Love Parade - wie wurde die Katastrophe verursacht? Ein Zwischenfazit (mit updates)

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 28.07.2010

Viele der derzeit bekannt gewordenen Fakten zum Love Parade-Unglück sind für die Todesfälle nicht bedeutsam, da sie zwar möglicherweise pflichtwidrige Handlungen belegen, nicht aber einen unmittelbaren Zusammenhang mit den Todesfällen - so hat die Festellung, das Gelände sei zum Zeitpunkt der Katastrophe nicht überfüllt gewesen, gar keine Bedeutung, denn es ging um ein lokales Gedränge (eine so gen. Massenturbulenz) auf der Zugangsrampe, nicht um ein Gedränge auf dem Gelände. Auch ist es unerheblich, ob, wann und  in welcher Breite Fluchtwege vom Gelände genehmigt wurden bzw. ein ausreichendes Brandschutzkonzept für das Gelände vorlag, denn diese haben bei der Katastrophe überhaupt keine Rolle gespielt. Auch der Zeitpunkt der Genehmigung ist unerheblich.

Klarstellender Hinweis (am 14.09.2010 eingefügt): es geht hier um eine strafrechtliche Sichtweise, d.h. es geht nicht darum, welche Institution haftet bzw. zum Schadenersatz verpflichtet ist. Die strafrechtliche Sichtweise ist nicht die einzige, sie muss zur Bewertung der Love Parade  nicht einmal die entscheidende sein. Andere rechtliche Aspekte (Verwaltungsrecht, Polizeirecht, Zivilrecht) werden hier nur am Rande verhandelt, wenn sie einen strafrechtlichen Bezug haben. Leider bin ich nicht in allem Experte. Meine hier geäußerten Statements sind vorläufiger Natur. Ich habe mit keinem der Akteure irgendetwas zu tun, stehe auch nicht mit einem von ihnen in Kontakt.

Wir wissen nun, dass es weder zu einer "Massenpanik im Tunnel" oder eienr "stampede"gekommen ist noch tödliche Verletzungen direkt bei Stürzen von Treppe, Mast oder Mauer  entstanden (update: allerdings gab es Menschen, die rücksichtslos über andere am Boden liegende kletterten, um schneller zur Treppe zu kommen (vgl. hier) und es gab Stürze in die Menge, wie auf Videos belegt ist, siehe ODEM blog). Möglicherweise wurde an dieser Stelle auch ein zuvor umgekippter Bauzaun zur Stolperfalle und einige stürzten darüber, andere wieder über die zuvor gestürzten. Die meisten Opfer wurden in dem Gedränge zerdrückt und erstickten. Unmittelbare Ursache waren wohl v.a. die auf einigen Videos beobachtbaren vorherigen Schockwellen. In einer Massenturbulenz (Crowd Turbulence) treten solche Wellen auf, die es schwer machen, sich auf den Beinen zu halten. Wenn dann Menschen stürzen, wälzt sich unvermeidbar die Menge über sie. Keiner in dem Gedränge kann mehr seine Bewegungen steuern, er wird geschoben und hin- und hergeworfen (Quelle).
Daher sind vor allem diejenigen Umstände strafrechtlich (für § 222 und § 229 StGB) bedeutsam, die - vorhersehbar - dieses Gedränge verursachten. Im Folgenden geht es nicht um eine Zuweisung persönlicher Verantwortlichkeiten, auch nicht um eine Vorverurteilung Einzelner. Die persönlichen Verantwortlichkeiten und subjektiven Sorgfaltspflichtverletzungen sind von der Staatsanwaltschaft zu klären. Es sollen hier aber diejenigen Umstände herausgehoben werden, die als Kausalfaktoren für das Unglück in Betracht zu ziehen sind. Meine vorläufige Einschätzung beruht dabei auf den im Internet veröffentlichten Augenzeugenberichten, Fotos und Videos, aber auch auf den Stellungnahmen der Polizei, der Veranstalter und der Stadt Duisburg.
Versucht man eine nüchterne Analyse, dann zeigt sich, welche Sorgfaltspflichtverletzungen überhaupt nur in Betracht kommen, die das Unglück mit verursacht haben können.

1. Einige Fakten

Die Todesfälle ereigneten sich alle am unteren Ende der Rampe zwischen ca. 16.45 und 17.05 Uhr (nach den recherchen auf loveparade2010doku präziser zwischen 16.55 und 17.01 Uhr), nachdem sich an dieser Stelle aus beiden Tunnels Ströme von Menschen trafen, die dann von dort auf die Rampe zum Geländeeingang abbiegen sollten. Zudem trafen sie auf viele Besucher, die die Love Parde wieder verlassen wollten und ebenfalls diesen Weg nehmen mussten. Es kam hier  schon ab ca. 16.15 Uhr zu Stockungen, die lokal zu so dichtem Gedränge führten, dass die Menschen nach Auswegen suchten bzw. suchen mussten. Sie sahen drei Möglichkeiten, nämlich einen Mast, einen Container und die Treppe. Als sie sehen konnten, dass es offenbar dort einigen Personen (ab ca. 16.25 über Mast und Treppe, über den Container erst später) gelang, dort auf das Gelände zu kommen, versuchten viele, zu einem dieser drei Punkte zu gelangen und so verstärkte sich das Gedränge noch, insbesondere in Richtung der Treppe, vor der sich später das tödliche Menschenknäuel ereignete. Dass aber der eigentliche Weg auf das Gelände, nämlich über die Rampe selbst offenbar von viel weniger Menschen wahrgenommen und benutzt wurde bzw. werden konnte, hatte m.E. folgende Gründe:,

a) dort installierte durch Gitter geschaffene, oder schon zuvor existierende, siehe hier - Engstellen (update: inzwischen ist klar, dass ab 16.00 Uhr eine  Sperre existierte, die nach Angaben der Polizei um 16.40, nach Augenzeugen gegen 16.30 Uhr aufgehoben wurde, vgl. hier - mit Polizeifotos). So gab es für mind. 30 Minuten keinen Weg nach oben, bzw. dieser hatte zu geringen Durchfluss, so dass nicht viele (schon gar nicht mehrere tausend Personen pro Stunde)  passieren konnten. Diese Engstelle wurde  zu spät entfernt, um den schon entstandenen Stau sofort aufzulösen, vielmehr trafen nun zunächst die von unten und die von oben kommenden direkt aufeinander. Es ergab sich also kein Strom nach oben, dem sich die Menschen am unteren Ende der Rampe hätten anschließen können. Es gab auch keinerlei Hinweisschilder oder Durchsagen, die den aus dem Tunnel kommenden weitergeholfen hätten. So dachten sie wohl, es bestünde (weiterhin) gar keine Möglichkeit dort auf das Gelände zu kommen bzw. dem Gedränge zu entkommen und wendeten sich weiter nur den für sie sichtbaren Auswegen (Treppe, Container, Mast) zu. 

