Auch das OLG Köln wendet § 15a RVG ab seinem Inkrafttreten auch auf sogenannte Altfälle an

von Dr. Hans-Jochem Mayer, veröffentlicht am 19.09.2009

In der derzeit wohl spannendsten gebührenrechtlichen Frage, nämlich ob § 15a RVG ab seinem Inkrafttreten auch auf Altfälle anzuwenden ist oder ob die Übergangsvorschrift des § 60 RVG zur Geltung kommt mit der Folge, dass die praktischen Auswirkungen der gesetzlichen Neuregelung auf weitere Zukunft verschoben werden, hat nun auch das OLG Köln im Beschluss vom 14.09.2009  -17 W 195/09 -Stellung bezogen. Zutreffend hat auch dieses Oberlandesgericht entschieden, dass § 15a RVG auch so genannte Altfälle anzuwenden ist.die formale Anknüpfung an die bloße Gesetzeschronologie lasse im Kern unberücksichtigt, dass sich die gesetzliche Neuregelung ersichtlich vor dem Hintergrund der bisherigen BGH- Rechtsprechung und der sich daraus ergebenden rechtlichen und praktischen Schwierigkeiten versteht, die künftig vermieden werden sollen. In Anbetracht dessen hielt es das OLG Köln für geboten, diese Ziele und Wertvorstellungen des Gesetzgebers auch bei der Auslegung und Anwendung der bisherigen, durch§15 RVG im übrigen nicht veränderten Gesetzeslage heranzuziehen.

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BGH, B. v. 02.09.2009 in II ZB 35/07:

"Leitsatz:

Der Gesetzgeber hat durch die Einfügung von § 15a Abs. 1 RVG (Art. 7 Abs. 4 Nr. 3 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften, BGBl I S. 2449) die bereits unter Geltung des § 118 BRAGO und nachfolgend unter Vorb. 3 Abs. 4 RVG-VV bestehende Gesetzeslage klargestellt. Die Anrechnungsvorschrift wirkt sich danach grundsätzlich im Verhältnis zu Dritten, damit insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren, nicht aus. Im Kostenfestsetzungsverfahren musste und muss eine Verfahrensgebühr, von den in § 15a Abs. 2 RVG geregelten Ausnahmen abgesehen, stets auch dann in der geltend gemachten Höhe festgesetzt werden, wenn für den Bevollmächtigten des Erstattungsberechtigten eine Geschäftsgebühr entstanden ist.

 

Aus den Gründen:

Den erkennenden Senat überzeugt die Ansicht des VIII. Zivilsenats nicht. Ohne die gegen diese Lösung des Anrechnungsproblems anzuführenden systematischen, teleologischen und sprachlichen Argumente im Einzelnen darzustellen, vermag der Senat ihr nicht zuletzt im Hinblick auf die teilweise zu Recht als katastrophal bezeichneten Folgen aber auch, weil er sie aus den gesetzlichen Bestimmungen nicht abzuleiten vermag, nicht zu folgen.

 

Statt im Hinblick auf seine abweichende Meinung den Großen Senat für Zivilsachen anzurufen, hat der Senat die Bearbeitung des vorliegenden Rechtsbeschwerdeverfahrens zurückgestellt, nachdem der Gesetzgeber die vom VIII. Zivilsenat begründete Rechtsprechung zum Anlass für eine klarstellende Änderung des RVG genommen hat. Das Gesetzgebungsverfahren hat am 4. August 2009 durch Verkündung des § 15 a RVG (Art. 7 Abs. 4 Nr. 3 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften) im Bundesgesetzblatt (BGBl I S. 2449) sein Ende gefunden. § 15 a RVG ist gemäß Art. 10 Satz 2 dieses Gesetzes am Tag nach der Verkündung (5. August 2009) in Kraft getreten.

