sie wollen ihn also freisprechen?

Den Freispruch formulieren Sie bitte einmal, ohne dass gleich die Rechtsbeugerdiskussion losgeht.

 

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Max Mustermann schrieb:

WR Kolos schrieb:

Doch, genau darum geht es mir, u.a.. Die Kammer war sich genauso wenig wie Sie darüber bewusst, dass sie die Glaubhaftigkeit überhaupt nicht beurteilen konnte, weil die Möglichkeiten dafür einfach zu beschränkt waren.

Oh...Sie wollen ihn also freisprechen?

Den Freispruch formulieren Sie bitte einmal, ohne dass gleich die Rechtsbeugerdiskussion losgeht.

 

 

Nichts leichter als das. Man kann doch einfach von LG Regensburg abschreiben. Der Tenor kann doch so stehen bleiben. Aber Sie meinen vermutlich die Begründung.

Die Kammer hätte den Freispruch doch nur damit begründen können, dass sie ihre Zweifel habe nicht überwinden können, weil sie sich mangels eines persönlichen Eindrucks und mangels anderer schwerwiegender Beweise von der Glaubhaftigkeit der Nebenklägerin habe nicht überzeugen können. Anschließend hätten die Ausführungen folgen können, dass das mangelhafte Attest und die Einlassung des Angeklagten mit der Schilderung der Nebenklägerin zwar vereinbar seien. Das bedeute aber nur, dass die Schilderung in sich nicht widersprüchlich sei. Fehlende Widersprüchlichkeit sei ein Aspekt der Glaubhaftigkeit. Doch sei dies kein anderer, außerhalb der Aussage liegender Beweis, der erforderlich sei, um den Ausfall des persönlichen Eindrucks zu kompensieren.

 

Ok?

@WRK:

Wenn Sie nur glauben, was Sie selbst sehen, gibt es keine Strafverfolgung mehr. Weil, wie das Wort schon besagt, die Straftat bereits begangen ist und daher nur derjenige, der dabei war, etwas gesehen/gehört haben kann. Auch sonst, sei es im Zivilrecht oder anderen Rechtsgebieten gibt es dann eben nicht mehr die Möglichkeit, sich die Überzeugung von einem Geschehen in der Vergangenheit zu bilden.

Das Gericht hatte

- ein Attest (bzw deren mehrere)

-einen Arzt

- eine Patientenakte

- verlesene bzw. durch Vernehmung der Vernehmungspersonen eingeführte Aussagen der PM

- eine Einlassung Mollaths, dass PM aus dem Auto gesprungen sei und sich dabei verletzt habe, und zwar nicht zu knapp mit Prellungen und Schürfwunden (S. 15 des Urteils)

- einen Rechtsmediziner, der erklärte, dass die attestierten Verletzungen jedenfalls nicht mit einem Sprung aus einem Auto erklärbar sind, aber sehr wohl mit der Tatschilderung.

Daraus kann man den Schluss ziehen, dass die Verletzungen vorlagen wie attestiert/von PM behauptet und dass ihre Aussage in diesem Punkt glaubhaft war (für eine Notwehrsituation G. Mollaths gab es schon aufgrnd seiner Auto-Sprung-Geschichte eher wenig Anhaltspunkte).

 

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Sehr geehrter Herr Sponsel,

Sie mögen es für gewagt halten oder auch nicht, es ist ja nicht der einzig mögliche Schluss aus diesen Angaben. Aber solche Angaben eines Angeklagten würden in den allermeisten Fällen zu entsprechenden Schlussfolgerungen eines Gerichts führen. Nicht ganz zufällig steht die Einlassung des Angeklagten am Beginn der gerichtlichen Beweiswürdigung. "Ich habe mich nur gewehrt" tauchte schon vorher als Angabe Herrn Mollaths in den Akten auf, war aber relativ unbestimmt, was Ort, Zeit und konkreten Bezug anging. Nun aber hat sich Herr Mollath ausdrücklich, bewusst und auf eigenen Wunsch in der Hauptverhandlung auf den konkreten Tatvorwurf (12.08.2001) bezogen. Wenn er sagt, er habe sich nur gewehrt, könnte dies rechtlich die Bezugnahme auf eine Notwehrsituation sein. Diese aber müsste er, damit entsprechende Schlüsse gezogen werden können, näher ausführen. Weder einen Angriff seiner Frau noch sonstige Geschehnisse anlässlich dieser Auseinandersetzung, hat er geschildert. Wenn Herr Mollath nicht schweigt, gibt er sein Aussageverhalten zur Würdigung frei. Natürlich sind nun immer noch verschiedene Würdigungen möglich, aber wie ich ausführte, das Gericht "konnte" schließen, dass am 12.08.2001 tatsächlich eine körperliche Auseinandersetzung stattgefunden hat, weil dies aufgrund der Angaben des Angeklagten nahelag. Und auch der Schluss (2) liegt nahe. Es war Herrn Mollath klar, musste ihm klar sein, dass er genau solche Schlussfolgerungen des Gerichts damit "zuließ". Wenn es ganz anders gemeint war oder er noch mehr dazu hätte ausführen wollen, dann hatte er Gelegenheit dazu, dies zu tun. Die Richterin hat ihn förmlich angebettelt, weitere Erklärungen abzugeben. Dies wollte er nicht. Da ich im Gerichtssaal war, habe ich das wie viele andere als einen entscheidenden Moment "erlebt". Ich weiß nicht, ob das Gericht sich schon vorher innerlich festgelegt hatte, ob also diese Angabe faktisch entscheidend war. Aber wenn Herr Mollath sein gutes Recht wahrgenommen hätte, über den ganzen Vorgang zu schweigen, dann wäre es in der Urteilsbegründung viel schwieriger geworden, den Nachweis zu führen. Dann hätte das Gericht sich nach meinem Empfinden auch mehr Gedanken über das Zustandekommen des Attests machen müssen. Aber nach dieser Angabe waren Zweifel daran, von wem und v.a. wann das Attest formuliert wurde, in der Urteilsbegründung nicht mehr relevant. Nun ging es nicht mehr um die Frage des "ob" eines Attests am 14.08.2001, sondern um die Frage, welche Verletzungen damit (und insb. mit der Aussage des Arztes) belegbar waren.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

Sehr geehrtes Paradigma,

Sie schreiben:

Über diese tendenziöse Interpretatins-Methode, wurde m.E. auch die nur teilweise Verweigerung von Gustl Mollath sich zu der Körperverletzung zu erklären, vom Gericht, vom Oberstaatsanwalt und m.E. auch dem Verteidiger gewertet und G.M. damit vorverurteilt.

Nochmals, ist und war es notwendig Details einer körperlichen Auseinandersetzung, einer möglichen, wenn nicht sogar sehr wahrscheindlichen Notwehr zwischen einer Frau und einem Mann, einem langjährigen Paar in aller Öffentlichkeit auszubreiten!

Ich glaube, Sie haben die Situation im Gerichtssaal nicht zutreffend erfasst. Dort und nicht hier in einem Blog werden Beweise erhoben und aus der Unmittelbarkeit der Angaben werden Schlüsse gezogen. Herr Mollath hat selbstverständlich das gute Recht, keine Angaben über körperliche Auseinandersetzungen zwischen sich und seiner Ehefrau zu machen. Dass solche Vorfälle an die Öffentlichkeit kommen können, liegt daran, dass wir uns als Gesellschaft dazu entschlossen haben, auch häuslicher Gewalt nachzugehen (und diese ggf. zu bestrafen). Wenn dieser Vorwurf erhoben wird, dann kommt es ggf. zu einer öffentlichen Hauptverhandlung. In dieser brauchen beide (beschuldigte, verheiratete oder ex-verheiratete) Beteiligte regelmäßig keine Angaben zu machen. Sie brauchen für ihre Aussage- bzw. Zeugnisverweigerung auch keine Motive o.ä. zu nennen. Die Verweigerung des Zeugnisses bzw. der Gebrauch des Schweigerechts darf in der Beweiswürdigung nicht berücksichtigt werden. Aber wenn sie etwas sagen, dann kann das Gericht dies auch verwerten. So ist das Recht und darüber, denke ich, wusste auch Herr Mollath Bescheid.