b) Menschen, die das Gelände verlassen wollten, gingen in Gegenrichtung über die Rampe nach unten, weitere verstopften bis gegen 17 Uhr am oberen Ende der Rampe etwa die Hälfte der Rampenbreite auf der von unten gesehen linken Seite (siehe hier, Foto von 16.43, nur rechts gehen einige nach oben, die Personen links/Mitte  gehen nach unten bzw. warten dort darauf, nach unten gehen zu können.

c) Einige Breitenmeter der Rampe wurden durch (hinter Absperrgittern) geparkte Polizeifahrzeuge blockiert (von unten gesehen auf der rechten Seite - hier zu erkennen). Zudem war mitten auf der Rampe eine Brezlbude (rotes Dach, dahinter querstehender Bauzaun) aufgebaut!

d) Das Gedränge wurde von hinten dadurch verstärkt, dass offenbar an den Eingängen der Tunnels wesentlich  mehr Menschen hineingelassen wurden (ab ca. 16.15 wurden die dortigen Sperren aufgehoben), als auf der Rampe in Richtung des Geländes durchkommen konnten.

e) Schon theoretisch war der Zugang durch die zwei Tunnels und die eine Rampe auf eine Durchgangsmenge ausgelegt, die es einer großen Zahl der nach Duisburg kommenden Besucher unmöglich machte, das Gelände zu erreichen. Schon theoretisch (und bei optimalen Einlassbedingungen) hätte es viele Stunden gedauert, bis das Gelände gefüllt worden wäre. Zudem rechnete man mit weit mehr Menschen als auf dem Gelände Platz hatten. Stauungen auf den Zugangswegen auch über Stunden hinweg wurden also in Kauf genommen.

2. Mögliche Pflichtverletzungen und Verantwortlichkeiten:

Die folgende Darstellung geht davon aus, dass für die Sicherheit auf dem Gelände samt der Zugangsrampe und den Tunnels der Veranstalter zuständig war, die Polizei für die Sperren auf den Zugangsstraßen, die Stadt Duisburg für die Genehmigung der Gesamtveranstaltung auf dem Gelände mit dem vorgesehenen Ein- und Ausgang.

zu a) Für die Verteilung der Besucher auf dem Gelände war der Veranstalter verantwortlich und es war vorhersehbar, dass sich ein Rückstau bis in die Tunnels bilden würde, wenn man hier keine ausreichende Durchlasskapazität erreichen konnte. Ebenso fahrlässig und kausal für die Todesfälle war aber die dann von der Polizei durchgeführte Sperrung auf der Rampe zwischen ca. 16.00 und 16.30/16.40 Uhr; gut eine halbe Stunde ließ man die Leute im Gedränge stehen - ohne Informationen. Hätte man ab 16.40 Uhr die Treppe gesperrt und die Besucher per Durchsagen informiert, dass sie jetzt über die Rampe auf das Gelände gehen können, wäre die Katstrophe vielleicht noch vermieden worden (update: es wären dazu möglicherweise noch wenige Minuten Zeit gewesen, die exakten Zeitangaben für das Entstehen des tödlichen "Knäuels" bzw. dafür, ab wann es zu den Todesfällen kam, sind aber noch ungesichert). Da hier Ordner des Veranstalters und der Polizei zusammen agierten, wird man beiden Seiten auch einen Teil der Verantwortung geben können. Hier kommt es nicht, wie das Innenministerium meint, darauf an, dass der Veranstalter auf der Rampe eigentlich "zuständig" war. Wenn Polizeibeamte selbst Aktionen durchführen sind sie dafür auch strafrechtlich verantwortlich, selbst wenn sie zuvor um Hilfe ersucht wurden.

zu b) Dafür, dass es keinen getrennten Ausgang gab, sind Veranstalter und Genehmigungsbehörde verantwortlich, die eine so unzureichende Zu- und Abgangssituation nicht hätten organisieren bzw.  genehmigen dürfen. Es war war im Konzept des Veranstalters vorgesehen, dass ein Teil derjenigen, die bereits am späten Vormittag  auf dem Gelände waren, nachmittags wieder das Gelände verlassen sollten. Der Veranstalter rechnete man mit knapp 500.000 Menschen, die eben über den Tag verteilt auf dem für knapp 250.000 Menschen bestimmten Gelände sein würden (nicht gleichzeitig). Das hätte aber zwingend erfordert, dass gleichzeitig ein größerer Strom von Menschen das Gelände verlassen und betreten konnte, was durch den einzigen Zu- und Ausgang gar nicht möglich war. Diese Unmöglichkeit trat zwischen 16 und 17 Uhr ein, denn viele Menschen wollten das Gelände zu dieser Zeit verlassen, trafen aber auf die Ankommenden, die nach mehrstündigem Warten an diversen Sperren zwischen Hbf und Tunnel endlich auf das Gelände wollten. Die beiden Ströme blockierten sich. Für diese Gegenströmung war offenbar keinerlei ausreichende Vorsorge getroffen worden - das immer wieder erwähnte "Sicherheitskonzept" war diesbezüglich völlig unzureichend oder schwieg dazu. Es gab zwar Versuche, durch Sperren der Situation irgendwie Herr zu werden, aber diese Versuche führten nur zur Verschärfung der Blockade, s.o..

zu c) Dass in dem einzigen Zu- und Abgang auch noch wesentliche Breitenmeter von Polizeifahrzeugen hinter Absperrgittern blockiert wurden, dafür kann wohl nur der Polizei die Verantwortung gegeben werden. Jeder verkehrsbehindernde Falschparker würde abgeschleppt werden von eben den Polizeikräften, die hier ihre Fahrzeuge mitten in den Zugangsstrom abstellten, der aus den beiden Tunnels kommen sollte. Die Genehmigung, die der Lopavent für die Love Paade erteilt wurde, enthielt die Auflage, dass  "die Fluchtwege an keiner Stelle durch Einbauten oder sonstige Hindernisse beschränkt werden".Zwar ist  der Veranstalter zuständig für die Einhaltung der Auflage, aber es ist wohl kaum zumutbar, dass der Veranstalter die Polizei auffordert, die Fahrzeuge dort wegzufahren. Derjenige, der den Beamten erlaubte bzw. gebot, die Fahrzeuge gerade dort abzustellen, hat sorgfaltspflichtwidrig gehandelt und hat möglicherweise mit zum tödlichen Verlauf beigetragen. Zur Zeit der Todesfälle (ca. 16.50 bis 17.00 Uhr) fuhr außerdem ein einzelner Polizeitransporter aus dem Tunnel kommend mitten durch das Gedränge am Fuß der Rampe. Dieser Transporter hat das Gedränge verschärft, allerdings bei seiner späteren Fahrt nach oben dann einen "Sog" geschaffen, in dem sich ein Strom nach oben bewegen konnte.
Für die Brezelbude und die ungesicherten Bauzäune mitten auf der Rampe, für die nur noch das Wort "hirnrissig" angemessen ist, wird man den Veranstalter verantwortlich machen können.

