Love Parade - wie wurde die Katastrophe verursacht? Ein Zwischenfazit (mit updates)

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 28.07.2010

Viele der derzeit bekannt gewordenen Fakten zum Love Parade-Unglück sind für die Todesfälle nicht bedeutsam, da sie zwar möglicherweise pflichtwidrige Handlungen belegen, nicht aber einen unmittelbaren Zusammenhang mit den Todesfällen - so hat die Festellung, das Gelände sei zum Zeitpunkt der Katastrophe nicht überfüllt gewesen, gar keine Bedeutung, denn es ging um ein lokales Gedränge (eine so gen. Massenturbulenz) auf der Zugangsrampe, nicht um ein Gedränge auf dem Gelände. Auch ist es unerheblich, ob, wann und  in welcher Breite Fluchtwege vom Gelände genehmigt wurden bzw. ein ausreichendes Brandschutzkonzept für das Gelände vorlag, denn diese haben bei der Katastrophe überhaupt keine Rolle gespielt. Auch der Zeitpunkt der Genehmigung ist unerheblich.

Klarstellender Hinweis (am 14.09.2010 eingefügt): es geht hier um eine strafrechtliche Sichtweise, d.h. es geht nicht darum, welche Institution haftet bzw. zum Schadenersatz verpflichtet ist. Die strafrechtliche Sichtweise ist nicht die einzige, sie muss zur Bewertung der Love Parade  nicht einmal die entscheidende sein. Andere rechtliche Aspekte (Verwaltungsrecht, Polizeirecht, Zivilrecht) werden hier nur am Rande verhandelt, wenn sie einen strafrechtlichen Bezug haben. Leider bin ich nicht in allem Experte. Meine hier geäußerten Statements sind vorläufiger Natur. Ich habe mit keinem der Akteure irgendetwas zu tun, stehe auch nicht mit einem von ihnen in Kontakt.

Wir wissen nun, dass es weder zu einer "Massenpanik im Tunnel" oder eienr "stampede"gekommen ist noch tödliche Verletzungen direkt bei Stürzen von Treppe, Mast oder Mauer  entstanden (update: allerdings gab es Menschen, die rücksichtslos über andere am Boden liegende kletterten, um schneller zur Treppe zu kommen (vgl. hier) und es gab Stürze in die Menge, wie auf Videos belegt ist, siehe ODEM blog). Möglicherweise wurde an dieser Stelle auch ein zuvor umgekippter Bauzaun zur Stolperfalle und einige stürzten darüber, andere wieder über die zuvor gestürzten. Die meisten Opfer wurden in dem Gedränge zerdrückt und erstickten. Unmittelbare Ursache waren wohl v.a. die auf einigen Videos beobachtbaren vorherigen Schockwellen. In einer Massenturbulenz (Crowd Turbulence) treten solche Wellen auf, die es schwer machen, sich auf den Beinen zu halten. Wenn dann Menschen stürzen, wälzt sich unvermeidbar die Menge über sie. Keiner in dem Gedränge kann mehr seine Bewegungen steuern, er wird geschoben und hin- und hergeworfen (Quelle).
Daher sind vor allem diejenigen Umstände strafrechtlich (für § 222 und § 229 StGB) bedeutsam, die - vorhersehbar - dieses Gedränge verursachten. Im Folgenden geht es nicht um eine Zuweisung persönlicher Verantwortlichkeiten, auch nicht um eine Vorverurteilung Einzelner. Die persönlichen Verantwortlichkeiten und subjektiven Sorgfaltspflichtverletzungen sind von der Staatsanwaltschaft zu klären. Es sollen hier aber diejenigen Umstände herausgehoben werden, die als Kausalfaktoren für das Unglück in Betracht zu ziehen sind. Meine vorläufige Einschätzung beruht dabei auf den im Internet veröffentlichten Augenzeugenberichten, Fotos und Videos, aber auch auf den Stellungnahmen der Polizei, der Veranstalter und der Stadt Duisburg.
Versucht man eine nüchterne Analyse, dann zeigt sich, welche Sorgfaltspflichtverletzungen überhaupt nur in Betracht kommen, die das Unglück mit verursacht haben können.

1. Einige Fakten

Die Todesfälle ereigneten sich alle am unteren Ende der Rampe zwischen ca. 16.45 und 17.05 Uhr (nach den recherchen auf loveparade2010doku präziser zwischen 16.55 und 17.01 Uhr), nachdem sich an dieser Stelle aus beiden Tunnels Ströme von Menschen trafen, die dann von dort auf die Rampe zum Geländeeingang abbiegen sollten. Zudem trafen sie auf viele Besucher, die die Love Parde wieder verlassen wollten und ebenfalls diesen Weg nehmen mussten. Es kam hier  schon ab ca. 16.15 Uhr zu Stockungen, die lokal zu so dichtem Gedränge führten, dass die Menschen nach Auswegen suchten bzw. suchen mussten. Sie sahen drei Möglichkeiten, nämlich einen Mast, einen Container und die Treppe. Als sie sehen konnten, dass es offenbar dort einigen Personen (ab ca. 16.25 über Mast und Treppe, über den Container erst später) gelang, dort auf das Gelände zu kommen, versuchten viele, zu einem dieser drei Punkte zu gelangen und so verstärkte sich das Gedränge noch, insbesondere in Richtung der Treppe, vor der sich später das tödliche Menschenknäuel ereignete. Dass aber der eigentliche Weg auf das Gelände, nämlich über die Rampe selbst offenbar von viel weniger Menschen wahrgenommen und benutzt wurde bzw. werden konnte, hatte m.E. folgende Gründe:,

a) dort installierte durch Gitter geschaffene, oder schon zuvor existierende, siehe hier - Engstellen (update: inzwischen ist klar, dass ab 16.00 Uhr eine  Sperre existierte, die nach Angaben der Polizei um 16.40, nach Augenzeugen gegen 16.30 Uhr aufgehoben wurde, vgl. hier - mit Polizeifotos). So gab es für mind. 30 Minuten keinen Weg nach oben, bzw. dieser hatte zu geringen Durchfluss, so dass nicht viele (schon gar nicht mehrere tausend Personen pro Stunde)  passieren konnten. Diese Engstelle wurde  zu spät entfernt, um den schon entstandenen Stau sofort aufzulösen, vielmehr trafen nun zunächst die von unten und die von oben kommenden direkt aufeinander. Es ergab sich also kein Strom nach oben, dem sich die Menschen am unteren Ende der Rampe hätten anschließen können. Es gab auch keinerlei Hinweisschilder oder Durchsagen, die den aus dem Tunnel kommenden weitergeholfen hätten. So dachten sie wohl, es bestünde (weiterhin) gar keine Möglichkeit dort auf das Gelände zu kommen bzw. dem Gedränge zu entkommen und wendeten sich weiter nur den für sie sichtbaren Auswegen (Treppe, Container, Mast) zu. 

b) Menschen, die das Gelände verlassen wollten, gingen in Gegenrichtung über die Rampe nach unten, weitere verstopften bis gegen 17 Uhr am oberen Ende der Rampe etwa die Hälfte der Rampenbreite auf der von unten gesehen linken Seite (siehe hier, Foto von 16.43, nur rechts gehen einige nach oben, die Personen links/Mitte  gehen nach unten bzw. warten dort darauf, nach unten gehen zu können.

c) Einige Breitenmeter der Rampe wurden durch (hinter Absperrgittern) geparkte Polizeifahrzeuge blockiert (von unten gesehen auf der rechten Seite - hier zu erkennen). Zudem war mitten auf der Rampe eine Brezlbude (rotes Dach, dahinter querstehender Bauzaun) aufgebaut!

d) Das Gedränge wurde von hinten dadurch verstärkt, dass offenbar an den Eingängen der Tunnels wesentlich  mehr Menschen hineingelassen wurden (ab ca. 16.15 wurden die dortigen Sperren aufgehoben), als auf der Rampe in Richtung des Geländes durchkommen konnten.

e) Schon theoretisch war der Zugang durch die zwei Tunnels und die eine Rampe auf eine Durchgangsmenge ausgelegt, die es einer großen Zahl der nach Duisburg kommenden Besucher unmöglich machte, das Gelände zu erreichen. Schon theoretisch (und bei optimalen Einlassbedingungen) hätte es viele Stunden gedauert, bis das Gelände gefüllt worden wäre. Zudem rechnete man mit weit mehr Menschen als auf dem Gelände Platz hatten. Stauungen auf den Zugangswegen auch über Stunden hinweg wurden also in Kauf genommen.

2. Mögliche Pflichtverletzungen und Verantwortlichkeiten:

Die folgende Darstellung geht davon aus, dass für die Sicherheit auf dem Gelände samt der Zugangsrampe und den Tunnels der Veranstalter zuständig war, die Polizei für die Sperren auf den Zugangsstraßen, die Stadt Duisburg für die Genehmigung der Gesamtveranstaltung auf dem Gelände mit dem vorgesehenen Ein- und Ausgang.

zu a) Für die Verteilung der Besucher auf dem Gelände war der Veranstalter verantwortlich und es war vorhersehbar, dass sich ein Rückstau bis in die Tunnels bilden würde, wenn man hier keine ausreichende Durchlasskapazität erreichen konnte. Ebenso fahrlässig und kausal für die Todesfälle war aber die dann von der Polizei durchgeführte Sperrung auf der Rampe zwischen ca. 16.00 und 16.30/16.40 Uhr; gut eine halbe Stunde ließ man die Leute im Gedränge stehen - ohne Informationen. Hätte man ab 16.40 Uhr die Treppe gesperrt und die Besucher per Durchsagen informiert, dass sie jetzt über die Rampe auf das Gelände gehen können, wäre die Katstrophe vielleicht noch vermieden worden (update: es wären dazu möglicherweise noch wenige Minuten Zeit gewesen, die exakten Zeitangaben für das Entstehen des tödlichen "Knäuels" bzw. dafür, ab wann es zu den Todesfällen kam, sind aber noch ungesichert). Da hier Ordner des Veranstalters und der Polizei zusammen agierten, wird man beiden Seiten auch einen Teil der Verantwortung geben können. Hier kommt es nicht, wie das Innenministerium meint, darauf an, dass der Veranstalter auf der Rampe eigentlich "zuständig" war. Wenn Polizeibeamte selbst Aktionen durchführen sind sie dafür auch strafrechtlich verantwortlich, selbst wenn sie zuvor um Hilfe ersucht wurden.