Und ich habe ja lediglich gesagt, dass damit die Verteidigungsstrategie "das Attest war völlig falsch, es gab gar keine Untersuchung am 14.08."  nicht mehr funktionieren kann.

Um ein (bewusst abwegiges) Beispiel anzubringen, das vielleicht eher einleuchtet: Wer eines  Totschlags angeklagt wird und aussagt, "Ja, ich habe geschossen, aber ich habe in Notwehr gehandelt", für den muss klar sein, dass jedenfalls die Verteidigungsstrategie, "es gibt gar kein Opfer" oder "ich war gar nicht am Tatort", nicht mehr so gut (eigentlich eher gar nicht) funktioniert.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

Henning Ernst Müller schrieb:

[...] Wenn Herr Mollath nicht schweigt, gibt er sein Aussageverhalten zur Würdigung frei. [...] Es war Herrn Mollath klar, musste ihm klar sein, dass er genau solche Schlussfolgerungen des Gerichts damit "zuließ". [...]

Um eventuellen Ressentiments der Nicht-Juristen vorzubeugen: Bedenken Sie, dass Herr Mollath anwaltlich vertreten war. Ein Anwalt weiss genau, dass das von Prof. Müller beschriebene Risiko besteht. Dementsprechend wird er seinen Mandanten auf die möglichen Folgen hingewiesen haben.

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Bitte um Quelle bei den Mitschriften

Henning Ernst Müller schrieb:

...  Die Richterin hat ihn förmlich angebettelt, weitere Erklärungen abzugeben. Dies wollte er nicht. Da ich im Gerichtssaal war, habe ich das wie viele andere als einen entscheidenden Moment "erlebt". ...

Was war das für ein Verhandlungstag? Ich würde das gerne noch genau nachlesen. Vielen Dank.

 

@ atropa belladonna

Es kommt doch nicht darauf an, wie jeder Einzelne, der sich unter den verschiedenen Aspekten und mit unterschiedlicher Motivation in den Fall eingearbeitet hat, die Fakten und "Fakten" bewertet und interpretiert, sondern lediglich darauf, welche juristische Substanz ihnen beizumessen ist bzw. wie relevant sie für die Verteidigungsstrategie sind.

Beispielsweise die Arztwahl: warum sollte es für einen Außenstehenden, für ein Gericht, nicht plausibel sein, dass die Nebenklägerin auf Anraten ihrer Freundin den über diese für sie am einfachsten erreichbaren Arzt konsultiert hat? Wie sollte man diese Version denn widerlegen?

Sich beim Verdacht auf psychische Veränderungen infolge einer fraglichen chronischen Intoxikation an einen Toxikologen zu wenden, ist nicht nahe liegend, man würde ihn spontan eher wegen einer akuten Intoxikation konsultieren (z.B. Pilzvergiftung). Gerade in diesem Fall liegen Befunde über deutlich erhöhte Blei- und Aluminium- Werte vor (http://www.spiegel.de/media/media-34449.pdf) und es ist nicht auszuschließen, dass Frau M. diese kannte, dass zumindest zwischen den damaligen Eheleuten diese Gesundheitsprobleme angesprochen worden waren. Frau M. hat diese Angaben also nicht aus der Luft gegriffen, was sicher auch dazu beigetragen hat, dass sie gegenüber Frau Dr. Krach-O. überzeugend auftreten konnte. Dass diese Befunde von allen mit dem Fall befassten Ärzten, denen Mollaths Ausführungen ja vorlagen, ignoriert wurden, ist mir ein Rätsel. Das gilt insbesondere für Prof. Nedopil, der erst ab 2004/2005 eine relevante gesundheitliche Beeinträchtigung erkennen wollte.

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Gast schrieb:
Frau M. hat diese Angaben also nicht aus der Luft gegriffen, was sicher auch dazu beigetragen hat, dass sie gegenüber Frau Dr. Krach-O. überzeugend auftreten konnte.

Bisschen anders liegt der Fall schon.

Hier liegt ein Lauf des Hundes auch begraben. Was in der Diskussion bisher vollständig unterging ist folgendes:

Nicht nur dass Krach ein Jahr vor ihrer schriftlichen Anregung Kenntnis von behaupteten körperlichen Übergriffen hatte (damit wäre der Kreis der Lügner für eine Nichttat schon einmal um +1 erhöht), witzig ist bei Krach auch insbesondere folgender Umstand, der m.E. gut den Charakter der Verhandlung wiedergibt:

 

Krach hat ihre Anregung zur psychiatrischen Untersuchung nicht alleine auf die Angaben von P3M gestützt. 

P3M hat Krach Briefe ausgehändigt, welche von GM geschrieben wurden.

 

Die Verteidigung konnte aus nachvollziehbaren Gründen sich die Frau nicht wirklich zur Brust nehmen.

 

ABER auch die StA hat davon Abstand genommen, mal genauer nachzufragen, um die Gefahr eines Misskredits bzgl P3M nicht auf sich zu nehmen.

 

Und das Gericht hat völlig unverständlicherweise AUCH nicht nachgefragt, was denn in den Briefen von GM stand, dass Krach eine derartiges Schreiben in die Welt setzt.

 

Eigentlich kann man sich darüber nur köstlich amüsieren...

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Immer noch unklar, ob Rechtsschreib-/Grammatikfehler in der HV zur Sprache kamen

Henning Ernst Müller schrieb:

Sehr geehrter Herr Sponsel,

die Rechtschreib-/Grammatikfehler sind im Buch auf S. 216 f.  Thema. Gegenstand eines Beweisantrags waren sie m. W. nicht.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Ich habe ja geschrieben: "Auf den Seiten 266/67 habe ich hierzu nichts gefunden, auch nicht 214f. Und auch aus dem Schriftsatz vom 20.6.2013 selbst konnte ich das nicht entnehmen. Frage: wurde Ihre Rechtschreib-/Grammatikfehler-Analyse in der HV erwähnt?"

Genauer hätte ich nicht S. 2014f, sondern S. 214ff sagen müssen.

 

Rechtschreib-/ Grammatikfehler in der HV erwähnt

Sehr geehrter Herr Prof. Müller,

Vielen Dank, das ist jetzt weitgehend aufgeklärt.

Henning Ernst Müller schrieb:

Sehr geehrter Herr Sponsel,

was auch immer das für Sie bedeutet, die Antwort finden Sie auf S. 54 der Mitschrift (Frage Riin Koller), inhaltlich steht dasselbe auf S. 217 des Buchs von Strate.

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Hauptverhandlung-2014-07-...

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Aus S. 54 der Mitschrift geht hervor, dass in der HV das zum Gegenstand einer Frage von Riin Koller gemacht wurde. In der schriftlichen Urteilsbegründung wird hiervon nichts erwähnt, es ist also unter den Tisch gefallen - trotz der abenteuerlichen Erklärung Dr. Rei.

Es scheint auch, dass Dr. Strate zu den Rechtschreib-/ Grammatikfehlern nach dem Vortrag vom 20.6.2013 keinen eigenen Beweisantrag gestellt hat. Und er hat auch bei seinem Frage­recht an Dr. Rei diesen zu Rechtschreib-/Grammatikfehlern nicht ins "Kreuzverhör" ge­nom­men oder habe ich da etwas übersehen? Falls das nämlich so wäre, hätte es die Verteidigung dem Gericht sehr leicht gemacht, darüber so hinwegzugehen. 

Um Ihre Frage zu beantworten, was das für mich bedeutet: das werte ich als Lücke. Nachdem in diesem Prozess das kummulative Verfahren - Wahn als kummulative Konstruktion der Welt des nichtausschließbar Möglichen - eine große Rolle spielt, bin ich gespannt, wie sich das bei der Präsentation aller gefundenen Lücken kummulativ so darstellen wird.

"Wenn man die Dinge so nimmt wie sie sind" erscheinen mir die Erklärungen von Prof. Müller vom 11.12. in #50 plausibel. Zu diesen "Dingen" gehören auch die vorherigen Gerichtsverfahren, die Gutachten, die Unterbringung in der Forensik, die erfolglosen Hilferufe, die Schicksale von Mitinsassen, der unwiederbringliche Verlust des eigenen bürgerlichen Lebens und dazu rundherum ein Bürgertum, das nur wenige von den Tugenden lebt, die es behauptet. Dazu gehören in diesem Zusammenhang vor allem Juristen, Ärzte, Gutachter, Politiker, Journalisten, Geschäftsleute und deren Erfüllungsgehilfen. Sie nehmen die "Dinge wie sie sind" und leben oft erträglich davon. Dieses "übliche" System erfordert für dessen Aufrechterhaltung aber auch Kundschaft, die dem System geopfert werden muss. Natürlich gehören auf der anderen Seite zu den "Dingen" auch die Mollath-Unterstützer, die bei allem Einsatz nur bedingt für Widersprüche im Handeln und Denken ihres Helden offen waren und ihn damit auch in Haftung nahmen.