Als eine unmittelbare Ursache, die in dieses Bild einer ungeheuren und skandalösen Schlamperei passt, kann seit September (durch Internetrecherchen ermittelt) der nur mit einem darauf liegenden Bauzaun völlig ungeeignet "gesicherte" offene Gulli und ein großes Schlagloch angesehen werden. Genau dort sind Menschen im Gedränge gestolpert und konnten sich wegen der Enge nicht mehr selbst befreien und würden dann von der Masse erdrückt. Möglicherweise hätten sie überlebt, wenn diese Stolperfallen nicht existiert hätten. Verantwortlich ist hierfür ganz maßgeblich  der Veranstalter, der sicherzustellen hatte, dass die Zugangswege frei von Hindernissen sind.

zu d) Der Zugang zu den Tunnels wurde durch Sperren auf den Zugangsstraßen reguliert, für die nach Angaben der Veranstalter die Polizei verantwortlich war (update 21.00 Uhr: nach Angaben der Polizei war dafür ebenfalls der Veranstalter verantwortlich, der dies aber mangels ausreichender Anzahl der Ordner nicht bewältigt habe; hier steht derzeit Aussage gegen Aussage weiteres update - Information aus dem Spiegel vom 2.8. - Für die Regulierung des Zu- und Abstroms war ein crowd-Manager zuständig, der die Lage mit Videokameras überwachte, er saß in eben dem Container an der Stirnseite der Rampe, der von den Besuchern später ebenfalls als Zugang benutzt wurde - offenbar war er aber überfordert damit, die "crowd" zu managen; der an seiner Seite sitzende Polizist soll kein Funkgerät gehabt haben, was die Polizei bestreitet, ab 16.00 Uhr, so der Spiegel, habe dieser crowd Manager seine Aufgabe an die Polizei abgegeben). Außerdem wurden in den Tunnels Sperren eingerichtet, die den Nachschub auf die Rampe verhindern sollten, eigentlich eine gute Idee. Diese Sperren wurden aber ca 16.15 Uhr wieder aufgehoben bzw. waren nicht mehr effektiv. Möglicherweise haben hier Polizeibeamte oder Ordner einen Fehler gemacht, aber dies ist keineswegs zwingend anzunehmen. Denn möglicherweise ist schon an dieser Sperre (bzw. mehreren Sperren) ein unerträglicher Druck und Gedränge entstanden, so dass man sie aufheben musste, um an dieser Stelle Druck herauszunehmen und Verletzungen der Besucher zu vermeiden. Möglicherweise - so einzelne Berichte - wurden Sperren auf dem Weg zum Tunnel sogar buchstäblich "überrannt". War es aber keine bewusste und gewollte Entscheidung, die Sperren aufzuheben, dann ergibt sich wiederum eine Verantwortung derjenigen, die Tunnel und Rampe als einzigen Zu- und Abgang genehmigten und denen zudem bewusst war, dass gar nicht alle, die nach Duisburg kommen würden, überhaupt Platz auf dem Gelände hätten finden können. Wenn man in Kauf nahm, dass einige 100.000 Menschen nicht zum Gelände durchkommen können, diesen aber auch keine Ausweichalternative geboten wurde, dann hätte man vorhersehen können, dass diese sich an den Sperren stauen und dass schon dort Situationen entstehen, die es gebieten würde, sie durchzulassen zum Tunnel bzw. eine solche Menge einfach nicht aufzuhalten ist. Hierfür wäre die Stadt Duisburg selbst maßgeblich verantwortlich - spätestens als man nur 250.000 Menschen für das Gelände genehmigte, aber damit rechnete, dass wesentlich mehr Menschen nach Duisburg kommen würden, war der Konflikt absehbar. Eine so große Anzahl von Menschen lässt sich nicht über Stunden hinter Gittern oder in einem tunnelartigen Zugang einsperren.  Gerade für den Bereich, in dem es zum Unglück kam, hat das Sicherheistkonzept eien Lücke (vgl. hier): Niemand ist zuständig, niemand weiß, was er zu tun hat, wenn es im Tunnel oder auf der Rampe zum Gedränge kommt.

zu e) Für die Berechnung des Tunneldurchflusses bei Zu- und Abgang war der Veranstalter verantwortlich. Er hat zwar offenbar eine Entfluchtung berechnet, die (möglicherweise) sogar ausreichend gewesen wäre, aber man  hat offenbar nicht bedacht, dass der Zugang ein größeres Problem darstellt, obwohl auch dies vorhersehbar ist. Will man 250.000 Personen auf das Gelände bringen bei einem maximalen Zugangsfluss von 30.000 Personen pro Stunde, dann dauert dies gut 8 Stunden, was für eine eintägige Veranstaltung unrealistisch ist. Ein optimaler Zugangsfluss mag aber nur am Anfang erreicht worden sein In dem Moment, in dem eine größere Zahl von Zuschauern das Gelände wieder verlassen wollte, wurde der Zufluss erheblich vermindert. Da nun gleichzeitig gerade besonders viele Zuschauer in den westlichen Tunnel einströmten, war die Katastrophe vorprogrammiert.

Die Rolle von Herrn Prof. Schreckenberg ist bislang nicht endgültig geklärt. In verschiedenen Berichten heißt es, er habe das Konzept (Ein- und Ausgang durch Tunnel) mitgetragen bzw. befürwortet. Er selber sagt jetzt, er habe sogar vor dem Tunnel gewarnt, aber wohl nicht genügend. Jedenfalls seine Angabe, 20.000 Personen pro Stunde würden durch den Tunnel (meint er 40.000 durch beide?)  passen, lässt, wenn man bedenkt, dass 250-300.000 Leute auf das Gelände sollten, aufhorchen: Denn dann hätte es unzumutbar lange gedauert, bis diese Menschen auf dem Gelände wären, s.o. und das ohne Berücksichtigung gleichzeitig hinaus gehender Besucher, die den Zufluss vermindern. Auch unter optimalen Bedingungen erscheint daher dieser einzige Ein- UND Ausgang völlig ungeeignet.