zu b) Dafür, dass es keinen getrennten Ausgang gab, sind Veranstalter und Genehmigungsbehörde verantwortlich, die eine so unzureichende Zu- und Abgangssituation nicht hätten organisieren bzw.  genehmigen dürfen. Es war war im Konzept des Veranstalters vorgesehen, dass ein Teil derjenigen, die bereits am späten Vormittag  auf dem Gelände waren, nachmittags wieder das Gelände verlassen sollten. Der Veranstalter rechnete man mit knapp 500.000 Menschen, die eben über den Tag verteilt auf dem für knapp 250.000 Menschen bestimmten Gelände sein würden (nicht gleichzeitig). Das hätte aber zwingend erfordert, dass gleichzeitig ein größerer Strom von Menschen das Gelände verlassen und betreten konnte, was durch den einzigen Zu- und Ausgang gar nicht möglich war. Diese Unmöglichkeit trat zwischen 16 und 17 Uhr ein, denn viele Menschen wollten das Gelände zu dieser Zeit verlassen, trafen aber auf die Ankommenden, die nach mehrstündigem Warten an diversen Sperren zwischen Hbf und Tunnel endlich auf das Gelände wollten. Die beiden Ströme blockierten sich. Für diese Gegenströmung war offenbar keinerlei ausreichende Vorsorge getroffen worden - das immer wieder erwähnte "Sicherheitskonzept" war diesbezüglich völlig unzureichend oder schwieg dazu. Es gab zwar Versuche, durch Sperren der Situation irgendwie Herr zu werden, aber diese Versuche führten nur zur Verschärfung der Blockade, s.o..

zu c) Dass in dem einzigen Zu- und Abgang auch noch wesentliche Breitenmeter von Polizeifahrzeugen hinter Absperrgittern blockiert wurden, dafür kann wohl nur der Polizei die Verantwortung gegeben werden. Jeder verkehrsbehindernde Falschparker würde abgeschleppt werden von eben den Polizeikräften, die hier ihre Fahrzeuge mitten in den Zugangsstrom abstellten, der aus den beiden Tunnels kommen sollte. Die Genehmigung, die der Lopavent für die Love Paade erteilt wurde, enthielt die Auflage, dass  "die Fluchtwege an keiner Stelle durch Einbauten oder sonstige Hindernisse beschränkt werden".Zwar ist  der Veranstalter zuständig für die Einhaltung der Auflage, aber es ist wohl kaum zumutbar, dass der Veranstalter die Polizei auffordert, die Fahrzeuge dort wegzufahren. Derjenige, der den Beamten erlaubte bzw. gebot, die Fahrzeuge gerade dort abzustellen, hat sorgfaltspflichtwidrig gehandelt und hat möglicherweise mit zum tödlichen Verlauf beigetragen. Zur Zeit der Todesfälle (ca. 16.50 bis 17.00 Uhr) fuhr außerdem ein einzelner Polizeitransporter aus dem Tunnel kommend mitten durch das Gedränge am Fuß der Rampe. Dieser Transporter hat das Gedränge verschärft, allerdings bei seiner späteren Fahrt nach oben dann einen "Sog" geschaffen, in dem sich ein Strom nach oben bewegen konnte.
Für die Brezelbude und die ungesicherten Bauzäune mitten auf der Rampe, für die nur noch das Wort "hirnrissig" angemessen ist, wird man den Veranstalter verantwortlich machen können.

Als eine unmittelbare Ursache, die in dieses Bild einer ungeheuren und skandalösen Schlamperei passt, kann seit September (durch Internetrecherchen ermittelt) der nur mit einem darauf liegenden Bauzaun völlig ungeeignet "gesicherte" offene Gulli und ein großes Schlagloch angesehen werden. Genau dort sind Menschen im Gedränge gestolpert und konnten sich wegen der Enge nicht mehr selbst befreien und würden dann von der Masse erdrückt. Möglicherweise hätten sie überlebt, wenn diese Stolperfallen nicht existiert hätten. Verantwortlich ist hierfür ganz maßgeblich  der Veranstalter, der sicherzustellen hatte, dass die Zugangswege frei von Hindernissen sind.

zu d) Der Zugang zu den Tunnels wurde durch Sperren auf den Zugangsstraßen reguliert, für die nach Angaben der Veranstalter die Polizei verantwortlich war (update 21.00 Uhr: nach Angaben der Polizei war dafür ebenfalls der Veranstalter verantwortlich, der dies aber mangels ausreichender Anzahl der Ordner nicht bewältigt habe; hier steht derzeit Aussage gegen Aussage weiteres update - Information aus dem Spiegel vom 2.8. - Für die Regulierung des Zu- und Abstroms war ein crowd-Manager zuständig, der die Lage mit Videokameras überwachte, er saß in eben dem Container an der Stirnseite der Rampe, der von den Besuchern später ebenfalls als Zugang benutzt wurde - offenbar war er aber überfordert damit, die "crowd" zu managen; der an seiner Seite sitzende Polizist soll kein Funkgerät gehabt haben, was die Polizei bestreitet, ab 16.00 Uhr, so der Spiegel, habe dieser crowd Manager seine Aufgabe an die Polizei abgegeben). Außerdem wurden in den Tunnels Sperren eingerichtet, die den Nachschub auf die Rampe verhindern sollten, eigentlich eine gute Idee. Diese Sperren wurden aber ca 16.15 Uhr wieder aufgehoben bzw. waren nicht mehr effektiv. Möglicherweise haben hier Polizeibeamte oder Ordner einen Fehler gemacht, aber dies ist keineswegs zwingend anzunehmen. Denn möglicherweise ist schon an dieser Sperre (bzw. mehreren Sperren) ein unerträglicher Druck und Gedränge entstanden, so dass man sie aufheben musste, um an dieser Stelle Druck herauszunehmen und Verletzungen der Besucher zu vermeiden. Möglicherweise - so einzelne Berichte - wurden Sperren auf dem Weg zum Tunnel sogar buchstäblich "überrannt". War es aber keine bewusste und gewollte Entscheidung, die Sperren aufzuheben, dann ergibt sich wiederum eine Verantwortung derjenigen, die Tunnel und Rampe als einzigen Zu- und Abgang genehmigten und denen zudem bewusst war, dass gar nicht alle, die nach Duisburg kommen würden, überhaupt Platz auf dem Gelände hätten finden können. Wenn man in Kauf nahm, dass einige 100.000 Menschen nicht zum Gelände durchkommen können, diesen aber auch keine Ausweichalternative geboten wurde, dann hätte man vorhersehen können, dass diese sich an den Sperren stauen und dass schon dort Situationen entstehen, die es gebieten würde, sie durchzulassen zum Tunnel bzw. eine solche Menge einfach nicht aufzuhalten ist. Hierfür wäre die Stadt Duisburg selbst maßgeblich verantwortlich - spätestens als man nur 250.000 Menschen für das Gelände genehmigte, aber damit rechnete, dass wesentlich mehr Menschen nach Duisburg kommen würden, war der Konflikt absehbar. Eine so große Anzahl von Menschen lässt sich nicht über Stunden hinter Gittern oder in einem tunnelartigen Zugang einsperren.  Gerade für den Bereich, in dem es zum Unglück kam, hat das Sicherheistkonzept eien Lücke (vgl. hier): Niemand ist zuständig, niemand weiß, was er zu tun hat, wenn es im Tunnel oder auf der Rampe zum Gedränge kommt.

zu e) Für die Berechnung des Tunneldurchflusses bei Zu- und Abgang war der Veranstalter verantwortlich. Er hat zwar offenbar eine Entfluchtung berechnet, die (möglicherweise) sogar ausreichend gewesen wäre, aber man  hat offenbar nicht bedacht, dass der Zugang ein größeres Problem darstellt, obwohl auch dies vorhersehbar ist. Will man 250.000 Personen auf das Gelände bringen bei einem maximalen Zugangsfluss von 30.000 Personen pro Stunde, dann dauert dies gut 8 Stunden, was für eine eintägige Veranstaltung unrealistisch ist. Ein optimaler Zugangsfluss mag aber nur am Anfang erreicht worden sein In dem Moment, in dem eine größere Zahl von Zuschauern das Gelände wieder verlassen wollte, wurde der Zufluss erheblich vermindert. Da nun gleichzeitig gerade besonders viele Zuschauer in den westlichen Tunnel einströmten, war die Katastrophe vorprogrammiert.

Die Rolle von Herrn Prof. Schreckenberg ist bislang nicht endgültig geklärt. In verschiedenen Berichten heißt es, er habe das Konzept (Ein- und Ausgang durch Tunnel) mitgetragen bzw. befürwortet. Er selber sagt jetzt, er habe sogar vor dem Tunnel gewarnt, aber wohl nicht genügend. Jedenfalls seine Angabe, 20.000 Personen pro Stunde würden durch den Tunnel (meint er 40.000 durch beide?)  passen, lässt, wenn man bedenkt, dass 250-300.000 Leute auf das Gelände sollten, aufhorchen: Denn dann hätte es unzumutbar lange gedauert, bis diese Menschen auf dem Gelände wären, s.o. und das ohne Berücksichtigung gleichzeitig hinaus gehender Besucher, die den Zufluss vermindern. Auch unter optimalen Bedingungen erscheint daher dieser einzige Ein- UND Ausgang völlig ungeeignet.

3. Kurze Zusammenfassung:

Bei allen drei "Akteuren" (Stadt/Polizei/Veranstalter) lassen sich fahrlässige Handlungen feststellen, die die Katastrophe mitverusracht haben - die Planung und Genehmigung eines einzigen viel zu schmalen und ungetrennten  Ein- und  Ausgangs (Veranstalter/Stadt), die Hindernisse auf der Rampe (Veranstalter/Polizei), das Versäumnis einer Information der Besucher bei die Lage verschärfender Sperrung auf der Rampe bei gleichzeitiger öffnung der Sperren auf den Zugangswegen, zudem mangelnde Kommunikationsmittel untereinander (Polizei/Veranstalter). Wie gesagt, dies sind nur meine vorläufigen Einschätzungen nach den derzeit verfügbaren Informationen.

Eine aktualisierte Zusammenfassung (vom 02.09.) ist hier aufgeführt.
Die Frage der persönlichen Schuld einzelner Beteiligter ist eine, die ich mir nicht anmaßen will zu beantworten.

 

4. Quellen und Links:

Sehr gut  dieser Augenzeugenbericht  in der FAZ (mit exzellenter grafischer Darstellung)

 

Gute Videosammlung und Diskussionsblog (loveparade2010doku), es wurde eine genaue  zeitliche Abfolge der Ereignisse durch Videodokumenattion erstellt

Die Kommentare zur gerade genannten Seite sind hilfreich zur genauen Analyse, was passiert ist (z.B. ab hier)

 

Für eigene Recherchen: Ein user namens Pilsbierchen hat eine Synchronisation der auf you tube eingestellten Videos mit dem einer Überwachungskamera vorgenommen, eine enorm leobenswerte Leistung, ebenso wie der zeitsynchrone Zusammenschnitt von Videos von lopachron (hier zum download).

Der ODEM-Blog hat eine detailliertere Aufzeichnung des Zeitablaufs und bringt viele gute Quellen auch hier

Für Menschen mit guten Nerven, dieser (ausführliche)  Beitrag  aus dem Gedränge

Diese  Presseinformation des NRW-Innenministers  enthält einige wichtige Daten zum Ablauf polizeilichen Handelns, insbes. zur Sperrung der Rampe und der Tunnels in der entscheidenden Phase. Allerdings wird die Verantwortung der Polizei eher abgewiegelt, die des Verantalters herausgestellt - kein neutrales Dokument. Weitere Informationen und Statemnest auf der Seite des NRW-Innenministeriums.

Umfangreiche Dokumentationsseite der lopavent GmbH, einschließlich eines Films mit der Sicht des Veranstalters und Filmen der Überwachungskameras bis 16.40 Uhr. Es soll die Verantwortung der Polizei belegt werden, keine neutrale Dokumentation.

