Erregung ärgert Jugendrichter - Jugendarrest
von , veröffentlicht am 09.06.2015"Erregung öffentlichen Ärgernisses" nach § 183a StGB ist eine im Universitätsstudium wenig beachtete Norm. Ein Verstoß dagegen - also die Vornahme von sexuellen Handlungen in der Öffentlichkeit - erregt in Zeiten der allgegenwärtigen Sexualisierung in Werbung, Medien, Internet kaum noch Aufmerksamkeit. Staatsanwaltschaft und ein Jugendrichter in Augsburg sahen das lt. Bericht der SZ () anders:
Ein 19 und 18 Jahre altes Paar hatte sich im Erlebnisbad (genauer in der "Erlebnisgrotte") körperlich miteinander vergnügt - jedenfalls nach Überzeugung des Bademeisters, der die beiden erwischt hatte, und des Richters, der beide verurteilte.
Ob der Tatbestand bei dem in der SZ geschilderten Sachverhalt überhaupt vorlag, erscheint auf Anhieb sehr fraglich. Wurde nicht der Taterfolg "öffentliches Ärgernis" durch den Bademeister gerade verhindert? Oder ist der Bademeister schon die Öffentlichkeit?
Dass für diese Tat ein Jugendarrest - also ein stationäres Zuchtmittel - als Reaktion verhängt wurde, erregt allerdings mein Ärgernis. Der Jugendarrest ist im Gegensatz zur Darstellung der SZ, keine ganz "kleine Strafe". Wer dieses Mittel schon bei einer Tat anwendet, die am untersten Rand der Strafwürdigkeit anzusiedeln ist, der begibt sich vorschnell der "Waffen" des Jugendstrafrechts. 70 % der Jugendstrafverfahren werden informell erledigt nach §§ 45, 47 JGG (60 % sind es in Bayern) - und dies sollte kein Verfahren sein, das eingestellt werden konnte?
Andererseits gibt die Verurteilung nun dem LG Gelegenheit, die Verwirklichung des Tatbestands rechtlich noch einmal zu prüfen, wenn denn Berufung eingelegt wird.
Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
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215 Kommentare
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Ein Whirl-Pool in einem Bordell oder Swinger-Club ist weder von der Größe noch von der Häufigkeit des darin vorgenommenen Geschlechtsverkehrs vergleichbar mit einem öffentlichen Schwimmbad. Ich halte es mangels irgendwelcher Nachweise für abwegig, dass in öffentlichen Schwimmbädern irgendeine Gesundheitsgefahr droht.
Richtig, soweit sie sich denn überhaupt und auch erheblich strafbar gemacht haben. Ich gebe zu bedenken, dass § 183a StGB, um den es hier geht, einen sehr niedrigen Strafrahmen vorsieht. Siehe dazu aber schon den Blogbeitrag.
Wenn er es denn getan hätte, dann würden wir hier weniger diskutieren müssen. Im vorliegenden Fall ging es weder um das Hausrecht, noch um die Gesundheit! Es ging allein um § 183a BGB, der die Gesunheit nicht schützt - das ergibt sich schon aus der systematischen Stellung im Gesetz.
Zu den im Blogbeitrag und den Kommentaren angesprochenen problematischen Punkten der Tatbestandserfüllung des § 183a StGB findet sich in Ihrem doch recht ausführlichen Beitrag erstaunlich wenig. "Weil nicht sein kann, was nicht sein darf" ist keine tragfähige Begründung für ein Strafurteil.
Leser kommentiert am Permanenter Link
@ Freibadstammgast
Ihr Ziel (sauberes Wasser) dürfte wohl auf allgemeine Zustimmung treffen. Aber:
a.) Ist eine Bestrafung dann nur für Geschlechtsverkehr sinnvoll und gerecht, oder auch für ungewaschene Badegäste, für Urinieren, bei Haarausfall usw. usf.? Wenn schon, denn schon.
b.) Ob es Kinder traumatisiert, ob sie es durch eine Schwimmbrille unter Wasser überhaupt wahrnehmen, wenn zwei Jugendliche Geschlechtsverkehr haben, erscheint mir doch sehr zweifelhaft, zumal aufgrund der Umstände wohl nichts besonders aufregendes passiert sein kann.
Ein Blick auf die Zeitschriften der Illustrierten an der Kasse beim Supermarkt oder die MTV-Schleifen im Elektroladen dürfte mehr Nacktheit zeigen, als dort sichtbar war, vom sog. Internet mal ganz abgesehen. Wenn die Tat sich 1950 ereignet hätte, wäre das vielleicht ein Aufreger gewesen, aber heute... bitte sehr. Wir brezeln 14jährige als Models auf, verkaufen Reizwäsche in Kindergrößen und finden das offenbar okay, aber wenn es weniger appetitlich aussieht und zum Privatvergnügen erfolgt, nicht um etwas zu verkaufen, dann springt plötzlich der Moralapostel aus dem Schrank.
So oder so, gab es hier - soweit bekannt und beweisbar - eben keine Wahrnehmung durch Kinder. Das ist es doch, weswegen die Frage aufgeworfen wurde, ob denn ein einzelner Bademeister "die Öffentlichkeit" ist. Es ist wohl auch nicht anzunehmen, dass die "Täter" darauf abzielten.
c.) Auch wenn man ein Verhalten doof und sogar strafwürdig findet, auch wenn man dabei "Recht" hat, heißt das noch nicht, dass ein Richter den Täter dann wegen irgend etwas verurteilen darf. Dafür haben wir Straf- und OWi-Normen. Wenn eine erfüllt ist, wird danach bestraft. Wenn nicht, dann nicht - dann mag der Gesetzgeber sich überlegen, eine solche Norm einzuführen (" Wer fremde oder eigene Körperflüssigkeiten in mehr als nur unerheblichem Maße in das zum Schwimmen bestimmte Wasser einer der Öffentlichkeit zugänglichen Einrichtung abgibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft. Der Versuch ist strafbar.").
Das ist es, worum sich die Diskussion hier dreht: Die Täter scheinen nicht bei der Tat nicht unbedingt den Gipfel der Kultiviertheit erklommen zu haben. Aber das heißt nicht, dass man deswegen irgendwelche Strafen verhängen darf.
Gestern stieg ein Mann von vermutlich schlichtem Gemüt und ganz sicher sehr verrutschter Hose vor mir aus dem Bus, der so der Öffentlichkeit (und hier waren es durchaus mehrere Beteiligte) seine beträchtliche und nur bedingt ansehnliche Rückseite präsentierte. Das wollte er vermutlich nicht. Würden wir ihn dafür bestrafen wollen? Nein.
Sollten wir zwei Jugendliche dafür bestrafen, weil sie - vermutlich gegen ihren Willen - durch einen Bademeister beim Geschlechtsverkehr beobachtet (und per Videokamera aufgenommen) wurden? Ich denke nicht. Mit einem Hausverbot ist es da getan, und das auch wirksamer als durch eine Strafe. Wenn dagegen verstoßen wird, kann man ggf. wegen Hausfriedensbruch bestrafen. Aber bitte nicht jetzt wegen irgendwelcher Phantasiestraftatbestände.
Vielleicht findet jemand, dass Sie / Ihre Tochter / Frau / Cousine einen zu tiefen Ausschnitt zeigt, vielleicht sogar dort, wo zwar keine Kinder anwesend sind, aber hätten sein können. Vielleicht nimmt er sie sogar per Video auf. Aber fänden Sie okay, wenn der "moralische Geschmack" des lokalen Bademeisters Richters darüber entscheidet, ob das zu bestrafen ist?
Prof. Dr. Henning Ernst Müller kommentiert am Permanenter Link
Sehr geehrter Freibadstammgast,
danke für Ihre klar geäußerte Merinung, die ich aber nicht teile. Ich möchte Ihnen aus Sicht des Juristen (auch ein gelegentlicher Freibadgast) antworten;
Sie schreiben:
Ich kann mir denken, dass ein solches Verbot in der Hausordnung des Erlebnisbades geregelt ist. Die Hausordnung akzeptiert jeder Badegast automatisch.
1. auch strafbewehrte Verbote werden nicht unbedingt beachtet (sonst brauchten wir gar keine Strafjustiz)
2. ein allg. Verbot der sexuellen Handlungen in der Öffentlichkeit existiert im StGB in der Form des § 183a. Aber nur, wenn die Voraussetzungen dieses § vorliegen, darf auch jemand nach dieser Norm bestraft werden. Die potentielle Gesundheitsgefahr allein macht ein Verhalten nicht strafbar; es müsste auch eine entsprechende Norm geben. Im StGB gibt es aber nun einmal keine Norm: "Gesundheitsgefährdender Sexualverkehr in Schwimmbädern".
