Gefährliche KV durch Anfahren des Motorrads? Manche rechtlichen Lösungen kann man wohl nur als Jurist verstehen...

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 04.02.2014
Rechtsgebiete: BGHStrafrechtVerkehrsrecht6|9176 Aufrufe

Einen ähnlichen Sachverhalt hatte ich schon mal im Blog: Der Angeklagte fährt gezielt einen Motorradfahrer an, der dann stürzt und sich verletzt. Natürlich denkt da jeder (neben Verkehrsstraftaten) auch an eine gefährliche KV. Der BGH hat da nun wieder einmal richtig stellen müssen, wie er es sieht:

Die Verurteilung des Angeklagten P. im Fall B.3. der Urteilsgründe (auch) wegen gefährlicher Körperverletzung hat keinen Bestand.
a) Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen fuhr der Angeklagte mit seinem Pkw von hinten absichtlich auf das vom Zeugen Pö. gesteuerte Motorrad auf, wodurch dieser zu Sturz kam. "Durch" den Sturz erlitt der Zeuge einen Rippenbruch sowie weitere Verletzungen.

b) Diese Feststellungen belegen die vom Landgericht - ohne Subsumtion zu den in dieser Vorschrift genannten Tatalternativen - bejahte gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 StGB nicht.
Einer Verurteilung nach dem in der Liste der angewendeten Vorschriften insofern allein aufgeführten § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB steht die Rechtsprechung des Senats entgegen, wonach in Fällen, in denen eine Person nach einem ge-zielten Anfahren mit einem Kraftfahrzeug stürzt, die Annahme einer gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB voraussetzt, dass bereits durch den Anstoß eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens und damit eine körperliche Misshandlung gemäß § 223 Abs. 1 StGB ausgelöst worden ist. Erst infolge des anschließenden Sturzes erlittene Verletzungen, die nicht auf den unmittelbaren Kontakt zwischen Kraftfahrzeug und Körper zurückzuführen sind, können dagegen für sich allein die Beurteilung als gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht tragen (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 30. Juli 2013 - 4 StR 275/13 [juris Rn. 12] mwN).
Feststellungen, die eine Verurteilung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB rechtfertigen könnten, hat das Landgericht weder zur objektiven noch zur subjektiven Tatseite getroffen.

c) Das Verhalten des Angeklagten erfüllt jedoch den Tatbestand der Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB.

BGH, Beschluss  vom 14.1.2014 - 4 StR 453/13 

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6 Kommentare

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Diese Rechtsprechung habe ich auch noch nie verstanden, zumal es für diese - vermeintlich dogmatische - Feinansicht nicht das geringste wertungsmäßige Bedürfnis gibt. In der Literatur (z.B. MüKo/Hardtung) werden überzeugende Gegenansichten vertreten, mit denen sich der BGH nicht einmal auseinandersetzt - schade!

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Dies bedeutet aber, dass, wenn ein Bein auf dem Pedal des Kraftrades von der Stoßstange getroffen wird, schon eine gef. KV vorliegen kann.

Im Übrigen aber nicht nachvollziehbar diese Rechtsprechung.

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Jemand steht auf einem Stuhl. Er sieht mich.

Ich trete den Stuhl um. Die Person stürzt und verletzt sich beim Sturz. -> Ganz klar § 223 StGB

Alternativ bringe ich den Stuhl durch den Anstupsen mit einem Baseballschläger zu Fall. -> Bleibt doch auch § 223 StGB. Niemand wird ernsthaft auf § 224 StGB plädieren.

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Meines Erachtens besteht sehr wohl das Bedürfnis einer Differenzierung, wann die Körperverletzung "mittels" des Werkzeugs begangen wurde und wann nicht. Das kann (wie allg. im Strafrecht) in Grenzfällen zu schwer verständlichen Entscheidungen führen. Ist z.B. nur "der harte Boden in Kombination mit der Gravitation das Gefährliche" (Zitat MüKo/Hardtung §224 StGB Rz. 24), dann darf es auch nach Hardtung keinen Unterschied machen, ob man jemanden mit den Händen vom Motorrad schubst oder per Einsatz eines KfZ oder anderen Werkzeugs. Man kann also § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB in diesen Fällen davon abhängig machen, ob die Energie des fahrenden KfZ die Sturzgefährlichkeit erhöht hat (so Hardtungs Differenzierung) oder davon, ob das Wekzeug mit dem Körper des Opfers in Berührung gekommen ist (so der BGH) - m.E. ist letzteres  in der Praxis etwas leichter handhabbar. Aber ganz ohne eine solche Prüfung wird es in den umstrittenen Fällen nicht gehen. Oder man legt das Analogieverbot ad acta. Ich denke, das will nicht einmal Herr RA Stroecker. 

 

Mal angenommen es kommt jetzt zum Verfahren, kann dann der Fahrer des Autos seine Rechtsschutzversicherung nutzen? Hier (Quelle) steht es ja eigentlich so aber ist das dann nicht schon Strafrecht?

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