Es ist bemerkenswert, wie Herr Mollath die weggesperrten Jahre durchgestanden hat und danach den "Aufstieg" vom vollkommen Unbekannten zur Galionsfigur einer grundlegenden Auseinandersetzung im juristischen/politischen System. Dass er trotz dieses öffentlichen Gezerres auch noch den Mut für Eigenheiten und die Unterstützung anderer Justizopfer hatte, zeugt von seinem Beharrungsvermögen. Man mag es auch Sturheit nennen.

Taktisch waren die kurzen Einlassungen von Mollath im Prozess zur Streitsituation sicher unklug und Dr. Strate wird ihm das auch vermittelt haben.

Aber wenn Mollath der ist, den ich in ihm sehe, musste ihn dieser Prozess und die Vermeidungstaktik viel Nervenstärke abgefordert haben. Das erklärt mir die einsilbigen Einlassungen ohne wirklich den Blick ins Innere zuzulassen. Sich nach den langjährigen Erfahrungen der Missachtung durch die Justiz und Schlechtachterei einem deutschen Gericht und einem weiteren Gutachter in aller Widersprüchlichkeit zu offenbaren und auf Verständnis zu setzen, zudem ohne den Segen des eigenen Anwalts, ging für ihn möglicherweise genauso wenig, wie das angeratene taktische Durchmogeln. Denn das Verfahren offenbarte nach meinem Eindruck vor allem das Durchmogeln, die Schadensbegrenzung und nicht das notwendige Großreinemachen. Damit bei aller Aufregung und partieller Korrektur im Grundsatz die "Dinge bleiben wie sie sind".

Mollath wollte wohl deutlich mehr als nur die persönliche Entlastung von Stigmatisierung. Der Schritt hin zur Offenbarung "der Dinge wie sie sind" war schon ein großer. Dabei wird es nicht bleiben. Denn "die Dinge müssen sich ändern".      

5

Quelle bei den Mitschriften: S. 27 ff. am 15. Tag der Hauptverhandlung, ergibt sich aus dem Buch, S. 259 ff. (Herr Sponsel, das können Sie genauso gut wie ich finden, es dauert ca. 2 Minuten).

 

Danke - aber ich verbringe zu viel Zeit mit Suchen

Henning Ernst Müller schrieb:

Quelle bei den Mitschriften: S. 27 ff. am 15. Tag der Hauptverhandlung, ergibt sich aus dem Buch, S. 259 ff. (Herr Sponsel, das können Sie genauso gut wie ich finden, es dauert ca. 2 Minuten).

Allein zum 15. Verhandlungstag habe ich 6 Dateien. Die Quelle in der Fußnote 142 stimmt auch nicht, es findet sich unter der Datei mit dem Zusatz v2.:

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Hauptverhandlung-2014-08-...

Daher meine Bitte an alle: weil es hier oft sehr genau auf Formulierungen ankommt, bitte bei Hinweisen, Bezügen oder Zitaten die Fundstelle mitliefern (danke).

@gaestchen

Sie schreiben:

Wenn Sie nur glauben, was Sie selbst sehen, gibt es keine Strafverfolgung mehr.

Das habe ich doch gar nicht so behauptet. Selbstverständlich muss die Kammer die Tat nicht selbst beobachtet und die Verletzungen selbst gesehen haben. Dafür gibt es u.a. Zeugen, die ihre Wahrnehmungen dem Gericht in der HV erzählen können, die von der Staatsanwaltschaft und von der Verteidigung befragt werden können, unmittelbar und mündlich. So wie das halt eben in der StPO für Zeugen vorgesehen ist. Das Gericht und die Beteiligten benötigen den persönlichen Eindruck, um die Glaubhaftigkeit des Zeugen beurteilen zu können.

Auch wenn ausnahmsweise auf Beweissurrogate, also z.B. auf Zeugen von Hörensagen zurückgegriffen wird, ändert das nichts an der dadurch erheblich eingeschränkten Möglichkeit, die Glaubhaftigkeit des Hintermannes beurteilen zu können. Unmöglich ist das aber nicht. So z.B., wenn aufgrund anderer gewichtiger Beweise, die Angaben des Hintermannes bestätigt werden. Dafür müssen sie aber außerhalb der Aussage liegen bzw. unabhängig von ihr zustande gekommen sein.

Ich denke z.B. an den Fall Monika Haas, der von Herrn Strate um die Jahrtausendwende vertreten wurde. Dort gab es auch einen Hauptbelastungszeugen, der die Angeklagte schwer belastet hatte und in der HV nicht aussagen konnte, weil er in Beirut im Gefängnis saß. Seine Angaben konnten aber in wesentlichen Teilen durch die Ermittlungen anderer Zeugen bestätigt werden. Im Unterschied zu dem Fall Mollath lag im Fall Haas eine klare Trennung zwischen den Angaben des Hauptbelastungszeugen und dem Ermittlungsergebnis des BfV und BKA. 

Die der Urteilsfindung zugrunde liegende mittelbare Beweiserhebung und die Handhabung des Verfahrensrechts durch das Tatgericht lagen nach Auffassung des BVerfG im Grenzbereich einer von Verfassungs wegen erlaubten Verfahrensgestaltung. Dieser Grenzbereich dürfte im Fall Mollath aber überschritten sein. Zum einen fehlt es an einem anderen schwerwiegenden Beweismittel, das die Angaben der Hauptbelastungszeugin hätte bestätigen können. Ein solches hätte das Attest, allerdings ohne Mängel durchaus sein können, wenn es isoliert betrachtet die Schilderung der Zeugin hätte bestätigen können. Zum anderen gibt es im Fall Mollath verfassungsrechtlich zusätzlich noch das Problem, dass das faire rechtsstaatliche Verfahren auch durch das Verwertungsverbot des 242 StPO einfachgesetzlich ausgestaltet ist und die Zulassung des Verzichts ein Eingriff sei, zumal der Verzicht außerhalb des Gesetzeswortlauts liegt und daher nicht mehr unter Gesetzesauslegung fällt.

@ Waldemar Robert Kolos

Das Problem dürften die Zeugen sein, allen voran der Arzt.

5

Gast schrieb:

@ Waldemar Robert Kolos

Das Problem dürften die Zeugen sein, allen voran der Arzt.

 

Was die Schilderung der Verletzungshandlungen angeht, wussten die Zeugen so gut wie nix, auch der Arzt nicht. Die Urteilsgründe sind insoweit widersprüchlich, wenn es einerseits heißt (Seite 16 UA):

Zeitnahe Schilderungen des Tatgeschehens durch die Nebenklägerin ... ergeben sich nämlich aus den glaubhaften Angaben der glaubwürdigen Zeugen Petra Simbek, Markus Reichel und Gabriele Krach-Olschewsky.

Dann aber wird ausgeführt:

Die erste Schilderung des Tatgeschehens durch die Nebenklägerin ist ... gegenüber der Zeugin Simbek am 14.8.2001 erfolgt ...:

...
Die Nebenklägerin habe ihr in der Eisdiele sinngemäß mitgeteilt, dass der Angeklagte sie vor zwei Tagen wieder misshandelt und festgehalten habe. Dies sei der Kern der Angabe gewesen. Eine Schilderung von konkreten Verletzungshandlungen durch die Nebenklägerin sei ihr nicht erinnerlich. Der Nebenklägerin sei es wohl peinlich gewesen, diese habe von sich aus nicht viel erzählt.

...