So habe ich den Sachverhalt nicht gehört/gelesen. Aber ich habe schon darauf hingewiesen, dass evtl. ein Hausfriedensbruch darin zu sehen ist, dass die Heranwachsenden das Schwimmbad nach Aufforderung nicht umgehend verlassen haben (§ 123 StGB); dies wurde aber nicht angeklagt (?). Außerdem: ich kann mir vorstellen, dass auch die Hausordnung des Schwimmbads Sanktionen vorsieht, wie etwa ein Verbot das Schwimmbad künftig zu nutzen.
Ich auch nicht, aber darum geht es auch gar nicht, sondern um die Frage, ob hier das Strafrecht und das Jugendstrafrecht richtig angewendet wurde (dies ist eine juristische Plattform).
Kann schon sein, aber dennoch muss das Verhalten erst einmal überhaupt strafbar sein und zweitens die Verhältnismäßigkeit der sanktion auch gewahrt sein.
Ich auch nicht. Ändert aber nichts an meiner Kritik.
Mag ich auch nicht, solche leute. Ich weiß aber nicht, ob es hier um solche Leute geht.
Diese Wahrnehmung entspringt Ihrer Phantasie, davon war bislang überhaupt nicht die Rede. Wäre es so (sexuelle Handlungen mit exhibitionistischer Intention), dann wäre § 183a StGB eindeutig gegeben.
Ich halte es eher für möglcih, dass der Rechtsstaat darunter leidet, dass ein Richter nicht cool bleibt, sondern sich von solchen Angeklagten zu unsachgemäßen Äußerungen provozieren lässt.
Mag sein. Die Statistiken zeigen leider ein düsteres Bild: Der Jugendarrest hat in punkto Effektivität eine schlechte Bilanz.
Es ist Sinn einer Diskussionsplattform, dass man unterschiedlicher Meinung ist und diese austauscht. Nicht selten gibt es eine Mehrheits- und eine Minderheitsmeinung. Warum ist es "unpassend", wenn die Mehrheit anderer Meinung ist als Sie?
Es ist schon ok, dass Anzeige erstattet wurde. Die Bademeister habe ich deswegen auch nicht kritisiert.
Ich stimme zu.
Beste Grüße Henning Ernst MüllerEin anderer Leser kommentiert am Permanenter Link
Wer vorsätzlich sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt, macht sich nach § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB wegen "sexuellen Mißbrauchs von Kindern" strafbar. Das hat im vorliegenden Fall aber niemand auch nur behauptet, sodass solche Erwägungen schlicht sachfremd sind.
Waldemar Robert Kolos kommentiert am Permanenter Link
Ich teile die Empörung über die Beobachtung mittels Kameras, über deren Aufnahmen und Speicherung. Das hat für mich schon etwas mit Voyeurismus zu tun. Habe mir auch schon über die strafrechtliche Relevanz kurz Gedanken gemacht. Komme damit aber noch nicht so richtig klar. § 201a Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen? Ist der Unterwasserbereich ein gegen Einblick besonders geschützter Bereich? § 185 Beleidigung?? Sind Aufnahmen des besonders leicht bedeckten Intimbereichs, wobei die Bedeckung gerade im Wasser schon mal transparent erscheinen kann, nicht eine die Menschenwürde verletzende Herabsetzung der Badegäste zum Objekt?
Dem Sicherheitsaspekt kann gewiss auf andere Weise Rechnung getragen werden als durch Unterwasseraufnahmen. Eine Beobachtung über dem Wasser, also aus einer Perspektive wie sie auch der Bademeister am Beckenrand für gewöhnlich hat, dürfte dafür ausreichen.
Die Erregung des öffentlichen Ärgernisses sehe ich eher in den Unterwasseraufnahmen als in dem, was die jungen Leute getan haben sollen. Könnten Bild- oder Filmaufnahmen von sexuellen Handlungen nicht ihrerseits sexuelle Handlungen i.S.v. 183a StGB sein? Angenommen ein Paar hat Sex im Wasser, den aber deswegen niemand mitbekommt, wird dabei unbemerkt gefilmt und der Film wird dann auf eine Wand für alle sichtbar projiziert.
OG kommentiert am Permanenter Link
@Waldemar Robert Kolos
Der verantwortliche BILD-Redakteur und sein(e) Zuträger könnten sich nach dem neuen Gummiparagraphen § 201a Abs. 2 StGB (zur Kritik: http://www.internet-law.de/2015/02/welche-fotos-darf-man-kuenftig-noch-a...) strafbar gemacht haben. Falls der Redakteur zufällig unter 21 Jahre alt ist (nicht nur geistig), könnte gegen ihn ja zwei Wochen Dauerarrest verhängt werden. :-)
Leser kommentiert am Permanenter Link
Das Aufnahmen selbst würde ich persönlich erst einmal nach Datenschutzrecht beurteilen. Ich persönlich glaube nicht, dass das Aufnehmen hier zulässig war, wenn man den Maßstab ansetzt, nach dem auch Aufnahmen des Verkehrs durch "Dashcams" rechtswidrig oder jedenfalls an der Schwelle dazu stehen. Gerade wenn, wie hier offenbar der Fall, die Aufnahmen geradezu darauf abzielen (!), Menschen beim Geschlechtsverkehr zu filmen, erscheint das problematisch. Zwar war GV dort nach dem Willen des Betreibers offenbar nicht zulässig. Aber ob Filmaufnahmen als "Notwehr" dagegen zulässig sind... geeignet ist es offenbar nur bedingt. Klingt mir auch ein wenig danach, Tellerminen im Vorgarten auszulegen, damit die Nachbarskinder nicht die Blumen zertrampeln.
Bei der Weitergabe an die BILD wurde m. E. mit hoher Wahrscheinlichkeit mindestens § 201a Abs. 2 StGB erfüllt. Berechtigte Interessen nach Abs. 4 liegen jedenfalls bei der Weitergabe an den Verleger nicht vor. Daneben könnte übrigens Bestechlichkeit o. ä. vorliegen.
Zu ermitteln wäre aber natürlich erst einmal, wer die Bilder denn überhaupt weitergegeben hat. In Betracht kommen nicht nur die Beschäftigten des Schwimmbadbetreibers, sondern auch Polizei, Gericht, Staatsanwaltschaft und - fernliegend, aber nicht unmöglich - die Betroffenen selbst.
Die StA Augsburg soll doch angeblich recht griffig sein, was die Durchsuchung von Redaktionsräumen angeht. Aber ob sie diese Griffigkeit hier an den Tag legen wird...? Oder mal beim Gericht durchsucht?
Name kommentiert am Permanenter Link
Für die Videoüberwachung reicht völlig ein Hinweis in der Haus- und Badeordnung der Therme, die ziemlich sicher im Eingangsbereich aushängt bzw. ein Hinweisschild wie in jedem Supermarkt.
Leser kommentiert am Permanenter Link
Da habe ich Zweifel. Eine Hausordnung, nach der bspw. auf den Toiletten Videoaufnahmen vom Intimbereich gemacht werden, wäre wohl unstreitig - nach welcher Norm auch immer - nicht zu beachten, auch wenn es einen sachlichen Grund wie regelmäßige Diebstähle von Toilettenpapier gibt.
Das dürfte auch und gerade dann gelten, wenn Zweck nicht die Verhinderung von Diebstählen, sondern von Geschlechtsverkehr ist.
Beim Schwimmbadfall liegt ein Unterschied darin, dass der betroffene Bereich bestimmungsgemäß ständig für alle zugänglich war, anders als es eine Toilette ist, auf der man mit einer gewissen Privatheit rechnen darf.
Andererseits erfolgt hier ein gezielter Eingriff in die Intimsphäre - nicht nolens volens, sondern mit dolus directus ersten Grades - das und gerade das sollte gefilmt werden. Ist das zulässig? Mir rumort es da im Magen, dass Grundsätze, die das erlauben, bei anderen Fällen unangenehm würden.
Dürfte ein Ehepartner das Schlafzimmer mit Videokameras verwanzen, um ein Fremdgehen des Partners zu belegen? Darf ein Eigentümer, wenn er bemerkt, dass zwei Jugendliche in seinem Vorgarten Geschlechtesverkehr haben und dabei den gut gepflegten Rasen ramponieren, das per Videokamera "zwecks späteren Beweises" aufnehmen?