Nach diesem Bericht der Rheinischen Post hat die Polizei vorab wesentlich mehr Verantwortung übernommen als Innenminister Jäger und Polizeiinspektor Wehe nachträglich angeben.

Interview mit dem crowd-Manager auf Spiegel-Online

Laut  diesem Artikel (wdr)  hat die Feuerwehr die Polizei davor gewarnt, die Rampe zu sperren.

Zu den Besucherzahlen (angeblichen und erwarteten) dieser aufklärende Bericht.

Laut BILD-Zeitung (also Vorsicht!) gab es   diese Planung  des Veranstalters für  Zu- und Abgänge vom Gelände, danach sollten zwischen 16 und 17 Uhr 100.000 Menschen von beiden Richtungen über Rampe und Tunnel gehen.

Gut geschriebener  Augenzeugenbericht von einem, der am oberen Ende der Rampe wartete um heimzugehen.

Gutachten (Zwischenbericht) der RAe Dr. Jasper und Berstermann (Kanzlei Heuking u.a.) / Auftraggeber Stadt Duisburg / es wird v.a. die Stadt entlastet, kein neutrales Dokument, die Lücken darin deckt Cannabbaia hier in seinem blog schonungslos auf. Hier der Endbericht der Stadt Duisburg mit zahlreichen Anlagen.

Chronologie der Love-Parade-Genehmigung bei wdr.de.

Lesenswerte Analyse der Planungs- und Genehmigungspraxis der LoPa von Dr. Richard Wittsiepe: Fazit: Gravierende Planungslücke im Bereich Tunnel/Rampe

Youtube-Erläuterungsvideo von olli81koblenz mit vielen Grafiken, v.a. die Zu- und Abstromsituation wird gut erfasst.

Geleaktes  Dokument der lopavent GmbH vom 16.07.2010 Veranstaltungsbeschreibung mit Sicherheitskonzept, gibt Auskunft darüber, wie sich der Veranstalter die Zu- und Abgangssituation vorgestellt hat.

Docunews.org mit wertvollen Recherchen und Analysen von Lothar Evers - einem auch hier im Blog aktiven Kommentator

Dokumentation von bluemoonsun, die belegen soll, dass Bauzaun, Baumwurzel udn halboffener Gulli die Hauptursachen des tödlichen Menschenknäuels waren.

Gulli und Bauzaun als Stolperfalle (wdr-Audio)

Klarstellender Hinweis (am 14.09.2010 eingefügt): es geht hier um eine strafrechtliche Sichtweise, d.h. es geht nicht darum, welche Institution zivilrechtlich haftet bzw. zum Schadenersatz verpflichtet ist. Die strafrechtliche Sichtweise ist nicht die einzige, sie muss zur Bewertung der Love Parade  nicht einmal die  entscheidende sein - es ist eben mein Blickwinkel. Andere rechtliche Aspekte (Verwaltungsrecht, Polizeirecht, Zivilrecht) werden hier nur am Rande verhandelt, wenn sie einen strafrechtlichen Bezug haben. Leider bin ich nicht auf allen Rechtsgebieten Experte. Meine hier geäußerten Statements sind vorläufiger Natur. Ich habe mit keinem der Akteure irgendetwas zu tun, stehe auch mit keinem von ihnen in Kontakt.

 

Beachten Sie bitte auch meine neue Zusammenfassung vom 02.09. 

 

Update am 13. Juli 2011:

Die Diskussion geht weiter, hier die Links

 zu den weiteren Diskussionen hier im Beck-Blog:

September 2010 (788 Kommentare, ca. 16000 Abrufe)

Dezember 2010 (537 Kommentare, ca. 8000 Abrufe)

Mai 2011 (über 1000 Kommentare, über 7000 Abrufe)

AKTUELL: Juli 2011

 

 

 

 

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465 Kommentare

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Wo ist der "Gefällt mir"-Button? ;-) Ich finde diese Analyse äußerst interessant. Danke!

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Vielen herzlichen Dank, Herr Müller, für Ihr aufschlussreiches und kritisches Zwischenfazit!

Inmitten einer Flut von ohnmächtiger Wut und emotional überladener Schuldzuweisung finde ich endlich Ihre erste sachliche und kompetente Einschätzung, als Zwischenfazit. Ich hoffe und wünsche sehr, dass Ihr Beitrag und weitere Ihrer Beiträge großes Gehör finden.

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Ein wenig hatte ich auch gerechnet, ob die Fluchtwegbreite gemäß der Versammlungsstättenverordnung (1,2 m / 600 Personen) auch für die zuführenden Tunnel gelten, sofern damit zu rechnen ist, dass es im Tunnel zu längeren Wartezeiten kommt.

Bei einer Länge des Osttunnels von 200 Metern, einer Breite von 20 Metern und einer Besetzung mit 0,5 Personen / m² müssten dann 16 Meter Fluchtweg zur Verfügung stehen. Allein für den Tunnel.

Somit wäre fast die komplette Tunnelbreite bzw. die halbe Tunnelbreite für Flucht- und Rettungswege beansprucht, wenn man von der Mitte aus in beide Richtungen entfluchtet. ( 20*200/0,5/600*1,2 = 16 Meter breite ) auf 2 Enden gerechnet je 8 Meter. Bei Schleichtempo 0,2 m/s kämen 28.800 Personen pro Stunde durch den Osttunnel (= 60/(200/0,2/60)*8000 ). Nur sofern kein Rettungsweg im Tunnel verläuft.

Für den Westtunnel ( 20*40/0,25/600*1,2 = 16 Meter breite ) wären 6,4 Meter Breite nötig. Ebenso könnten 28.800 Personen pro Stunde hindurch, sofern von Einlass- und Stausituation vor und nach dem Tunnel abgesehen würde.

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57600

Schöne Grüße vom nachdenklichen Beobachter.

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@Nachdenklicher Beobachter
Ihre Berechnung ist nicht ganz richtig.

Zunächst: Man hat lt. Medien seitens der Veranstalter mit 2 Personen je Quadratmeter bzw. 0,5 Quadratmeter je Person geplant. Ihre Berechnung geht anscheinend auch davon aus, sonst gelangte man nicht zu 8.000 Personen im Osttunnel; ich nehme an, die von Ihnen genannten 0,5 Personen je Quadratmeter sind ein Tippfehler.
Indes: Die 16 Meter Rettungsweg für den Osttunnel wären nur erforderlich, wenn sie nicht gleichzeitig von den 20 Meter Breite des Tunnels abzuziehen wären. Ich gehe davon aus, daß keine Rettungswege zur Seite baulich möglich waren.

Nachfolgend verwende ich der Einfachheit folgende Abkürzungen: P = Personen je m², L = Länge des Tunnels, B = Breite des Tunnels, R = Rettungsweg, lichte Breite je Person, W = Rettungsweg
Für die nachfolgende Berechnung im Falle des Osttunnels betragen P = 2p/m², L = 200m, B = 20m, R = 0,002 m/p (1,2m/600p)

Die Anzahl der Personen im Tunnel beträgt bei voll ausgenutzter Breite
P*L*B = 2p/m² * 200m * 20m = 8.000p
Der notwendige Rettungsweg betrüge demnach
W = P*L*B*R = 2p/m² * 20m * 200m * 0,002m/p = 16m
Das aber wie gesagt nur dann, wenn der Rettungsweg die Breite nicht selbst verkleinern würde.

Unter Beachtung der Verkleinerung (B-W) errechnet sich der erforderliche Rettungsweg wie folgt
W = P*L*(B-W)*R = P*L*B*R - P*L*W*R
P*L*B*R = W + P*L*W*R = W*(1 + P*L*R)
W = P*L*B*R / (1 + P*L*R) = 2p/m² * 200m * 20m * 0,002m/p / (1 + 2p/m² * 200m * 0,002m/p) = 16m / 1,8
W = 8,89m, dementsprechend verbleiben 11,11m Tunnel"rest"breite als Zu-/Abgang bzw. "Versammlungsstätte"
In einem solcherart geteilten Tunnel befänden sich 4.444 Personen (2p/m² * 200m * 11,11m) bei einem seitlichen vorschriftsmäßigen Rettungsweg von 8,89m (4.444p * 0,002m/p).

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Nun, wenn alle darüber berichten, muss ja wohl auch hier darüber berichtet werden, wenn ich auch nicht erkennen kann, was an dem Bericht hier juristisch interessant sein könnte.

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Sehr geehrter Meditationsverweigerer,

Ziel war, ein bisschen das Dickicht zu lichten - auch für die juristische Bewertung. Aber man kann es nicht allen Recht machen, das weiß ich.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

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@meditationsverweigerer

 

Der Bericht mag vielleicht nicht von juristischen Belangen sein, aber ist dennoch (endlich) die erste, zumindest von mir gefundene, sachliche und objektive Analyse der Geschehnisse ohne krampfhaft und emotional zu versuchen die Schuld alleine bei den/einzelnen Verantwortlichen zu suchen um ein Feindbild aufzubauen.

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Mediationsverweigerer, lesen Sie doch nochmal aufmerksam den zweiten Absatz des Berichts von Prof. Dr. Müller! Dann sollten Sie erkennen können, inwiefern der Bericht "juristisch interessant" ist.

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Hallo Herr Müller,

 

eine kleine Ergänzung: es gab einen (kleinen) Sturz von der rosafarbenen Plakatwand und mind. einen (kleinen) an der Treppe.

Das wurde in der Öffentlichkeit bisher noch nicht so wahrgenommen, habe das daher mal hier zusammengefasst: http://blog.odem.org/2010/07/loveparade.html

 

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Vielen Dank für die Analyse. Habe als Interessierter Laie mir nicht vorstellen Können, wie es zu dieser Lage kommen konnte bzw. was Falsch war wie man hätte schlimmeres verhindern können.

Als Ehrenamtlicher des Kat-S bin ich froh über viel Helfer und ein Schnelles eingreifen leider erst als alles schon Katastrophal war. Es ist eine Ziemliche Unübersichtliche Lage erzeugt worden die auf jeden fall verhindert werden musste - aber hinterher ist man immer sooo schlau.

Vielen Dank!

 

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Sehr geehrter Herr Freude,

danke, ich habe das jetzt oben verlinkt. Obwohl ich viele Videos gesehen habe, waren mir diese Stürze bisher entgangen. Sie stellen weitere mögliche Kausalfaktoren dar, die aber erst zusammen mit der (m.E.) fahrlässig erzeugten Gedränge-Situation an dieser Stelle zu so einer Folge führen konnten.

Mit besten Grüßen

Henning Ernst Müller

Hallo Herr Müller,

ja, die Stürze warten sicherlich nur noch etwas verschärfend. Und auch heute Mittag in der Pressekonferenz hieß es ja wiederholt, dass hauptsächlich an der Treppe die Opfer zu finden waren. Die Szene, in der viele Leute übereinander klettern war aber schon vor dem Sturz, der vermutlich das Knäuel zur Folge hatte – wahrscheinlich waren da weniger Opfer, evtl. auch weil der Boden eben ist usw.

Grüße   Alvar Freude
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Vielen Dank für diese interessante Analyse. Man darf gespannt sein, welche Rolle insbesondere der auch in dem Sitzungsprotokoll vom 18.06. erwähnte Gutachter gehabt hat.