Eine zweite Schilderung zum Tatgeschehen ist ... gegenüber dem Zeugen Markus Reichel erfolgt ... .
... Was genau die Nebenklägerin ihm zu Schlägen oder Misshandlungen gesagt habe, könne er heute nicht mehr sagen, auch nicht, ob die Nebenklägerin von früheren Misshandlungen berichtet habe. (S.20 UA)

Schließlich hat auch die Zeugin Krach-Olschewsky berichtet, dass ihr die Nebenklägerin einen Würgevorgang bis zur Bewusstlosigkeit ... geschildert habe: (S.26 UA)

Das Beste war die glaubwürdige Zeugin Simbek: An eine Schilderung konnte sie sich nicht erinnern, aber daran, dass die Nebenklägerin von sich aus nicht viel erzählt habe, weil es ihr peinlich war. 

Das grenzt doch schon an eine Falschaussage.

WR Kolos schrieb:

Gast schrieb:

@ Waldemar Robert Kolos

Das Problem dürften die Zeugen sein, allen voran der Arzt.

 

Was die Schilderung der Verletzungshandlungen angeht, wussten die Zeugen so gut wie nix, auch der Arzt nicht. Die Urteilsgründe sind insoweit widersprüchlich, wenn es einerseits heißt (Seite 16 UA):

Zeitnahe Schilderungen des Tatgeschehens durch die Nebenklägerin ... ergeben sich nämlich aus den glaubhaften Angaben der glaubwürdigen Zeugen Petra Simbek, Markus Reichel und Gabriele Krach-Olschewsky.

Dann aber wird ausgeführt:

Die erste Schilderung des Tatgeschehens durch die Nebenklägerin ist ... gegenüber der Zeugin Simbek am 14.8.2001 erfolgt ...:

...
Die Nebenklägerin habe ihr in der Eisdiele sinngemäß mitgeteilt, dass der Angeklagte sie vor zwei Tagen wieder misshandelt und festgehalten habe. Dies sei der Kern der Angabe gewesen. Eine Schilderung von konkreten Verletzungshandlungen durch die Nebenklägerin sei ihr nicht erinnerlich. Der Nebenklägerin sei es wohl peinlich gewesen, diese habe von sich aus nicht viel erzählt.

...

Eine zweite Schilderung zum Tatgeschehen ist ... gegenüber dem Zeugen Markus Reichel erfolgt ... .
... Was genau die Nebenklägerin ihm zu Schlägen oder Misshandlungen gesagt habe, könne er heute nicht mehr sagen, auch nicht, ob die Nebenklägerin von früheren Misshandlungen berichtet habe. (S.20 UA)

Schließlich hat auch die Zeugin Krach-Olschewsky berichtet, dass ihr die Nebenklägerin einen Würgevorgang bis zur Bewusstlosigkeit ... geschildert habe: (S.26 UA)

Das Beste war die glaubwürdige Zeugin Simbek: An eine Schilderung konnte sie sich nicht erinnern, aber daran, dass die Nebenklägerin von sich aus nicht viel erzählt habe, weil es ihr peinlich war. 

Das grenzt doch schon an eine Falschaussage.

@ Herrn Kolos:

Wenn das so in der Urteilsbegründung steht, wie Sie das hier schreiben (und davon gehe ich aus, nur um Mißverständisse zu vermeiden;-), aber selber gelesen habe ich das halt nicht), dann ist das, mit Laienworten ausgedrückt, ja wohl ein (schlechter) Witz, oder?

Wie kann es juristisch standhalten, welcher Prüfung auch immer, wenn ich mit rechtlich verbindlichen Folgen urteile, ich glaube, dass Fritz es war, der die Scheibe eingeworfen hat, weil Franz, Kati und Heinz das glaubhaft und glaubwürdig bezeugen und anschließend aufzählen, dass weder Franz, Kati noch Heinz was genaues zum Thema Scheibe einwerfen jemals gewußt haben?

Kombiniert mit der Tatsache, dass mindestens mal die Aussagen von Kati in den beiden anderen Tatvorwürfen (bzgl. Freiheitsberaubung und weitere Körperverletzung im Mai, unmittelbar vor erst/wiederausdruck des Attestes) für n i c h t glaubwürdig beurteilt wurden.

Vom gleichen Gericht.

Ja, was wir juristischen Laien halt immer alles nicht begreifen, gell ;-)

Ist eben ein Fall von ist halt so, WEIL es so ist, oder?

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Gast schrieb:

@ Waldemar Robert Kolos

Das Problem dürften die Zeugen sein, allen voran der Arzt.

dito

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Sinn und Ziel einer Revision

Was kann den bestenfalls bei der Mollath-Revision rauskommen. Kann das jemand erklären? (Danke)

@ #14

An sich kann nichts bei der Revision herauskommen, da sie aller Voraussicht nach wegen des Freispruchs unzulässig ist.

Sollte die Revision wider aller Erwartungen doch für zulässig erklärt werden, wäre es rein theoretisch möglich, dass der Freispruch noch wegen mangelndem Nachweis der Körperverletzung erfolgt.

Man muss sich bei aller Diskussionswürdigkeit des Falles doch immer wieder vor Augen führen, dass Herr Mollath freigesprochen wurde, und dass das was wir in dieser Runde betreiben "Meckern auf hohem Niveau" ist.

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@ MT #17: da widerspreche ich Ihnen. Die Frage ist, wie viele Fehler in der Beweiswürdigung und der Beurteilung bzw. des Maßstabs zur Schuld(un)fähigkeit (s. Eröffnungsbeitrag) sich ein "Profi-Gericht" leisten kann, um noch damit durchzukommen.

Die Frage nach einer effektiven Qualitätskontrolle eines Verfassungsorgans ist kein "Meckern auf hohem Niveau", sondern betrifft essentielle Rechte aller Staatsbürger - gerade wenn man bestürzt feststellen muss, dass das Niveau der Rechtsprechung alles andere als hoch ist.

@ #18

Ihre Meinung lasse ich Ihnen, aber wann das LG Regensburg zum Verfassungsorgan erklärt wurde möchte ich mal nachgewiesen haben ;-)

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@ MT #19: am 23. Mai 1949.

Lesetipp: Grundgesetz, Art. 20 (2), (3) und 92 - 104.

@ Max Mustermann

Richtig, man hätte schon weitere Fragen zu den Schreiben erwarten können. Aber die Schilderung evtl. Verhaltensauffälligkeiten bzw. das Erfragen möglicher Ursachen und das Vorlegen von Schriftstücken muss sich doch nicht ausschließen? Es liegt doch nahe, dass PM mit diesen Schreiben ihre Angaben zur vermuteten Erkrankung GMs illustrieren wollte oder umgekehrt durch diese Angaben die Briefe auf den Tisch bringen wollte eben in der Erwartung, dass sie Eindruck machen. Inwiefern liegt der Fall anders? Wollen Sie andeuten, dass der Ärztin eine aktivere Rolle zukommt als es scheint?

damit wäre der Kreis der Lügner für eine Nichttat schon einmal um +1 erhöht

Das verstehe ich nicht. Ob es diese Angriffe gegeben hat, wissen doch nur die unmittelbar Beteiligten.

Die Verteidigung konnte aus nachvollziehbaren Gründen sich die Frau nicht wirklich zur Brust nehmen.

Welche Gründe wären das denn?

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Gast 1 schrieb:

@ Max Mustermann

Richtig, man hätte schon weitere Fragen zu den Schreiben erwarten können. Aber die Schilderung evtl. Verhaltensauffälligkeiten bzw. das Erfragen möglicher Ursachen und das Vorlegen von Schriftstücken muss sich doch nicht ausschließen? Es liegt doch nahe, dass PM mit diesen Schreiben ihre Angaben zur vermuteten Erkrankung GMs illustrieren wollte oder umgekehrt durch diese Angaben die Briefe auf den Tisch bringen wollte eben in der Erwartung, dass sie Eindruck machen. Inwiefern liegt der Fall anders? Wollen Sie andeuten, dass der Ärztin eine aktivere Rolle zukommt als es scheint?

Nein gar nicht. Ich stimme Ihren Ausführungen ausdrücklich zu.

Ich bin vielleicht ein wenig unglücklich "reingesprungen", da man sich im Laufe der Diskussion aufgrund des Attestes viel mit Tatbestands- und Rechtswidrigkeit aufgehalten hat. Zur Schuldfrage sind wir nie gekommen.

Auch eine objektive Aufnahme der tatsächlichen Geschehnisse hat m.E. bisher nicht stattgefunden.

