USA: Standortbezogene Mobilfunkdaten fallen in den Schutzbereich der Privatsphäre (Privacy)

von Dr. Axel Spies, veröffentlicht am 03.08.2015

Der US District Court des nördlichen Bezirks von Kalifornien hat mit seiner sorgfältig begründeten Entscheidung vom 29.07. 2015 einen weiteren Beitrag zu stärkerem Schutz der Privatsphäre (privacy) in Bezug auf digitale persönliche Daten in den USA geleistet. Die US- Strafverfolgungsbehörden wollten auf die Standortdaten von Smartphones für einen Zeitraum von insgesamt sechzig Tagen zugreifen.

Die Regierung stützte ihren Antrag auf Herausgabe der Standortdaten durch zwei große TK–Diensteanbieter auf eine Vorschrift aus dem „Stored Communications Act“. Danach müssen TK-Diensteanbieter Standortdaten ihrer Mobilfunknutzer herausgeben, wenn die Behörde zuvor eine „Court Order“ eingeholt hat, welche wiederum zu erteilen ist, wenn spezifische und nachvollziehbare Fakten vermuten lassen, dass die Standortdaten für eine strafrechtliche Ermittlung relevant sein könnten. Der US District Court bestätigt mit seiner Entscheidung den Trend in den USA zu stärkerem Schutz der Privatsphäre gegenüber staatlichen Eingriffen durch die Judikative. Zuletzt hatte der US Supreme Court in Riley vs. California (im Blog hier) entschieden, dass von der Polizei beschlagnahmte Smartphones ebenfalls nur mit einem „warrant“ durchsucht werden dürfen - und zwar wenn  „probable cause“, also Tatverdacht, besteht.

Aus der Begründung:

Standortdaten, die durch Benutzung von Mobilfunkgeräten ermittelt und gespeichert werden, fallen nach Ansicht des Gerichts ebenfalls in den Schutzbereich der Privatsphäre (Vierter Verfassungszusatz). Das ergebe sich aus einer Reihe von US Supreme Court Entscheidungen, zuletzt United States vs. Jones aus dem Jahr 2012. Der Supreme Court hatte dort über eine 28 Tage andauernde GPS-Überwachung des Autos eines des Drogenhandels Verdächtigen zu entscheiden und festgestellt, dass Standortdaten in die Privatsphäre fallen. Die Richterin leitete aus den Supreme-Court-Entscheidungen im Erst-Recht- Schluss vom GPS-Tracking auf Smartphone-Daten allgemein ab, dass der Bürger ein schutzwürdiges Interesse daran habe, dass auch die Standortaufzeichnungen des Mobiltelefons im Rahmen der Privatsphäre grundsätzlich vor staatlichen Zugriffen geschützt seien.

Dem Schutz der Standortdaten im Rahmen der Privatsphäre stehe nicht entgegen, dass die Daten bei den TK-Diensteanbietern, also einem Dritten abgespeichert würden, weil sich der Bürger nicht darüber im Klaren sein könne, in welchem Umfang standortbezogene Daten aufgezeichnet und gespeichert würden und mit welcher Genauigkeit sich daraus die tatsächlichen Aufenthalte nachvollziehen ließen.

Das bei der mdl. Verhandlung vrogebrachte Argument „Dann schalte doch einfach dein Smartphone ab“ zog vor Gericht nicht, ebenso wenig wie der Hinweis auf eine konkludente Einwilligung des Nutzers oder mangelnde Schutzerwartung ("expectation of privacy").

Leider lässt die leicht redigierte Entscheidung nicht erkennen, um welche Taten es konkret ging.

Situation in Deutschland:

Mit der Entscheidung nähern sich die Anforderungen an den Abruf von Standortdaten im Ermittlungsverfahren in den USA den Voraussetzungen der StPO an. Nach §§ 100g, 100b StPO ordnet der Ermittlungsrichter die Aushändigung von Verkehrsdaten, zu denen auch die Standortdaten zählen, an, wenn gegen den Beschuldigten ein konkrete Verdacht einer schweren Katalogstraftat im Sinn des § 100a Abs. 2 StPO besteht, die Tat auch im Einzelfall schwer wiegt und eine andere Erforschung des Sachverhalts keinen Erfolg verspricht, vgl. § 100g Abs. 1 StPO.

In Deutschland gilt wahrscheinlich bald mit dem geplanten Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung, dass die Carrier die TK-Standortdaten für 4 Wochen anlasslos speichern müssen (siehe im Blog zuletzt hier). Umso wichtiger wird es dann für die Gerichte zu regeln, wer genau zu diesen Daten Zugriff hat.

Frage an alle: Können die Gerichte den Trend, dass die Behörden in die mit Daten gut gefüllten Supermarktregale greifen, noch aufhalten?

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In dieselbe Richtung geht eine weitere Entscheidung des US Court of Appeals des Vierten Bezirks vom 5. August 2015. Die Richter entschieden ebenfalls, dass Standortdaten, die ein Mobilfunkgerät aufzeichnet, dem Schutz der Privatsphäre unterliegen. Die Daten seien schützenswert, da sie wiedergäben, an welchen Orten sich eine Person aufhalte und mit wem sie sich treffe. Folgerichtig stellte das Gericht klar, dass eine Herausgabe der Standortdaten nur mit einer speziellen Durchsuchungsanordnung des Richters „warrant“ möglich sei. Im konkreten Fall ließen die Richter die Verwertung der Daten zur Überführung zweier Verdächtiger, denen mehrere Raubüberfälle zur Last lagen, dennoch zu. Die Strafverfolgungsbehörde habe eine „Court Order“ zur Herausgabe der Standortdaten erwirkt und gutgläubig darin vertraut, dass ihr Vorgehen rechtmäßig sei. Diese Argumentation ist am ehesten wohl mit der Willkür-Rechtsprechung des BGH bei Beweisverwertungsverboten vergleichbar.

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