EXPLOSIV: KG zu Ermächtigung bei Rechtsmittelverzicht: Jetzt können Anwälte erstmal ihre Altakten durchforsten...
Gespeichert von Carsten Krumm am
Normalerweise ist eine Entscheidung des Schiffahrtsobergerichts nicht unbedingt das, was in einem Blog besprochen wird. Das Kammergericht hat aber am 19.1.2009, 3 Ws 474/08 = NJW 2009, 1686 in einer Strafsache zu dem im Straf- und OWi-Verfahren immens wichtigen Problem der Ermächtigung bei Rechtsmittelverzicht Stellung bezogen.
Der Hintergrund ist eigentlich ganz einfach: Rechtsmittel kann der Verteidiger (auch wenn er sie selbst für den Beschuldigten oder den Betroffenen eingelegt hat) nach § 302 Abs. 2 StPO nur mit entsprechender Ermächtigung zurücknehmen. Diese ist meist in den "handelsüblichen" Anwaltsvollmachten enthalten. In der Regel finden sich hier dann Formulierungen wie "...insbesondere Rechtsmittel einzulegen, zu beschränken oder zurückzunehmen...". Durch die Rechtsmittelrücknahme wird dann die angefochtene Entscheidung (meist ein Urteil) rechtskräftig.
Hier kommt aber das KG ins Spiel: Die Ermächtigung zur Rechtsmittelrücknahme muss sich auf das konkret zurückzunehmende Rechtsmittel beziehen, es also i.d.R. benennen. Die allgemeine Ermächtigung zur Rücknahme soll nicht ausreichen, wenn sich nicht etwas weiteres konkretisierendes aus weiteren Umständen ergibt. (das OLG Hamm hatte im Jahre 2005 aber eine allgemeine Vollmacht ausreichen lassen)
Nun kann man sich ausmalen, was (z.B. in Strafsachen) passiert: Angeklagter A. hat seine Berufung im Jahre 2002 auf Anraten seines Anwalts und durch diesen zurückgenommen - alle dachten die Sache sei rechtskräftig. Vielleicht hat der Angeklagte sogar schon seine Strafe abgesessen. Mangels ausreichender Ermächtigung ist das Verfahren nun aber fortzusetzen und nach § 206a StPO wegen Verfolgungsverjährung einzustellen...
Sicher werden jetzt ein paar Anwälte ihre alten Akten durchforsten, oder?