US-Folter: Aufklärung ja, Strafverfolgung nein?

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 17.04.2009

Wie schon vor 8 Tagen hier angesprochen, wird derzeit in den USA und in Spanien akut diskutiert, ob Folter-Verantwortliche vor Gericht gestellt werden sollen.
Zur Rekapitulation: Es geht bei den Folterungen und Misshandlungen um grob drei Gruppen von potentiell Beschuldigten:

Die erste Gruppe sind die durch die Fotografien von Abu Ghraib im Jahr 2004 international bekannt gewordenen Soldaten und Soldatinnen, die Gefangene grob misshandelt, sexuell erniedrigt und missbraucht hatten. Nach ihren Angaben geschah dies auf Anweisung, jedenfalls aber unter Duldung dortiger CIA und Militärpolizeiangehöriger, um die Gefangenen für Vernehmungen gefügig zu machen. Diese Gruppe von Beschuldigten - also solche auf der niedrigsten Hierarchiestufe - wurden schon vor einigen Jahren in den USA disziplinarisch und strafrechtlich belangt.

Die zweite Gruppe sind CIA und DIA-Angehörige, die im Zuge des „war on terror" selbst Entführungen, Misshandlungen und Folter gegen Gefangene anwendeten, unter explizitem Verstoß gegen internationales Recht. Mindestens ein Todesfall, der beim „Verhör" durch einen CIA-Agenten verursacht wurde, ist bekannt. Die Methoden entsprachen denjenigen der vorgenannten Gruppe, und gingen bis hin zum berüchtigten waterboarding, allerdings gab es einen wesentlichen Unterschied: Diese Geheimdienstleute hatten sich ihre Aktionen von der Bush-Regierung ausdrücklich autorisieren lassen und diese Autorisierung ist heute insofern bestätigt worden, als dass Präsident Obama eine strafrechtliche Verfolgung dieser ausführenden Organe der Geheimdienste ausschloss.

Nun steht noch eine dritte Gruppe zur Debatte: Diejenigen, die die Foltermethoden autorisierten bzw. anordneten. Es handelt sich um einen kleinen Kreis von juristischen Beratern der Bush-Regierung, dem sogenannten „war council" und den von ihnen beratenen Ministern, dem Präsidenten und seinem Vize Cheney. Gegen diese Angehörigen der Bush-Regierung wurde sowohl in Deutschland als auch in Spanien Strafanzeige erstattet. Im spanischen Verfahren hat sich heute der Generalstaatsanwalt gegen ein Strafverfahren ausgesprochen. Es ist fraglich, ob sich der Richter Garzon (bekannt geworden durch das Pinochet-Verfahren)an diese Empfehlung halten wird.
In Deutschland hat die Bundesanwaltschaft vor einigen Jahren u.a. mit der Begründung, die US-amerikanische Justiz habe Vorrang, ein Ermittlungsverfahren gegen Rumsfeld u.a. abgelehnt.
Ob in den USA ein Verfahren gegen diese Angehörigen der Vorgängerregierung jemals eingeleitet wird, erscheint heute sehr fraglich.
Immerhin hat die Obama-Regierung heute einige Memoranden veröffentlicht, die bisher geheimgehalten wurden.

Es zeichnet sich eine gewisse Tendenz ab: Aufklärung  ja, Strafverfolgung nein.

 

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5 Kommentare

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Nun hat Präsident Obama in der Nacht zum Freitag während seines Staatsbesuchs in Mexiko die Haltung des von ihm ernannten CIA-Direktors Leon Panetta bekräftigt, wegen der Anwendung umstrittener Verhörmethoden Mitarbeiter des Dienstes juristisch nicht zu verfolgen. Also: Aufklärung ja, Verfolgung nein.

Trotz der laut gewordenen Kritik halte ich es für richtig, nicht die „Folterknechte“ strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, solange nicht diejenigen sich zu verantworten haben, die an der Spitze der Befehlskette standen. Dieses heiße Eisen will die amtierende US-Regierung aber wohl (noch?) nicht anfassen.

Gerade lese ich die Biografie von Irmtrud Wojak über den früheren Frankfurter Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (1903 – 1968), dessen Einsatz es zu verdanken ist, dass die juristische Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Dritten Reiches nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Gang kam und es zu den Epoche machenden Auschwitz-Prozessen kommen konnte. Beim Lesen wurde mir bewusst, wie vorsichtig wir Deutsche sein müssen, bevor wir mit dem moralischen Zeigefinger Zensuren an andere verteilen. Ich sehe es schon als großes Verdienst an, dass Obama die Folterungen als Unrecht bezeichnet! Das ist ein erster, sehr wichtiger Schritt. Ideal wäre es, wenn in einem zweiten Schritt das Unrecht der Regierungsverantwortlichen strafrechtlich auch aufgearbeitet werden könnte, um grundlegende Maßstäbe zur Orientierung für nächste Generationen zu festigen. Wir sollten nicht vergessen, wie schwierig die Debatte um die juristische Auseinandersetzung mit den NS-Gewaltverbrechen bei uns verlaufen ist und wie träge die Ermittlungen zunächst geführt worden bis hin zu einer für die Täter zunächst günstigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. So weist das Wirken von Fritz Bauer bis in unsere Tage.