Ich will nicht sagen, dass die Aufnahme unzulässig war, aber eine kritische Prüfung ist angezeigt. Spätestens mit der Weitergabe an die BILD-Zeitung wurde dann aber eine Grenze überschritten.
Prof. Dr. Henning Ernst Müller kommentiert am Permanenter Link
Es ist schon erstaunlich, was die Bild-Zeitung aus dem Fall machte: (BlidBlog-Link): http://www.bildblog.de/65721/mit-bild-beim-teenie-sex-im-spassbad/
Waldemar Robert Kolos kommentiert am Permanenter Link
Bei Erregung öffentlichen Ärgernisses (183a StGB) kommt es auf die Öffentlichkeit der Handlung an, nicht des Ortes. So kann die Tathandlung durchaus auf Privatgrundstücken und in Privaträumen begangen werden, wenn sie der Öffentlichkeit Einblick gewähren. Umgekehrt kann die Tathandlung auf öffentlichem Gelände und in öffentlichen Räumen nicht begangen werden, wenn entsprechender Sichtschutz besteht (siehe LK Laufhütte/Roggenbuck zu § 183a StGB bei Google-Books), z.B. ein Vorhang, eine Kabine, aber auch - wie ich denke - generell der Unterwasserbereich. Das ändert nichts daran, dass das Personal mittels technischer Hilfsmittel diesen Bereich beobachtet hatte.
Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (201a I StGB) liegt bei Spannen, Gaffen oder Beobachten nicht vor: "unbefugt eine Bildaufnahme herstellt", "gebraucht oder einer dritten Person zugänglich macht".
Dass in einigen Schwimmbädern in Bayern per Videoüberwachung unter Wasser beobachtet wird, das ist bekannt. Man darf dazu durchaus kritisch stehen. Dass aber aufgezeichnet wird, das ist neu. Bisher wurde immer wieder versichert, es werde nicht aufgezeichnet.
Interessant ist auch die Antwort der Staatsregierung auf die kleine Anfrage vom 28.03.2014 (Hervorhebung von mir):
https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP17/Drucksachen/Schrif...
Ichbinsnochmal kommentiert am Permanenter Link
Am Vorsatz der Verurteilten bestehen keine ernsthaften Zweifel.
Wenn sie nicht gesehen werden hätten wollen, dann hätten sie es sicher zuhause oder zumindest in einer abschließbaren Umkleidekabine getan.
Mit Taucherbrille oder Sportschwimmbrille oder Chlohrbrille sieht man unter Wasser noch besser wie Ohne überwasser - es ergibt sich bei den meisten Modellen sogar ein leichter Zoom-Effekt (ähnlich wie bei einem Fernglas, einer Lupe oder einem Teleobjektiv).
Davon abgesehen ist es im Übrigen außerdem ist es auch gar nicht Tatbestandsvoraussetzung, daß die den Geschlechtsverkehr ausübenden Geschlechtsorgane gesehen werden - es reicht vielmehr, wenn eine sexuelle Handlung von Gewicht (was Geschlechtsverkehr sicherlich ist) erkennbar ist und das Paar (oder der einzelne Exibitionist) als gegenwärtig sexuell akut aktiv erkennbar ist.
Zum Geschlechtsverkehr in U-Bahn-Stationen liegen übrigens sogar Urteile vor, wo gar keine anderen Fahrgäste oder Passanten im U-Bahnhof anwesend sind, sondern bloß das Sicherheitspersonal mittels Überwachungskameras die Päärchen beobachteten, und wo dennoch verurteilt wurde, weil es hieß, das mindestens dolus eventualis hinsichtlich einer Beobachtung per Überwachungskamera vorgelegen habe (wobei diese Urteile, menschenleere mitternächtliche U-Bahn-Stationen, also Orte, an denen sich üblicherweise keine Kinder zu deratiger Zeit aufhalten, eher fragwürdig erscheinen, als die Verurteilung wegen Sex im Shwimmbecken einer öffentlichen städtischen Badeanstalt während der regulären Öffnungszeiten und während des regulären Betriebs und Besucherandrangs).
RA Dr. Thomas Wedel kommentiert am Permanenter Link
haben Sie Aktenzeichen von solchen U-Bahn-Urteilen?
OG kommentiert am Permanenter Link
@Ichbinsnochmal
Der Tatbestand des § 183a StGB schließt es ausdrücklich aus, hinsichtlich des Beobachtetwerdens dolus eventualis genügen zu lassen. Darüber sollte man nicht diskutieren brauchen.
Waldemar Robert Kolos kommentiert am Permanenter Link
Dann wäre auch noch die Sache mit der Ärgerniserregung. Nach der offiziellen Stellungnahme des Betreibers nimmt das Personal für gewöhnlich keinen Anstoß an sexuellen Handlungen der Gäste i.S.v. 183a StGB - so auch hier. Nicht der Sex der jungen Leute, sondern ihr sonstiges, aber nicht strafbares Verhalten war Gegenstand des Ärgernisses (meine Hervorhebung):
http://www.titania-neusaess.de/news/22/details_2.htm
P.S. Wie es scheint, wird das Bad privat betrieben.
Leser kommentiert am Permanenter Link
Die Diskussion um die Sichtbarkeit durch Schwimm-Taucher-/Chlorbrillen führt m. E. nicht weiter. Nach den Beschreibungen handelten die Jugendlichen in einer mehr oder weniger abgeschlossenen Grotte - gerade wegen der fehlenden Einsehbarkeit wurden ja offenbar die Kameras installiert. Die Jugendlichen wähnten sich daher wohl auch unbeobachtet.
Ein tauchender Beobachter wäre wohl wegen der beengten Verhältnisse aufgefallen. Es ist nicht fernliegend, dass das die "Täter" vom GV durch die Wahrnehmun eines tauchenden Beobachters - der Begriff "Spanner" liegt nicht fern - abgehalten worden wären. Das wäre ggf. im Verfahren zu ermitteln. Zu ihren Lasten zu unterstellen, dass sie die Beobachtung durch tauchende Beobachter billigend in Kauf genommen haben (wenn dolus eventualis ausreichend) oder sogar auf diese abgezielt haben (wenn dolus directus 1. Grades erforderlich), ist m. E. unzulässig.
Mal ehrlich - wenn die Täter durch den GV wirklich ein Ärgernis hätten erregen wollen, wäre das außerhalb der Grotte wohl deutlich wirksamer gewesen.
Gast kommentiert am Permanenter Link
"Es handelt sich hier um eine Wassergrotte, die von außen nicht einsehbar ist"
dann hat ja, wie Herr Prof. Müller schon anmerke, die Öffentlichkeit davon auch nichts mitbekommen. Der Vorgang konnte lediglich durch die heimliche Videoüberwachung dokumentiert werden und erregte dann den Bademeister - wie auch immer.
Ob in diesem Schwimmbad auch die Umkleidekabinen heimlich per Video überwacht werden? Um in diesen Kabinen dann sicherlich dort auch verbotene sexuelle Handlungen zu unterbinden, obwohl in der abgeschlossenen Kabine die Öffentlichkeit nun definitiv ausgeschlossen ist? Und der Bademeister kann sich darüber dann auch wieder erregen?
Warum in einer von außen nicht einsehbaren (!) Wassergrotte (genauso wie in der Umkleidekabine) der Tatbestand "öffentliches Ärgernis" erfüllt sein soll, erscheint fragwürdig. Den Bademeister hätte man wegen Spannertums und Verletzung der Intimsphäre anzeigen sollen.
erich landauer-... kommentiert am Permanenter Link
kirche im dorf lassen.ein hausverbot hätte es auch getan.
man muss nicht notwendiger weise kriminalisieren.
wir sind nicht in china oder im iran.
Gast kommentiert am Permanenter Link
http://www.mittelbayerische.de/region/regensburg-stadt-nachrichten/kaugu...
Gast kommentiert am Permanenter Link
Bewundernswert, wie gerade in Bayern (nicht nur in Augsburg und Regensburg) die volle Härte des Gesetzes zuzuschlagen vermag!
Wo käme man denn da hin, wenn man in einer nicht einsehbaren Grotte Sex macht - das gibt eben 14 Tage Jugendknast. Oder Kaugummi für 1,49 klaut, sogar mit einem Taschenmesser in der Hose - Geldstrafe 1500 Euro für einen Sozialhilfeempfänger!
Ich bin froh, in einem so sicheren Bundesland wie Bayern wohnen zu dürfen.
