Chefsekretärin nicht erkannt - abgemahnt

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 29.12.2014
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtAbmahnung3|4789 Aufrufe

Um eine etwas bizarre Abmahnung stritten die Parteien vor dem ArbG Gelsenkirchen. Die Klägerin arbeitet in der Patientenaufnahme des beklagten Krankenhauses. Dort melden sich die Patienten an - es sei denn, sie haben (mit einer Zusatzversicherung oder als Privatpatienten) einen Termin beim Chefarzt. Dann gehen sie direkt in dessen Büro, die Sekretärin des Chefarztes übernimmt die Formalitäten und damit auch die Anmeldung. Als sie mit Patientenakten des Chefarztes in der Anmeldung stand, um diese durchzuführen, erkannte die Klägerin sie nicht. "Wer sind Sie denn?" war ihre Frage. Das Rätsel ließ sich zwar schnell aufklären, die Sekretärin aber war offenbar so pikiert, dass sie den Vorfall "nach oben" berichtete. Von dort kam dann die Abmahnung - gegenüber der Mitarbeiterin, die seit vier Jahren in dem Krankenhaus tätig ist, seit sechs Monaten halbtags in der Patientenaufnahme.

Es dürfte kaum überraschen, dass die Klage auf Entfernung der Abmahnung Erfolg hatte. "Ich kann keine Pflichtverletzung erkennen" wird der Kammervorsitzende in der örtlichen Presse zitiert. Und der Anwalt der Klägerin ergänzt: Angesichts der Arbeitsdichte im Bereich der Klägerin könne von ihr nicht erwartet werden, sich wöchentlich über personelle Veränderungen in der Leitungsebene zu informieren. Vielmehr müsse sich wohl der Organisationsablauf des Krankenhauses verbessern.

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3 Kommentare

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Warum wundert es mich nicht, dass dies in einem "christlichen" Krankenhaus geschehen ist ...

Besteht in einem solchen Fall eigentlich Anspruch auf Schadenersatz bzw. Schmerzensgeld wegen Verstoß gegen das Schikaneverbot?

"Angesichts der Arbeitsdichte im Bereich der Klägerin könne von ihr nicht erwartet werden, sich wöchentlich über personelle Veränderungen in der Leitungsebene zu informieren."

Die Sekretärin des "Chefs" zur Leitungsebene zu zählen, ist m. E. irgendwie kurios. Der ganze Fall scheint mir darauf zu basieren, dass nicht vorhandene Kenntnis über das Aussehen der "Chefsekretärin" für mangelnden Respekt gegenüber dem Chef gehalten wurde.

Eine Frage drängt sich m. E. bei dem Bericht auf: Wird denn in dem Krankenhaus mit Lichtbild über das Personal berichtet? Oder woher sollte sich die Betroffene über das Aussehen der Chefsekretärin informieren? Sollen alle Mitarbeiter bei neuen Beschäftigten einmal zum Beschnüffeln vorbeisehen, bis man sich das Gesicht gemerkt hat? Oder hat jeder einen Bildband im Regal stehen, wo man nachschlagen kann, bevor man - welch unerhöhrte Idee - das unbekannte Gesicht selbst nach dem Namen fragt?

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