3. Kurze Zusammenfassung:

Bei allen drei "Akteuren" (Stadt/Polizei/Veranstalter) lassen sich fahrlässige Handlungen feststellen, die die Katastrophe mitverusracht haben - die Planung und Genehmigung eines einzigen viel zu schmalen und ungetrennten  Ein- und  Ausgangs (Veranstalter/Stadt), die Hindernisse auf der Rampe (Veranstalter/Polizei), das Versäumnis einer Information der Besucher bei die Lage verschärfender Sperrung auf der Rampe bei gleichzeitiger öffnung der Sperren auf den Zugangswegen, zudem mangelnde Kommunikationsmittel untereinander (Polizei/Veranstalter). Wie gesagt, dies sind nur meine vorläufigen Einschätzungen nach den derzeit verfügbaren Informationen.

Eine aktualisierte Zusammenfassung (vom 02.09.) ist hier aufgeführt.
Die Frage der persönlichen Schuld einzelner Beteiligter ist eine, die ich mir nicht anmaßen will zu beantworten.

 

4. Quellen und Links:

Sehr gut  dieser Augenzeugenbericht  in der FAZ (mit exzellenter grafischer Darstellung)

 

Gute Videosammlung und Diskussionsblog (loveparade2010doku), es wurde eine genaue  zeitliche Abfolge der Ereignisse durch Videodokumenattion erstellt

Die Kommentare zur gerade genannten Seite sind hilfreich zur genauen Analyse, was passiert ist (z.B. ab hier)

 

Für eigene Recherchen: Ein user namens Pilsbierchen hat eine Synchronisation der auf you tube eingestellten Videos mit dem einer Überwachungskamera vorgenommen, eine enorm leobenswerte Leistung, ebenso wie der zeitsynchrone Zusammenschnitt von Videos von lopachron (hier zum download).

Der ODEM-Blog hat eine detailliertere Aufzeichnung des Zeitablaufs und bringt viele gute Quellen auch hier

Für Menschen mit guten Nerven, dieser (ausführliche)  Beitrag  aus dem Gedränge

Diese  Presseinformation des NRW-Innenministers  enthält einige wichtige Daten zum Ablauf polizeilichen Handelns, insbes. zur Sperrung der Rampe und der Tunnels in der entscheidenden Phase. Allerdings wird die Verantwortung der Polizei eher abgewiegelt, die des Verantalters herausgestellt - kein neutrales Dokument. Weitere Informationen und Statemnest auf der Seite des NRW-Innenministeriums.

Umfangreiche Dokumentationsseite der lopavent GmbH, einschließlich eines Films mit der Sicht des Veranstalters und Filmen der Überwachungskameras bis 16.40 Uhr. Es soll die Verantwortung der Polizei belegt werden, keine neutrale Dokumentation.

Nach diesem Bericht der Rheinischen Post hat die Polizei vorab wesentlich mehr Verantwortung übernommen als Innenminister Jäger und Polizeiinspektor Wehe nachträglich angeben.

Interview mit dem crowd-Manager auf Spiegel-Online

Laut  diesem Artikel (wdr)  hat die Feuerwehr die Polizei davor gewarnt, die Rampe zu sperren.

Zu den Besucherzahlen (angeblichen und erwarteten) dieser aufklärende Bericht.

Laut BILD-Zeitung (also Vorsicht!) gab es   diese Planung  des Veranstalters für  Zu- und Abgänge vom Gelände, danach sollten zwischen 16 und 17 Uhr 100.000 Menschen von beiden Richtungen über Rampe und Tunnel gehen.

Gut geschriebener  Augenzeugenbericht von einem, der am oberen Ende der Rampe wartete um heimzugehen.

Gutachten (Zwischenbericht) der RAe Dr. Jasper und Berstermann (Kanzlei Heuking u.a.) / Auftraggeber Stadt Duisburg / es wird v.a. die Stadt entlastet, kein neutrales Dokument, die Lücken darin deckt Cannabbaia hier in seinem blog schonungslos auf. Hier der Endbericht der Stadt Duisburg mit zahlreichen Anlagen.

Chronologie der Love-Parade-Genehmigung bei wdr.de.

Lesenswerte Analyse der Planungs- und Genehmigungspraxis der LoPa von Dr. Richard Wittsiepe: Fazit: Gravierende Planungslücke im Bereich Tunnel/Rampe

Youtube-Erläuterungsvideo von olli81koblenz mit vielen Grafiken, v.a. die Zu- und Abstromsituation wird gut erfasst.

Geleaktes  Dokument der lopavent GmbH vom 16.07.2010 Veranstaltungsbeschreibung mit Sicherheitskonzept, gibt Auskunft darüber, wie sich der Veranstalter die Zu- und Abgangssituation vorgestellt hat.

Docunews.org mit wertvollen Recherchen und Analysen von Lothar Evers - einem auch hier im Blog aktiven Kommentator

Dokumentation von bluemoonsun, die belegen soll, dass Bauzaun, Baumwurzel udn halboffener Gulli die Hauptursachen des tödlichen Menschenknäuels waren.

Gulli und Bauzaun als Stolperfalle (wdr-Audio)

Klarstellender Hinweis (am 14.09.2010 eingefügt): es geht hier um eine strafrechtliche Sichtweise, d.h. es geht nicht darum, welche Institution zivilrechtlich haftet bzw. zum Schadenersatz verpflichtet ist. Die strafrechtliche Sichtweise ist nicht die einzige, sie muss zur Bewertung der Love Parade  nicht einmal die  entscheidende sein - es ist eben mein Blickwinkel. Andere rechtliche Aspekte (Verwaltungsrecht, Polizeirecht, Zivilrecht) werden hier nur am Rande verhandelt, wenn sie einen strafrechtlichen Bezug haben. Leider bin ich nicht auf allen Rechtsgebieten Experte. Meine hier geäußerten Statements sind vorläufiger Natur. Ich habe mit keinem der Akteure irgendetwas zu tun, stehe auch mit keinem von ihnen in Kontakt.

 

Beachten Sie bitte auch meine neue Zusammenfassung vom 02.09. 

