Wechselmodell - nur auf dem Papier

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 14.06.2013
Rechtsgebiete: Familienrecht6|6758 Aufrufe

Die Mutter ist Lehrerin, der Vater Polizeibeamter. Sie verdienen etwa gleich viel. Hinsichtlich ihrer Tochter schlossen sie folgende notarielle Vereinbarung.

„Bezüglich der gemeinsamen Tochter A, geb. ...2001, vereinbaren die Parteien für die Zeit des Getrenntlebens und für die Zeit nach einer etwaigen Scheidung die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge. Diese soll nach dem sogenannten „Wechselmodell“ ausgeübt werden, bei dem die gemeinsame Tochter A weiterhin wie bisher durch beide Elterneile in ungefähr gleichwertigem Umgang betreut wird.“

Weitere Absprachen, insbesondere zu der finanziellen Ausstattung des Kindes, enthält die Vereinbarung nicht. Der Vater hat für A in seinem Haushalt ein Kinderzimmer eingerichtet, er trägt sämtliche Umgangskosten im Sinne der Fahrtkosten allein. Die übrigen Kosten für das Kind (Kleidung, sportliche Aktivitäten, Musikunterricht, Schulmaterialen, Krankenversicherung etc.) trägt die Mutter.

Der Vater kann – bedingt durch seine Arbeitszeiten als Polizeibeamter – nicht an lange Zeit vorab feststehenden Wochentagen für die Tochter zur Verfügung stehen, sondern teilt jeweils mit, an welchen Tagen er sie abholen kann. Hier kommt es auch zu Verschiebungen, wenn der Schichtplan es erforderlich macht, dass der Vater kurzfristig eingeteilt wird. Der Schichtplan ist der Kindesmutter nicht bekannt. Die Kindesmutter, die in der gleichen Schule arbeitet, die A besucht, steht jederzeit für die Betreuung zur Verfügung.

Das OLG kommt zu dem Schluss, dass damit ein „echtes“ Wechselmodell nicht vorliegt, da

a) die Eltern sich über die finanziellen Bedürfnisse des Kindes und finanziellen Folgen nicht geeinigt haben

b) die Betreuungszeiten durch die Mutter überwiegen.

Damit ist – nach Auffassung des Senats – der Vater barunterhaltspflichtig.

Dem erweiterten Umgangsrecht des Vaters trägt das OLG dadurch Rechnung, dass es ihn in der Düsseldorfer Tabelle um eine Einkommensstufe herabstuft (konkret unterlässt es die Heraufstufung wegen nur eines Unterhaltsberechtigten)

OLG Frankfurt v. 06.03.2013 – 2 UF 394/12

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6 Kommentare

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Sehr geehrter Herr Burschel,

 

diesen Beitrag finde ich höchst spannend. Insbesondere die Berücksichtigung der Umgangsregelung auf den Unterhalt! 
Mir ist bekannt, dass dies in Deutschland als sittenwidrig eingestuft wird?!

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Da hat also das OLG dieses unsäglich rumeiernde, widersprüchliche Papier des DIJuF zu den Umgangskosten einbezogen, weil partout kein "echtes" Wechselmodell vorliegen darf, damit in jedem Fall im Ergebnis ein Zahlvater dingfest gemacht werden kann.

Dabei wäre es so einfach, die verfassungsnahe Rechtsfigur der "zeitweisen Bedarfsgemeinschaft" hier einzuführen (vgl. jüngst auch vom 12.06.2013, BSG - B 14 AS 50/12 R -) anstatt stets mit typischen familienrechtlichen Winkelzügen die Elternautonomie auszuhebeln.

 

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Nach kompletter Lektüre weicht die Verärgerung und es tritt komplettes Entsetzen bei mir ein.

Ich sehe im Urteil einen Frontalangriff auf die Elternautonomie und gegen die Gleichberechtigung bei partnerschaftlicher Kindererziehung.

Es dient wohl in erster Linie der Rettung der immer fratzenhafter werdenden, völlig unzeitgemäßen Logik der Düsseldorfer Tabelle und ihrer Leitlinien.

Was lese ich daraus:

1. Elternvereinbarungen sind völlig zwecklos und werden zur Herstellung eines Zahlungs- und eines Betreuungselternteils nach Belieben aufgehoben.

2. Wer den gefährlicheren, schichtbelastenden Beruf hat, verliert sehr wahrscheinlich gegenüber dem Elternteil mit dem regelmäßigen Beruf in geheizten Innenräumen die Gleichwertigkeit (und letztlich mehr oder weniger die Kinder.)

3. Umgangsbetreuung wird nicht wertgeschätzt und ist nahezu vollständig (aus steuerbelastetem Einkommen) selber zu bezahlen. Nur die Betreuungsleistung hat eine tabellarische Wertigkeit (und kann steuerfrei erbracht werden).