Interessant wird auch sein, aus welchen Gründen die Bedenkenträger der Stadt Duisburg (Amt 62) ihre Bedenken schließlich fallengelassen haben / fallenlassen mußten.

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Bei der Bewertung dieses Dokuments mit interessanten Einzelheiten zur Errichtung einer Sperre auf der Rampe (Seite 8 f.), ist erstens zu berücksichtigen, dass die Polizei in dieser Sache "Partei" ist. Außerdem: Angeblich um ein Gedränge weiter oben (am "Rampenkopf") auf dem Gelände zu verhindern, wurde also im unteren Drittel der Rampe eine Sperre errichtet - dies erscheint mir kaum durchdacht, zumal das Hauptgedränge eben direkt hinter den Tunnelausgängen unten auf der Rampe entstanden ist. Mit dieser Sperre wurde möglicherweise (ich bin vorsichtig)  ein entscheidender Fehler begangen, der dazu führte, dass sich die blockierten Menschen andere "Auswege" suchten. Ich halte das zitierte Dokument nicht für geeignet, die Polizei zu entlasten. Dies soll aber auch nicht den Veranstalter entlasten, der sicherlich ebenfalls schwere Fehler zu verantworten hat.

 

Vielen Dank für die Analyse - weitaus besser als alles, was ich in den Nachrichten sonst so finden konnte. 

 

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Auch Tage danach sucht man Erklärungen,versucht sich abzulenken und kommt immer wieder in die Situation sich zu fragen: warum? man ist wie gelähmt ob der vielen Toten,Verletzten in Gedanken an die Angehörigen,die Trauernden,die Traumatisierten.Sie wollten nur dem Aufruf folgen, ein friedliches Fest zu feiern.Ich habe mir im Vorfeld keine Gedanken gemacht,wie der Ort wohl aussehen würde,wo die Love Parade stattfinden würde.Ich wußte nur,meine beiden Töchter würden die Love Parade besuchen, wenn sie Wohnortnah ist.So auch war ich betroffen und habe,als das Unglück bekannt wurde,SMS geschickt um zu erfahren wo sie sich aufhalten würden.Sie waren nicht vor Ort, ich konnte aufatmen.Die Meldungen lassen mich nicht los.Ich lese und schaue was ich im Internet darüber finde.Ihr Bericht klärt auf.Ist realistisch beschrieben und zusammengefasst, wie mir erscheint.Die Suche nach den verantwortlichen ist mühsam und quälend.Dabei gibt es für mich kein Zweifel daran, dass dieser Ort nie hätte genehmigt werden dürfen.Im Wissen um die Besucherzahl, die dieses Gelände nie aufnehmen konnte.Es verbietet sich einfach,Menschen eingezäumt, wie in diesem Fall, ein Event zu suggerieren, dass sich zu besuchen lohnt und man "dieLoveParade"dort feiern kann.Herr Sauerland hat für mich,aus Profit und Geltungssucht jedes Maß aus den Augen verloren und gehört dafür zur Verantwortung gezogen.Es ist unhaltbar,dass er nicht den Anstand besitzt die Konsequenz zu ziehen.Was mußte seinetwegen für ein Leid geschehen?

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Vielen Dank für die sehr gute Analyse!

Ich versuche auf meiner Seite, möglichst strukturiert Videos, Bilder und Berichte zu sammeln:

http://loveparade2010doku.wordpress.com/

 

Dort habe ich auch, zusätzlich zu den allgemeineren Ursachen, eine konkretere Betrachung der unmittelbaren Vorgänge an der schmalen Treppe, die zum Tod führten, angefangen:

http://loveparade2010doku.wordpress.com/2010/07/28/loveparade-2010-abstu...

 

Kurz zusammengefasst:

 

Folgende proximale Faktoren führten im Bereich der Treppe zu den tödlichen Quetschungen:

* großer Andrang, da diese Treppe den meisten Menschen als der unmittelbar einzig gut erreichbare Ausweg (zur Veranstaltung bzw. aus dem Gedränge) erschien

-> hier spielt insbesondere die ohne Sinn und Verstand eingerichtete Sperre auf der Zugangsrampe eine Rollle. Durch Videos ist nämlich dokumentiert, dass erst ab just dem Moment der Sperre die Menschen _überhaupt_ begannen, die Treppe hochzulaufen (dem auch nicht engagiert engegen gewirkt wurde bzw. es letztlich erlaubt wurde)

-> und hier spielt die fehlende Kommunikation eine Rolle, keiner wusste, dass wenige Meter weiter weg jede Menge Platz zum Ablaufen war. Die zunächst halbherzige Räumung des Geländes geschah viel zu spät und langsam. Gab es zu wenige Ordnungs-/Polizeikräfte oder waren die schlicht alle paralysiert, z.B. oben "dumm" rum stehend und zuschauend?

* um ca. 16:51 fährt ein Polizeiwagen ein, erstmalig danach sind so starke Tumulte dokumentiert, wo man sieht, dass Menschen regelrecht umfallen auf andere und manche sogar beginnen, über andere drüberzusteigen und drüberzuklettern (=vermutlich mit tödlicher Wirkung für diejenigen, die darunter am Boden liegen und erdrückt werden)

* objektiv geringe Rücksichtnahme Einzelner bzw. kleiner Gruppen (d.h. Versuche, besonders schnell vorzukommen statt mit dem Strom zu schwimmen), auf der subjektiven Ebene wohl v.a. bedingt durch Stress und individuelle Faktoren (manche Menschen neigen in einer Stressituation eher zum Drängeln/Klettern/etc. als andere)

-> dies zeigt sich an Drängeleien und den wiederholten Kletterversuchen am Plakat, die ich strafrechtlich als fahrlässige Körperverletzung bis fahrlässige Tötung einschätzen würde (wer auf diese Weise ungesichert an einer Plakatwand klettert, selbst wenn andere bzw. er selbst schon kurz zuvor bereits abgestürzt sind, der nimmt Verletzungen der Leute durch sein Stürzen in die Menge in Kauf)

-> um ca. 16:58-17:03 sind die Stürze dokumentiert, auch hier kann man teils danach Kettenreaktionen von Umfallen und Übersteigen beobachten

 

 

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Auch die Auflösung des Gedränges kann zur Erhellung beitragen, denn sie zeigt, dass es ja doch ging - aber zu spät. Wenn dies also in etwa so früher geschehen wäre, dann hätten die Todesfälle verhindert werden können.

* Um ca. 17:01 sieht man den Polizeiwagen bei der Rampe nach oben wegfahren, viele Leute folgen ihm, es setzt sich dadurch ein Strom in Bewegung, der rechte Teil der  Rampe beginnt sich rasch zu leeren (wenn auch weiterhin die blöde Bretzelbude in der Mitte und ein paar verbliebene Bauzäune den Weg behindern)

* Videoaufnahmen von 16:46 und 17:10 dokumentieren, dass im oberen Bereich der Rampe viel Platz ist

* Laut Aufnahmen und Berichten gab es ab ca. 17:50 im oberen Bereich der Rampe eine Polizeikette, die Heimkehrer davon abzuhalten hatte, runter zu gehen. Stattdessen wurden sie - auch mit Ordnungskräften - über westliche Ausgänge (Böschung bei der Autobahn) nach draußen geleitet

* ca. 16:55 ist eine erste Gruppe von ca. 5-8 Polizisten nach unten gelaufen, stand zunächst etwa 5Meter von der Treppe entfernt und konnte offensichtlich bei den Überkletterungen und Verletzungen der Menschen zusehen.

* Später, ca. 17:10 (sieht man einen Teil diese Gruppe auf der Treppe Menschen nach oben leiten, eine andere kleine Gruppe im Bereich vor der Treppe stehen.

* Weitere ca. 10-15 Minuten später sind weitere Polizisten nach unten gelaufen, haben dabei den Leuten zugeschrien, dass sie nach oben gehen sollen und haben unten dann den Bereich um die Verletzten (der inzwischen etwas mehr Platz hatte dank des rechts freigewordenen Raums) abgesichert und teils geholfen, erste Hilfe zu leisten

 

 

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Sehr geehrte Martina,

ich hatte Ihre informative Seite gestern abend bereits verlinkt und nun auch einige Ihrer Informationen in einem update verarbeitet.

Mit besten Grüßen

Henning Ernst Müller

tja, ich kann leider nicht erkennen, was eine Sachverhaltsermittlung aus Medienberichten in dem Blog wohl bewirken soll. Man sieht auch bei der hier von Martina angeführten Zusammenstellung, dass dies an anderer Stelle besser geht. Allein die Aussage Sorgfaltspflichtverletzung Fahrlässigkeit dürfte doch wohl keinen Strafrechtler interessieren oder? Interessant in diesem Zusammenhang der Beitrag hier im beck-blog "Juristische blogs in Deutschland chancenlos".

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Sehr geehrter Meditationsverweigerer,

die Diskussion in den Medien hat bislang hauptsächlich die Frage der "Zuständigkeit" für bestimmte Verantwortungsbereiche (örtlich, sachlich) behandelt. So schieben sich Innenministerium/Polizei, Veranstalter und Stadt gegenseitig diese Zuständigkeit zu. Dies mag für zivilrechtliche Haftungsfragen von großer Bedeutung sein (siehe hier), ist aber für eine starfrechtliche Wertung nicht (allein) ausschlaggebend. Für eine Strafbarkeit wird entscheidend sein, welche individuellen Entscheidungen/Handlungen/Unterlassungen kausal und zurechenbar mit den tatbestandlichen Erfolgen verknüpft sind.

Für das Strafrecht ist es z.B. nicht erheblich, ob die Polizei - wenn sie etwa mit ihrem aktiven Verhalten  (Sperren auf der Rampe) zu den Todesfällen tatsächlich beigetragen hat - überhaupt "zuständig" war für die Sicherheit auf dem Gelände. 

Bei den Chancen der blawgs in Deutschland bin ich eigentlich ganz optimistisch.

Aber es zwingt Sie niemand hier mitzulesen.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

Wie stets ein schöner Beitrag von Ihnen Herr Prof. Müller, sachlich analysierend und die möglichen Strafbarkeiten herausarbeitend, was sich weit besser und zeiteffizienter liest, als die ganzen emotionalen Medienberichte.

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Sehr geehrter Herr Dr. Müller,

die "Presseinformation" des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 28.07.2010 zur Rede von Herrn Minister Jäger in Düsseldorf zu diesem Thema enthält einige Bemerkungen, die ich für ebenfalls diskussionswürdig halte.