Es ist bekannt, dass die Anregung Krach`s ein Grundstein für das Martyriums des Herrn Mollath gelegt hat.

Seltsamerweise fragt aber keine Partei genau nach...

 

Ihre Darstellung ist richtig. P3M fragt -in offensichtlicher Kenntnis der Blutwerte- nach, ob eine Vergiftung vorliegen könnte.

 

Aber was heisst das denn? 

Logisch kann das eigentlich nur den Schluss zulassen, dass die bemüht war eine "vernünftige" Erklärung für das Verhalten ihres langjährigen Ehemannes zu finden.

 

Dass Problem ist folgendes: GM ist unglaubliches Unrecht widerfahren. Die Justiz hat sich unbegreifliche Fehler geleistet. Da sind Dinge geschehen, die kein Mensch nachvollziehen kann. Es riecht nach Vorsatz, wenn man sich die Menge der Fehlentscheidungen anschaut.

 

Was Strate in seiner Strategie auch angestrebt hat, ist, dass eine Übertragung in den Köpfen der Menschen stattfindet, dass diese Intention von Anfang geplant war.

Und nun wird hinter jeder Unstimmigkeit böse Absicht erwartet.

 

Stimmt gar nicht.

 

P3M hat ihn nicht angezeigt. Ist zu Krach und sucht nach Erklärungen.

 

Man muss sich wirklich mit dem Gedanken anfreunden, dass die Einzige, die schützen wollte, P3M war.

Wir haben die jetzt 2 Jahre durch den Kakao gezogen und die ist wahrscheinlich unschuldig.

 

Wenn der Arzt nicht lügt, gab es die Verletzungen schon 2001.

2001 hat P3M schon Krach von den Verletzungen erzählt. 

Wenn es nie Verletzungen gab, dann muss nicht nur der Arzt lügen, sondern auch Krach.

2 Lügner, die nichts mit der Geschichte zu tun haben? Niemals.

 

Die Verteidigung hat uns nie angelogen. Die hat uns immer nur die halbe Wahrheit erzählt.

Mollath kommt in der Story der Verteidigung nie vor.

Man muss sich den Kopf frei machen von allem Blödsinn, die die Verteidigung uns aufgetischt hat.

Ist nur die halbe Wahrheit. 

 

Die Strategie der Verteidigung baut auf einer Überlegung auf.

Wird bei Krach nachgefragt, ist Mollath ruiniert.

 

Und das ist der Witz: Alle Welt weiss, Krach ist die Saat des Unheils und keiner fragt nach???

 

Krach ist der Eckstein. Und keiner fasst den an, weil zu heiss. Löst man den, brechen die ganzen Traumhäuser zusammen...

 

Wer ist Mollath?

 

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Max Mustermann]</p> <p>[quote=Gast 1 schrieb:

P3M hat ihn nicht angezeigt. Ist zu Krach und sucht nach Erklärungen.

Man muss sich wirklich mit dem Gedanken anfreunden, dass die Einzige, die schützen wollte, P3M war.

Wir haben die jetzt 2 Jahre durch den Kakao gezogen und die ist wahrscheinlich unschuldig.

Wenn der Arzt nicht lügt, gab es die Verletzungen schon 2001.

2001 hat P3M schon Krach von den Verletzungen erzählt. 

Wenn es nie Verletzungen gab, dann muss nicht nur der Arzt lügen, sondern auch Krach.

2 Lügner, die nichts mit der Geschichte zu tun haben? Niemals.

Die Verteidigung hat uns nie angelogen. Die hat uns immer nur die halbe Wahrheit erzählt.

Mollath kommt in der Story der Verteidigung nie vor.

Man muss sich den Kopf frei machen von allem Blödsinn, die die Verteidigung uns aufgetischt hat.

Ist nur die halbe Wahrheit. 

Die Strategie der Verteidigung baut auf einer Überlegung auf.

Wird bei Krach nachgefragt, ist Mollath ruiniert.

Und das ist der Witz: Alle Welt weiss, Krach ist die Saat des Unheils und keiner fragt nach???

Krach ist der Eckstein. Und keiner fasst den an, weil zu heiss. Löst man den, brechen die ganzen Traumhäuser zusammen...

Wer ist Mollath?

 

Gegenfrage: Wer ist Max Mustermann,? Können Sie mir erklären, weshalb Sie fortwährend Verwirrung anstiften und  der nachhaltige Eindruck entsteht, sie würden manipulieren? Herr Mustermann, Sie widersprechen sich grundsätzlich: In Ihrem Kommentar vor ca. zwei Wochen erklärten Sie eindeutig , daß P3M einen destruktiven Feldzug gegen Ihren Ex-Mann führte und in Ihrem obigen Kommentar treffen Sie die völlig entgegengesetzte   Aussage:

"Man muss sich wirklich mit dem Gedanken anfreunden, dass die Einzige, die schützen wollte, P3M war".

Damit verlassen Sie den Bezug zur Realität und ignorieren sämtliche bisherigen Erkenntnisse in der Causa Mollath. P3M hat durch das verdächtige Attest vom Arzt Reichl die verhängnisvolle Psychiatrisierung gegen ihren Ehemann unter insgesamt sehr verdächtigen Umständen betrieben.

Mit dem nicht statthaften zweiten Attest einer öffentlich-rechtlichen Klinik im Rahmen einer Ferndiagnose hat P3M in Ihrem Interesse diese unmenschliche Psychiatrisierung Ihres Partners

weiter betrieben und hat moralisch und von einem humanistischen Standpunkt die Hauptverantwortung für das Wegräumen von Gustl Mollath.

Frau Dr. Krach wurde im WA-Verfahren eingehend vom Verteidiger befragt und hinterfragt.

Im Plädoyer von Dr. Strate wurde überzeugend dargestellt, daß P3M  gegenüber Dr. Krach manipulativ vorgegeben hat, Gustl Mollath helfen zu wollen. Das Attest hat , allerdings nicht P3M, sondern ihr

Anwalt umgehend an das Gericht zu dem laufenden Verfahren geschickt und damit  wurde das Wegräumen von Gustl Mollath eingeleitet.  P3M konnte G.M. seit 2001 schützen und auch jetzt noch zur Wahrheit beitragen, z.B. sich als Zeugin dem Gericht stellen. Deshalb ist Ihr Statement, P3M

wäre die einzige, die Gustl Mollath schützen wollte, weit weg von der Realität. Es sei denn Sie belegen Ihre Hypothese. Wollen Sie durch Ihre Aussagen zum Ausdruck bringen, dass die Psychiatrisierung nicht, weniger von P3M , sondern von einer anderen Seite ausgegangen ist?

4

Meines Erachtens kann durch eine erfolgreiche Revision auch erreicht werden, dass festgestellt wird, dass Mollath zum Tatzeitpunkt eben nicht an einer "nicht ausschließbaren Wahnerkrankung" litt, sondern geistig gesund war.

Er kann also im besten Fall erreichen, dass er von der gefährlichen KV freigesprochen wird und überdies vom Makel der Wahnerkrankung.

Hätte das Gericht theoretisch auch die Möglichkeit gehabt die gefährliche KV als gegeben anzusehen, Mollath aber wegen "nicht ausschließbarer Notwehrsituation" freizusprechen, anstatt wegen "nicht ausschließbarer Wahnerkrankung"?

Diese Variante hätte aber dann vermutlich dazu geführt, dass die Exfrau wieder in die nachehelichen Unterhaltsverpflichtungen eingetreten wäre, denke ich?

 

4

@ #28

Sollte der sehr unwahrscheinliche Fall eintreten, dass Herr Mollath aufgrund erfolgreiche Revision insgesamt von dem Vorwurf der Körperverletzung freigesprochen wird, erübrigen sich Ausführungen zu Rechtswidrigkeit und Schuld. Demnach käme es auf eine evtl. vorhandene Wahnerkrankung nicht mehr an und Ausführungen dazu würden aller Voraussicht nach nicht mehr erfolgen.

Theoretisch hätte das LG Regensburg auch die Rechtswidrikeit verneinen können - nur bestanden keinerlei Anhaltspunkte dafür, s. S. 7 #50 der Kommentare zu diesem Blogbeitrag.

5

Zur Frage, was die Revision (maximal) bewirken kann.

