Ist "andersrum" mutwillig?

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 02.01.2012

Sabrina (7) lebt bei ihrer Mutter.

Der Vater kümmert sich nicht.

Jetzt stellt die Mutter den Antrag, den Vater zu verpflichten, alle 14 Tage mit Sabrina Umgang zu haben (die Modalitäten werden im Einzelnen ausgeführt).

Dafür beantragt sie Verfahrenskostenhilfe und - natürlich - die Beiordnung eines Anwalts.

VKH kann nur bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig erscheint (§§ 76 I FamFG, 114 S. 1 ZPO).

Mutwilligkeit soll nach allgemeiner Ansicht z.B. dann vorliegen, wenn ein Selbstzahler das Verfahren wegen Sinnlosigkeit unterlassen würde.

Hätte Sabrinas Mutter das Verfahren auch dann eingeleitet, wenn sie es selbst bezahlen müsste?

 

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14 Kommentare

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Wieso soll das "sinnlos" sein? Es gibt ein gesetzliches Recht auch des Kindes auf Umgang.

 

Die Frage ob ein Selbstzahler das Verfahren durchführen würde, ist meines Erachtens das Sinnlose. Denn das hängt natürlich davon ab, wie reich der Selbstzahler ist. Wer nur knapp über den Einkommensgrenzen für die VKH lebt, entscheidet die Frage anders als ein Millionär.

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Andreas Moser schrieb:

Wieso soll das "sinnlos" sein? Es gibt ein gesetzliches Recht auch des Kindes auf Umgang.

 

Wurde nicht vor einiger Zeit entschieden, dass man den Vater nicht verpflichten kann, weil das nicht dem Kindeswohl dient, wenn der Vater zum Umgang gezwungen wird, oder verwechsel ich das? Dann jedenfalls wäre die Klage ziemlich aussichtslos. Ist dann nicht Mutwilligkeit anzunehmen?

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Oh, streichen sie das, wurde ja oben schon erwähnt. Aber wie verhält es sich allgemein mit Mutwilligkeit und quasi undurchsetzbaren Rechten?

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Es stellt sich die Frage warum das Gericht annehmen sollte das dieses Verfahren sinnlos ist? Denn das Kind hat ein Recht auf Umgang mit seinen Eltern und auch Zwangsmittel sind nicht vollkommen ausgeschlossen sondern an ganz bestimmte vorraussetzungen geknüpft. Nur weil die Bedingungen für die Durchsetzbarkeit eines Anspruchs hoch sind, ergibt sich nicht automatisch eine Sinnlosigkeit einer Klage.

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Sinnlosigkeit oder auch Mutwilligkeit sind auch nach meiner Meinung sehr schwierige Begriffe im juristischen Bereich. In der Lebenswelt könnte diese Mutter z.B. durch eine gewisse Hoffnungslosigkeit befallen worden sein, weil der Vater sich nicht kümmert und sie weiß, dass sie es nie im Leben durchgesetzt bekäme, dass der Vater sich verlässlich kümmert. Die Hilfe des Gerichts kann aber wieder Hoffnung in das Leben der "Familie" bringen (den Mann in die Vaterrolle hineinwachsen lassen, die Mutter entlasten und die Erziehung des Kindes bereichern).

Ich glaube, dass kein Mensch mutwillig also böswillig, den Staat schädigen möchte, indem sie/er ein Verfahren anstrebt. Es könnte natürlich sein, dass nicht nur edele Beweggründe in Richtung der anderen Verfahrensbeteiligten dahinter stecken - aber das kann nicht über die Begriffe Sinnlosigkeit und Mutwilligkeit abgebildet werden. Sinnlos ist selbst der Wunsch nach Entlastung in der Kindererziehung durch die Mutter nicht. Nur so kann sie Kraft sammeln und sich einen neuen Partner suchen. 

Auch bitte ich den Menschen insoweit zu vertrauen, dass sie keine sinnlosen Tätigkeiten veranlassen. Die Mutter hätte höchstwahrscheinlich, keinen Antrag gestellt, wenn es keine Vertrauensbasis zum Vater gäbe. Ich nehme an, dass es wahrscheinlich nur an einer verlässliche Betreuung mangelt.  Das ist m.E. aber ein durchsetzbarer Punkt.

 

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Die Beiordnung eines Anwalts ist jedoch so "natürlich" nicht. 

Der Antrag auf Beiordnung schon.