 

Update am 13. Juli 2011:

Die Diskussion geht weiter, hier die Links

 zu den weiteren Diskussionen hier im Beck-Blog:

September 2010 (788 Kommentare, ca. 16000 Abrufe)

Dezember 2010 (537 Kommentare, ca. 8000 Abrufe)

Mai 2011 (über 1000 Kommentare, über 7000 Abrufe)

AKTUELL: Juli 2011

 

 

 

 

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465 Kommentare

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Sehr geehrte Kommentatoren,

ich habe jetzt die Situation Bauzaun/Gulli/Schlagloch oben in meinen Beitrag eingefügt als weitere Konkretisierung der Hindernisse auf der Rampe, die ich schon seit meinem ersten post (28.07.) als Ursachen erwähnt hatte. Mir erscheint die Recherche durch einzelne Nutzer auf loveparade2010doku, die sich ja z.T. auch hier an der Diskussion beteiligt haben, durchaus überzeugend, dass es nämlich gerade diese Hindernisse waren, die unmittelbar für die meisten Opfer tödlcih/verletzend waren.

Aber dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es weitere Ursachen gibt: Wäre, wie es "geplant" war, gar kein Gedränge an dieser Stelle der Rampe entstanden, hätten auch diese Stolperfallen keine Rolle gespielt - vielleicht hätte sich allenfalls jemand den Fuß verstaucht. Hätte man seitens der Stadt Duisburg bei der Genehimgung auf ein vollständiges Sicherheitskonzept geachtet, das auch die Rampe eingeschlossen hätte, wäre die Veranstaltung so nicht genehmigt worden. Hätte es vernünftige (oder überhaupt welche) Lautsprecherdurchsagen gegeben, hätten die Leute nicht den Weg zur Treppe hin und damit genau auf diese Stolperfallen zu genommen, hätte die Polizei nicht im unteren Drittel der Rampe gesperrt, während gleichzeitig noch Leute durch den Tunnel kamen, hätte es dieses tödliche Gedränge an dieser Stelle ebenfalls nicht gegeben.

Ich bleibe also dabei, dass es Fahrlässigkeiten auf allen Ebenen gegeben hat: Nicht nur diejenigen, die meinten, mit dem Bauzaun seien die Löcher gesichert, und diejenigen, die bei der Kontrolle am 23.07. meinten, man müsse dies nicht monieren und nachprüfen, sind allein strafrechtlich verantwortlich.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Ganz unsere Meinung!

Multiple Ursachen auf mehreren Ebenen.

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Wenn es mehrere Verursacher gab, wer ist dann strafrechtlich verantwortlich zu machen?

Da auf der Seite loveparade2010doku auch diese Frage gestellt wurde, darf ich die Antwort noch einmal wiederholen: Gibt es mehrere Ursachen, die neben- oder hintereinander wirkten, für einen Erfolg (Tod/Verletzung), dann kann jeder, der eine der Ursachen gesetzt hat, unabhängig von den anderen strafrechtlich dafür verantwortlich gemacht werden. Es wird also nicht nur der Letztverursacher, sondern es werden auch die vorherigen Verursacher in der Ursachen-"Kette" verantwortlich gemacht. Zu beachten ist jedoch: Es muss für jeden Ursachensetzer einzeln belegt werden, dass er den Erfolg bei seiner Handlung/Unterlassung hätte vorhersehen und vermeiden können. War der Erfolg absolut unwahrscheinlich und daher für ihn unvorhersehbar (also wenn der Erfolg nur unter ganz atypischer Verkettung von Umständen eintreten konnte), dann entfällt der strafrechtliche Vorwurf. Dies bedeutet natürlich auch: Je weiter weg ein Verursacher vom Erfolg ist, umso eher wird die Lage eintreten, dass der Erfolg von seiner Warte aus nicht mehr vorhersehbar war.

Um dies für die hiesigen Fall zu konkretisieren: Die hier (und anderswo) ausgemachten konkreten Ursachen (Lücke im Sicherheitskonzept, fehlerhafte Genehmigung, Hindernisse und Sperre auf der Rampe) sind m.E. alle zurechenbar. Nicht mehr strafrechtlich (aber natürlich politisch/moralisch trotzdem) zurechenbar wird es sein, dass sich einzelne Politiker allgemein für das Stattfinden der Loveparade eingesetzt haben, sofern sie die Einzelheiten der Planung/Genehmigung nicht kannten bzw. nicht für deren Überwachung zuständig waren.

Gerade lese ich das in der Süddeutschen (Quelle):

"Dem «Express» hatte der ermittelnde Staatsanwalt Rolf Haverkamp erklärt: «Der Gully, von dem die Zeugin spricht, ist mir bekannt. Wir haben ebenfalls mehrere Zeugenaussagen in dieser Richtung.» Der Gully sei wohl vor der Veranstaltung notdürftig abgedeckt worden, dies hätten die Besucher aber sofort heruntergerissen."

Der letzte Satz erscheint mir äußerst zweifelhaft: Die Fotos dokumentieren relativ eindeutig, dass die notdürftige Abdeckung des Gullis durch den Bauzaun vom Beginn des Einlasses bis nach der Katastrophe ziemlich genau in derselben Position lag. Will der Staatsanwalt (bzw. die ihn informierende Polizei) behaupten, es hätte ein Besucher den Bauzaun angehoben und eine darunter liegende Abdeckung des Gullis "heruntergerissen"? Oder ist diese angebliche Aussage des Staatsanwalts eine Express-Ente? Insbesondere die darin bestehende Tendenz, das Unglück den Besuchern in die Schuhe zu schieben, erinnert an die ersten  Äußerungen der Verantwortlichen nach dem Unglück.

Man kann den Medien bei der Berichterstattung über den Gulli wenig glauben. Da offenbart sich immer wieder Unkenntnis und Aussagen werden verfälscht wiedergegeben.

 

Gutes Beispiel: Das Interview der Augenzeugin beim WDR - sprach davon, dass sie sich "in etwas verhakte" und an anderer Stelle des Interviews, dass der Gulli so sehr kaputt war, dass theoretisch fast ein Bein hineingepasst hätte. Natürlich ist sie (und auch andere) nicht mit Bein in den Gully gefallen - wie denn auch, es war ja der Bauzaun drüber!

 

Aber trotzdem machten mehrere Medien daraus, dass sie in den Gully gefallen sein und sich gerade noch daraus befreien konnte...

 

So ähnlich kann ja auch bei diesem Interview verfälscht worden sein...

 

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Da stimmt jetzt was nicht. Bitte noch mal selbst das Interview mit der Zeugin ansehen:

http://www.wdr.de/mediathek/html/regional/2010/09/17/aktuelle-stunde-loveparade-gully.xml;jsessionid=A1EF5AD44789E3A7399830DB4E066E22.mediathek1

 

Sie sagt wörtlich:

"... Ich bin mit dem Fuß rein und habe dann gemerkt, dass sich mein Fuß in irgendwas verakt hat ... Es war ein Bauzaun, der über ein Gulliloch gelegt war, in den ich bis zum Oberschenkel reinpasste ..."

und am Ende des Films:

"Das ist jedem klar denkenden Menschen klar, dass ich keinen offenen Gulli mit 'nem Bauzaun überdecken kann, durch den die Menschen fast mit dem kompletten Bein hindurchpassen."