Dort heißt es zum "Sachverhalt" auf S. 7/14:

> Nach der Planung des Veranstalters sollte das Veranstaltungsgelände gegen 11.00 Uhr – bei Bedarf bereits um 10:00 geöffnet werden. Tatsächlich hat dieser das Gelände erst um 12.04 Uhr vollständig geöffnet. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich bereits große Rückstaus an den Einlassschleusen gebildet, die gerade durch die frühere Öffnung vermieden werden sollten. Der Grund dafür waren nach Feststellungen der Polizei in Duisburg noch andauernde Planierarbeiten im eigentlichen Veranstaltungsbereich.<

Bei einem im Bericht angenommenen „maximalen Durchlaufmenge von 30.000 (Personen) pro Stunde pro Schleuse“ hätten sich bei vollständiger Öffnung des Geländes schon um 10.00 Uhr also bei Abschluss der dort stattfindenden Planierarbeiten also über 120.000 Menschen „auf der Baustelle“ befunden, für deren Sicherheit der Veranstalter verantwortlich gewesen wäre. Dies legt den Schluss nahe, dass es die richtige, vielleicht sogar die einzig mögliche Entscheidung war, das Gelände nicht schon um 10, sondern erst um 12 zu öffnen. Für die zu diesem Zeitpunkt bereits bestehenden großen Rückstaus wären demnach von dem zu verantworten, der für die Planierarbeiten verantwortlich war.

Leider sind mir die zugrunde liegenden Verträge nicht bekannt. Es entspricht aber nicht meiner Erfahrung, dass Grundstückseigentümer den tageweisen Nutzern ihrer Liegenschaften das Recht zur Durchführung von Erdarbeiten einräumen. Ich wäre daher nicht überrascht, wenn hier ein anderer als der Veranstalter die Verantwortung hätte.

Überhaupt sei an dieser Stelle der Hinweis darauf erlaubt, dass es neben der Verantwortung des Veranstalters für die Sicherheit der Besucher auch eine solche des Betreibers der Versammlungsstätte bzw. des Versammlungsortes gibt. Wie diese hier im Einzelfall geregelt wurden, ist mir aber leider ebenfalls nicht bekannt.

Weiter heißt es in der Presseinformation auf S. 7/14 im nächsten Absatz:

>Bei der personellen Besetzung der Vereinzelungsanlagen musste zu Beginn mehrfach durch die Polizei beim Veranstalter darauf hingewiesen werden, die Sperrstellen so zu besetzen, dass die zugesagte maximale Durchlaufmenge von 30.000 pro Stunde pro Schleuse auch tatsächlich ermöglicht wurde.<

Offenbar diente dies dazu, die bereits gebildeten großen Rückstaus vor den Vereinzelungsanlagen – also im Verantwortungsbereich der Polizei – abzubauen. Böse Zungen könnten dies dahingehend deuten, dass die Polizei ihre Amtsgewalt dazu eingesetzt hat, um „ihr Problem ungelöst an den Veranstalter weiter zu reichen; nach dem Motto: nach mir die Sintflut. Dies wiegt umso schwerer, als die Presseinformation anschließend (S. 8/14) ausführt, dass

>die Polizei im Vorfeld der Veranstaltung auf zu erwartende Probleme im Bereich des Rampenkopfes besonders hingewiesen<

habe. Wenn sie dennoch die maximale Öffnung der Schleusen anmahnt, anordnet oder sonst durchsetzt, weil sie anders ihre eigenen Probleme nicht in den Griff bekommen kann oder will, spricht sie das wohl kaum von jeder Verantwortung für die anschließenden Geschehnisse genau dort frei.

Bemerkenswert finde ich auch, dass die Presseinformation auf S. 9/14 angibt, dass um 16.40 Uhr die entfernten Zaunelemente wieder eingesetzt wurden, wodurch der ostwärtige Zugang wieder vollkommen gesperrt war, auf S. 11/14 aber feststellt, dass bis 17:02 Uhr die bereits große Menschenmenge >durch weiteren Zulauf von allen Seiten< extrem zusammengedrängt wurde. Von Osten her hätte es nach der erneuten Sperrung um 16.40 Uhr keinen Zulauf mehr geben dürfen.

Keine Angaben macht der Bericht darüber, wie die Geschehnisse von jenseits der Vereinzelungsanlagen, also aus dem öffentlichen, der Polizeiverantwortung unterliegenden Raum wahr genommen wurde; dabei hätte man durchaus versuchen können, den Druck auf die Menschenmenge am Rampenkopf in diese Richtung abzubauen. Wie war die Kommunikation zwischen den Polizisten im Rampenbereich und ihren Kollegen vor den Vereinzelungsanlagen? Ich hoffe, es gibt hierzu auswertbare Aufzeichnungen des Funkverkehrs.

Abschließend weise ich darauf hin, dass die Presseinformation auf S. 10/14 eine „zweite Rampe“ erwähnt, die >ursprünglich für einen späteren Zeitpunkt als Ausgang vorgesehen war<.

Ob das alles juristisch interessant ist oder bloss der allgemeinen Lust am Spekulieren, mögen andere beurteilen.

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 Müllers Ansatz und Kommentar verkennt 1) den systemischen Charakter der Veranstaltung und ist 2) in seiner Bewertung zu jurist(izist)isch

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@Gregor Koch,

vielen Dank für Ihre Überlegungen zu dieser Ministeriumsstellungnahme. Ich habe schon angedeutet, dass diese alles andere als ein deutlicher Beleg für die "Unschuld" der Polizei ist. In diesem Bereich muss noch viel ermittelt werden. Aber auch hier sind strafrechtlich nur solche Aktionen oder Unterlassungen relevant, die (vorhersehbar zurechenbar) die Erfolge verursachten. Entfernt man sich zu weit davon (zeitlich, örtlich), wird sicherlich noch eine zivilrechtliche Haftung begründbar sein, aber kene individuelle strafrechtliche. Probleme beim Rampenkopf haben jedenfalls nicht unmittelbar zu einer Schädigung geführt, sondern wohl erst die angeblich dadurch veranlasste Sperrung weiter unten auf der Rampe. Die zweite Rampe hätte man zur Tunnelentleerung (westlicher Tunnel) weit früher einsetzen können - vor der Sperrung der Haupt-Rampe.

@ak,

ich weiß nicht, was Sie mit "systemischen Charakter der Veranstaltung" meinen  - ohne nähere Erläuterung klingt das ein bisschen wie eine terminologische Luftnummer. Der Vorwurf "zu juristisch" zu sein, trifft sicherlich zu: Das ist hier eben ein juristischer Fachblog, mehr Emotionales finden Sie z.B. im "Stern" oder in vielen anderen Blogs.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Die Rolle des in Duisburg ansässigen Panikforschers Prof. Schreckenberg, der als Kapazität auf diesem Gebiet überregional große Anerkennung genießt, ist für mich immer noch sehr undurchsichtig.

Während Prof. Müller (im übrigen herzlichen Dank für einen juristischen Beitrag, der beweist, dass man juristische Argumentationen auch außerhalb eines formalen Korsetts darstellen kann) von Stellungnahmen Schreckenbergs berichtet, in denen Schreckenberg vor dem Tunnel gewarnt habe, weil ihn nur 20.000 Personen pro Stunde passieren konnten, sind mir lediglich Statements von Prof. Schreckenberg bekannt, in denen er ein Sicherheitskonzept verteidigt, an dem er persönlich mitgewirkt habe. Als Durchlassmenge des Zuwegs war stets von 60.000 Passanten/h die Rede.

Ich werde mich auf die Suche nach Links begeben, die die mir bekannten Aussagen Schreckenbergs enthalten. Bisher sehe ich einen nicht unerheblichen Widerspruch.

Gruß aus Wedau (das nur wenige Kilometer vom Unglücksort entfernt liegt)

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Leider konnte ich meinen Beitrag nicht ergänzen (wie das in anderen Blogs möglich ist).

Einen Gesichtspunkt, der mir bitter aufstößt, vermisse ich bisher (ich hoffe, dass ich vor lauter Wald die Bäume nicht übersehen habe):

M.E. ist schon die Auswahl eines Veranstaltungsgeländes mit einem Fassungsvermögen von 250.000 Besuchern unverantwortlich, wenn die zu erwartende Zahl anreisender Teilnehmer die Millionengrenze mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit übersteigen wird.

Hinzu kommt aber, dass man dem anreisenden Millionenpublikum die tatsächliche Begrenzung der Teilnehmerzahl auf 250.000 "aus Sicherheitsgründen" verheimlicht hatte. Der anreisenden Teilnehmerschar konnte überhaupt nicht bekannt sein, dass nur ein kleiner Teil an dem Event auch tatsächlich wird beiwohnen können. Man hat sie "dumm sterben lassen" - im wahrsten Sinne des Wortes. Wären die tatsächlichen Zahlen vorher bekannt gewesen, hätte das sicher manchen Raver von einer Anreise abhalten können.

 

Auch wenn es Journalisten gibt, die in den Teilnehmern der Loveparade nur eine drogen-, alkohol- und sexsüchtige Meute sehen (die Folgerung bleibt uns in dem Artikel vorenthalten) – eines sind sie ganz sicher aber nicht: Lebensmüde.

 

Und hieraus könnte m.E. ein Kausalzusammenhang durchaus gefolgert werden. Wäre belegbar, dass eines der Opfer in Kenntnis der konkreten Zahlen nicht zum Veranstaltungsort gereist wäre, wäre für mich persönlich zumindest denkbar, dass die strafrechtliche Verantwortlichkeit vielleicht auch früher einsetzen könnte, als bisher angenommen. Ich hoffe, mit diesem Gesichtspunkt hier nicht ungebührlich aufzufallen ... für gewöhnlich pflege ich nicht, stichhaltige juristische Argumentationen zu kommentieren.

 

 LG

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@frank aus wedau:

Sie können hier (im Gegensatz zu vielen anderen Blogs) kommentieren ohne sich vorher zu registrieren. Wenn Sie sich registrieren, dann können Sie auch Ihre Beiträge editieren, soweit ich weiß.

Zu Prof. Schreckenberg: Die Informationen habe ich aus einem der  ersten Interviews NACH der Katastrophe, nämlich hier , dort meint er übrigens auch,

"er habe noch nie eine derartig gut vorbereitete Veranstaltung wie die Duisburger Loveparade erlebt" (dies ist schon grotesk)

"Der Tunnel selbst, sagte Schreckenberg der Nachrichtenagentur ddp, habe eine Kapazität von 20.000 Besuchern pro Stunde gehabt." Was mit "der" Tunnel gemeint ist, wird nicht klar, denn es waren ja zwei tunnelartige Zugänge. Deshalb habe ich auch (hier) vorsichtshalber schon mal mit 40.000 pro Stunde gerechnet.

Ihr Gedankengang begründet eine Kausalität des Verschweigens der Aufnahmekapazität, aber noch keine Sorgfaltspflichtverletzung, der der konkrete Erfolg zugerechnet werden könnte: Man kann nicht - es sei denn es sind konkrete Warnungen bzw. Warnunterlassungen am Ort des Geschehens - bei der vorherigen Angabe (oder Nichtangabe) der zugelassenen Teilnehmerzahl vorhersehen, was dies bei einzelnen aus dem Publikum an Reaktionen auslösen könnte (hinfahren, früher hinfahren, wegbleiben), die dann evtl. im Gedränge zerquetscht werden - der Zurechnungsweg ist einfach zu weit. Prof. Schreckenberg meint in dem verlinkten Interview, die Verkehrsverhältnisse hätten ohnehin nur weniger als 500.000 Leute zugelassen, mehr wären gar nicht bis Duisburg durchgekommen, was ja angesichts der Bahnhofssperrung auch realistisch ist.  Wenn man bedenkt, dass nicht alle von 12 Uhr bis 24 Uhr auf dem Gelände bleiben würden, dann hätten es wohl bei optimalen Zugangs/Abgangsbedingungen (!) doch wesenrtlich mehr als 250.000 auf das Gelände schaffen können. Aber diese Bedingungen waren eben nicht gewährleistet.

