Vorratsdatenspeicherung: Wiss. Dienst des BT ist skeptisch und fordert Änderungen

von Dr. Axel Spies, veröffentlicht am 24.06.2015

Ein Durchwinken des umstrittenen Gesetzes im BT ist eher unwahrscheinlich: siehe das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes (WD) des BT „Die Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung durch den Gesetzentwurf der Bundesregierung“:

Der WD kommt zu dem Ergebnis dass  die Vorgaben des BVerfG zur Vorratsdatenspeicherung weitgehend umgesetzt und teilweise sogar nahezu wörtlich übernommen wurden. Allerdings würden einige  Regelungen etwa zur Datenverwendung, -löschung, -weitergabe eine Reihe von Unklarheiten enthalten. Da das BVerfG nicht nur materiell verfassungsmäßige, sondern auch normenklare Vorschriften fordere, müssten diese Unklarheiten korrigiert werden Hierzu gehöre:

  • eine unterschiedliche Bezeichnung der Daten in § 101a Abs. 3, Abs. 4 und Abs. 5 StPO-E („personenbezogene Daten“, „verwertbare personenbezogene Daten“ auch im Verhältnis zu der sonst gebrauchten Bezeichnung als „Verkehrsdaten“),
  • die Vorschrift über die Löschung der Daten (§ 101a Abs. 3 Satz 4 StPO-E i.V.m. § 101 Abs. 8 StPO),
  • die Regelung zur Weitergabe der Vorratsdaten an andere Behörden für andere Zwecke (§ 101a Abs. 4 StPO-E).

Der WD äußert sich nicht zum tatsächlichen Nutzen der gespeicherten Daten für Strafverfolgung und Gefahrenabwehr beschränkt sich auf die Umsetzung der BVerfG-Vorgaben.

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9 Kommentare

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Auf S. 16 f. kommt das Gutachen zu dem Schluss, dass durch ein im Entwurf für nach § 53 StPO zeugnisverweigerungsberechtigte Berufsgeheimnisträger (Anwälte, Ärzte) vorgesehenes Erhebungs- und Verwertungsverbot, die Rechte dieses Personenkreises ausreichend geschützt seien, vor allem da das BVerfG hierzu keine expliziten Vorgaben gemacht hat. 

Der DAV lehnt diese Ansicht jedoch entschieden ab (http://anwaltverein.de/de/newsroom/pm-17-15-dav-lehnt-vorratsdatenspeich...) und fordert, dass die Daten schon gar nicht gespeichert werden dürfen, da nur so ein ausreichender Schutz der Berufsgeheimnisträger erreicht werden kann; auch habe der EuGH einen besonderen Schutz für Berufsgeheimnisträger gefordert, der durch den Gesetzesentwurf nicht gewährleistet sei. 

Ich bin unschlüssig, ob durch ein Erhebungs- und Verwertungsverbot ausreichend ist. In Konsequenz bedeutet das Erhebungs- und Verwertungsverbot, dass nur die Strafverfolgungsbehörden und die Richter in der Lage sind, aufgrund von Ermittlungsergebnissen zu prüfen, ob ein bestimmter Telekommunikationsvorgang einem Zeugnisverweigerungsrecht im Sinne des § 53 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 5 StPO unterfällt und daher ein Erhebungsverbot besteht. Die Daten sind jedoch in jedem Fall schon gespeichert.

Wie sieht das die Community des Blogs?

Andreas.Thuerauf schrieb:
Ich bin unschlüssig, ob durch ein Erhebungs- und Verwertungsverbot ausreichend ist. In Konsequenz bedeutet das Erhebungs- und Verwertungsverbot, dass nur die Strafverfolgungsbehörden und die Richter in der Lage sind, aufgrund von Ermittlungsergebnissen zu prüfen, ob ein bestimmter Telekommunikationsvorgang einem Zeugnisverweigerungsrecht im Sinne des § 53 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 5 StPO unterfällt und daher ein Erhebungsverbot besteht. Die Daten sind jedoch in jedem Fall schon gespeichert.

Wie sieht das die Community des Blogs?

 

Meine Meinung zu dem Thema:

 

Leser schrieb:
Beweisverwertungsverbot - gut und schön. Aber da mag sich das Fehlen der Doktrin der "Früchte des verbotenen Baumes" bemerkbar machen: Dass Bürger XY überhaupt mit einem Strafverteidiger telefoniert, mag das schon Anlass zu Ermittlungen geben oder bei laufenden Ermittlungen von Interesse sein. Wenn man bspw. feststellen würde, dass Herr MdB E. zu einem bestimmten Zeitpunkt vor einer gewissen Hausdurchsuchung mit einem Strafverteidiger telefoniert hat, würde das stark eingrenzen, was wann passiert ist. Dass das Telefonat geführt wurde, mag dann einem Verwertungsverbot unterliegen. Aber die aus der Tatsache des Telefonats erst abgeleiteten Erkenntnisse wohl nicht.