Das ist nicht weiter verwunderlich. Ein US-Präsident ist auch nicht viel anderes als bei uns ein Minister - er wechselt alle etwa 8 Jahre. Und er kommt auf einen Posten und hat dort Menschen um sich herum welche schon davor sehr lange Zeit hatten Kontakte zu spinnen. Er ist auf diese Menschen und Kontakte angewiesen.

Geht er ohne freiwillige "Opfer" für Säuberungen präsentiert zu bekommen gegen diese vor, dann hat er u.U. ganze Apparate gegen sich. Das kann und wird er sich nicht leisten.Das können vielleicht Diktatoren nach Machtübernahme machen und gleichzeitig X Personen austauschen.

Eine Theorie welche hier verantwortliche Einzelpersonen sehen würde welche "unautorisiertes" auf eigene Faust unternommen hätten hielte ich für allenthalben weltfremd.

 

Grüße

ALOA

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Aufklärung und Strafverfolgung sollte in einem Rechtsstaat selbstverständlich sein.

Als Rechtsstaat verstehe ich einen Staat, der die Gesetzmäßigkeit von Exekutive und Judikative (Vorrang der Gesetze) garantiert und bei einem Gesetzesverstoß der öffentlichen Gewalt dem Verletzten einen Rechtsweg zu unabhängigen Gerichten ermöglicht.

Will ein Rechtsstaat die Folterer nicht bestrafen, obwohl durch die Aufklärung die Befehlsgeber und tatausführende Personen bekannt sind, muss er gesetzliche Vorschriften erlassen, die Folter erlauben.

 

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Herr/Frau Gast, das entspricht auch meinem Verständnis von einem Rechtsstaat.

In der heutigen New York Times wird detailliert darauf eingegangen, was in dem sogenannten Bybee-Memorandum steht:
Bybee gehörte zu den oben genannten Rechtsberatern des "war council":

("In one of the more nauseating passages, Jay Bybee, then an assistant attorney general and now a federal judge, wrote admiringly about a contraption for waterboarding that would lurch a prisoner upright if he stopped breathing while water was poured over his face. He praised the Central Intelligence Agency for having doctors ready to perform an emergency tracheotomy if necessary.(...) It sounds like the plot of a mob film, except the lawyers asking how much their clients can get away with are from the C.I.A. and the lawyers coaching them on how to commit the abuses are from the Justice Department. And it all played out with the blessing of the defense secretary, the attorney general, the intelligence director and, most likely, President Bush and Vice President Dick Cheney.")
Übersetzung:
"In einer der übelkeitauslösenden Passagen schrieb Bybee, damals einer der Assistenten des Justizministers und heute ein Bundesrichter, bewundernd über eine Vorrichtung für das waterboarding, die den Gefangenen automatisch nach oben schwenkt, falls dieser nicht mehr atmet, wenn ihm das Wasser übers Gesicht geschüttet wird. Er lobte die CIA dafür, dass sie Ärzte bereit stehen hatten, um sofort einen Luftröhrenschnitt durchzuführen (...)
Es liest sich wie das Drehbuch eines Mafiafilms, nur dass die Juristen, die anfragen, mit was die Klienten davonkommen könnten, vom CIA sind, und die Anwälte, die sie beraten, vom Justizministerium. Und das alles spielte sich ab mit dem Segen des Verteidigungsministers, des Justizministers, des Geheimdienstdirektors und, sehr wahrscheinlich, des Präsidenten Bush und des Vizepräsidenten Dick Cheney."

Der Kommentator der New York Times fordert den Congress auf, Bybee von seinem (Lebenszeit-)Posten als Bundesrichter zu entfernen.

Aus einem anderen der jetzt herausgegebenen Memoranden ergibt sich, dass der CIA den Gefangenen Zubaydah im August 2002 mindestens 83 mal der waterboarding Prozedur unterzog, den Gefangenen Sheikh Mohammed  183 mal  im März 2003. (Quelle mit Wortlautzitat: hier).

 

 

Viele Blogger werden es heute in der Presse gelesen haben: Nach der Welle der Kritik hält Obama die Tür zu einer Strafverfolgung der CIA-Mitarbeiter, die Terrorverdächtige gefoltert haben sollen, nun doch wieder offen. Die Entscheidung liege letztlich bei US-Justizminister Eric Holder.

Richtig! Denn es ist mit Blick auf die Foltervorwürfe nicht nur eine politische, sondern vor allem auch eine juristische Antwort zu geben und diese obliegt dem Justizministerium. Bekanntlich sind die Vereinigten Staaten als Signatarstaat der UN-Konventionen gegen Folter völkerrechtlich zur strafrechtlichen Verfolgung von Folter verpflichtet. 

Das letzte Wort in dieser Sache ist also jedenfalls noch nicht gesprochen. 

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