[Zu vorherigen Warnungen vor Überfüllung. Hier in Regensburg war 2006 der Papstbesuch angekündigt. Man rechnete mit einer unbekannten Anzahl von Pilgern bis zur Millionengrenze. Aber man warnte vorher alle, früh genug loszufahren (möglichsts um vier Uhr früh), um noch rechtzeitig auf die Papstwiese zu kommen. Es sei mit riesigen Verkehrsstaus etc. zu rechnen. Folge dieser "Warnungen" - es kamen sehr viel weniger Leute als geplant, schon fast peinlich wenige. Man konnte bequem die Wiese erreichen, wenn man 30 Minuten vorher aus der hiesigen Innenstadt startete, es gab keinerlei Verkehrsstau, die Sonderbusse waren nicht mal voll. Ich denke, das ist ein Grund dafür, dass man vor solchen Veranstaltungen nicht "warnt". Täte man das, könnte man es auch gleich absagen.]

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Müller,

Sie führen aus, dass eine Sperre und Durchsage gegen 16.40 h wohl noch das schlimmste hätte verhindern können. Obwohl ich Ihre Einschätzung des Sachverhalts in den meisten Punkten teile, meine ich den diversen Aufnahmen entnehmen zu können, dass bereits kurz nach 16.40 das (tödliche) Menschenknäuel entstanden war und sich ab dann immer weiter vergrößerte. Bereits zu diesem Zeitpunkt hört man im Video des zuletzt im Bericht verlinkten Beitrages, dessen Anblick tatsächlich einiges an Nerven abverlangt, die ersten Schreie und Rufe nach Sanitätern. Auch rund um den Kameramann beginnen vorwiegend Frauen Probleme mit der Enge zu bekommen obwohl die Menge dort noch ziemlich ruhig war.

Dies lässt für mich nur den Schluss zu, dass bereits zu diesem Zeitpunkt Todesopfer selbst bei einer sofort begonnenen Entfluchtung der Rampe, die ja auch einige Zeit gebraucht hätte, nicht mehr sicher zu vermeiden gewesen wären. Dies insbesondere wenn man in Betracht nimmt wie lange die auf der Rampe vorhandenen Einsatzkräfte gebraucht haben bis der unmittelbare Nahbereich des Unglücksortes soweit frei war, dass überhaupt Hilfemaßnahmen beginnen konnten.

Letztlich ist m.E. damit die Entscheidung die Rampe und die Tunnel nicht nach Bewegungsrichtungen zu unterteilen und diese 'Fahrbahnen' nur kontrolliert zu befüllen, der entscheidende Fehler, und nicht die Entscheidungen der vor Ort um Übersicht kämpfenden und schon rein zahlenmäßig völlig überforderten Einsatzkräfte relevant.

Mit großer Fassunglosigkeit und tiefer Trauer,

Andreas

 

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# 23

 

Nein, Dr Müller, hier wird nicht auf dem Klavier der "Gefühlskultur" (Ferdinand Tönnies) gespielt. Ich meine mit systemischen Charakte der diesjährigen DU-Love Parade, die zur Death Parade wurde, den Gesamtzusammenhang von Planung einschl. Propaganda (WAZ, BILD, WDR)  u n d  Durchführung (praktische Organisation) und daß von vornherein niemand der vielen Beteiligten, wer immer´s sei und wie ranghoch auch immer, aussm Blick genommen werden soll … das ist m.E. eine Aufklärungssperspektive, die dem systemischen Charakter der Veranstaltung entspricht, weshalb es auch nicht vorrangig um "Schuld" im metaphysischen, religiösen oder juristischen Sinn (des StGB) gehen kann, sondern um Verantwortung und Verantwortlichkeit geht; und gerade die bisherigen Tage danach zeigen m.E., daß hier keine "Kultur der Verantwortung", sondern eine "Unkultur der Verantwortungslosigkeit" vorherrscht, welche m.E. mit dem juristisch, religiös oder metaphysisch begründeten "Schuld"-Gerede noch verstärkt wird ...

Ich hoffe, diese Begründung ist wenn nicht überzeugend so doch bedenkenswerte Minderheitenmeinung.

Rückgruß

ak

29. Juli 2010

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@ANdreas

Ich stimme Ihnen zu, dass schon entscheidende Fehler in der Planung v.a. der Zu/Abgänge und der Kapazitäten  liegen (dies habe ich in meinem Beitrag unter d) ja auch angeführt. Hinsichtlich der Uhrzeiten, ab wann es für ein Eingreifen zu spät war, wird man noch ermitteln müssen. Ich bin bisher von einer tödlichen Situation ab 16.50 Uhr ausgegangen, brisant war es natürlich schon vorher. Aber das Videomaterial, das ich kenne, ist nicht völlig aufschlussreich, zumal ja meist genaue Zeitangaben fehlen. War es allerdings 16.40 Uhr schon zu spät, dann wäre die polizeiliche Sperre noch eher verantworltich zu machen. Es handelt sich dabei nicht um planloses Vorgehen überforderter Einsatzkräfte, sondern um einen planvollen Eingriff. 

@ak:
Ihre Meinung ist durchaus überzeugend und (ich glaube) gar nicht in der Minderheit. Auch ich bin fassungslos über die jetzt ans Licht kommende "Unkultur" der Verantwortungslosigkeit und Fortschieberei von Zuständigkeit. Auch im (von Ihnen jetzt erläuterten) systemischen Charakter stimme ich Ihnen weitgehend zu. Dies ist eine durchaus sinnvolle Betrachtungsweise, aber nicht die juristische Perspektive, in der wir uns hier befinden bzw. die ich hier eingenommen habe. Ich weiß, dass es nicht die einizig mögliche/richtige ist, sie ist einfach nur diejenige, die für eine Bestrafung bedeutsam ist, also von den eingetretenen Erfolgen rückwärts gehend die Kausalfaktoren zu identifizieren suchen. Dies ist eine verengte Perspektive, das stimmt. Aber ich wäre der letzte, der das Strafrecht für einzig maßgeblich zur Welterklärung hielte.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Hallo Herr Müller,

"Ich bin bisher von einer tödlichen Situation ab 16.50 Uhr ausgegangen, brisant war es natürlich schon vorher. Aber das Videomaterial, das ich kenne, ist nicht völlig aufschlussreich, zumal ja meist genaue Zeitangaben fehlen."

 

Genau darum bemühe ich mich. Ich verweise nochmals auf meine Seite, die ich heute noch einmal aktualisiert habe:

http://loveparade2010doku.wordpress.com/2010/07/28/loveparade-2010-zeita...

 

Insbesondere bei den 4 Videos von pizzamanne, die Sie auch verlinkt haben, kann man gut nachvollziehen, wie es den Leuten dort geht. 16:30 ist es noch okay, eng zwar, aber vermutlich ungefähr so eng wie an anderen Stellen im unteren Rampenbereich, also machbar.

Ab 16:35 wurde es dann laut Filmer unerträglich, man hört immer mehr (sogar Schmerzens-) Schreie ( http://www.youtube.com/watch?v=RlmIAcVbEkA#t=4m22s ), man sieht schmerzverzerrte Gesichter, was ja deutlich macht, dass hier offensichtlich die Brüste zusammengepresst wurden und zwar mit Druck. Das hält der eine mehr aus, der andere weniger. Definitiv dokumentiert ist, dass ** 16:38 Uhr ** die erste bewusstlose Frau rumgetragen wird ( http://www.youtube.com/watch?v=vmwIb421hkQ#t=7m07s ) - und Bewusstlosigkeit ist ja eine Folge der Asphyxie ( http://de.wikipedia.org/wiki/Asphyxie ), ebenso wie die blasse bis bläuliche Haut, die man z.B. bei dem einen Herrn mit Sonnenbrille erkennen kann ( http://www.youtube.com/watch?v=RlmIAcVbEkA#t=2m00s ). Es scheint mir sogar so, als ob er und die geborgene Frau später unter den Bildern von Toten dabei waren?

Wenn nun also mehrere Frauen zusammenbrachen und rumgetragen wurden, liegt der Schluss nahe, dass noch mehr Leute ebenfalls zusammengebrochen waren, ohne dass sie nach oben durchgereicht wurden - und bis die Helfer wirklich da waren, war es mindestens 17:14 Uhr, so dass sie bis zu einer halbe Stunde im Gedränge unter hohem Druck rumlagen ohne Hilfe. Das dürfte definitiv tödlich sein.

 

Was noch fehlt, sind Bilder/Videos, die zeigen, inwiefern es ein ineinander-gestürztes Knäuel von Menschen gab und ab wann und warum.

Hat da jemand was gefunden?

 

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dieses Video http://www.youtube.com/watch?v=ST71iBexloc&feature=related zeigt, dass viele Menschen, das Gelände verlassen wollen und auf die ankommende Masse stoßen.Der Teil am Ausgang der Rampe ist weitgehends frei.Es stehen ein paar Polizeifahrzeuge am oberen Rand der Rampe. Im oberen Menschenknäul sieht man Hindernisse? rote Bedachung. silberfarbenen,waagerechten Strich.Ein geregelter Ab- und Aufgang vom Gelände ist nicht hergestellt worden.Es scheint,dass die Menschen,die den Platz verlassen wollten,auf die einströmende Masse gestoßen sind.Die sich dann blockiert haben.Ob die Wagen der Polizei mit Beamten besetzt war, die hätten versuchen können,die Menschen, die das Gelände verlasen wollten,umlenken zu können?War es ihre Aufgabe auf dem Gelände einzuschreiten?Es ist nachvollziehbar, dass der Strom von Verlassern,in die Masse der Ankommenden gedrängt und es so zu dem verhehrenden Knäul kam.Hier hhttp://www.youtube.com/watch?v=myA2BjAQISo&feature=relatedat sieht man bei min 1:17,dass die Menschen,die aus dem Tunnel kamen,gar nicht erst bis zu dem Mast kamen,weil sie auf die abgehende Menge stießen.Ersichtlich versuchen die,die das Gelände verlassen wollen,den Mast als Abkürzung zu nutzen.Die auf Einlass hoffende Masse hatte gar keine Chance weiter nach vorne zu kommen.So mag es sein,dass die Lungenquetschungen alle samt von vorne entstanden.Der Veranstalter hätte den Abgang regeln müssen und zwar schon oberhalb der Rampe.Es müßte eine Vertständigung zwischen dem Einlaßpersonal und der Organisationsleitung darüber gegeben haben,dass der Zulaufstrom auf das Gelände groß ist.Wieso wurde dann nicht reagiert?