(Kommentar korrigiert nach Hinweis von Herrn O.Gracia, s.u.), Korrekturen sind kursiv gesetzt

Falls (was ich für nicht besonders wahrscheinlich halte, aber immerhin möglich ist), die Revision gegen einen Freispruch zugelassen wird, dann könnte der BGH Rechtsfehler feststellen. Worüber wir hier am meisten diskutieren, ist die  Frage, ob in der Beweiswürdigung  der herabgesetzte Wert der früheren Aussage der Nebenklägerin als Beweismittel genügend berücksichtigt wurde. Möglicherweise rügt der neue Verteidiger Mollaths auch noch weitere Verfahrensfehler oder Sachfehler.

Beim BGH kann es NICHT zu einer Verschlechterung (sprich: zu einer Bestrafung wegen schuldhafter Körperverletzung) kommen, weil nur zugunsten des  Angeklagten Revison eingelegt wurde (selbst wenn ja schon aufgrund § 373 Abs. 2 StPO ohnehin keine Strafe mehr resultieren kann); d. h. es kann ohnehin nur wieder ein Spruch ohne Strafe erfolgen (§ 358 StPO).

Wenn er infolge von Fehlern der Beweiswürdigung die Feststellungen des Tatgerichts aufhebt, kann der BGH-Senat aber KEINE EIGENE  Beweiswürdigung vornehmen und damit an Stelle des Tatgerichts urteilen (§ 354 StPO). In diesem Fall wird die Sache an eine andere Kammer des LG Regensburg oder an ein anderes LG in Bayern zurückverwiesen.

Vom "Makel der Wahnerkrankung" kann Herr Mollath nicht befreit werden, weil ein solcher Makel vom LG Regensburg gar nicht festgestellt wurde, sondern allenfalls von dem Makel, eine Störung sei "nicht ausschließbar". Es kann aber dazu kommen, dass die neue Kammer nach neuer Hauptverhandlung (mit allen Zeugen, möglicherweise auch neuen, zu diesem Tatvorwurf!) schon die Tat nicht als  nachweisbar ansieht. Zu einer 2001 gegebenen Wahnerkrankung wird sich diese neue Kammer dann gar keine Gedanken mehr machen, also auch nicht ausdrücklich sagen, diese sei nicht vorhanden gewesen. Selbst wenn es irgendeine Methode der Welt gäbe - mir ist keine bekannt -, eine solche Feststellung 14 Jahre nach einem Ereignis zu treffen, würde eine solche Feststellung nicht erfolgen.

 

 

 

@ Max Mustermann  #26

Sie liegen hier falsch.

Die Rolle von Krach wird in Strates Buch sehr gut in Kap. 3 "Die Psychiatrisierung beginnt mit einem Kaffeeklatsch" erklärt.

Man kann es aber auch im Plädoyer der Verteidigung S. 20 ff. nachlesen.

 

4

Prof. Müller schreibt:

"Beim BGH kann es NICHT zu einer Verschlechterung, weil nur zugunsten des Angeklagten Revison eingelegt wurde (selbst wenn ja aufgrund § 373 Abs. 2 StPO ohnehin keine Strafe mehr resultieren kann); d. h. es kann ohnehin nur wieder ein vollständiger Freispruch erfolgen (§ 358 StPO)."

§ 373 Abs 2 Satz 2 StPO und 358 Abs. 2 Satz 2 StPO lassen jedoch die "Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus" zu, weil dies nicht als "reformatio in peius" gilt, sondern als "reformatio in melius". Gustl Mollath könnte also theoretisch erneut in der Psychiatrie untergebracht werden.

4

@Noname,

diese Variante ist zwar rechtlich theoretisch möglich, aber faktisch halte ich sie für ausgeschlossen, da sie voraussetzen würde, dass man § 20 StGB nicht nur in dubio pro reo, sondern mit sicheren Feststellungen unterlegt: Dies war schon 2006 (bis zu 5 Jahre zurückschauend) nicht rechtsfehlerfrei möglich, das wird 2015 erst Recht unmöglich sein. Die damalige (Allgemein-)Gefährlichkeitsprognose beruhte zudem auf der Verurteilung wegen Sachbeschädigungen - diese ist nun ausgeschlossen. Auch spricht faktisch der Beschluss des BVerfG dagegen

https://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg13-056

Angesichts dieser Erwägungen wird es praktisch nicht möglich sein, eine Unterbringung noch als verhältnismäßig anzusehen.

 

@Fotobiene

Ich habe die Frage "Wer IST GM?" natürlich falsch formuliert.

Vom Tun aufs Sein zu schliessen, machen ja nur die Psychiater.

Es erscheint mir nur wichtig, dass wir ein genaueres Gesamtbild zeichnen, um den ganzen Fall angemessener beurteilen zu können. Es wäre hilfreich die Emotionalität rauszunehmen und nochmal alles nüchtern auf den Prüfstand zu stellen. Viele Unstimmigkeiten erscheinen mir dann gar nicht mehr so unstimmig.

Die Darstellung, die manche hier von GM zeichnen, ist absurd. Das klingt immer so: "Ein Mann geht unschuldig seines Weges, denkt an nichts Böses und plötzlich schlägt der Blitz ein und die Erde tut sich auf und verschluckt ihn."

Das ist nicht lebensnah und dem war auch nicht so.

Wir sollten wirklich auch bedenken, welchen Anteil GM hatte. Welche seiner Handlungen zur Dynamisierung des Konflikts beigetragen hat.

Natürlich war er Opfer einer fehlerhaften Behandlung durch die Justiz. 

Natürlich hat P3M mit der Anzeige ihm eine Retourkutsche verpasst. 

Das ist unschön, wenn eine jahrzehntelange Ehegemeinschaft so zu Ende geht, aber nicht verboten.

In der Chronologie fehlt immer GM`s Anteil. Ich würde das gerne ausführen, muss jetzt aber ins WE. Da sind viele Details, über die wir uns in den letzten 2 Jahren lustig gemacht haben. Wir sollten die noch einmal neu bewerten. 

Menschenrechtler und Paradigma sind uns ja schon eine Weile ihre Deutung der Handlungen GM schuldig, was die Bank angeht. Kommt immer nur GM wollte schützen und ist Opfer...

Ich meld mich nach dem WE.

Schöner Advent auch allen!

 

4

Sehr geehrter Herr Professor Müller,

wenn die Revision zulässig sein sollte, dann - denke ich - hat der Ansatz von Henning Radtke (in FS für Roxin) die größte Aussicht auch Erfolg. Dafür müsste Mollath einen Rehabilitationsanspruch haben und dieser durch die Feststellungen in der Urteilsbegründung verletzt sein, dass er die Nebenklägerin geschlagen, gebissen, gewürgt und getreten habe. Angenommen, die Revision ist dann auch noch begründet, z.B. wegen rechtsfehlerhafter Beweiswürdigung, dann wäre das doch wirklich ein Novum, dass der BGH nur die Feststellungen aufhebt und die Sache zurückverweist. Denn am Tenor lässt sich doch nichts mehr drehen. Es sei denn, die Freisprechung aus Rechtsgründen wäre nicht nur zwingender Bestandteil der (abgekürzten) Urteilsgründe, sondern auch des Urteilstenors, entgegen der üblichen Praxis. Aber das ist nur eine persönliche und sehr theoretische Idee von mir.

Weil wir schon inmitten komplexer Theorien sind, frage ich mich, andere und auch Sie, ob und gegebenenfalls welche Folgen es für die Revisionsentscheidung hätte, wenn die Nebenklägerin jetzt eine Erklärung einreichen würde, dass sie ihren Verzicht auf das Verwertungsverbot widerrufe. Vorausgesetzt natürlich, die Revision wäre zulässig. 

Angenommen, eine Hauptbelastungszeugin widerruft ihren Verzicht nach rechtskräftiger Verurteilung. Wäre das dann ein Revisionsgrund?

Besten Gruß

Waldemar Robert Kolos

 

post scriptum: "Wäre das dann ein Wiederaufnahmegrund?" sollte heißen. Sorry für meine Schlampigkeit.

Sehr geehrter Herr Kolos,

Sie fragen:

Weil wir schon inmitten komplexer Theorien sind, frage ich mich, andere und auch Sie, ob und gegebenenfalls welche Folgen es für die Revisionsentscheidung hätte, wenn die Nebenklägerin jetzt eine Erklärung einreichen würde, dass sie ihren Verzicht auf das Verwertungsverbot widerrufe. Vorausgesetzt natürlich, die Revision wäre zulässig. 