Ich habe mir den Beitrag sehr genau angehört, so dass ich die Aussagen wörtlich mitschreiben konnte.

Sie sagt zwar nicht, dass sie mit dem Bein da tatsächlich hineingebrochen ist. Aber sie sagt, dass ihr dies um ein Haar geschehen ist und sie davon ausgeht, dass dies anderen geschehen konnte bzw. der Gulli dadurch zur tödlichen Falle wurde. Und die Aussagen sind so formuliert, dass man daraus schließen muss, sie habe mit dem Bein durch den Bauzaun gepasst.

Ich hatte die Zeugin übrigens auch schon beim ersten Ansehen des Films so verstanden und mich dann etwas gewundert, wie man bis zum Oberschenkel durch diesen Zaun rutschen könnte. Dann dachte ich, der Zaun habe sich durch viele drüberlaufende Leute womöglich irgendwie verbogen bzw. die Metallmaschen seien vielleicht nicht fest genug gewesen, als ein entsprechendes Gewicht darauf lastete.

Es wäre für die Aufklärung besser, der Sache noch mehr nachzugehen. Sollte die Zeugenaussage so nicht korrekt sein, dann wäre sie nicht hilfreich für die Glaubwürdigkeit derjenigen, die sich darauf berufen.

 

Die Medien haben ihre Aussage also nur etwas übertrieben und aus einem fast mit dem Bein reingefallen, ein ganz mit dem Bein reingefallen gemacht - besser gesagt: manche Medien, nicht alle.

Entsprechend beruhigt mich der Hinweis auf Falschmeldungen der Medien bezüglich der Aussagen des Staatsanwalts nicht.

Der Rheinischen Post gegenüber hatte er noch erklärt (Zitat aus der RP): Die ermittelnde Staatsanwaltschaft Duisburg kennt die Frau nicht und hat auch noch keine Ermittlungen in diese Richtung aufgenommen. „Sollte an der Sache etwas dran sein, werden wir aber selbstverständlich der Sache nachgehen“, so Oberstaatsanwalt Rolf Haferkamp im Gespräch mit unserer Redaktion ... Die Polizei habe nach der Katastrophe den Unglücksort „genauestens untersucht“. Ein schlecht abgedichteter Gullydeckel soll bei den Untersuchungen nicht aufgefallen sein.

Und ein oder zwei Tage später sagt er dem Express: "Der Gully, von dem die Zeugin spricht, ist mir bekannt. Wir haben ebenfalls mehrere Zeugenaussagen in dieser Richtung." Der Gully sei wohl vor der Veranstaltung notdürftig abgedeckt worden, dies hätten die Besucher aber sofort heruntergerissen ???

Wie falsch soll er denn nun in diesen beiden Fällen zitiert worden sein?

Es dürfte also wichtig sein, diese Gulli-Sache sehr genau aufzuklären.

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Sehr geehrte Leserin,

es ist wenig überraschend, dass sich Journalisten, die sich nun erstmals mit dem Bauzaun und der Situation dort befassen, etwas weniger kenntnisreich sind als diejenigen, die diesen Bauzaun bei der Internetrecherche schon seit Wochen als eine Stolperfalle identifiziert haben. Niemand ist in den Gulli gefallen. Und dass jemand (oder auch nur sein Bein) dort hätte reinfallen können, ist deshalb auch nicht die entscheidende Frage. Die Zeugin hatte wohl den Eindruck, das Loch sei groß genug, um dort bis zum Oberschenkel hineinzurutschen - vielleicht bezieht sich diese Aussage auf die Situation, wenn dort kein Bauzaun drübergelegen hätte (aus meiner Erfahrung: Solche Interviews sind sehr viel länger als was dann hinterher gesendet wird, möglicherweise hat die Zeugin hier noch einiges gesagt, was nicht gesendet wurde, und die sache erklärt).

Ich sehe es eher so, dass dieser Bauzaun die Stolperfalle und damit eine Ursache für die Stürze in diesem Areal  war, der Gulli und das Baumschlagloch sind  die Erklärung dafür, weshalb der Bauzaun offenbar bewusst dort hingelegt wurde. Und es macht die Fahrlässigkeit an dieser Stelle "mit Händen" greifbar. Wer immer den Zaun dort platziert hat, wer immer dies angeordnet hat, wird große Mühe haben, sich von der Verantwortung zu entlasten. (wie schon gesagt: neben denen, die im Planungs- und Genehmigungsprozess versagt haben).

Übrigens kann ich die Empörung der Journalisten des wdr, man gebe ihnen seitens der Stadt Duisburg und seitens des Veranstalters keine Auskunft zum Gulli und zum Bauzaun, nicht nachvollziehen; diese Empörung ist ein Nebenschauplatz und verwässert leider hier (wie oft) die Kernaussage einer Recherche: Selbstverständlich sagen die nichts dazu, denn eine vernünftige "Verteidigung" gegen den Vorwurf ist hier gar nicht möglich. Ein Leugnen ("Bauzaun lag da keiner") würde schnell als Lüge entlarvt, ein Eingeständnis ("den habe ich da hingelegt") wird man vor der Presse auch nicht erwarten können. Zudem muss der individuell Verantwortliche erst noch identifiziert werden. Und dass sich die Staatsanwaltschaft bedeckt hält, ist richtig so. Sie sollte vor Abschluss der Ermittlungen gar nichts sagen. Was der Express da zitiert, ist schon zuviel (wenn Haferkamp das tatsächlich so gesagt haben sollte).

 

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Noch einmal zur Aufteilung der Untersuchungen zwischen

Polizeipräsidium Essen (Polizei)

und

Polizeipräsidium Köln (strafrechtlich)

 

Dazu hatten wir zuvor folgende Vermutungen:

Zitat von Herrn Prof. Müller: > Die Polizei Köln ermittelt den Sachverhalt für die Staatsanwaltschaft - das Einsatzkonzept wird sie dabei kaum ignorieren können, es wird wahrscheinlich einbezogen in diese Ermittlungen. Die Essener prüfen möglicherweise polizeiintern, ob und was an dem Konzept falsch war und was man beim nächsten Mal besser machen kann polizeilicherseits. Also polizeitaktische Fragen, die strafrechtlich nicht unbedingt eine Rolle spielen. <

Zitat von Herrn Evers: > Ich kann das nchmal bestätigen:
Nach jeder Grosslage wertet die Polizei das geschehen aus, um die Erfahrungen für zukünftige Einsätze zu gewinnen. In der Regel machen das die auch eingesetzten Polizeiführer / Stäbe. Damit hat man jetzt Essen beauftragt.
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Aktuell wird im NRW-Landtag ein Untersuchungsausschuss abgelehnt. Begründung dafür ist, dass sich Zeugen aufgrund der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen auf ihr Aussageverweigerungsrecht berufen können. Dadurch, so CDU-Fraktionsvize Peter Biesenbach gegenüber der WAZ, wäre ein Untersuchungsausschuss zum jetzigen Zeitpunkt nicht sinnvoll.