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http://www.youtube.com/watch?v=vazLH6QdOc4&feature=related sorry,- noch einmal, der Abgang vom Gelände in den Tunnel.Bei min.0:16 Hier sieht man deutlich, was die rote Plane darstellt http://www.youtube.com/watch?v=h3ik6n2BPa8&feature=related Herr Schaller wird dafür der Verantwortliche sein.Allerdings bleibe ich bei meiner Meinung,dass dieses Gelände und das Umfeld, nicht geeignet war um die zu erwarteten Millionen Besucher an und abkommen zu lassen.Selbst die umliegenden Strassen konnten die Menge nicht aufnehmen.Im Gänsemasch drängten dort die Menschen hin zum Güterbahnhof und zurück.Dies trifft Herrn Sauerland,der umbedingt dieses Event in Duisburg haben wollte.Er ist verantwortlich für sein Bezirksregierung,die er gedrängt hat dieses Event möglich zu machen.

 

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Wenn man über Zusammenhänge spekuliert, sollte man vorsehen, nicht auch noch von annahmen statt Tatsachen auszugehen. Dass der Timecode einer Viedoaufnahme z.B. 16:37 Uhr anzeigt, bedeutet nicht zwangsläufig, dass es das aufgenommene Geschehen auch wirklich um 16:37 Uhr statt fand - und nicht vielleicht um 16:34 Uhr oder 16:42 Uhr. Und dass die Veranstalter immer behauptet haben, sie würden mit über einer Million Besucher rechnen, heißt nicht, dass sie dies auch tatsächlich getan haben oder hätten tun müssen.

Außerdem sollte man fein unterscheiden zwischen den Dingen, die man sich besser hätte wünschen können, und solchen, die tatsächlich einen Beitrag zum Zustandekommen der tödlichen Sachlage geleistet haben.

Das Gelände mag mit einer mutmaßlichen Kapazität von 250.000 Personen vielleicht zu klein gewesen sein für die propagierten Besucherzahlen; für das Geschehen an der Rampe dürfte dies aber unerheblich gewesen sein.

Für mich steht bislang nur soviel fest: das Zu- und Abgangsmanagement war den örtlichen Gegebenheiten nicht angemessen. Diese latente Gefahr wurde akut aufgrund mehrerer Fehlentscheidungen und/oder menschlichem Versagen (falls diese Unterscheidung überhaupt lohnt).

Falsch war es vermutlich, die zweite Rampe nicht von Anfang als einzigen Ausgang zu benutzen - falls es möglich gewesen wäre sicherustellen, dass sie nicht als zweiter Eingang mißbraucht wird. Falsch war es vermutlich auch, den Eingang als kontinuierlichen Strom zu organisieren, statt - wie in vielen Geisterbahnen - Ein- und Auslass des Rampenbereiches wechselweise zu öffnen und zu schließen und so die Besucher paketweise auf das Gelände zu lassen. Falsch war es sehr wahrscheinlich, die Öffnung aller Schleusen zu befehlen, um den Druck aus der vor dem eingangsbereich der Tunnelstraße wartenden Menge zu nehmen.

Was die Voraussehbarkeit der Folgen dieser letzten Fehlentscheidung angeht, so hat dazu der Ministeriumsbericht meiner Meinung nach eindeutig Stellung genommen - zu Lasten der Polizei.

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@Mutter: Die Brezlbude mit dem roten Dach ist in meinem Beitrag oben schon erwähnt.

@ Herr Koch,

Ihre Anmerkungen sind sehr wichtig - gerade die Fragen der Geländegröße und der tatsächlich erwarteten Anzahl von Menschen (ich glaube, man hat aufgrund der Bahnkapazitäten mit maximal 500.000 Personen in Duisburg gerechnet, wollte sich aber die werbewirksame "Million"  nicht schon vorab entgehen lassen - dies wird durch diesen Bericht bestätigt) ist für das lokale Geschehen mit den tödlichen Folgen nur eingeschränkt bedeutsam; dies sollte mein Beitrag auch darlegen. Für mich kristallisiert sich immer mehr die Sperre der Rampe von 16.00 bis 16.40 als entscheidender Fehler heraus, fatal dadurch, dass man ab 16.14 wieder Leute durch die anderen Sperren ließ. Beides hätte nicht erfolgen dürfen, bevor man nicht alle Personen aus den Tunneln reingelassen hätte (etwa über die zweite Rampe). Aber auch eine eindeutige Information der Menge mit dem Hinweis, dass man jetzt für X Minuten sperren müsse, um die bessere Verteilung auf dem Gelände zu gewährleisten und man dafür noch um etwas Geduld bitte, hätte vielleicht schon etwas bewirken können.  

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

@Herr Gregor Koch,alle diese Privatvideos sind keine Annahme sondern Tatsachen.Sie sind der tatsächliche Beweis dafür, was sich auf der Rampe und am Tunnel abgespielt hat.Geht es hier um eine genaue Uhrzeit?welchen Umstand würde die Bestimmung anders aussehen lassen?Was die Besucherzahlen angeht,da kann man sehr wohl auf vergangene Jahre der Love Parade zurückgreifen und muß diese berücksichtigen.Alleine das Wort Love Parade steht für eine hohe Besucherzahlen.Sie sprechen von: falsch war es vermutlich,-hier auch wieder zu sehen http://www.youtube.com/watch?v=JVUyhKqOW1E&feature=related, das einzelne Polizisten versuchen, wohl erst duch Anblick der auf den Mast kletternden,auf die Treppe ausweichenden Menschen,-und vielleicht durch Info der über der Rampe stehenden Kollegen,einschreiten wollten.Fakt ist auch,dass die ab-oder ansteigende Rampe,je nachdem von welcher Seite man kommt,die Standfestigkeit wartender Besucher,nicht auf längere Zeit in Kauf nehmen kann.Man will unweigerlich seine Stellung positionieren um die Beine zu entlasten,sich Luft und Abstand verschaffen.Viele Umstände haben zu dem Unglück geführt.Menschliches Verhalten beim Ankommen und Verlassen wollen des Geländes,Größe,Umfang,Befindlichkeit,Blickwinkel des einzelnen Menschen in der wartenden Menge, in einer eingepferchten Situation,darf nicht Gegenstand der Überlegungen sein,die zu dem Unglück geführt haben.In vielen Berichterstattungen kommt das Wort Massenpanik vor,es suggeriert ein Fehlverhalten der Besucher.Warum dieser Stau im Tunnel oder der Rampe aufkam,dies ist zu klären und wie dieser zu verhindern war.Wer die Verantwortlichen dafür sind, weil dieses Konzept, eingezäumtes,unzureichendes Gelände,mit zu wenig Ordnern, die der Veranstalter hätte stellen müssen,abgesegnet hat.Sich nur alleine auf die Polizei jetzt als Schuldigen zu stützen,ist zu einfach.Wer hatte denn die Führsorgepflicht auf dem Gelände?der Tunnel und die Rampe gehören eindeutig in die Hand des Veranstalters,der seinem Sicherheitskonzept in keinster Weise nachgekommen ist.Wenn man dabei überhaupt an die Kosten denken darf,die getragen werden müssen.Man bedenke die vielen Hubschrauber,Krankenwagen,Polizei,die zusätzlich angefordert werden mußten.Der Veranstalter war hilflos mit seiner Besetzung an Ordnunskräften und nicht im Bilde,wie sich der Zu-und Ablauf gestaltete.So etwas darf nicht sein.Er hatte nur den Blick auf die feiernde Menge rund um die Bühne und Dollarzeichen vor den Augen.Die Verantwortung für die Veranstaltung hat er bis zur oberen Rampe abgegeben.Dafür wird er jetzt zur Verantwortung gezogen werden müssen.Ebenso,- und ich kann es nicht oft genug wiederholen,die Verantwortlichen,die das Event nach Duisburg geholt und genehmigt haben.

Ich hoffe,in meiner Ohnmacht über das Geschehene,sie nicht vollzutexten,mit Aussagen,die nicht relevant für sie sind.

Besten Gruß

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Zum Gelände:

Das Gelände selbst ist eigentlich gar nicht so klein, dass die Beschränkung der Teilnehmerzahl aus dessen Fläche resultieren könnte. So blieb der gesamte südliche Teil des ehemaligen Güterbahnhofs meinen Feststellungen zufolge ungenutzt (für die Ortskundigen: ich meine das gesamte Areal südlich des Straßentunnels Karl-Lehr-Straße von dem der Zugangstunnel mit Rampe in nördliche Richtung auf das Veranstaltungsgelände führt).

Dieses Areal ist auf den Luftbildern von der Veranstaltung regelmäßig nicht abgebildet, da es abgesperrt und menschenleer war. Von der Größe her ist dieses Areal zwar nicht ganz so groß, wie der für die Veranstaltung geöffnete Teil - aus meiner Erinnerung schätze ich es auf 50% bis 75% hiervon.

Die Beschränkung der Teilnehmerzahl hatte ich allein aus der (mangelnden) Kapazität des Zugangs (ausgegangen von den mir bekannten 60.000/h) gefolgert. Auf diesem südlichen Teil des Geländes hätte man nämlich keinen weiteren Zugang schaffen können, da es vom räumlichen Charakter eine Art "Kessel" bildet, der lediglich von oben (Veranstaltungsgelände) freien Zugang bietet.

Und ausgehend von der von mir zugrungegelegten Zugangskapazität von 60.000 Passanten pro Stunde (tatsächlich waren es möglicherweise weitaus weniger) hätte es unter günstigsten (rechnerischen) Bedingungen 10 Stunden benötigt, damit 300.000 Besucher das Gelände betreten und auch wieder verlassen konnten. Und genau diese 10 Stunden waren m.W. als Zeitfenster für die Veranstaltung vorgesehen.

Nur diese Daten hätten m.E. ein für 250.000 Besucher ausgelegtes Sicherheitskonzept rechtfertigen können. Hätte das Gelände ein größeres Fassungsvermögen gehabt (das definitiv ja vorhanden gewesen wäre), wäre hieraus eine höhere Besucherzahl ehr nicht zu rechtfertigen gewesen.

Viele Grüße aus Wedau

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eindeutig sind es die Menschen,die das Gelände verlassen wollten http://www.youtube.com/watch?v=KWx5nfQaesk&feature=related die auf die ankommen Besucher trafen und kein vor und zurück möglich schien.Dies hätte vom Verantstalter umgehend gelöst werden müssen,indem er die Rampe als Einbahnstaße, um auf das Gelände zu kommen,von seinen Ordnern absichern ließ.Es gab einige Videos darüber, wie die Planung und Denkweise für dieses Event waren. Zahlen wurden euphorisch genannt, die mit mehr als 1 Millionen Besucher abgegeben wurden.Verschiedenste Stellungnahmen, die im Vorfeld abgegeben wurden,damit die Love Parade für Duisburg ein Megaevent durch riesige Werbung werden könne.Alle diese Videos habe ich mir gleich nach bekanntwerden des Unglück angesehen.Das war etwa nach 20 Uhr des Unglückstages.Mein in Twitter gesetzter Link dazu,zeigte Herr Schaller,der den Güterbahnhof mit Pressevertretern im Vorfeld von seinem Konzept überzeugen wollte und über Details sprach, wie der Besucherstrom zu leiten sei.Dieses Video, wie alles andere,was vor dem Unglück noch über die Love Parade zu lesen oder sehen war, wurde gelöscht und aus dem Netz genommen. 

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@ Mutter:

Es ist nicht so leicht, Dinge aus dem Netz zu entfernen. Schauen Sie doch z.B. mal auf http://www.archive.org/web/web.php vorbei, da git es die Wayback Machine, die einem den Rückblick auf frühere Webseiteninhalte ermöglicht (allerdings nicht auf alle und in jeder beliebigen Tiefe).