OG kommentiert am Permanenter Link
Man muß differenzierend aber auch erwähnen, daß Richterin Dr. Blankenhorn vom AG Regensburg am unteren Ende des möglichen Strafmaßes geblieben ist. Die Mindestmaß der Geldstrafe ist gemäß § 244 Abs. 3, § 47 Abs. 2 StGB 90 Tagessätze. Der Tagessatz wiederum ergibt sich grundsätzlich aus dem Tagesnettoeinkommen des Angeklagten (§ 40 Abs. 2 StGB).
Ob tatsächlich in einem solchen Fall das Mitführen eines Taschenmessers den Diebstahl zwingend zum Diebstahl mit Waffen macht, und ob man den Fall nicht im objektiven oder subjektiven Tatbestand "retten" kann, ist eine andere Frage (die Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung war da, glaube ich, erratisch). Auch, ob nicht § 153a StPO möglich war.
Waldemar Robert Kolos kommentiert am Permanenter Link
Mir scheint, dass der Straftatbestand des 183a StGB und das geschützte Rechtsgut von den Befürwortern des Urteils völlig verkannt werden. Nicht die Allgemeinheit und die guten Sitten werden geschützt, sondern das sexuelle Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen. Niemand muss sich den Anblick sexueller Handlungen anderer aufzwingen und provozieren lassen. Es muss also zu einer Verletzung des Rechtsguts durch Ärgerniserregung tatsächlich gekommen sein. Es muss also mindestens einen Rechtsträger (natürliche Person) geben, der an dem Anblick der Tathandlung Anstoß nimmt: daher ein Erfolgsdelikt.
Der Betreiber eines Schwimmbads kann als juristische Person kaum verletzt werden. Ob sein Personal zum geschützten Personenkreis gehört, darüber ließe sich streiten. Zumal es mittels technischer Hilfsmittel über Wahrnehmungsmöglichkeiten verfügt, die nicht jedermann in Öffentlichkeit hat. Jedenfalls lässt sich weder aus der Stellungnahme des Betreibers, noch aus den Medien entnehmen, dass es zu einer tatbestandlichen Ärgerniserregung tatsächlich gekommen ist.
Viele mögen Anstoß am Sex in der Öffentlichkeit an sich schon nehmen - wie die Bildzeitung und ihre Leserschaft. Und weil es eben so abstoßend und widerlich ist, schauen sie sich das Filmmaterial an, das sie sich aus dubiosen Quellen besorgt haben, und zahlen auch noch Geld dafür. Sex in der Öffentlichkeit an sich ist aber nicht strafbar. Es gibt keine Strafbarkeit des Versuchs für die Erregung des öffentlichen Ärgernisses.
Viele mögen Anstoß an dem sonstigen Verhalten des jungen Paares nehmen. Angeblich sollen die Beiden frech geworden sein, zu den Bademeistern und den Polizisten. Auch sollen sie zur Verhandlung 15 Minuten zu spät gekommen sein, wobei die akademische Viertelstunde generell jedem gewährt wird und auch ohne Angaben von Gründen regelmäßig entschuldigt wird. Und uneinsichtig sollen sie auch noch gewesen sein. All das kann offenbar Gegenstand eines Ärgernisses sein. Nur dieses Ärgernis ist strafrechtlich nicht geschützt.
Früher, also viel früher, noch lange vor unserer Zeit, als noch die Sittlichkeit strafrechtlich geschützt war, soll es häufig zu Anzeigen und Anklagen unliebsamer Zeitgenossen wegen unzüchtigen Verhaltens gekommen sein. Nicht selten lagen ihnen falsche Verdächtigungen zugrunde. Auch heute noch scheint der Straftatbestand davor nicht zu schützen. Wenn Nachbarn auf ihrem Balkon, auf den man von der Straße guten Einblick hat, Sex miteinander haben, dann kann es für die Ärgerniserregung schon nicht unerheblich sein, ob es sich um die freundlichen Nachbarn handelt, die immer so freundlich grüßen, oder aber um die frechen Nachbarn, die immer wieder die Garagenausfahrt zustellen.
Gast kommentiert am Permanenter Link
Hier steckt m. E. einer der seltsamen Aspekte des Falles: Unterstellt, dass die Wahrnehmbarkeit nur durch die Kamerass gegeben war, und angenommen, dass diese gezielt dazu aufgestellt wurden, Geschlechtsverkehr anderer wahrzunehmen. Bewegen sich die Beobachter damit nicht selbst in eine Opferrolle - Stichwort "eigenverantwortliche Selbstgefährdung"?
Der vorliegende Fall liegt nicht so, aber um meinen Gedanken deutlich zu machen: Eine fundamental-christliche Sekte stört sich am Wacken Open Air, von dem die Mitglieder in der Zeitung gelesen haben, dass dort langhaarige Männer laute Musik hören, was sie als Zeichen von Teufelsanbetung deuten. Sie versuchen durch Petitionen, Strafanzeigen wegen allerlei Phantasiedelikten usw. das Festival zu verhindern. Das gelingt nicht.
Eines Tages tritt Jurastudentin J der Sekte bei und bringt folgende Idee mit: Einige der Teilnehmer besuchen das Festival, verkleiden sich als Heavy-Metal Fans und streunen nachts mit Taschenlampen herum, um Paare beim Geschlechtsverkehr aufzuspüren. Sie kündigen das vorher auch an. Das junge Paar H und M erlangt davon Kenntnis, hat aber trotzdem in voller Kenntnis und Missachtung der "Gefahr" Geschlechtsverkehr in einem halb offenen Zelt, weil sie es nicht einsehen, sich von - in ihrer Perspektive - religiösen Spinnern vorschreiben zu lassen, wie sie ihre Zeit auf dem Festival genießen. Als dann tatsächlich zwei Sektenmitglieder die beiden aufspüren, zeigen sie sich ehrlich empört und stellen Strafanzeige wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses.
In dieser Konstellation tritt der Taterfolg nur durch das vermeintliche Opfer ein. Ansonsten hätte niemand der 30.000 betrunkenen Heavy-Metal-Fans die wenigen Paare beobachtet, und wenn, dann vermutlich nur johlend Beifall geklatscht. Die vermeintlichen Opfer aber zielen auf die Wahrnehmung und die "Selbstempörung" ab und schaffen so eine Strafbarkeit, wo vorher keine war.
Hier würde die Mehrheit wohl eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung bejahen.
Liegt der Schwimmbad-Fall nicht ähnlich? Irgendwie habe ich ein Problem damit, dass jemand über das Aufstellen von Kameras einen Verstoß gegen Hausregeln zu einem Straftatbestand erheben kann. Für solche Fälle sieht das Gesetz m. E. § 123 StGB vor - man hätte die beiden des Schwimmbades verweisen können, und die Sache wäre erledigt gewesen.
Gast kommentiert am Permanenter Link
Zu #19:
Im Regensburger Fall hatte die arme Richerin angesichts des Tatbestandes und der höchstrichterlichen "Waffen"-Rechtsprechung kaum einen Spielraum. Sie ist nur eine gebundene Richterin und nicht die Herrin des Gesetzes. Daran kann nur wieder entweder Fischer etwas ändern oder eine Gesetzesänderung, in der Bagatellsachen und Taschenmesser etc. ausgenommen werden. Dieser Fall unterscheidet sich grundlegend vom willkürlichen Augsburger Fall und ist ganz und gar nicht vergleichbar.
MT kommentiert am Permanenter Link
Spielraum hatte sie, an die höchstrichterliche Rechtsprechung ist sie nicht gebunden. Dass eine davon abweichende Entscheidung in der nächsten Instanz höchstwahrscheinlich kassiert worden wäre, steht auf einem anderen Blatt.
Das wiederum trifft es genau.
Ein Gast kommentiert am Permanenter Link
Interessant was alles in der "Stadtzeitung" steht.
Hier stellt sich mir folgende Frage: Wieviel Respektlosigkeit dürfen junge Leute von sich geben bis die Grenze überschritten ist?
Waldemar Robert Kolos kommentiert am Permanenter Link
@Gast#25
Siehe dazu den Willen des Gesetzgebers in BT-Drucksache VI/3521, Seite 57:
http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/06/035/0603521.pdf
Nicht jede Verletzung der Anschauung anderer wird geschützt:
Gemeint ist zwar ein Striptease-Lokal, doch aber wohl nur als Beispiel. Wenn der Betreiber eines Erlebnis-Bades solche Rückzugsbereiche wie die Erlebnisgrotte errichtet, die von außen nicht einsehbar sind, dann kann es doch niemanden wirklich wundern, dass sie von Liebespärchen für ihre Zweisamkeit genutzt werden, wo sie ihre Zärtlichkeiten austauschen, die auch schon mal außer Kontrolle geraten können. Die Konfrontation mit sexuellen Handlungen in solchen Bereichen ist doch so gut wie vorprogrammiert, vor allem für das Personal, wenn diese Bereiche unter Wasser video-überwacht werden. Es könnte sich aber auch grundsätzlich die Frage stellen, ob die Anschauung auf dem Monitor überhaupt tatbestandlich geschützt ist.
