Volkstümliche Irrtümer im Familienrecht (XVII)

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 13.03.2012
Rechtsgebiete: GesamtschuldnerausgleichFamilienrecht20|5433 Aufrufe

Wenn ich die gemeinsamen Schulden meiner Ehefrau und mir allein zurückzahle, steht mir im Innenverhältnis ein Anspruch auf den hälftigen Betrag gegen meine Ehefrau zu.

 

Das ist nicht zwingend!

§ 426 BGB

 

(1) Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen.

(2) Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden.

 

Beispiel: Eheleute, er ist Alleinverdiener, sie betreut die Kinder und führt den Haushalt. Während intakter Ehe geraten sie mit der Miete (beide stehen im Mietvertrag) in Rückstand, das gemeinsame Girokonto ist überzogen.

Nach der Trennung löst er mit einem Ratenkredit die Mietschulden und den Dispokredit ab.

In dieser Fallkonstellation  besteht in der Regel keine Ausgleichspflicht der Ehefrau. (Palandt/Grüneberg § 426 RN 11; BGH NJW 83, 1845; NJW 2000, 1944)

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20 Kommentare

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ich bin zwar kein Familienrechtler, aber wurde nicht § 426 BGB extra als entsprechende Regelung genannt und die maßgebliche Textstelle fett hervorgehoben??

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@ PH

So ist es.

"Soweit nicht ein anderes bestimmt ist"

Und eine andere Bestimmung nimmt die ganz h.M. bei intakter Familie mit Alleinverdiener an.

Eine Ausgleichspflicht ergibt sich aber doch zumindest seit 2001 insoweit, als dass der Wert der Haushaltsführung bei der Auslegung der von § 426 BGB abweichenden Regelung zu berücksichtigen ist.
Beispiel: Ein Ehepartner trägt als Alleinverdiener 3.000 € zur gemeinsamen Lebensführung bei, der andere mit Haushaltsführung zu einem Gegenwert von 1.500 €. Bedient nun der Alleinverdiener Forderungen aus der gemeinsamen Lebensführung, während diese nicht mehr besteht, also der Naturalbeitrag des anderen nicht mehr erfolgt, muss ein Ausgleich in Geld entsprechend der zuvor einvernehmlichen Lastenverteilung erfolgen. Also hier zu einem Drittel des Forderungsbetrages.

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Die Frage von #1 justus jonas ist berechtigt und wurde nicht beantwortet. Aus § 426 BGB geht nur hervor, dass eine Ausgleichspflicht nicht besteht, wenn etwas anderes bestimmt ist. Etwas anderes kann der Gesetzgeber oder können die Parteien bestimmen. Dazu gehören aber weder Palandt/Grüneberg, noch die h.M.  Und oft ist  die h. M. nur deshalb herrschend, weil sich die Praxis sich eigene juristische Überlegungen spart und auf den Palandt zurückzieht. Nach dem Motto: "das haben wir schon immer so gemacht!"

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@ rasmus:

Vielen Dank. Ich empfinde die Auslegung, die Herr Burschel nahelegt sogar als verfassungswidrig. "Soweit nicht etwas anderes bestimmt ist" bedeutet für mich, es muss eine gesetzliche Regelung geben. In einer intakten Familie mit Alleinverdiener eine Bestimmung zu sehen, sprengt meiner Meinung nach den Wortlaut von § 426 BGB.

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justus jonas schrieb:

@ rasmus:

Vielen Dank. Ich empfinde die Auslegung, die Herr Burschel nahelegt sogar als verfassungswidrig. "Soweit nicht etwas anderes bestimmt ist" bedeutet für mich, es muss eine gesetzliche Regelung geben. In einer intakten Familie mit Alleinverdiener eine Bestimmung zu sehen, sprengt meiner Meinung nach den Wortlaut von § 426 BGB.


Sehe ich nicht so, Herr Jonas.
Etwas anders bestimmen können auch die Eheleute - ausdrücklich oder konkludent.
Wäre die Ehe intakt geblieben, hätte auch er allein den Kredit zurückgeführt.

@ Herrn Burschel:

Ja, das stimmt. Das ist in der Tat eine sehr elegante Lösung. Sie haben konkludent bestimmt, dass der Alleinverdiener den Kredit allein zurückführt. Nun muß man aber doch bei der Auslegung von konkludenten Parteiabsprachen den mutmaßlichen Willen der Parteien zugrundelegen. Und es ist nicht anzunehmen, dass der Ehemann dies in dem Fall - nach Scheidung- so gewollt hätte. Also muß man noch ein wenig weiter konstruieren: sie haben es mit dem Eheversprechen für den Rest des Lebens vereinbart. Und ich finde, man kann zumindest darüber diskutieren, ob das § 426 noch hergibt.

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Desweiterem finde ich, dass das eine analoge Anwendung des § 426 ist. Und hier die Vergleichbarkeit zu bejahen, erscheint mir schwierig. Ich will ja nicht betreiten, dass das Ergebnis richtig ist. Ich finde es nur nicht gut, sich Gesetze zurechtzubiegen. Das ist Aufgabe des Bundetages.