Die WAZ erklärt weiter: "Nun will die CDU-Fraktion laut Biesenbach zunächst einen Bericht des Essener Polizeipräsidenten abwarten, der Ende Oktober vorliegen soll. Die Fraktion geht davon aus, dass darin viele Fragen beantwortet werden, auf die die Abgeordneten eine Antwort suchen."

Quelle: http://www.derwesten.de/kultur/musik-und-konzerte/loveparade/CDU-gegen-Untersuchung-zu-Loveparade-Drama-id3745594.html

 

Das hört sich nicht danach an, als handele es sich bei der Untersuchung der Essener Polizei um eine polizeiinterne Angelegenheit, um für die Zukunft intern Polizeistrategien überlegen und/oder verbessern zu können.

Diese Aussage lässt vielmehr einen Bericht der Essener Polizei erwarten, welcher im Landtag offen diskutiert und damit auch der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wird.

Erwarten wir da jetzt, dass dieser Bericht Fehler der Polizei aufzeigen wird, die - wie in diesem Blog herausgearbeitet - zu den Todesfällen beigetragen haben?

Wenn ja, dann wäre das ein Vorgriff auf die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen. Das ist also nicht anzunehmen.

Wenn nein: Was bitte soll dieser Bericht dann im NRW-Landtag?

"Die Fraktion geht davon aus, dass darin viele Fragen beantwortet werden, auf die die Abgeordneten eine Antwort suchen." Ah, ja - welche denn, wenn es dabei nicht um die Todesfälle geht? Beschäftigen sich die Abgeordneten neuerdings mit polizeiinternen Überlegungen?

 

(Hinweis: Die Art meiner Fragestellung soll den Sachverhalt kritisch beleuchten und ist insofern nicht als direkte Antwort auf andere Diskussionsteilnehmer zu verstehen. Ich bin wieder ernsthaft besorgt über die Aufteilung der Zuständigkeiten der beiden Polizeibehörden und über eine neuerliche Berichtsveröffentlichung vor den Ergebnissen der staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen.)

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Hier noch einmal zusammengefasst der Grund meiner Besorgnis:

 

Die Untersuchung der Vorgänge im Zusammenhang mit der Loveparade wurden der Duisburger Polizei entzogen bzw. von dieser abgegeben, um nicht den Eindruck einer Befangenheit entstehen zu lassen.

Mit der Untersuchung wurde stattdessen die Polizei zweier anderer Städte beauftragt:

- Die Kölner Polizei untersucht die strafrechtlich relevanten Vorgänge.

- Die Essener Polizei untersucht das Verhalten der Polizei während der Loveparade.

Die Trennung der beiden Aspekte "strafrechtlich relevant" und "Verhalten der Polizei" hat mich stutzig gemacht, denn hier im Blog kamen wir - wie auch andere Interessierte im Internet - zu dem Ergebnis, dass die Polizei ebenfalls durch ihr Verhalten (z.B. Polizeiketten/-sperrungen) zu den Todesfällen beigetragen hat. Entscheidungen und Aktionen der Polizei sind also auch unter strafrechtlichen Aspekten zu betrachten.

Eine Trennung der beiden Aspekte könnte die Frage aufwerfen, ob man Vorgehensweisen der Polizei während der Loveparade womöglich von vornherein bei den strafrechtlichen Betrachtungen außen vor lassen will.

 

Herr Prof. Müller und Herr Evers fanden eine plausible Begründung für die zwei getrennten Untersuchungen. Die Vermutung war,

- dass in Essen lediglich polizeiinterne Untersuchungen vorgenommen werden, um für die Zukunft Erfahrungen polizeiintern auszuwerten,

- während es in Köln um die Betrachtung ALLER relevanten Vorkommnisse geht (in diesem Zusammenhang auch um das Verhalten der Polizei) und damit um die Aufklärung der Vorgänge in strafrechtlicher Hinsicht.

 

Eine rein polizeiinterne Untersuchung hätte jedoch m.E. nichts im NRW-Landtag und in der Öffentlichkeit zu suchen.

Und die Landtagsabgeordneten haben hinsichtlich der Loveparade ganze Fragenkataloge aufgestellt, die sich auf die Todesfälle, die vielen Verletzten und die Fehler, die gemacht wurden, beziehen. Antworten darauf kann nur eine Gesamtbetrachtung geben und keine singuläre Betrachtung des Verhaltens der Polizei - auch noch mit dem Ziel, lediglich intern daraus Schlüsse für zukünftige Strategien zu ziehen.

 

Ist nun geplant, einen Bericht zu veröffentlichen, der sich ausschließlich auf das Verhalten der Polizei während der Loveparade bezieht,  so ist kaum anzunehmen, dass man damit den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft (und damit auch den Ermittlungen der Kölner Polizei) vorgreifen könnte oder wollte.

Wird damit auch noch der Anspruch verbunden, die Fragen der Landtagsabgeordneten hinsichtlich der Loveparade zu beantworten, so ist m.E. folgende Befürchtung angebracht: Wird diese singuläre Betrachtung wiederum nichts anderes als ein parteilicher "Entlastungsbericht", wie wir von den verantwortlichen Seiten mittlerweile bereits einige auf Steuerzahlers Kosten zugemutet bekamen?

 

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Man muss da glaube ich verschiedene Ebenen auseinander halten.
Die Essener Polizei macht die Einsatznachbesprechung. Es spricht nichts dagegen über diese Polizei interne Nachbereitung nicht zu informieren. Das gilt in jedem Fall für den Innenausschuss des NRW Landtages. Aber auch für die Öffentlichkeit.

Zu einer tatsächllichen politischen Aufbereitung jenseits parteipolitischer Interessen sind die Parteien (mit Ausnahme der FDP und der Linken) nicht bereit. Das sieht man sowohl in Duisburg, wo dem Rat ausser einer (völlig unstrukturierten) Fragestunde und dem einen Satz "Sauerland abwählen" nichts geschehen ist. Dort sind immerhin die CDU (Sauerland Rabe), die SPD (Dressler), und die Grünen (Dr. Greulich), der Ansicht, der Heuking Bericht reiche zur Aufarbeitung aus.