Auch nicht jede sexuelle Handlung in der Öffentlichkeit ist tatbestandsmäßig:
Interessierter Leser kommentiert am Permanenter Link
Wenn der Betreiber eines Erlebnis-Bades solche Rückzugsbereiche wie die Erlebnisgrotte errichtet, die von außen nicht einsehbar sind, dann kann es doch niemanden wirklich wundern, dass sie von Liebespärchen für ihre Zweisamkeit genutzt werden, wo sie ihre Zärtlichkeiten austauschen, die auch schon mal außer Kontrolle geraten können.
Aha, und ich nahm schon an, mit einer Erlebnisgrotte sei ein "Schwimm-"erlebnis verbunden.
Ob sich ein fünfjähriges Kind Ihrer geschätzten Ansicht nach ebenfalls nicht zu wundern braucht, wenn es sich Liebesspielen eines Liebespärchens unmittelbar konfrontiert sieht?
Waldemar Robert Kolos kommentiert am Permanenter Link
@Interessierter Leser
Ist denn ein Kind in seiner Anschauung verletzt worden? Ist denn überhaupt jemand verletzt worden?
Interessierter Leser kommentiert am Permanenter Link
In dem konkreten Fall offenbar nicht. Das macht Ihre allgemeine Behauptung aber sicher nicht richtig.
Waldemar Robert Kolos kommentiert am Permanenter Link
@Interessierter Leser
Es ging mir in dem von Ihnen zitierten Zusammenhang um die strafrechtliche Erheblichkeit der Verletzung, die zunächst aber eine Verletzung voraussetzt und sich auch nicht allgemein beantworten lässt und ich das auch nicht versucht habe. Wäre ein Kind tatsächlich verletzt worden in seiner Anschauung, dann wäre die Erheblichkeit gewiss anders zu beurteilen als bei den Bademeistern, bei denen eine Verletzung an sich schon zweifelhaft ist.
Prof. Dr. Henning Ernst Müller kommentiert am Permanenter Link
Sehr geehrter "Interessierter Leser",
ich weiß nicht ob Sie ein Jurist sind. Deshalb ein kurzer Hinweis: Im StGB gibt es Tatbestände, bei denen die Strafbarkeit von einem bestimmten Erfolg abhängt. Das ist bei § 183a StGB der Fall. Es genügt nicht, dass möglicherweise ein fünfjähriges Kind etwas hätte sehen können, womit es nicht konfrontiert werden soll. Es muss tatsächlich so etwas eingetreten sein. Und auch das genügt nicht. Nach dem Tatbestand müssen die sexuellen Handlungen zumindest wissentlich oder gar absichtlich begangen worden sein, um öffentlich wahrgenommen zu werden. Es gibt eine große Anzahl potentiell gefährlicher Verhaltensweisen, die dennoch nur dann strafbar sind, WENN ein Erfolg eingetreten ist. Z.B. ist es ziemlich gefährlich (hat jedenfalls jährlich sehr viele Todesopfer zur Folge), wenn jemand im Straßenverkehr viel zu schnell fährt z.B. 80 km/h statt 50 km/h). Trotzdem wird dieses Verhalten grds. nur als Ordnungswidrigkeit verfolgt. Das weiß sogar Herr RA Dr. Wedel. Trotzdem behelfen Sie sich mit der Überlegung: Es hätte ja ein 5jähriges Kind zuschauen können. Diese Überlegung ist nicht strafrechtlich erheblich.
Sehr geehrter Herr Kolos,
auch Ihnen ein kurzer Hinweis, anschließend an obiges Beispiel: Natürlich braucht sich keiner zu wundern, dass Straßen, die geradezu dazu einladen, mit 80 km/h zu fahren, dann auch mit 80 km/h befahren werden. Dennoch kann ein Fahrer, der hier 80 fährt, obwohl nur 50 erlaubt sind, mit einem Bußgeld geahndet werden bzw. nach einem dadurch verursachten Unfall auch bestraft werden. Soll heißen: Die Angabe, dass die Erlebnisgrotte zum Sex "einlädt", bedeutet überhaupt nicht, dass er hier generell "erlaubt" ist.
Beste Grüße
Henning Ernst Müller
MT kommentiert am Permanenter Link
Er ist sogar nach Ordnungswidrigkeitenrecht verboten:
Eine Geldbuße nach OWi-Recht wäre m.E. im vorliegenden Fall die angemessene Verfolgungsvariante gewesen.
Erlauben Sie mir dazu die Anmerkung: Der Wille des Gesetzgebers ergibt sich (jedenfalls nach BVerfG) nicht allein aus der Gesetzesbegründung, sondern aus sämtlichen anerkannten Auslegungsmethoden.
Gast kommentiert am Permanenter Link
@ Herrn Kolos
Der Strip-Club ist ein besseres Beispiel als meines. Danke für den Hinweis.
Absolut richtig. Aber man muss sich doch fragen, ob die "naheliegende Zweckentfremdung" und die Kenntnis von dieser Zweckentfremdung nicht zu berücksichtigen sind. Wenn der Besuch eines Strip-Clubs durch eine moralisch empfindsame Person nicht zu einer Erfüllung des Tatbestandes führt, kann dann eine gezielte Videobeobachtung von GV zu einer Tatbestandserfüllung führen?
Möglicherweise relevanter Unterschied ist m. E. nur, dass das Betreiben eines Strip-Clubs grundsätzlich erlaubt ist, GV in der Öffentlichkeit - und entgegen einer Hausordnung - nicht. Mir scheint aber diskussionswürdig, ob das wirklich einen Unterschied ausmacht. Wäre bspw. relevant, ob der Strip-Club bau- und gewerberechtlich zulässig ist? Oder vielleicht sogar in einem fremden Haus ohne Erlaubnis des Hauseigentümers betrieben wird? Wohl eher nicht.
Ich will nicht abschließend die Meinung vertreten, dass eine Tatbestandserfüllung hier unmöglich wäre - der Vergleich mit dem nicht genehmigten Strip-Club ist zu schräg. Aber die Frage müsste m. E. in einem Strafverfahren auf jeden Fall diskutiert werden, bspw. könnte man ermitteln, ob denn die tatsächlichen Betroffenen wirklich in ihren Gefühlen verletzt wurden und wenn ja, wieso sie sich denn dieser Verletzung offenbar wiederholt und gezielt aussetzen. Da scheint mir ein Problem verborgen zu sein, dem größere Bedeutung beigemessen werden sollte als der Frage, ob der Angeklagte 15 min zu spät zum Termin erscheint (akademisches Viertel nur für Akademiker?).
Interessierter Leser kommentiert am Permanenter Link
Sehr geehrter Prof. Müller,
vielen Dank für Ihre Hinweise.
"Die Angabe, dass die Erlebnisgrotte zum Sex "einlädt", bedeutet überhaupt nicht, dass er hier generell "erlaubt" ist."
Nicht mehr wollte ich mit meinem spitz formulierten Beitrag zum Ausdruck bringen, um einer allgemein gehaltenen Behauptung zu begegnen.
Nur weil im konkreten Sachverhalt kein Erfolg herbeigeführt wurde, heißt dies nicht im Umkehrschluss, dass ein solcher Erfolg in einer Erelebnisgrotte per se nicht herbeigeführt werden kann und wenn doch, dass er aufgrund der Lage der Dinge hingenommen werden müsste.
"Absicht" ist "Kevin" und seiner Freundin sicher nicht zu unterstellen. Dass ihre Handlungen aber nicht "wissentlich" in Bezug auf einen möglichen Taterfolg geschahen, kann ich hier nach Lage der Dinge nicht unterstellen.
Hinsichtlich des ausgebliebenen Taterfolgs und damit der Verneinung des Strafbarkeit nach § 183a StGB bin ich Ihrer Meinung.
Einerseits, and... kommentiert am Permanenter Link
An bestimmten Orten, zu denen Kinder keinen Zutritt haben, kommt es öfters auch vor den Augen (erwachsener) Dritter zu sexuellen Handlungen (etwa bei Rock-Musik-Konzerten, Rocker-Treffen, Swinger-Treffen, in Porno-Kinos, in manchen Bordellen, an manchen Autobahn- bzw. Waldparkplätzen).