Angenommen, eine Hauptbelastungszeugin widerruft ihren Verzicht nach rechtskräftiger Verurteilung. Wäre das dann ein Revisionsgrund?

Ohne dass ich mich jetzt speziell zu diesen Fragen schlau gemacht hätte: "Nach rechtskräftiger Verurteilung" gibt es gar keine Revision mehr. Ich denke, Sie meinten, was passiert, wenn die Nebenklägerin jetzt (also vor der Revisionsentscheidung) ihren Verzicht widerruft. Dies spielt m.E. für die Revision keine Rolle, denn Verfahrensfehler müssen ja das Urteil betroffen haben. Spätere Ereignisse können aber die vorherige Würdigung des Tatgerichts nicht fehlerhaft machen. Interessant ist die Frage, was passiert, wenn die Nebenklägerin nach erfolgreicher Revision, aber vor einer neuen Hauptverhandlung vor dem LG ihren Verzicht widerruft: Dann hätte das (neue) Tatgericht noch weniger Grundlagen für seine Entscheidungsfindung, voraussichtlich würde die Tat nicht nachzuweisen sein. Ich finde allerdings den umgekehrten Fall spannender: Angenommen, die Nebenklägerin entschlösse sich in diesem Fall, in der neuen Hv auszusagen. Dann hinge vieles von ihrer konkreten Aussage und deren Glaubhaftigkeit ab.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Sehr geehrter Herr Professor Müller,

ja, ich finde auch den umgekehrten Fall spannend, wollte aber zunächst nur den Widerruf ansprechen, weil ich den Eindruck habe, dass die Zulässigkeit des Verzichts und damit des Widerrufs noch zusätzlich dem Zeugen die Möglichkeit gibt, das Gericht quasi an der Nase herumzuführen. 

Bei meiner Frage bezüglich der rechtskräftigen Verurteilung habe ich natürlich die Wiederaufnahme gemeint und schlampig Revision geschrieben. Sorry.

Besten Gruß

Waldemar Robert Kolos

Sehr geehrter Herr Kolos,

auch ein Wiederaufnahmegrund wäre es sicherlich nicht, wenn nachträglich durch eine Entscheidung der Zeugin/Nebenklägerin Beweismittel unverwertbar gemacht werden. Dies kann die Rechtskraft nicht aushebeln.

Betsen Gruß

Henning Ernst Müller

 

Lieber Herr Prof. Müller,

Beim BGH kann es NICHT zu einer Verschlechterung (sprich: zu einer Verurteilung wegen schuldhafter Körperverletzung) kommen, weil nur zugunsten des Angeklagten Revison eingelegt wurde (selbst wenn ja aufgrund § 373 Abs. 2 StPO ohnehin keine Strafe mehr resultieren kann); d. h. es kann ohnehin nur wieder ein vollständiger Freispruch erfolgen (§ 358 StPO).

so ungern ich Ihnen auch widerspreche (denn zu 99% stimme ich mit Ihnen überein): Das ist falsch. Wie ich schon in http://blog.delegibus.com/2014/08/11/fall-mollath-alles-verloren/ (a.E.) und http://blog.delegibus.com/2014/08/28/fall-mollath-zum-freispruch-verurte... (a.E.) schrieb, steht § 358 StPO einer reformatio in peius bezogen auf den Schuldspruch nicht entgegen. Das ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut, sondern ist auch unwidersprochene Meinung in der Rechtsprechung und der Literatur (Nachweise im erstgenannten Beitrag).

Vom "Makel der Wahnerkrankung" kann Herr Mollath nicht befreit werden, weil ein solcher Makel vom LG Regensburg gar nicht festgestellt wurde, sondern nur für "nicht ausschließbar" gehalten wurde.

Das kann man gewiß so sehen. Ich habe zunächst selbst gerätselt, wie weit sich die in-dubio-Annahme von der positiven Feststellung unterscheidet. Den Ausschlag gab für mich dann der FS-Beitrag von RiBGH Kuckein (zitiert und verlinkt im zweitgenannten Beitrag), der durchgehend keinen Unterschied macht. Und in der Tat: Auch in der in-dubio-Variante hat ja das Gericht positiv einen Sachverhalt festgestellt, der (nach seiner Meinung) die naheliegende Möglichkeit aufdrängt, daß der Angeklagte schwer seelisch abartig war. Auch der BZRG-Gesetzgeber macht keinen Unterschied.

5

Zusammenfassung der Vernehmungs- und Aussagenanalyse am 8.8.14 zum 12.8.1

Die Vernehmung durch die VRiinLG zeigt bei genauerer Analyse einige Fehler und Mängel. Die 7 Vernehmungsabschnitte der  VRiinLG (01, 02, 04, 07, 09, 11, 13) zeigen 8 Vernehmungsfehler, nämlich in: 02 (ExpF04, ExpF05, ExpF14), 04 (ExpF04, ExpF05), 09 (ExpF20) , 11 (ExpF21), 13 (ExpF22).

Mollath äußert sich nicht klar und konkret zum 12.08.2001. Es ist nicht einmal klar, ob er überhaupt Erinnerungen an den 12.08.2001, einen Sonntag, hat, was die VRiinLG  nicht überprüft, sondern unterstellt : sie geht davon aus, dass Mollath Erinnerungen an diesen Tag hat und aussagen kann. Dabei scheint sich die Nebenklägerin selbst über das Datum auch nicht klar gewesen zu sein, sonst hätte sie in ihrer Aussage vor der Kripo Nürnberg am 15.01.2003 nicht vom 11., das wäre demnach ein Samstag gewesen, gesprochen.

Mollaths Aussagen zu den Zeiten sind nicht klar. Es gibt keine Prüfung der Erinnerung durch die VRiinLG, z.B. in der Art: Herr Mollath, haben Sie noch Erinnerungen an den 12.8.2001? Und was am schlimmsten bei der unklaren Antwortenlage ist: Die VRiinLG rückversichert sich nicht, ob man vom gleichen Zeitraum spricht, etwa so: Herr Mollath, gilt diese Antwort nun für den 12.8.2001 oder für einen anderen Tag oder für einen unbestimmten Zeitraum?  Es wird auch auf jegliche Einbettung in das Alltagsgeschehen verzichtet. Es gibt kein Davor, kein Danach. Der gefährliche Körperverletzungsvorwurf steht völlig isoliert im Raum.

Fazit: Aus den Einlassungen Mollaths kann nicht darauf geschlossen werden, dass er zu einem bestimmten Datum aussagt. Er sagt eigentlich nichts außer, dass er sich nur gewehrt habe - wann immer auch.

Rechtlich musste man ihn ja nur dazu bringen, eine einzige Aussage zur Sache zu machen, um eine Aussagewürdigung vornehmen zu können. Mollath befand sich sehr wahrscheinlich in einer sehr schwierigen Situation, so dass sich nicht nur die Frage nach der Fürsorgepflicht des Gerichts stellt. So manchem kommt womöglich auch die Hypothese, ob er hereingelegt wurde?

Quelle und mehr:

http://www.sgipt.org/forpsy/Mollath/ipgipt/wa/MkUAPA1.htm#Zusammenfassun...

#41

Sie werfen die "Frage nach der Fürsorgepflicht des Gerichts" auf?

Der Mann hatte einen Strafverteidiger!

Und in einer "schwierigen Situation" sind praktisch alle Angeklagten - manche scheinen zu erwarten, dass es eine Art Sonderbehandlung für besonders schwierige Situationen (nach welchem Maßstab?) gibt. Mehr als Fairness und vor allem korrekte Anwendung des Rechts kann man doch nicht erwarten.