Da werden etliche sagen: Sonntagspapa ist genug. 1 Tag Umgang im Monat ist OK - soll sie doch ihre "Alleinerziehung haben". Andere, die keine Beamten sind und in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen oder Einkommensschwankungen haben, werden zuerst beim Umgang sparen müssen, wenn der Titel erstmal betoniert ist. Hier werden vornehmlich Väter mit der Liebe zu ihren Kindern eiskalt erpresst.

4. Von einem "echten" Kindeswohl kann bei dieser Rechtsprechung keine Rede mehr sein. Von gleichwertigen Lebensverhältnissen der Kinder bei beiden Elternteilen kann schon gar keine Rede sein.

Na ja, vielleicht muss der Polizist im Urteil mal die Alleinerziehende vor den gewalttätigen Kindern anderer Alleinerziehender schützen.... Er wird sich dann vielleicht an den Tag erinnern, an dem das OLG Ffm die Idee einer partnerschaftlichen, gleichberechtigten Kinderbetreuung ad acta gelegt hat.

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Gemäss OLG Frankfurt fährt der Vater somit am Besten, wenn er ausschliesslich Unterhalt zahlt und sich ansonsten so wenig wie möglich an allen Kinderbelangen beteiligt. Angesichts der nun mit einem Schlag entstandenen hohen Rückstände nebst Zinsen, die er jetzt an die mehr verdienende Mutter zahlen muss wird ihm auch gar nichts anderes mehr übrig bleiben. Die sagenhaft hohen 18 EUR (Vorsicht, Ironie), die ihm die Richter für seine fast hälftige Betreuung geringeren Unterhalt zugestehen werden das nicht ändern. Es lebe das Kindeswohl...

 

Wer mal sehen will, wie das unsere Nachbarn regeln: http://www.vos-droits.justice.gouv.fr/art_pix/table_reference_pa.pdf . Beispielrechnungen dazu dürften für die deutschen Unterhaltsrechtler recht überraschend sein, aber da das nicht Thema des Postings ist vertiefe ich das nicht weiter.

Die Entscheidung des OLG Frankfurt wirkt auf Kindeswohl wie ein Fremdkörper.

So heißt es im Ansatz der Entscheidung (meine Hervorhebung):

 

"Auf die notarielle Vereinbarung kann der Antragsgegner sich bereits nicht berufen, weil sie ausschließlich sorge- und umgangsrechtlichen Inhalt hat und daher keine Wirksamkeit entfaltet. Denn nur unter Mitwirkung eines Familiengerichts können Vereinbarungen über die elterliche Sorge wirksam werden. Es kommt daher auf die tatsächliche Ausgestaltung der Regelung durch die Eltern an."

 

 

Das ist schon im Ansatz grotesk falsch. Darauf kann nicht oft genug hingewiesen werden.

Es gibt keine wirksame Sorgerechtsvereinbarung, auch nicht unter Mitwirkung eines Familiengerichts. Das Sorgerecht kann nur kraft einer familiengerichtlichen Entscheidung geregelt werden. Dem steht nicht entgegen, dass das Familiengericht an die Elternvereinbarung gebunden ist und nur dann anders entscheiden darf, wenn die Vereinbarung dem Kindeswohl widerspricht.

Familiengerichtlich gebilligte Prozessvergleiche der Eltern über das Sorgerecht sind ein besonderes Übel einer sich seit vielen Jahren eingeschlichenen Gerichtspraxis, gegen das Gesetz. Zuletzt noch im Gesetzgebungsverfahren zum FamFG scheiterten die Länder und der Bundesrat an ihrem Vorhaben, diese Praxis verfahrensrechtlich zu legalisieren. Sie scheiterten zurecht.

Die Bundesregierung hat sehr deutlich darauf hingewiesen, dass dies mit Rücksicht auf die materiell-rechtlichen Vorgaben nicht geht. Damit scheint sie bei Familiengerichten immer noch auf Taubheit zu stoßen.

Also noch einmal: Regelungen des Sorgerechts sind nur kraft familiengerichtlicher Entscheidungen wirksam! (Die gesetzliche Regelungen ergänzend)

Gleichwohl ist die Elterneinigung um des Kindes willen gegen Eingriffe des Staates durch das Elternrecht geschützt und für Familiengerichte verbindlich. Sind sich die Eltern darüber einig, dass es für das Kind gut ist, wenn es bei ihnen beiden wohnt und nicht nur zu Besuch ist (Wechselmodell), dann gilt für das Gericht die Vermutung, dass es auch dem Kindeswohl entspricht.

Ohne kindeswohlwidrige Aspekte der Elternvereinbarung aber dargelegt zu haben, setzt sich das OLG Frankfurt über die Elternvereinbarung schlicht hinweg. Noch einmal:

 

"Es kommt daher auf die tatsächliche Ausgestaltung der Regelung durch die Eltern an."

 

 

Nein, nicht unbedingt!

Im Übrigen, steht die tatsächliche Ausgestaltung der elterlichen Sorge durch die Eltern nicht in einem solchen Widerspruch zu ihrer Vereinbarung, dass der Eindruck entstehen könnte, sie wäre nur zum Schein getroffen worden.

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