Ein zwingendes Bedürfnis und eine überzeugende Rechtfertigung, all diese freizügigen Päärchen strafrechtlich zu verfolgen, sehe ich nicht.
Wenn ein Erwachsener gegen seinen Willen derartiges Geschehen sieht, wird er regeläßig so souverän sein, wegzuschauen, und sich nicht weiter stören uder belästigen zu lassen.
An Orten, zu denen Kinder Zutritt haben, und die regelmäßig auch von Kindern (meist sogar ohne Begleitung ihrer Eltern) besucht werden, dürfen solche Verhaltensweisen jedoch nicht toleriert werden, selbst wenn der konkrete Vorfall (wohl mehr oder weniger zufällig) nicht von einem Kind wahrgenommen wird.
Kinder können mit derartigen Wahrnehmungen nicht so souverän und selbstbeherrscht und überlegt und willensgesteuert umgehen wie Erwachsene, und könnten daher, je nachdem wie sensibel sie sind, verstört oder traumatisiert werden.
Das Erwachsene durch ungewollte Wahrnehmung von sexuellen Handlungen verstört oder traumatisiert würden, mag vielleicht in der gesellschaftlichen und psychologischen Realität vor über hundert Jahren (als das Strafgesetzbuch geschrieben wurde) in Betracht gekommen sein, aber heute, im Jahre 2015, erschiene solch eine Befürchtung doch wohl unrealistisch und lebensfremd.
Gast kommentiert am Permanenter Link
Im konkreten Fall waren keine Kinder anwesend. Nur darauf kommt es an - Erfolgsdelikt.
Auch dass überhaupt eine Gefahr für die Anwesenheit von Kindern bestand, ist offen. Hätten diese überhaupt in die Grotte gelangen können/dürfen? Wenn ja, ab welchem Alter? Es erscheint jedenfalls möglich, dass sie sich im Schwimmer-/Erwachsenenbereich befand.
Und ob Kinder durch Unterwasser-GV zweier betrunkener Jugendlicher ernsthaft verstört würden... naja. Mehr als durch das übrige Verhalten solcher Kandidaten? Mehr als durch allerlei andere Eindrücke, denen wir sie bedenkenlos aussetzen? Ich bin kein Experte darin, aber ich habe Zweifel. Bevor "die Kinder, die armen armen Kinder" als Totschlagargument herangezogen werden, sollte man sich m. E. besinnen, wie freizügig die Welt heute ist.
Waldemar Robert Kolos kommentiert am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Professor Müller,
natürlich liegt in der Verlockung der Anlage keine Erlaubnis zum Sex in Öffentlichkeit. Das braucht es auch nicht. Anders als die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr in Ihrem Beispiel steht die Teilnahme am Sexualverkehr "in Öffentlichkeit" nicht unter Erlaubnisvorbehalt. Sex in Öffentlichkeit ist nicht generell verboten und braucht daher auch nicht erlaubt zu werden.
Dagegen könnte man - wie MT - den 118 OWiG einbringen. Unter Ungebühr oder groben Unfug lässt sich doch aber alles Mögliche fassen - wie auch unter die öffentliche Ordnung: einem augsburger Richter frech widersprechen, zu spät zum VT erscheinen, frech zu Polizisten und Aufsichtspersonal sein, u.a.. Also etwas mehr Kritik bei Anwendung des 118 OWiG wäre nicht unangebracht. Ich habe jedenfalls erhebliche Zweifel, ob darin ein generelles Verbot von öffentlichen sexuellen Handlungen enthalten ist. Bestimmtheitsgebot und Übermaßverbot sprechen m.E. dagegen.
Besten Gruß
Waldemar Robert Kolos
@MT
In der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers ist aber doch etwas anderes als der subjektive Wille des Gesetzgebers in historischer Auslegung, der den Gesetzesmaterialen entnommen werden kann.
Waldemar Robert Kolos kommentiert am Permanenter Link
@MT
Zu 118 OWiG und 360 Abs. 1 Nr. 11 StGB a.F. aus BVerfGE 26, 41 (Beschluss vom vom 14. Mai 1969):
http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv026041.html
Gast kommentiert am Permanenter Link
http://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg-land/Anwalt-von-Therme-Sex-...
es gibt eine Fortsetzung der Geschichte
Gast kommentiert am Permanenter Link
und noch eine Frage: Ist es öffentlich, wenn keiner da ist, außer der Unterwasserkamera?
GaSt65 kommentiert am Permanenter Link
Ich bin nur Laie.
Aber zu dem "die-armen-Kinder"-Argument muss doch auch noch gefragt werden, ob die beiden überhaupt weiter gemacht hätten, wenn Kinder in der Nähe gewesen wären - mal abgesehen davon, dass keine Kinder da waren. Das was-wäre-passiert-wenn kann doch nicht in ein Urteil einfließen (solange man das Verhalten rechtzeitig hätte abstellen können).
Offensichtlich haben die beiden ja nun einen Anwalt, der gegen die Härte des Urteils vorgehen möchte - was ich richtig finde. Am besten wären die beiden wohl beraten gewesen, wenn sie von Anfang an rechtlichen Beistand gehabt hätten. Im verlinkten Artikel dazu wird indirekt gesagt, dass ein Richter hätte unterbrechen und die beiden über die Spielregeln aufklären können: stimmt das so?
Dann empfände ich das Urteil als noch schlimmer: natürlich hat sich Kevin-Justin nicht richtig verhalten vor Gericht - wieso wird er dafür härter bestraft, als jemand, der z.B. "reue" zeigt, die er gar nicht empfindet, sondern nur taktisch klug vorgehen möchte.
Ich habe mich übrigens gewundert, dass im Artikel darüber, dass es einen Anwalt gibt, nichts dazu steht, ob er auch die Blöd verklagen möchte. Wäre das nicht ein zwingender Schritt?
Bei dieser "Zeitung" könnte ich mir auch vorstellen, dass sie den beiden gesagt haben: "zeigt uns doch mal die Bilder, so könnt ihr doch allen beweisen, dass es nicht so schlimm war und Euren Ruf wieder herstellen..." Dann wären sie es selbst gewesen, die das Video weiter gegeben hätten. (wobei ich nicht weiß, ob man als Beklagter ohne Anwalt so ein Video überhaupt gehabt hätte?)
Manchmal tun mir die heutigen Jugendlichen leid: die ganzen technischen Neuerungen (die natürlich auch sehr positive Auswirkungen haben) wie Handys mit (Video)Kameras, Internetmöglichkeiten.... haben nicht nur Vorteile. Hier müsste viel mehr Aufklärung/ Erziehung erfolgen.
Ich bin jedenfalls froh, dass es zu meiner Zeit noch keine Unterwasserkameras gab :D
(ok - teilweise wurde das Knutschen im Freibad schon als öffentliches Ärgernis angesehen - da waren Bademeister aber auch noch Götter in Badehosen...)
Danke übrigens allen für die Diskussion hier; es ist doch erstaunlich, wie sehr man (als Laie) seine Ansicht ändern kann, wenn man ein wenig weiter liest.
Lionel Hutz kommentiert am Permanenter Link
Es steht jederzeit im Ermessen des Richters eine Pause zu machen oder eine Zurechtweisung zu erteilen. Das ironische an der Sache ist ja, dass der Richter "Kevin" qua sitzungspolizeilicher Maßnahme ja tatsächlich für maximal 24h direkt hätte einsperren lassen können. Das Benehmen vor Gericht mag man in sehr sehr eingeschränktem Umfang in die Strafzumessung einfließen lassen. Den Ärger über unangemessenes Verhalten in der Sitzung aber zum Anlass zu nehmen, aus ein oder zwei Freizeitarresten (die auch völlig unverhältnismäßig sind, falls hier überhaupt der Tatbestand verwirklicht wurde) zwei Wochen Dauerarrest zu machen, geht einfach nicht.
MT kommentiert am Permanenter Link
Warum maximal 24h? Abgesehen vom Verhältnismäßigkeitsproblem ist bei "Ungebühr" Ordnungshaft von bis zu einer Woche zulässig, § 178 GVG. Oder übersehe ich da etwas?
MT kommentiert am Permanenter Link
@ Waldemar Robert Kolos
Die zitierte BVerfG-Entscheidung bestätigt, dass sogar die noch weniger bestimmte Vorgängervorschrift von § 118 OWiG verfassungsgemäß ist.
