OLG Koblenz: Zur Systematik der Geldbußenzumessung und des Fahrverbots

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 02.04.2010

Das OLG Koblenz, Beschluss vom 10.03.2010 - 2 SsBs 20/10 hat eine aus juristischer Sicht echt schön zu lesende Entscheidung zur Geldbußenzumessung und Fahrverbotssystematik veröffentlicht. Es ging um einen vorsätzlichen Geschwindigkeitsverstoß, der mit "doppelter Regelgeldbuße" und Fahrverbot geahndet wurde. Hier ein paar Kernsätze:

Zur Geldbußenzumessung:

"Nicht zu beanstanden ist die Festsetzung der Rechtsfolgen entsprechend den Sätzen des Bußgeldkatalogs (BKat). Es liegt zwar kein Regelfall der Bußgeldkatalogverordnung (BKatV) vor. Ein solcher ist bei fahrlässiger Begehungsweise der Verkehrsordnungswidrigkeit unter gewöhnlichen Tatumständen gegeben (§ 1 Abs. 2 BKatV). Hier ist dem Betroffenen aber eine vorsätzliche, mit 57 km/h zudem erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung anzulasten. In einem solchen Fall ist die Anordnung des Fahrverbots unmittelbar nach § 25 Abs. 1 S. 1 StVG zu beurteilen (BGH NJW 1992, 449). Art und Höhe der in der BKatV vorgesehenen Rechtsfolgen können jedoch entsprechend berücksichtigt werden. Sind sie schon für eine fahrlässige Verfehlung die angemessene Ahndung, gelten sie erst Recht und mindestens auch für eine vorsätzliche Tatbegehung (OLG Koblenz, Beschl. 1 Ws 103/04 vom 10.5.2004)."

"Fehlerhaft ist es, die für fahrlässiges Verhalten vorgesehene Regelgeldbuße bei vorsätzlicher Begehungsweise pauschal zu verdoppeln."

Zur Fahrverbotsdauer:

"... verfehlt ist es, bei Bestimmung der Fahrverbotsdauer auf die Frage einer charakterlichen Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen abzustellen. Dieser Maßstab gilt für die Entziehung der Fahrerlaubnis, die in § 69 StGB als Maßregel der Besserung und Sicherung im Zusammenhang mit einer Straftat, nicht jedoch als Folge von Verkehrsordnungswidrigkeiten im Straßenverkehrsgesetz vorgesehen ist...."

"Das ... Prozessverhalten des Betroffenen kann ebenfalls keinen Grund für eine Erhöhung der Fahrverbotsdauer darstellen. Zwar kann sich Uneinsichtigkeit verschärfend auswirken. Allein das Ausnutzen prozessualer Rechte, wie vorliegend der Antrag des Betroffenen auf Vernehmung eines Zeugen zum Beweis einer fehlenden Fahreridentität, rechtfertigt aber noch nicht die Annahme von Uneinsichtigkeit..."

Zur Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse bei der Geldbußenzumessung:

"Die abschreckende Wirkung, die mit der Verhängung eines Bußgelds bezweckt wird, kann nur erreicht werden, wenn die Geldbuße den Täter empfindlich trifft. Der Charakter der Buße als „gerechter Gegenschlag“ und spürbarer Ordnungsruf muss erhalten bleiben. Deswegen geben Zahlungsschwierigkeiten, die sich im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Betroffenen ergeben, keinen Anlass, eine der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und des Schuldvorwurfs angemessene Geldbuße herabzusetzen (OLG Koblenz, Beschl. 1 Ss 283/02 vom 20.1.2003). Der eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Betroffenen kann durch Zahlungserleichterungen in Form des gewährten Aufschubs und der bewilligten Ratenzahlung gem. § 18 OWiG Rechnung getragen werden. Er erhält damit Gelegenheit, sich auf die Zahlung einzustellen und entsprechende Rücklagen aus seinen Einkünften zu bilden."

 

Zu Augenblicksversagen und Vorsatz:

"Ein Fall des „Augenblicksversagens“, der den Vorwurf grob pflichtwidrigen Verhaltens entfallen lassen kann (BGH NJW 1997, 3252), scheidet bei einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung von vornherein aus."

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