Die (gescheiterte) Flucht in die Privatinsolvenz

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 18.05.2012
Rechtsgebiete: PrivatinsolvenzFetststellungsklageFamilienrecht16|14570 Aufrufe

 

Manche Unterhaltsschuldner versuchen sich ihren Unterhaltspflichten dadurch zu entledigen, dass sie den Unterhalt nicht zahlen, anschließend in die Privatinsolvenz gehen und darauf hoffen, nach der Wohlverhaltensphase Restschuldbefreiung zu erhalten.

 

Aber: Ausgenommen von der Restschuldbefreiung sind gemäß § 302 InsO Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, sofern der Gläubiger die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Abs. 2 angemeldet hatte. Als „unerlaubte Handlung“ kommt im Bereich des Kindesunterhalts § 170 StGB (Verletzung der Unterhaltspflicht) in Betracht.

Der Unterhaltsgläubiger muss dann vor dem Amtsgericht Feststellungsklage (auch Attributsklage genannt) erheben. 

Das OLG Celle hat nunmehr entschieden, dass für eine solche Attributsklage das Familiengericht und nicht die Zivilabteilung des Amtsgerichts zuständig ist. Es könne nicht ernsthaft fraglich sein, dass auch die Feststellung der (auch) deliktischen Begründung bereits titulierter Unterhaltsansprüche eine Familiensache im Sinne von §§ 111 Nr. 4, 231 Nr. 1 FamFG darstellt. Der deliktische Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 170 StGB setzt zentral das Bestehen und die Verletzung einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung voraus. Insofern „betrifft“ das Verfahren Ansprüche aus gesetzlicher Unterhaltsverpflichtung, ohne dass es darauf ankäme, ob im konkreten Streit der Schwerpunkt darin oder auf anderen Rechtsgebieten läge.

Für den Unterhaltsschuldner bedeutet diese Zuordnung zum Familiengericht, dass er sich in dem Verfahren anwaltlich vertreten lassen muss.

Im vorliegenden Fall bejahte das OLG die Erfolgsaussichten der Atttributsklage und gewährte dem Unterhaltsgläubiger VKH:

 

Der entsprechende Vorsatz ergibt sich vorliegend vielmehr daraus, dass der Antragsgegner seine bewusste Nichtzahlung des Kindesunterhaltes auch in der Folgezeit nicht aufgab und bis zuletzt selbst keinerlei laufende Zahlungen erbrachte. Bereits nach der für vorläufig vollstreckbar erklärten amtsgerichtlichen Verurteilung konnte er von einem pauschalen Vorrang anderweitiger Zahlungsverpflichtungen in keinem Fall mehr ausgehen. Nach der Rücknahme seiner (Anschluss-) Berufung war bereits ein wesentlicher Teil der Unterhaltsverurteilung rechtskräftig, nach dem Senatsurteil vom 7. April 2009 stand seine Verpflichtung sogar in vollem Umfang endgültig fest. Dieses Verhalten des Antragsgegners schließt aus, dass die Nichtzahlung auf einem beachtlichen Tatbestandsirrtum hinsichtlich seiner Zahlungsverpflichtung beruhte.

 

OLG Celle v. 07.05.2012 - 10 WF 385/10

 
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16 Kommentare

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@ Herr Untermann:

 

Könne Sie mir kurz die Stelle zeigen, in der die "Justizministerin" (tatsächlich in der Rede: Staatssekräterin) "zugegeben" hat,  dass sie von den "lawinenartigen" "zeitweiligen Umzügen" in andere Länder genervt ist?

 

Im Übrigen dauert die Wohlverhaltensperiode seit 2001 nur noch sechs Jahre.

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@ Herr Untermann

 

Der Verweis auf "Schattenwirtschaft" meint aber eher, dass die meisten Schuldner bereit sind, ihr Einkommen durch Schwarzarbeit zu verbessern und dass diese Einkünfte ggü. den Gläubigern verschleiert werden. Inwiefern damit gemeint sein soll, dass die Schuldner "lawinenartige" "zeitweilig Umzüge" ins Ausland vornehmen, um dort von den kürzeren Wohlverhaltensperioden zu profitieren, erschließt sich mir immer noch nicht.