Im Landtag haben die Oppositionsparteien (CDU, Linke, FDP) durchaus ein Interesse, den Innenminister zu schwächen. CDU und FDP waren aber bis vor kurzem selber an der Macht und damit in die Vorbereitungen involviert.

Nach der letzten Sitzung des Innenausschusses vom 2.9. ist auch klar:
Lopavant mauert und schickt Anwälte vor.
Auch von der Stadt Duisburg dürfte kaum mehr zu erfahren sein, als das, was im Heuking Bericht steht.
(Das Wortprotokoll dieser Ausschusssitzung liegt übrigens inzwischen vor. Es hat 117 Seiten und ist meiner
Meinung nach eine unverzichtbare Lektüre wenn man auf dem Stand der Aufarbeitung bleiben will:
http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMA15-9.pdf

Gleichzeitig lässt das Interesse der Öffentlichkeit nach und vieles ist ja auch schon klar, wenn auch nicht politisch eingestanden.
So wird einiges, was strafrechtlich nicht relevant ist, wohl eher unaufgearbeitet bleiben. Muss man jedenfalls fürchten.

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Zitat: > Die Essener Polizei macht die Einsatznachbesprechung. Es spricht nichts dagegen über diese Polizei interne Nachbereitung nicht zu informieren. <

Mit der doppelten Verneinung kann ich mich dem anschließen. ;)

 

Im Ernst: Wir können nicht davon ausgehen, dass die Polizei bereit ist, die maßgeblichen Fehler, die von ihrer Seite gemacht wurden, mit diesem Bericht zu veröffentlichen. Inwiefern also sollte er in der Lage sein, die Fragen der Abgeordneten und der Öffentlichkeit zu beantworten?

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Wir müssen uns den Bericht wirklich ansehen. Es ist ja immerhin die interne Qualitätskontrolle der Polizei. Auch, ob wir ihn vollständig zu lesen bekommen. Die Fragen der Abgeordneten sind ja trotzdem gestellt und sehr detailreich. Müsten und sollten ja auch beantwortet werden. Mich hat da insbesondere der FDP Abgeordnete Engel beeindruckt. Der blickt selber auf eine Karriere bei der Polizei zurück und seine Fragen gehen sehr ins Detail.

Hier z.B. die Antwort des Innenministeriums:
http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV15-50.pdf

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Interessant. Da heißt es z.B.: > Die Polizei Duisburg hat im Vorfeld der Loveparade in Duisburg Sicherheitsbedenken für den in Duisburg nicht zu ihrem Verantwortungsbereich gehörenden Tunnel und Rampenbereich vorgetragen. <

Interessant ist, dass es in Deutschland Orte gibt, an denen sich die Polizei nicht als verantwortlich ansieht. Ich dachte, so etwas gäbe es nur in Regionen dieser Welt, in denen Warlords und marodierende Banden herrschen und sich der Rechtsstaat durch Abwesenheit auszeichnet.

 

Dann beruft man sich auf Prof. Schreckenberg: > Vor dem Hintergrund des Ablaufes der Gesamtvorbereitung, den Zusicherungen und Maßnahmen der Stadt Duisburg und des Veranstalters (unter anderem Begutachtung durch Prof. Dr. Schreckenberg) ging die Polizei Duisburg davon aus, dass ihren Sicherheitsbedenken durch die Genehmigungsbehörde umfassend Rechnung getragen wurde. <

Da hat man es sich wohl ein wenig bequem gemacht und – wie auch die Behörden in Duisburg - nicht weiter darüber nachgedacht, dass gar kein Gutachten von Schreckenberg vorgelegt wurde und sich auch die Entfluchtungsanalyse, das Brandschutzkonzept und andere Sicherheitsplanungen nur auf den Bereich ab Rampe aufwärts bezogen.

 

Z.B. folgende Aussage ist schlicht und ergreifend falsch:

> Zu den wesentlichen Geschehensabläufen im Tunnel- und Rampenbereich ist insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Behauptungen und Videoveröffentlichungen des Veranstalters zusammenfassend auf der Grundlage

– des Sicherheitskonzeptes

– der Veranstaltungsbeschreibung

– und der Ergebnisse des Workshops

folgendes festzustellen:

Planungsphase: 1. Der Veranstaltungsbereich der Loveparade in Duisburg am 24.07.2010 umfasste das eigentliche Veranstaltungsgelände, den alten Güterbahnhof, die Rampen sowie den gesamten Bereich des Karl-Lehr-Brückentunnels einschließlich der Sperrstellen des Veranstalters an der Düsseldorfer Straße (westliche Begrenzung) und Grabenstraße (östliche Begrenzung). <

Falsch daran ist:

Diese Definition des Veranstaltungsgeländes hat eben nicht stattgefunden.

Durch die zwei unterschiedlichen Genehmigungen

Bauamt => Festivalgelände bis Rampe

Straßenverkehrsamt => Einlassschleusen und Tunnel bis Rampe

wurden die Grenzen des Veranstaltungsgeländes sehr klar und deutlich festgelegt. Aus diesem Grund bezogen sich Sicherheitskonzept, Brandschutzkonzept, Entfluchtunganalyse etc. eben nur auf den Bereich Festivalgelände bis Rampe.

All das war für die Polizei weder verborgen, noch stand sie bei den Planungen und Entscheidungen außen vor – im Gegenteil:

Die Polizei wurde von Anfang an intensiv in die Planungen involviert, arbeitete selbst am Sicherheitskonzept mit. Im Sicherheitskonzept wird ihr ausdrücklich „Verantwortung und Zuständigkeit und damit auch die Befugnis zur Letztentscheidung für die Prävention und Abwehr polizeilicher Gefahren“ zugesprochen, und zwar auch für das Festivalgelände bis Rampe. Sollte sie darunter nur den möglichen Diebstahl einiger Portemonnaies verstanden haben, so wäre dies in starkem Maße befremdlich.

 

Die komplette Ausführung des Innenministeriums, die Sie verlinkt haben, ist inhaltlich haargenau dieselbe Soße vom Abweisen der Verantwortung und unvollständigen Darstellungen bis hin zur letztlichen Falschdarstellung.

Zum jetzigen Zeitpunkt ist zu konstatieren, dass sich das Innenministerium von allen an Schuldabweisungen Beteiligten mittlerweile durch die Masse der entsprechenden Äußerungen und Veröffentlichungen hervortut. 

 

Man beantwortet sämtliche Anfragen der Abgeordneten mit Rechtfertigungen der Polizei und Schuldzuweisungen an die anderen Beteiligten.

Nichts anderes befürchte ich von dem Essener Bericht.

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