3

Sehr geehrter Herr Sponsel,

Ihren Ausführungen muss ich widersprechen, denn Sie sehen diesen Ausschnitt isoliert vom gesamten Prozessverlauf und daraus ziehen Sie den Schluss, Herr Mollath habe vielleicht gar nicht gewusst, um welchen Tag es gehe, so als werde ein Beschuldigter (etwa bei ener Polizeivernehmung) zum ersten Mal danach gefragt. Sie schreiben:

Die Frage 02 scheint perfekt offen formuliert. Aber der Anschein trügt, weil nicht gefragt wird, ob er überhaupt Erinnerungen an diesen Tag hat. Es war ein Sonntag, aber die Nebenklägerin hat selbst in ihrer Aussage am 15.01.2003 vom 11. - das war dann ein Samstag - gesprochen. Es wird mit dieser anscheinend perfekt offenen Frage suggestiv unterstellt, dass er sich an diesen Tag erinnert. Aber das ist nicht geklärt worden, sondern wird implizit vorausgesetzt. Es gibt auch keine Frage zur Einbettung in das Leben: vorher, nachher, drumherum, Entwicklung.

Ihre Schlüsse sind bei Berücksichtigung der gesamten Hauptverhandlung fernliegend. Es ging tagelang in dieser Hauptverhandlung (neben den beiden anderen deutlich von diesem Tag getrennten Vorwürfen)  um das Geschehen am 12.08.2001. Herr Mollath hat nicht nur allen Zeugenaussagen beigewohnt, sondern hat den Zeugen und Sachverständigen auch immer wieder kluge und informierte (oft auch suggestive) Fragen gestellt, die z.T. auf das Tatgeschehen bezogen waren. Herr Mollath hat sich zudem akribisch (seit mind. einem Jahr) auf den Prozess vorbereitet, er wusste - auch durch anwaltliche Beratung - was auf ihn zukommt. Zu unterstellen, er habe nicht gewusst, dass es bei der Frage von Frau Escher  um den 12.08.2001 ging, bedeutet m.E. seine Intelligenz zu unterschätzen. Dass er "hereingelegt" wurde mit dieser Frage ist ebenfalls ziemlich fernliegend. Herr Mollath wusste, worum es in einer (dieser) Hauptverhandlung geht: Darum, ihm möglicherweise nachzuweisen, dass er am 12.08.2001 seiner Frau Verletzungen zugefügt hat. Das war Kerninhalt des Urteils vom 8.8.2006, darum ging es im Attest, darum ging es in den Aussagen einiger der Zeugen und des Sachverständigen Eisenmenger. Herr Mollath hatte einige Tage zuvor angekündigt, er wolle sich nun (da Herr Nedopil nicht mehr anwensed sei) zu den "Tatvorwürfen" äußern.

Er wurde nicht spontan von Frau Escher gefragt, sondern am Ende seiner längeren Ausführungen, die er vorbereitet hatte. Dass er zu den konkreten Tatvorwürfen entgegen seiner Ankündigung bis dahin nichts gesagt hatte, verwunderte viele im Gerichtssaal. Die Frage der Vorsitzenden hätte ihm jede/r der Anwesenden gestellt.  Natürlich war Herr Mollath angespannt, psychisch belastet, welcher Angeklagte wäre das nicht? Die Fürsorgepflicht des Gerichts gebot aber keineswegs, auf diese Frage zu verzichten. Die Aufklärungspflicht gebot es, diese Frage zu stellen. Herr Mollath hatte, nachdem er bis dahin im Prozess zu den Vorwürfen ohne Nachteile geschwiegen hatte, keinen Grund, überhaupt auszusagen. Er wurde dazu nicht gedrängt, im Gegenteil. Dass er nun auch nach dem entscheidenden Tattag gefragt wird, durfte ihn nicht wundern und hat ihn auch nicht gewundert.

Die VRiinLG stellt nun implizit einen Bezug zwischen dem 12.8 und dem Eintrag Mollaths  in Was mich prägte vom 23.9.2003 her: "Ich habe mich nur gewehrt oder so etwas." Dieser Bezug wird von der VRiinLG, nicht von Mollath hergestellt. Sie gibt diesen Bezug also suggestiv vor.

Die Aussage "habe mich nur gewehrt" findet sich im Urteil des LG Nürnberg (auf S. 18 der Urteilsgründe). Dieses Urteil hat Herr Mollath wahrscheinlich in den vergangenen Jahren mehrfach gelesen. Die damalige Berichterstatterin hatte aus ihrer (wenig zuverlässigen) Erinnerung dies ebenfalls in der jetzigen Hauptverhandlung noch einmal so wiedergegeben. Dass er danach gefragt wird, ist selbstverständlich.

Mollath widerspricht dieser impliziten Bezugsherstellung der VRiinLG nicht, weil er sie wahrscheinlich gar nicht erkennt. Wir wissen nicht was sein "Das" in "Das war ganz genauso wie damals ..."  bedeutet. Er sagt bislang nicht, von welchem Zeitraum, von welchem Tag oder Tagen er spricht.

Ihre Interpretation ist ziemlich willkürlich. Dass Herr Mollath den Zusammenhang ("wahrscheinlich") nicht erkannt hat, ist wiederum fernliegend. Und was er dann sagt, ist auch klar:

Unter „ich habe mich gewehrt" ist zu verstehen, dass ich mich vor Schlägen zu schützen versucht habe. Das war ganz genauso wie damals, als mich der Bruder der jetzigen Frau Pet Mas, dieser Rob Mül angegriffen hat. Da habe ich mit Händen versucht, zum Beispiel seine Fußtritte abzuwehren. Und wenn ich sage „ich habe mich leider gewehrt", dann ist das dieser Punkt: Es wäre vielleicht besser gewesen, ich lasse mich wirklich richtig zusammenschlagen und kann das dann besser nachweisen. Aber das ist natürlich im Nachhinein eine ganz andere Situation.

Er sagt, er wurde von seiner Frau angegriffen und es kam zu Abwehrhandlungen. Und auf die ganz selbstverständliche Nachfrage der Richterin kommt nun die Antwort die mich (und andere) wirklich zu einem vernehmbaren Seufzer veranlasst hat:

Wie gesagt: Die Darstellung ist umfangreich in den Akten zu entnehmen. Da habe ich nichts weiter hinzuzufügen, und ich möchte Sie auch gar nicht groß damit belasten.

Sie und ich wissen, dass es eine solche umfangreiche  Darstellung in den Akten nicht gibt.  Dass er nichts weiteres dazu sagt, kein davor, kein danach etc. kann nicht dem Gericht vorgeworfen werden.

VRiinLG Escher: Nein. Es wäre das gewesen, was mich interessiert hätte, wirklich sehr interessiert hätte. Aber es reicht. Wollen Sie dazu nichts sagen?

R.S.: "Aber es reicht" ist eine unklare Aussage, die ich so interpretiere: Auch wenn Mollath nichts mehr sagt, was die VRiinLG interessiert, es reicht (für die Zwecke der Aussage- würdigung durch das Gericht). Obwohl "es reicht" wird dazu widersprüchlich nachgeschoben: "Wollen Sie dazu nichts sagen?"

Unklar ist die Botschaft vielleicht, wenn sie gedruckt dasteht. Aber Sie wissen sicher, dass es bei einer Kommunikation auch nonverbale Botschaften gibt, die das gesprochene Wort explizieren. Hier meine ich mich zu erinnern, dass "Aber es reicht" eher eine Resignation ausdrückte, dass Frau Escher nicht noch weiter in ihn dringen wollte, weil er signalisiert hatte, nichts mehr dazu sagen zu wollen, was er im Folgenden ja auch bestätigt. Unklar ist höchstens, dass sie es dann doch  noch mal  versucht (und es ihr eben doch nicht "reicht")

Tatsächlich ist klar, dass Mollath in dieser sehr schwierigen Situation nicht hätte aussagen dürfen. Hier ist das Gericht möglicherweise seiner Fürsorgepflicht nicht nachgekommen.  Diese Situation habe ich neu als Vernehmungsfehler ExpF21 aufgenommen. Hier wäre vielleicht eine mehrtägige Verhand- lungspause zu erwägen gewesen. Das Gericht hatte ja noch Zeitluft.

Es war Herrn Mollaths eigener Wunsch, an diesem Tag zu den Tatvorwürfen auszusagen. Für eine Vernehmungsunfähigkeit gab es keinerlei Anhaltspunkte. Er sagte nach einer mehrtägigen Verhandlungspause aus (am 8.8.2014!). Dass er psychisch unter Druck stand, ist selbstverständlich. Alle vorherigen Ausführungen in seiner langen Stellungnahme waren aber klar und bestimmt vorgetragen.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

 

 

 

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