 

 

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@ Herr Untermann:

 

Für Ihre Auslegung gibt es in der Rede der Staatssekretärin (nicht Justizministerin! ) keinen Anhaltspunkt. Im Zusammenhang zitiert hieß es in der Rede wie folgt:

 

"Auf der einen Seite müssen wir berücksichtigen, dass eine vergleichsweise lange Wohlverhaltensperiode häufig zu Motivationsverlusten beim Schuldner führt. Für manche Schuldner sind sechs Jahre ein schier nicht zu überblickender Zeitraum.

Das fördert bei ihnen die Bereitschaft, in Bereiche der Schattenwirtschaft auszuweichen, so dass erzielte Einkünfte dem Zugriff der Gläubiger entzogen sind."

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Ich glaube, man sollte nicht vergessen, wie - zu einem großen Teil - Unterhaltsschulden zustande kommen!

 

Es werden fiktive Einkünfte angerechnet, die nicht real existent sind. Es gibt keine Berücksichtigung der real vorhandenen Verbindlichkeiten, jeder Unterhaltsschuldner - der meist schnell am Selbstbehalt rumknabbert - wird auf die Unwirksamkeit der Schulden verwiesen. Schließlich soll der Empfänger ja davon leben können. Verkannt wird auch oft, dass ehemals gemeinsame Schulden (von Ehepartnern) plötzlich nur dem einen Teil (zusätzlich zur Unterhaltszahlung) aufgebührt wird.

 

Wenn dann Zahlen zu lesen sind (vorsichtige Schätzungen, da Studien zu diesem Thema natürlich verpönnt sind), dass zwar 40% der Väter keinen Unterhalt zahlen, aber diesen etwa 85% der Unterhaltspflichtigen Mütter diesen es gleich tun ... wer will da nicht von einer einseitigen Rechtssprechung "zumindest" gedanklich ausgehen?

Gerade im Familienrecht beschleicht einen Laien (und Wähler des Systems) oft eine Parteienlastigkeit, wo sich Moral und Recht doch zuweit entfernen ...

Ich muss Herrn Untermann recht geben. Es erweckt den Eindruck, wie wenn grundsätzlich der Ausschluß einer Unterhaltsschuld aus der Restschuldbefreiuung gewollt ist. Da erscheint einem der Weg in die Sklaverei nicht mehr allzuweit.

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@ Mercum:

 

Worauf beruht Ihre Auffassung, dass die in der Ehezeit eingegangenen Verbindlichkeiten, die vom Unterhaltpflichtigen nach der Trennung weiter abbezahlt werden, keine Berücksichtigung bei der Berechnung des Unterhaltsbedarfs finden?

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Gast schrieb:

Worauf beruht Ihre Auffassung, dass die in der Ehezeit eingegangenen Verbindlichkeiten, die vom Unterhaltpflichtigen nach der Trennung weiter abbezahlt werden, keine Berücksichtigung bei der Berechnung des Unterhaltsbedarfs finden?

Vermutlich aus der Kenntnis der gängigen Unterhalts"recht"sprechung.

 

Nur dass es hier nicht um den Bedarf des Berechtigten geht, sondern um die fingierte Leistungsfähigkeit des Pflichtigen.

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Gast schrieb:

@ Mercum:

Worauf beruht Ihre Auffassung, dass die in der Ehezeit eingegangenen Verbindlichkeiten, die vom Unterhaltpflichtigen nach der Trennung weiter abbezahlt werden, keine Berücksichtigung bei der Berechnung des Unterhaltsbedarfs finden?

Die Antwort wurde von meinem Vorschreiber gegeben.