 

Mit dem neu eingefügten § 15 a RVG hat der Gesetzgeber das RVG nicht geändert, sondern lediglich die seiner Ansicht nach bereits vor Einfügung von § 15 a RVG bestehende Gesetzeslage in dem Sinne, wie auch der erkennende Senat sie verstanden hat, klargestellt , derzufolge sich die Anrechnung gemäß Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG grundsätzlich im Verhältnis zu Dritten, also insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren, nicht auswirkt. Die Anrechnungsvorschrift betrifft vielmehr grundsätzlich nur das Innenverhältnis zwischen Anwalt und Mandant. In der Kostenfestsetzung musste und muss daher eine Verfahrensgebühr auch dann in voller Höhe festgesetzt werden, wenn für den Bevollmächtigten eine Geschäftsgebühr entstanden ist. Sichergestellt wird durch § 15 a Abs. 2 RVG lediglich, dass ein Dritter nicht über den Betrag hinaus auf Ersatz und Erstattung in Anspruch genommen werden kann, den der Anwalt von seinem Mandanten verlangen kann (siehe hierzu BT-Drucks. 16/12717 S. 2 und S. 67 f.; Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz vom 5. April 2009; ebenso OLG Stuttgart, Beschl. v. 11. August 2009 - 8 W 339/09, juris Tz. 10; OLG Dresden, Beschl. v. 13. August 2009 - 3 W 0793/09, n.v.; OVG Münster, Beschl. v. 11. August 2009 - 4 E 1609/09, juris Tz. 9 ff.; Kallenbach, AnwBl. 2009, 442; Schons, AGS 2009, 216, 217; Hansens, RVG-Report 2009, 241, 246; ders. AnwBl. 2009, 535 ff.)."

 

Es erscheint zumindest fraglich, ob der 2. Zivilsenat hier nicht zu einer Anfrage nach § 132 Abs. 3 GVG und ggf. zur Anrufung des Gemeinsamen Senats in Zivilsachen verpflichtet gewesen wäre, weil er mit seiner rechtlichen Bewertung der Anrechnungsregelung Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG der ständigen Rechtsprechung des BGH widerspricht/ von dieser abweicht und hierdurch u.U. erst eine Bewertung der Gesetzesänderung als Klarstellung möglich wurde.

Ob nun wegen der noch anhängigen Kostenbeschwerden der Große Senat in Zivilsachen möglicherweise sogar der Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (wg. der abweichenden BVerwG-Entscheidung) angerufen wird, bleibt abzuwarten. Man mag dies als wünschenswert aber wenig wahrscheinlich ansehen.

Sehr geehrter Herr Schmeding,

an  der Entscheidung des II. Zivilsenats des BGH gibt es nun wirklich nichts zu deuteln. Die Entscheidungsgründe sind unmissverständlich, die Sprache von bemerkenswerter Klarheit. Selten kanzelt ein Senat die Rechtsauffassung eines anderen Senats desselben Obergerichts unter anderem damit ab, dass sie zu katastrophalen Folgen führe. Eine unterlassene Anfrage nach § 132 GVG kann dem II.ZS ebenfalls nicht zum Vorwurf gemacht werden, denn der Gesetzgeber hatte bereits mit §15a RVG der anders lautenden Rechtsauffassung mancher Zivilsenate des BGH die Grundlage entzogen. Für die Zukunft bleibt lediglich noch zu hoffen, dass die - gelinde gesagt - unglückliche Rechtsprechung mancher BGH -Senate  in der Anrechnungsfrage nunmehr möglichst geräuschlos zu Grabe getragen wird.

Hallo Herr Dr. Mayer,

 

an Geräuschlosigkeit glaube ich noch nicht.

Entweder muss der VIII. Zivilsenat seine bisherige Auffassung zur alten Rechtslage aufgeben oder er sieht § 15a RVG als Gesetzesänderung an.

Der II. Zivilsenat hat die Gunst der schnellen Entscheidung genutzt. Na ja. § 60 RVG erwähnt der Senat überhaupt gar nicht. Schade.

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Sehr geehrter Herr Dr. Mayer,

bei genauerer Betrachtung der Beschlussgründe fällt auf, dass der 2. Zivilsenat nach eigenen Angaben den Großen Senat für Zivilsachen anrufen konnte, was eine zuvor abschlägig beantwortete Anfrage nach § 132 Abs. 3  GVG voraussetzt. Über den Stil der Entscheidung braucht man sich m.E. nicht zu streiten, er steht für sich. Die Art und Weise hingegen mag zu denken geben.

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