Spannend ist natürlich, wie der angewiesene Aktenvermerk aussehen soll: "Heute haben wir versehentlich erfasst, dass Herr MdB E. nach seinem Telefonat mit Herrn MdB A. von 19.24 Uhr bis 19.45 Uhr ab 19:55 Uhr bis 23.24 Uhr mit Frau Rechtsanwältin Stephanie Schulz telefoniert hat. Diese Information unterliegt einem Verwertungsverbot; die Daten waren zu löschen, weil niemand wissen darf, dass Herr MdB E. mit Frau Schulz telefoniert hat."

Irgendwie erscheint das nicht so ganz durchdacht.

 

Natürlich gibt es das Problem bei der heutigen TKÜ auch schon. Dass man dort schon ein Problem hat, rechtfertigt m. E. aber nicht, dieses mit der VDS noch zu erweitern.

Das Argument entspricht - polemisch überspitzt - etwa dem Gedanken, es würden sich tagtäglich Menschen ein Bein brechen, weswegen es nun auch nicht so schlimm sei, wenn bei der einen oder anderen Beschuldigtenvernehmung ein Bein gebrochen würde.

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Wenn die Lebenserfahrung eines zeigt, dann Folgendes: so wie jeder Regentropfen früher oder später im Ozean landet, so werden alle erhobenen und gespeicherten Daten irgendwann ausgewertet - egal ob auf legaler Grundlage oder nicht.

Wie soll man denn praktikabel die Erhebung bei den betroffenen Berufsgruppen verhindern? Werden z.B. Verbindungsdaten von SIMs, bei denen im Vertrag steht, dass der Inhaber Arzt/StB/Anwalt ist, generell gar nicht erfasst? Was ist, wenn der Arzt/StB/RA seine Approbation/Zulassung zurückgibt oder verliert? Wie erfährt der TK-Anbieter, dass er dann wieder speichern muss? Was ist bei privater (Mit)nutzung des auf einen Berufsträger laufenden Anschlusses?

Wenn die TK-Anbieter die Verbindungsdaten gar nicht erst erheben, sind die Berufsgeheimnisträger außerdem nicht nur (zu Recht) als zeugnisverweigerungsberechtigte Dritte vor Ermittlungen geschützt, sondern auch, wenn sie selbst Beschuldigte sind.

 

Das Problem mit dem Erhebungsverbot besteht ja auch bei der Telefonüberwachung. Auch da weiß ein Ermittler vor dem Reinhören erst mal nicht, ob der Beschuldigte, der bei einem Rechtsanwalt anruft, von dem nur eine Inkassorechnung bekommen hat, die er beanstanden will, oder ob es ein Mandatsverhältnis gibt (es sei denn, das ist schon aus anderen Quellen bekannt). Oder ob es beim Telefonat mit dem Arzt um den Golfplatztermin oder die Ergebnisse der Blutuntersuchung geht.

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@gaestchen: Die Daten werden von den verpflichteten Anbietern unterschiedslos erhoben. Das Erhebungsverbot richtet sich an die Bedarfsträger und ist an die Tätigkeit des Berufsgeheimnisträgers als solcher geknüpft, § 100g IV StPO-E: "...und die voraussichtlich Erkenntnisse erbringen würde, über die diese das Zeugnis verweigern dürfte, ist unzulässig. Dennoch erlangte Erkenntnisse dürfen nicht verwendet werden. Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu löschen"

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Wenn sich das Erhebungsverbot nicht schon auf TK_Anbieter-Ebene stellt und VD also unterschiedslos gespeichert werden, erst dann die Erhebung durch Strafverfolgungsbehörden verboten werden soll:

Auch die Justiz steht vor dem Problem, dass ein RA  oder ein Arzt meinetwegen 4 Festnetz- und 5 Mobilnummern hat und man aus den bloßen VD nicht erkennen kann, ob sie berufsbezogen, dann auch noch berufsgeheimnisbezogen (ein Arzt kann ja auch mal mit der Kassenärztlichen Vereinigung wegen Abrechnungsproblemen telefonieren oder sich zu einem Ärztekongress anmelden oder Verbrauchsmaterial bestellen,  das berührt keinerlei patientenbezogene Daten) oder vielleicht rein privat entstanden sind.  Eine generelle Vermutung dahingehend, dass die VD berufsgeheimnisbezogen sind, wenn der Anschlussinhaber zum 53er-Personenkreis gehört, besteht wohl eher nicht. Ich halte ein generelles Erhebungsverbot bei diesen Berufsgruppen für nicht begründbar (wenn man denn überhaupt die VDS befürwortet).

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Es gibt ja kein generelles Erhebungsverbot. Sie weisen selbst darauf hin, dass das Problem mit TKÜen tagtäglich von der Praxis gelöst wird (auch wenn man das organisatorisch verbessern könnte). Entweder, "voraussichtlich" laufen Mandantengespräche auf einem Anschluss auf (z.B. Nummer steht auf der Webseite), oder eben nicht.

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