 

Mir sind viele Urteile sind mir bekannt, in denen - mit zum Teil abenteuerlichen Ausführungen - eine Leistungsfähigkeit fingiert wird. Gleiches gilt auch für eine ausgeurteilte Nebentätigkeit. Wenn man diese unter dem Gesichtspunkt der Lastenverteilung betrachtet, dann wir eine Mutter hier ungleich besser gestellt, da ihr unkritisch die Möglichkeit eröffnet wird ein Kind in eine Betreuung zu geben. Die hierbei eröffneten Freiräume werden als Erholung zugestanden. Ein Unterhaltspflichtigem kann zugemutet werden, einen (fiktiven) 400 Euro Job anzunehmen, obwohl er bereits 40 Stunden die Woche arbeitet und mit seiner Freizeit in der kleinen Konstellation an einen Selbstbehalt gedückt wird. Was soll ein (meist sind es diese) Vater denn auch mit Freizeit. Wenn man sich dann wieder Urteile ansieht, die einer Mutter eine Unterhaltslast aufbürgen soll, dann liest man zwischen den Zeilen wieder die Mitteilung, dass man einer Mutter die bereits Kinder verloren hat, nicht noch eine Unterhaltspflicht auferlegen kann.

 

Vielleicht ist es überspitzt dargestellt, da oft auch nur die extremen Fälle zum Vorschein kommen. Aber ebenso gibt es viele Fälle, wo Väter nicht einmal kämpfen, da sie eh keine Chance sehen. Oder aber einfach ihre Kinder lieben, und sie nicht in diesen Kampf hineinziehen wollen. Das dies ganze in juristischen Salben hübsch verpackt wird, lässt nicht vergessen, das hier selbst klare Gesetze umgedeutet werden und nicht dem Wählerwillen entsprechen.

Wer trägt die Schuld wenn dann irgendwann der berühmte Tropfen das Fass zum Überlaufen bringt?

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@ Mercum:

 

Es ging aber nicht um die Frage, nach welchen Kriterien fiktives Einkommen anzunehmen ist, sondern worauf sich Ihre Ansicht begründet, dass Schulden keine Berücksichtigung bei der Unterhaltsberechnung haben.

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Angebliche Leistungsfähigkeit wird nicht nur durch fingierte Einnahmen herbei phantasiert, sondern auch durch das Ignorieren von Aufwendungen und da zählt die einseitige Auflastung von ehemals gemeinsamen Lasten auf den Pflichtigen bei gleichzeitiger Verweigerung ihrer Berücksichtigung zu den gängisten Methoden der Justiz um möglichst viel Geld aus dem Pflichtigen zu pressen, bzw. ihn rettungslos im Schuldensumpf versinken zu lassen.

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Da ist es natürlich nur konsequent, wenn man diesem Drückeberger dann auch noch die "Flucht" in die Insolvenz vorwirft.

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Nach der Logik des Familienrechts ist es viel Verwerflicher, Schulden durch das Unterhaltsrecht zu haben, als sein Geld für Modeschnickschnack auszugeben.

 

Jemand der z.B. Spielschulden hat, kommt in den Genuß viel höherer Pfändungsfreigrenzen als jemand, der mit Hilfe familienrechtlicher Einkommensphantasien in den Ruin getrieben wurde.

Ein seelisch und finanziell zerstörter Vater im Knast oder unter einer Brücke, dem seine Kinder entzogen wurden dient ja schließlich dem Kindeswohl.

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@20:

 

Wegen § 762 BGB erscheint es sehr unwahrscheinlich, dass jemand wegen Spielschulden überhaupt von seinen Pfändungsfreigrenzen Gebrauch machen muss.

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Die Ausbeutung des Mannes kann ja wohl auch nicht die Lösung sein. Wie schaut es eigentlich mit den Rechten der Männer aus, denen ein Kind untergeschoben wurde? Das dürften nicht wenige sein, sind Frauen doch, um ein Kind zu bekommen, viele Mittel Recht.

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@Untermann #11:

Die Erklärung für stagnierende Insolvenzzahlen trotz zunehmender Überschuldung erklärt sich vielleicht einfach dadurch, dass Überschuldung bei Privatpersonen kein Insolvenzgrund ist. Sondern nur Zahlungsunfähigkeit.

Die von Ihnen geschilderten Ausweichreaktionen (Elsass, Schwarzarbeit etc) sind teils mit etwas Aufwand verbunden. Wenn man nicht weiteres Geld an die Auslandsinsolvenzberaterbranche verlieren will.

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