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@ justus jonas

Es ist keine analoge, sondern eine unmittelbare Anwendung. Die Eingangsfrage, wo "das andere bestimmt" sei, ist richtig. Denn nach § 426 BGB ist der Ausschluss der Ausgleichspflicht die Ausnahme und bedarf deshalb einer Begründung. Ebenso ist die Antwort, dass sich das aus dem Eherecht ergibt, auf jeden Fall vertretbar und auch überzeugend. Wer geheiratet hat weiß, dass man sich dabei im Zweifel keine großen Gedanken über das Scheitern der Ehe macht. Und wenn doch, wird man auch dann kaum wollen, dass jeder Zahlungsfluss während der Ehe nachträglich auf etwaige Ausgleichspflichten analysiert wird, zumal das kaum möglich sein dürfte. Eben darum sieht ja der Regelfall beim Scheitern der Ehe eine Pauschalabrechnung in Form des Zugewinnausgleichs vor. Wer die laufende Einzelabrechnung will, kann das ja vielleicht im Ehevertrag regeln, aber wer wollte sich das antun. Und wenn man in diesem Fall überhaupt von einer intakten Ehe sprechen kann, wird sie es wohl nicht lange bleiben. Also alles weit entfernt vom Zurechtbiegen und noch weiter von einer Verfassungswidrigkeit. H. L. und Palandt sind zwar selbst keine Begründung, beruhen aber im Zweifel auf guten Argumenten. Meine Bedenken gehen allein dahin, dass man sich mit "h. L. oder Palandt" oft die eigentliche Begründung erspart, was insbesondere in Urteilen für die unterlegene Partei, die damit nichts anfangen kann, wenig befriedigend ist.

 

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@ rasmus

Ebenso ist die Antwort, dass sich das aus dem Eherecht ergibt, auf jeden Fall vertretbar und auch überzeugend.

 

Soll es sich sozusagen aus den ungeschriebenen, dem Familienrecht immanenten Regeln ergeben, oder wie? Das würde ich immer noch als Verstoß gegen den Wortlaut des § 426 ansehen.

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@ rasmus:

Und ich verstehh auch nicht, wo das eine direkte Anwendung sein soll. Wenn man den $ 426, der die Mehrheit von Schuldnern im Schuldrecht regelt, für eine Gesetzeslücke heranzieht, die sich durch die verkorkste Rechtsfindung im Familienrecht ergeben hat, das als direkt und noch nicht mal analog ( ich hab über doppelt analog nachgedacht) zu bezeichnen.... Damit hauen sie genau in die Kerbe, zu der Sie vorher noch ihre wohlverdiente Mißachtung kundgetan haben.

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Ich meine, es ist doch so: im Schuldrecht sind sie beide Schuldner. Und wie es die Vorschrift eindeutig bestimmt, muss es eine Ausnahmeregelung geben. Das Familienrecht bezieht sich auf sie ( weiß nicht, ob das stimmt, hab jetzt keine Lust, das nachzugucken, aber ich geh mal davon aus.) Diese Ausnahmeregelung scheint es im Familienrecht nicht zu geben. Damit ist dieses ganze Konstrusum zumindest mal analog. Wer mir das methodisch widerlegen kann, möge es bitte tun.

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Als kleine Rechercheleistung

Im Urteil des BGH vom 21. Juli 2010 - XII ZR 104/08 (kostenlos abrufbar u.a. auf www.bundesgerichtshof.de) führt dieser bei Rn. 14 die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung (mit Verweisen) zu dieser Frage an. Die anderweitige Bestimmung kann sich demnach aus dem Gesetz, einer Vereinbarung, dem Inhalt und Zweck des Rechtsverhältnisses oder der Natur der Sache ergeben. Nähere Einzelheiten mögen selbst nachgelesen werden.

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Als kleine Rechercheleistung

Im Urteil des BGH vom 21. Juli 2010 - XII ZR 104/08 (kostenlos abrufbar u.a. auf www.bundesgerichtshof.de) führt dieser bei Rn. 14 die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung (mit Verweisen) zu dieser Frage an. Die anderweitige Bestimmung kann sich demnach aus dem Gesetz, einer Vereinbarung, dem Inhalt und Zweck des Rechtsverhältnisses oder der Natur der Sache ergeben. Nähere Einzelheiten mögen selbst nachgelesen werden.

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Aber dennoch komm ich nicht davon los. Das Argument wäre wohl die Natur der Sache. Das widerspricht aber § 426: "soweit nicht etwas Anderes bestimmt ist". Wäre ja nicht die erste fragwürdige Entscheidung ( nicht so sehr fragwürdig, weil das Ergebnis nicht stimmt, sondern fragwürdig, weil die Gesetze es einfach nicht hergeben. Einer meiner Repititoren hat mal erzählt, ein Freund von ihm hätte mal in der Referendarszeit Station beim BGH gehabt. Das wär so abgelaufen, dass sich die Richter in ihr Hinterstübchen zurüchgezogen hätten, und sich gefragt hätten, was muss dabei rauskommen? Dann über das Ergebnis diskutiert haben, und daraufhin den Referendar angewiesen haben, das Ergebnis (wie auch immer ) mit den Gesetzen in Einklang zu bringen. Und genau so hört sich das für mich an.

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@ rasmus: Die Vorschrift kannte ich auch noch nicht. Großartig.

§ 1360b
Zuvielleistung

Leistet ein Ehegatte zum Unterhalt der Familie einen höheren Beitrag als ihm obliegt, so ist im Zweifel anzunehmen, dass er nicht beabsichtigt, von dem anderen Ehegatten Ersatz zu verlangen.

Ja, damit kann man wohl das alles begründen. Aber, es spricht doch irgendwie Bände, dass sich diese zentrale Vorschrift erst im 18. Kommentar offenbart.

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