EXPLOSIV: KG zu Ermächtigung bei Rechtsmittelverzicht: Jetzt können Anwälte erstmal ihre Altakten durchforsten...

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 31.05.2009

Normalerweise ist eine Entscheidung des Schiffahrtsobergerichts nicht unbedingt das, was in einem Blog besprochen wird. Das Kammergericht hat aber am 19.1.2009, 3 Ws 474/08 = NJW 2009, 1686 in einer Strafsache zu dem im Straf- und OWi-Verfahren immens wichtigen Problem der Ermächtigung bei Rechtsmittelverzicht Stellung bezogen.

Der Hintergrund ist eigentlich ganz einfach: Rechtsmittel kann der Verteidiger (auch wenn er sie selbst für den Beschuldigten oder den Betroffenen eingelegt hat) nach § 302 Abs. 2 StPO nur mit entsprechender Ermächtigung zurücknehmen. Diese ist meist in den "handelsüblichen" Anwaltsvollmachten enthalten. In der Regel finden sich hier dann Formulierungen wie "...insbesondere Rechtsmittel einzulegen, zu beschränken oder zurückzunehmen...". Durch die Rechtsmittelrücknahme wird dann die angefochtene Entscheidung (meist ein Urteil) rechtskräftig.

Hier kommt aber das KG ins Spiel: Die Ermächtigung zur Rechtsmittelrücknahme muss sich auf das konkret zurückzunehmende Rechtsmittel beziehen, es also i.d.R. benennen. Die allgemeine Ermächtigung zur Rücknahme soll nicht ausreichen, wenn sich nicht etwas weiteres konkretisierendes aus weiteren Umständen ergibt. (das OLG Hamm hatte im Jahre 2005 aber eine allgemeine Vollmacht ausreichen lassen)

Nun kann man sich ausmalen, was (z.B. in Strafsachen) passiert: Angeklagter A. hat seine Berufung im Jahre 2002 auf Anraten seines Anwalts und durch diesen zurückgenommen - alle dachten die Sache sei rechtskräftig. Vielleicht hat der Angeklagte sogar schon seine Strafe abgesessen. Mangels ausreichender Ermächtigung ist das Verfahren nun aber fortzusetzen und nach § 206a StPO wegen Verfolgungsverjährung einzustellen...

Sicher werden jetzt ein paar Anwälte ihre alten Akten durchforsten, oder?

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

8 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Hallo, meinen Sie, dass das richtig ist? Haben Sie mal in § 78b Abs. 3 StGB geschaut. Und. Ihr Dienstherr wird sich sicherlich freuen, wenn Sie die Rechtsanwälte mit der Entscheidung des KG zum Weitermachen in an sich abgeschlossenen Verfahren "aufstacheln". Nichts für ungut, aber man sollte die Kirche auch mal im Dorf lassen.

0

Ich denke die Beckzensoren, die ja schon an den Kommentaren zu Hoeren rumgeschnibbelt haben, werden meinen Beitrag löschen, wage ich es doch, einen kostenfreien Volltext zu dem besprochenen Urteil zu verlinken:

http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jportal/?quelle=...

Wes Brot ich ess, des Lied ich sing. Dieses Blog dient selbstverständlich der Profitmaximierung des Beck-Verlags. 

 

0

§ 78b Abs. 3 habe ich tatsächlich übersehen - ist aber in OWi-Sachen der Einspruch falsch zurückgenommen worden gilt das immer noch. Gleiches gilt bei Einspruchsrücknahme nach Strafbefehl. Außerdem: Jahre später muss die Rechtsfolge ja immer milder ausfallen, oder?!

Und sonst ist zu Klaus noch zu bemerken: Die Verfahren sind ja gar nicht abgeschlossen.

Ansonsten halte ich die Entscheidung eher für falsch und halte es mit dem OLG Hamm. Das ist doch deutlich praxisnäher...kein Anwalt legt eine Vollmacht vor, die die einzelnen Rechtsmittelrücknahmemöglichkeiten ausdrücklich aufzählt. Die allgemeine Ermächtigung sollte da m.E. schon ausreichen.

 

0

hallo, was ist denn an der KG-Entscheidung "falsch" (das KG befindet sich zudem in guter Gesellschaft, nämlich der des BGH). "duetlich praxisnäher" ist doch kein juristisches Argument. Wenn der Rechtsanwalt eine spezielle Vollmacht vorlegen muss, wird er es tun bzw. werden die Gerichte darauf achten müssen, ob er es tut. Ob sie wollen oder nicht.....

0

@ Dr. Klaus Graf: Bei dem von Ihnen angesprochenen Fall handelte es sich um einen klaren Verstoß gegen die Netiquette. Da nehmen wir uns die Freiheit, das zu löschen. Links auf Gerichtsentscheidungen sind selbstverständlich kein Problem. Ihr Link führt bei mir aber nur zu der Meldung: "Leider kommt es im Moment zu technischen Problemen." Nicht, dass es nachher heißt, ich hätte daran "rumgeschnibbelt" ...

Apropos "Profitmaximierung" - Dass sogar die verlinkten Paragrafen nur für "zahlende Kunden" einsehbar sind, halte ich denn doch für reichlich übertrieben. Muss das sein?

0

Diese Frage taucht hin und wieder auf. Ich habe dazu bereits ausführlich Stellung genommen, siehe http://blog.beck.de/2008/07/18/verlinkung-auf-beck-online

Wenn Sie das Thema weiter diskutieren möchten, dann bitte dort - hat mit dem Beitrag hier von Herrn Krumm ja eigentlich nichts zu tun. Vielen Dank!

Kommentar hinzufügen