Das ist dann das 2. Problem. Lehnt man Mutwilligkeit ab und gewährt VKH, steht man vor der Frage, ob ein Anwalt beigeordnet werden kann/soll/muss?

 

Hallo Herr Untermann
Im Antrag zur VKH wird ja um Beiordnung eines RA gebeten und diese Genehmigung der Beiordnung ist bei der Schwierigkeit des Falles, aus meiner Sicht,  durchaus zwingend. Das hat aber mit einer Rechtsanwaltspflicht nichts zu tun. Auch sind gerade Umgangs- und Sorgerechtsstreitfälle sehr Komplex und ohne einen Fachanwalt für Familienrecht sind die Parteien regelmäßig der vermeintlichen Fachkompetenz der Richter ausgeliefert. Unterhaltsangelegenheiten sind bei weitem einfacher und weit weniger Komplex als Umgangsangelegenheiten und Unterhaltsangelegenheiten gefährden bei einer Fehlentscheidung durch das Gericht  auch nicht das Kindeswohl. Aus dieser Warte ist es unverständlich das bei den Gebieten wo es um akute Kindeswohlgefährdung gehen kann  Rechtsanwälte oder zumindest sachkundige Beistände  nicht zwingend sind.

 

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Die Überlegung in dem Ausgangsposting hat eine sehr interessanten Aspekt, nämlich die Verbindung zwischen dem Thema Umgang und einer Geldzahlung.

 

Derzeit (noch für wie lange?) wird Kindesumgang und Kindesunterhalt vollkommen getrennt behandelt, und so getan, als gäbe es zwischen den beiden keine Wechselwirkung.

Jetzt wird hier ein erster Zusammenhang zwischen Umgang und einer Geldzahlung hergestellt. Es handelt sich zwar hier um Kosten eines Verfahrens und nicht um Unterhalt, auch die Zahlungsempfänger sind unterschiedlich.

Aber es wird ein erster Zusammenhang zwischen Geld und Umgang hergestellt.

Ich halte dieses Thema erweiterungswürdig im Bezug auf  Kindesunterhalt und Kindesumgang bzw. Kindesunterhalt und Sorgerecht. Es ginge ja hier ebenso wie bei einer VKH nicht darum, dass gar nicht gezahlt wird, sondern wer.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Sehr geehrter Herr Burschel,

mich würde interessieren, ob man den Vater (gegebenfalls mit Zwangsmitteln ) gegen seinen Willen zum Umgang zwqingen kann, und nach welchen Vorschriften sich der Anspruch der Mutter ergeben würde.

u.A.w.g.

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Es gab dazu ein viel beachtetes Urteil vom BGH, der Zwangsmaßmittel gegen einen Umgangsunwilligen Vater als nicht zielführend angesehen und daher verweigert hat.

Und so sehr ich den Kontakt zwischen Kind und beiden Eltern für wichtig halte, so denke ich doch, dass das Kind vom Umgang mit einem unwilligen Vater nichts hätte.

Nichtsdestotrotz ergibt sich der Anspruch des Kindes aus §1684 BGB weswegen eine Ablehnung der VKH, wegen Mutwilligkeit schon irgendwo Gesetzeswidrig ist, weil das Kind dieses Rechtja nun mal hat.

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Das "vielbeachtete Urteil des BGH" ist eines des BVerfG vom 01.04.2008 (1 BvR 1620/04)

Leitsatz:

Ein Umgang mit dem Kind, der nur mit Zwangsmitteln gegen seinen umgangsunwilligen Elternteil durchgesetzt werden kann, dient in der Regel nicht dem Kindeswohl. Der durch die Zwangsmittelandrohung bewirkte Eingriff in das Grundrecht des Elternteils auf Schutz der Persönlichkeit ist insoweit nicht gerechtfertigt, es sei denn, es gibt im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte, die darauf schließen lassen, dass ein erzwungener Umgang dem Kindeswohl dienen wird.

Der umgangsunwillige Vater hatte argumentiert, seine jetztige Ehefrau (und Mutter zweier gemeinsamer Kinder) sei strikt gegen den Umgang mit dem nichtehelichen Kind des Mannes. Sie habe mit Trennung/Scheidung gedroht, wenn er Umgang mit seinem vorehelichen Kind pflege

Hopper schrieb:

Das "vielbeachtete Urteil des BGH" ist eines des BVerfG vom 01.04.2008 (1 BvR 1620/04)

Danke, sie haben recht!

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