Der § 118 OWiG schützt u.a. das Schamgefühl (OLG Karlsruhe, "Nacktjoggen", https://dejure.org/2000,4737). Zwar ist bei der Beurteilung, was eine grob ungehörige Handlung ist, auch der gesellschaftliche Wandel zu bedenken. Es gehört jedoch noch immer zum allgemein anerkannten gesellschaftlichen Minimum, in einem öffentlichen Schwimmbad keinen Geschlechtsverkehr vorzunehmen. Auch wenn in einem Schwimmbad "viel Haut" gezeigt wird (und werden darf), ist das Entfernen von Kleidung, die Geschlechtsteile bedeckt, nicht allgemein gesellschaftlich akzeptiert. Jedenfalls bei Geschlechtsverkehr, der noch mehr als die bloße Nacktheit das Schamgefühl der Allgemeinheit tangiert, ist dann die Grenze zum gesellschaftlichen Minimum überschritten. Auf eine entgegenstehende Beurteilung besonders freizügiger Kreise kommt es - ebenso wie auf die Beurteilung besonders prüder Kreise - nicht an.
Im Rahmen des § 118 OWiG kommt es ebenfalls nicht darauf an, ob die grob ungehörige Handlung überhaupt wahrgenommen wird (OLG Karlsruhe, a.a.O.), da es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt ("die geeignet ist").
Waldemar Robert Kolos kommentiert am Permanenter Link
Ja, "hinreichend genau umschrieben", jedenfalls nach dem Stand von 1969. Aber die Begründung ist doch nicht schlecht, oder? Jedermann soll vorhersehen können, welches Handeln mit Bußgeld sanktioniert wird und sein Verhalten entsprechend einrichten können, weil das Reichsgericht schon 1898 groben Unfug definiert habe.
Bekleidungszwang in Öffentlichkeit ist auch m.E. eine ungeschriebene Regel der öffentlichen Ordnung, die als unerlässliche Voraussetzung gesellschaftlichen Zusammenlebens betrachtet wird. Bei Missachtung wird sie verletzt. Mit der Konstruktion der Gefährdung durch das OLG Karlsruhe muss man aber nicht einverstanden sein. Es ist völlig unverständlich, wie eine Gefahr für das Zusammenleben bestehen soll und welcher Gefahrenbegriff zugrunde gelegt wird, wenn eine Verhaltensregel in Öffentlichkeit verletzt wird, die dem Schutz des Schamgefühls dienen soll, die Nacktheit des Betroffenen aber von niemandem gesehen wird. Das gilt übrigens auch für Sex in Öffentlichkeit, den niemand zu sehen bekommt. Es gibt zwar keine statistischen Erhebungen, aber man kann sich doch vorstellen, dass jederzeit unzählige Pärchen auf abgelegenen, aber der Öffentlichkeit zugänglichen Plätzen Sex z.B. im Auto haben, den niemand sieht aber jedermann sehen könnte, der dort wäre. Wieso sollte denn das das gesellschaftliche Zusammenleben beeinträchtigen? Das leuchtet mir nicht ein.
Dann stellt sich noch die Frage der Verhältnismäßigkeit. Sex in Öffentlichkeit fällt in das sexuelle Selbstbestimmungsrecht. Um in dieses Recht einzugreifen, bedarf es schon eines guten Grundes.
MT kommentiert am Permanenter Link
Das kann man natürlich so sehen - dann müsste man aber auch etwa gegen die polizeiliche Generalklausel dieselbe Kritik anbringen. Man kann m.E. schon mit Recht sagen, dass sich höchstrichterliche Rechtsprechung "herumspricht". Jedenfalls ist das heute kein Argument mehr gegen § 118 OWiG, weil die RGH Definition vom "groben Unfug" in den Tatbestand aufgenommen wurde (http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/07/005/0700550.pdf#354).
Ich weiss nicht ganz, was Sie unter Bekleidungszwang verstehen. Es geht bei § 118 OWiG um das absolute Minimum, das allgemein vorausgesetzt wird. Ein kurzer Rock dürfte allgemein genausowenig als "grob ungehörig" angesehen werden wie ein Mann mit nacktem Oberkörper. Das Bedecken von Geschlechtsteilen in der Öffentlichkeit dagegen gehört wohl ohne Zweifel zum Mindestmaß der Regeln, deren Einhaltung von jedermann verlangt werden kann.
Das OLG subsumiert nicht unter die Gefährdungsalternative, sondern unter die Belästigungsalternative des § 118 OWiG ("die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden"). Auf eine eventuelle Problematik beim Gefährdungsbegriff kommt es damit nicht an. Dass die Nacktheit von niemandem gesehen werden muss hat nichts mit der Rechtsprechung des OLG zu tun, sondern ist allein der Eigenschaft des § 118 OWiG als abstrakem Gefährdungsdelikt geschuldet.
Zunächst mal geht es vorliegend nicht um abgelegene Plätze, sondern um ein öffentliches Schwimmbad. Dort kann es ganz offensichtlich dazu kommen, dass die Allgemeinheit von Geschlechtsverkehr in allgemein zugänglichen Badebereichen belästigt wird - wer würde sich schon zu dem Pärchen in die Erlebnisgrotte setzen, wenn es gerade den "Akt" vollführt?
Nur weil Geschlechtsverkehr in einem öffentlichen Schwimmbad bußgeldbewehrt ist, gilt das noch lange nicht für Geschlechtsverkehr an abgelegeneren Orten. Es kommt im Einzelfall immer darauf an, ob das jeweilige Verhalten "grob ungehörig" ist. Das OLG weist darauf hin, dass etwa Nacktheit an einem Nicht-FKK Badestrand möglicherweise schon gesellschaftlich akzeptiert ist und damit nicht unter den § 118 OWiG fällt. Ähnliches muss für Geschlechtsverkehr an abgelegenen Orten gelten. Will man den Tatbestand partout nicht ablehnen, kann man in solchen Fällen mit der Verhältnismäßigkeit argumentieren.
Den Geschlechtsverkehr in einem öffentlichen Schwimmbad mit einer Geldbuße (!) zu ahnden, halte ich aber keinesfalls für unverhältnismäßig.
Ich habe meine Zweifel, ob das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung das Recht umfasst, sexuelle Handlungen in der Öffentlichkeit vorzunehmen. Jedenfalls aber ist das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der übrigen Schwimmbadbesucher die Grenze eines solchen Rechts.
Waldemar Robert Kolos kommentiert am Permanenter Link
@MT
Ich denke, man kann nicht generell sagen, dass der Tatbestand des 118 OWiG die Eignung für eine Belästigung oder Verletzung der Allgemeinheit genügen lässt und es daher nicht darauf ankomme, ob die Nacktheit oder eine sexuelle Handlung von anderen tatsächlich wahrgenommen werde. Denn es ist durchaus möglich, dass die ungeschriebene Regel der Gemeinschaftsordnung das Erfordernis einer solchen Wahrnehmung bereits enthält und es daher schon an der ungehörigen Handlung fehlt, wenn sie nicht wahrgenommen wird. Die ungeschriebene Gemeinschaftsordnung kann also durchaus höhere Anforderungen an die Zuwiderhandlung stellen.
Nacktheit oder sexuelle Handlungen allein stehen nicht im Widerspruch zur Gemeinschaftsordnung. Es bedarf also schon weiterer Kriterien, um die Verletzung einer ungeschriebenen Regel der öffentlichen Ordnung anzunehmen, die für ein gedeihliches Zusammenleben der Rechtsgemeinschaft sich quasi von selbst verstehen. Ich denke, die Nacktheit und der Sex anderer interessiert uns herzlichst wenig und nimmt auf ein gedeihliches Zusammenleben überhaupt keinen Einfluss, solange niemand damit unmittelbar konfrontiert und davon ungewollt betroffen wird. Wobei es tatsächlich nicht darauf ankommt, ob der oder die davon Betroffene(n) das lustig finden, irritiert sind, sich belästigt fühlen oder gar in ihrem Schamgefühl verletzt. Diesbezüglich reicht schon die tatbestandliche Eignung.