Was die Frage des Fehlverhaltens der Betroffenen angeht, so hängt dies vom Maßstab an, den sie anlegen wollen. Objektiv betrachtet war es falsch, dass Dutzende, Hunderte oder gar Tausende zu einer Treppe drängten, die nur Wenige aufnehmen konnte. Aber kann man das den in der Situation Befangenen vorwerfen? Falsch verhalten haben sich vermutlich auch diejenigen, die am Rande der Menschenmenge standen und stehen blieben; die nicht zurück gingen oder sich, notfalls mit Gewalt, Durchgang auf die freien Flächen des Veranstaltungsgeländes verschafften. Aber auch das soll kein Schuldvorwurf sein.

Und was meine Skepsis bezüglich der Videos angeht, so habe ich damit in keiner Weise den Inhalt gemeint; lediglich die Sicherheit, mit der die Zeitangaben als absolut zutreffend berichtet werden. Wir können uns nicht hundertprozentig sicher sein, welcher Abstand zwischen zwei verschiedenen Videos liegt oder in welcher Reihenfolge sie aufgenommen wurden, so lange uns nicht das aufgezeichnete Geschehen selber Hinweise darauf gibt.

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In irgendwelchen Berichten behauptet die Polizei, sie sei nicht in der Lage gewesen eine Lautsprecherdurchsage zu machen, da kein Megaphon vorhanden gewesen ist. Hier merke ich an, dass jeder Polizeiwagen über die Sondersignalanlage mit einem sprachoptimierten Durchsage-Verstärker mit einer Leistung von 70 Watt ausgestattet ist. Ein einziger Polizeiwagen hätte also zum Ansprechen der Menge auch bei hoher Grundlautstärke ausgereicht, um die Raver auf der Rampe und im Tunnel auf den richtigen Weg zu bringen. Polizeiwagen standen selbst direkt auf der Rampe ausreichend zur Verfügung. Die Ausrede mit dem Megaphon ist fadenscheinig. Eine klare Fehlleistung der Polizei...

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Das ist die interessante rechtliche Analyse im Interview eines Rechtsanwaltes: "Massenpanik bei der Loveparade - Nur durch fahrlässiges Verhalten?"  http://www.lto.de/de/html/nachrichten/1075/Grundsaetzlich-hat-der-Verans...

 

Der Mann ist im Veranstaltungsrecht spezialisiert, er ist seit 10 Jahren Berater und Prozessvertreter für verschiedene Veranstaltungsfirmen und öffentliche Institutionen. Er ist Autor und Referent zu den Themen "Veranstaltungsrecht" und "Haftungsfragen bei Veranstaltungen", zuletzt auf der IMEX 2010 in Frankfurt/Main. Als Oberregierungsrat a.D., Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung Berlin-Mitte und nicht zuletzt Mitveranstalter des Berliner Karnevalszuges (mit bis zu einer Millionen Zuschauern) verfügt er über Erfahrungen aus allen für einen Event maßgeblichen Blickwinkeln.

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@Prof. Müller

 

Hätte nicht ...; Prävention; "dark tourism"

 

Je mehr jetzt durch Recherchen & Publikationen herauskommt - desto mehr tendiere ich zur begründeten Meinung, daß die DU-Veranstaltung wie geplant und entspr. des Stands der Planungen wie geplant nach Recht und Gesetz (“per legem”) niemals hätte durchgeführt bzw. behördlich genehmigt werden dürfen und daß schon die Genehmigung der Veranstaltung einen Rechtsbruch darstellt (ähnlich argumentierte Hannah Arendt im berühmten Gauss-Fernsehgespräch 1964).

Dazu auch als Anregungen/Fragen an Sie nur rasch noch drei Hinweise: 1) Soziales Handeln meint immer auch Dulden und Unterlassen. Das ist auch dem deutschen Strafrecht nicht ganz fremd; 2) angloamerikanisch ist die jur. Denkfigur "should have know" geläufig; 3) die Toten und Verletzten und das Leid - das alles ist nicht aus der Welt zu schaffen, gleichwohl ist der Präventionsaspekt - wie künftig diese, ähnliche und vergleichbare Ereignisse zu vermeiden sind - m.E. zentral.


Es gibt in der internationalen Tourismusforschung "dark tourism". Das meint, daß Leute touristisch" zu Schreckensplätzen "pilgern". Für mich hat

die Teilnahme sog. Spitzenpolitiker(innen) aller Ebenen, Farben und Formate an der für morgen geplanten DU-Trauerveranstaltung genau diesen Charakter.

 

Mit freundlichem Gruß

 

ak

30. Juli 2010

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ak schrieb:

 ... Für mich hat die Teilnahme sog. Spitzenpolitiker(innen) aller Ebenen, Farben und Formate an der für morgen geplanten DU-Trauerveranstaltung genau diesen Charakter.

Schenkt man Aussagen der Eltern eines getöteten Teilnehmers, die sich in ihrer Verzweiflung an die Medien gewandt haben, Glauben, sind sie jedenfalls nicht zur Trauerfeier geladen.

Stattdessen hatte die Kripo Duisburg - nach Überbringung der Todesnachricht durch andere Polizeibeamte - wohl noch tagelang bei ihnen angerufen und gefragt, ob ihr Sohn zwischenzeitlich heimgekehrt sei; ungeachtet des Umstands, dass die Eltern anlässlich der Anrufe jeweils auf die Todesnachricht hingewiesen hatten.

Das ist strafrechtlich zwar auch nicht relevant, wirft aber doch ein bezeichnendes Bild auf die organisatorischen Fähigkeiten dieser Behörde, welches ich für mich aus vielen einzelnen Mosaiksteinen im Laufe der Jahre gewonnen habe.

Immer noch in tiefer Trauer und einem Zustand des Fremdschämens für das Verhaltens unseres OB

Frank

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@Georg#41/42

ich hatte den Artikel aus der Legal Tribune schon oben verlinkt. Er ist leider, was das Strafrecht angeht, nicht weiterführend.  Im Strafrecht geht es immer (!) um individuelle Verantwortlichkeiten, also nicht um institutionelle Haftung für Schäden, was offenbar das Hauptthema dieses Artikels ist.

@ak #43

ich tendiere wie Sie zu der Auffassung, dass die Genehmigung rechtswidrig war. Jedoch waren damit schon die (konkreten) Ereignisse vorhersehbar? Wenn der Genehmigende z.B. davon ausging, der Veranstalter würde solche Situationen mit seinen Ordnern schon bewältigen? Nach allem was bekannt ist, waren die Todesfälle noch am Ort vermeidbar durch ein klügeres Vorgehen der Ordnungskräfte. Deshalb: Ja, eine Schadenshaftung der Stadt Duisburg wird gegeben sein, aber nicht unbedingt eine Strafbarkeit der Verantwortlichen in den Ämtern.
Zu Ihren weiteren Anmerkungen: Natürlich schließt Fahrlässigkeit auch Unterlassen ein, allerdings muss dann eine Pflicht zum Eingreifen gegeben sein. Diese bestand sicherlich auch für diejenigen, denen man nachweisen kann, die Gefahr erkannt zu haben und dennoch nicht gehandelt zu haben. Aber leichter ist der Beweis, wenn jemand gehandelt hat und damit aktiv einen Schaden herbeigeführt hat. Das "Kennenmüssen" ist natürlich auch ein Fahrlässigkeitsvorwurf. In diesem Bereich ist dann die Zuständigkeit tatsächlich auch im Strafrecht wichtig: wer für die Sicherheit auf der Rampe verantwortlich war, durfte dem Geschehen nicht den Rücken zuwenden und es einfach ignorieren. Aber auch hier gilt: Die individuelle Verantwortlichkeit  ist schwieriger zu beweisen. (Sie sehen, ich argumentiere hier juristi-zist-isch, vom Ende, dem Prozess, her) Der Präventionsaspekt ist zentral, ja! Deshalb wäre schon viel gewonnen, wenn künftig Dezernenten in Genehmigungsbehörden mit dem Verweis auf dieses Ereignis erfolgreich ihre Unterschrift verweigern könnten.

"Dark tourism" - werde ich in meinen Wortschatz aufnehmen (allerdings ist es auch nicht leicht für Politiker, Merkel musste sich schon fragen lassen, warum sie am Tag danach nach Bayreuth zum Festival pilgerte - man forderte also "dark non-tourism" von ihr)

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

@Herr Prof. Müller

Danke für die Zeilen, die Verlinkung hatte ich in der Eile überlesen, vom Strafrecht ging ich dabei auch nicht primär aus, eher von einer weiteren rechtlichen Würdigung aus dem Veranstaltungsrecht.

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Video-Dokomentation die Love-Parade-Kathastrophe von Spiegel Tv Teil 2 http://www.spiegel.de/flash/flash-23952.html zeigt in ihrem Bericht nach der Luftaufnahme bei min 2:41 am Tunnelausgang stehende Rettungskräfte.Versperren die nun vor dem Unglück den Aufgang zur Rampe?( falscher Zusammenschniit des Bildmaterials? ) dananch wird gezeigt,allerdings ohne diese Fahrzeuge, dass Menschen versuchen die Treppe zu erreichen.Mir wird jetzt bei dem Bild aus der Luft erst ersichtlich,dass der Tunnel gar nicht direkt auf die Rampe führt,sondern in einer Ecke vom Gelände aus, rechts zu erreichen ist.? So ergab sich erst recht eine Engstelle aus dem Tunnel heraus und hinein, die nicht einmal eingesehen werden konnte.

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Aus dieser WDR-Meldung "Feuerwehr-Bericht belastet Polizei"  http://www.wdr.de/themen/panorama/loveparade_2010/aktuell/100730a.jhtml;... : "Zur Rekonstruktion der Ereignisse greifen die Ermittler auch auf Beiträge im Internet zurück. Kriminalbeamte mit Erfahrung in der Internetrecherche fahnden in den einschlägigen Portalen nach Filmsequenzen und Blog-Einträgen, wie es hieß."

 

Vielleicht sollte man die ermittelnden Beamten auch auf diesen Blog-Beitrag und die damit zusammenhängenden/ verlinkten Blogs/ Beiträge/ Informationsquellen hinweisen. Blogs können gerade auch aufgrund ihrer Aktualität doch vieldimensinal nützlich sein.

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Gibt es inzwischen halbwegs [i]verlässliche[/i] Angaben über die Zahl der angereisten Teilnehmer?

In manchen Foren diskutierende Polizeibeamte rechnen gebetsmühlenartig mit der Zahl von 105.000. Und aus dieser Zahl folgern sie, dass der Veranstalter mit dieser "Kleingruppe" noch selbst hätte fertig werden müssen und Polizeibeamte lediglich den Ordnern des Veranstalters zu Hilfe geeilt wären, um noch schlimmeres zu verhindern.

Mir scheint es so, dass die Polizei sich keinesfalls ein pflichtwidriges Unterlassen zurechnen lassen will, sondern dass man ihr überaus dankbar sein muss, dass nicht noch mehr Todesfälle zu verzeichnen waren.

Frank

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