Eine unmittelbare Konfrontation anderer mit den sexuellen Handlungen des Pärchens hatte es nicht gegeben. Auch die Bademeister sind nicht unmittelbar mit den sexuellen Handlungen konfrontiert worden, sondern mittelbar über die Video-Überwachung. Es sind auch die Video-Aufnahmen, die diese sexuelle Handlungen aus dem Verborgenen erst in die Allgemeinheit getragen haben. Das ist schon merkwürdig. Denn eigentlich hätte man doch erwarten können, dass einer der Funktionen der Video-Überwachung auch darin liegen kann, sexuelle Handlungen in der Erlebnisgrotte durch das Personal unverzüglich zu unterbinden, um die Allgemeinheit vor Konfrontation und möglicher Belästigung zu schützen. Auch diesen Aspekt sollte man nicht übersehen, wenn man prüft, ob die sexuelle Handlungen nach den konkreten Umständen geeignet waren, die Allgemeinheit zu belästigen. Aber dazu kommt man - wie gesagt - erst dann, wenn überhaupt eine ungehörige, eine ungeschriebene Regel der Gemeinschaftsordnung verletzende Handlung vorlag.
Ich halte die Entscheidung des OLG Karlsruhe im Ergebnis auch nicht für falsch, sondern die Begründung scheint mir etwas schief geraten bzw. nicht differenziert genug. Aus der Urteilsbegründung ist auch zu entnehmen, dass es sehr wohl eine unmittelbare Konfrontation mit der Nacktheit des Nudisten gegeben habe und damit gegen eine ungeschriebene Gemeinschaftsregel verstoßen wurde. Die Erheblichkeit des Regelverstoßes, dass dadurch also außerdem das unverzichtbare und absolute Minimum der öffentlichen Ordnung in seinem Bestand beeinträchtigt wurde und die ungehörige Handlung daher auch "grob" war, das hätte m.E. besser davon getrennt begründet werden sollen.
tizian kommentiert am Permanenter Link
Ich möchte zwei Dinge anmerken:
1. Die Therme veranstaltet nach allem was ich gelesen habe, FKK-Events. Sprich unbekleidete Personen baden dort und werden in aller Nacktheit unter Wasser aufgezeichnet. Egal ob mit GV oder ohne. Das finde ich schon ziemlich grenzwertig, um es mal vorsichtig zu sagen, vor allem wenn man bedenkt, dass Aufnahmen dieser Kameras sogar in den Bezahlbereich der Zeitung mit vier Buchstaben geschafft haben. Ich will damit sagen, dieses Schwimmbad hat offensichtlich ein großes Problem, was die Sicherheit der angefertigten Aufnahmen angeht. Mal davon abgesehen, dass vielleicht auf die Kameras hingewiesen wird, wird dort auch darauf hingewiesen, dass diese unter Wasser sind und dass aufgezeichnet wird? Für mich ist das der eigentliche Skandal, der aber anscheinend überhaupt nicht medial aufgegriffen wird. Ich könnte mir auch vorstellen, wenn das wirklich öffentlich würde, die Therme dicht machen könnte, weil keiner mehr hingeht. Ein Schmerzensgeldanspruch der beiden ist auch nicht unrealistisch, übrigens auch von den ganzen anderen Besuchern dieser Therme (insbesondere der FKK-Gäste). Ich habe irgendwo gelesen, dass ein Badevereinsvertreter (?) bei BILD gesagt hat, das Aufzeichnen wäre ja unproblematisch, weil die Leute nicht zu erkennen wären. Darauf kommt es aber gar nicht an, a) wurden ja die beiden erkannt, sonst hätte man sie nicht verurteilen können aufgrund des Videos, b) reicht eine Zuordbarkeit der Bilder aus. Beispiel: An einem der FKK-Abende besuchen nur Frauen mit BH Größe sagen wir bis 80B das Bad und es gibt eine Frau, die 90D hat. Wenn ich dieses Wissen habe, kann ich die entsprechenden Aufnahmen dieser Frau zuordnen. Und es ist ein Unterschied, ob in einem Supermarkt oder im Schwimmbad unter Wasser aufgezeichnet wird, da ich den Supermarkt nicht nackt betreten darf (wie bei den FKK-Events das Schwimmbad).
2. Das Tatbestandsmerkmal "öffentlich" aus § 183a StGB finde ich aufs Äusserste hier pervertiert und das möchte ich einfach mal auch so klar sagen. Im Studium durfte ich mal auf Anregung meines Strafrechtsprofessors ein kleines Büchlein über die Auslegung der Tatbestände der Wehrkraftzersetzung durch den Volksgerichtshof lesen und im Gedächtnis blieb mir u.a., dass bereits Zweifel am Endsieg in einem Brief "öffentlich" sind, weil die Gefahr besteht, dass auch solche Aussagen publik werden. Wenn ich in einem halbwegs abgeschlossenen Rahmen (Grotte) in einem Schwimmbad unter Wasser Sex habe, ist das für mich nicht mehr öffentlich und die Auslegung des Gerichtes verstößt aus meiner Sicht eklatant gegen das Analogieverbot. Die beiden haben u.a. ein Hausverbot verdient, sich vielleicht nach § 123 StGB strafbar gemacht, aber § 183a StGB anzuwenden ist ein rechtshistorischer Fauxpax erster Güte!
Und nochmal abschließend: Der wahre Skandal sind die Unterwasseraufnahmen. Jeder, der in der Therme war, sollte mal daran denken, was für "tolle" Momente er den betrachtenden (und aufzeichnenden) Bademeistern beschert hat!
Waldemar Robert Kolos kommentiert am Permanenter Link
Zum Öffentlichkeitsmerkmal des 183a StGB aus LK Laufhütte/Roggenbuck (s.o.):
Die Öffentlichkeit der Therme genügt also nicht ohne weiteres. Vielmehr müssen die Grotte und der Unterwasserbereich, in dem sich das Paar aufhielt, so beschaffen sein, dass das, was sie da im Wasser getan haben sollen, als sexuelle Handlung von unbestimmten und unbestimmt vielen Badegästen hätte wahrgenommen werden können. Sehr fraglich.
Video-Aufzeichnungen sind nicht die "Öffentlichkeit" und dürften sich in der Regel - wenn überhaupt - dann nur beschränkt als Beweis eignen, allenfalls nur mit Hilfe eines Sachverständigen und bei Einbeziehung der Kamera-Perspektive einschließlich ihrer technischen Ausstattung (Objektivgröße, Zoom-Funktion u.a.).
Nun kommt es zwar auf die "Öffentlichkeit" der Handlung nicht an, wenn der tatbestandliche Erfolg nicht eingetreten ist und niemand in seinem "Schamgefühl", in seiner "Anschauung" oder in seiner sexuellen Selbstbestimmung tatsächlich verletzt wurde. Um so mehr gibt die Anwendung des 183a StGB Rätsel auf.
Das Öffentlichkeitsmerkmal ist außerdem noch bei Anwendung des 118 OWiG relevant. Es wurde zwar kein Bußgeld verhängt. Wenn wir aber schon bei dem Thema "Sex in Öffentlichkeit" sind, dann stellt sich jedenfalls aus rein juristischem Interesse die Frage, ob eine Ordnungswidrigkeit begangen wurde. Ich bezweifle das.
Sex in einem öffentlich zugänglichen Schwimmbad gehört sich nicht. Das ist zwar auch meine persönliche Meinung. Auch wenn dies die gefühlte Mehrheitsmeinung sein dürfte, lässt sich damit aber noch keine ungeschriebene Regel der Gemeinschaftsordnung aufstellen, die ein sozial relevantes und nach außen in Erscheinung tretendes Verhalten erfordert. Auch hierfür dürfte die Öffentlichkeit des Ortes allein nicht genügen. Es braucht schon mehr Indikatoren, um den Inhalt einer ungeschriebenen Regel der "öffentlichen Ordnung" zu konkretisieren: "Medien, Demoskopie, Behördenpraxis, Rechtsprechung, Äußerungen von Fachleuten etc." (Schoch, BesVerwR - Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 132).
Die Stellungnahme des Betreibers belegt die Erfahrung, dass es in Schwimmbädern immer wieder zu sexuellen Handlungen komme. In der Praxis werde daraus aber kein Drama gemacht. Die Betroffenen werden lediglich aufgefordert, das zu unterlassen. Ich denke, darin dürfte auch die Toleranz der Allgemeinheit stecken, solange Badegäste mit den sexuellen Handlungen nicht unmittelbar konfrontiert werden.
Man mag es kaum glauben. Aber das konservative Bayern hatte rechtsgeschichtlich wohl schon seit Urzeiten eine im Vergleich zu Preußen und seinen Provinzen hohe Toleranzgrenze nicht nur für den gleichgeschlechtlichen Sex, sondern auch für Sex im Freien. Das konservative Bayern war wohl diesbezüglich der Zeit weit voraus. Und ausgerechnet dort soll die Rechtsgemeinschaft die preußische Strenge als ungeschriebene Regel übernommen haben? Das kann ich mir einfach nicht vorstellen.
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