Exklusive Sonderzahlungen für Gewerkschaftsmitglieder?

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 03.03.2009

Die Diskussion um die Zulässigkeit sog. Differenzierungsklauseln erhält weiter Auftrieb. So hatte sich vor kurzem die CDU-Fraktion NRW für moderate tarifvertragliche Gestaltungen ausgesprochen, mit denen erreicht werden könne, bestimmte tarifvertraglich ausgehandelte Leistungen nur Gewerkschaftsmitgliedern zukommen zu lassen (siehe hierzu Beck-Blog vom 21.9.2008). In Heft 3 der NZA (2009, 119) spricht sich auch Frau Eva Kocher sehr deutlich für eine begrenzte Zulässigkeit zusätzlicher Leistungen nur für Gewerkschaftsmitglieder aus. Die Rechtspraxis wurde 40 Jahre lang durch eine Entscheidung des Großen Senats des BAG (29.11.1967 AP Nr. 13 zu Art. 9 GG = NJW 1968, 1903; vgl. ferner  BAG 9.5.2007, NZA 2007, 1439) bestimmt, nach der Differenzierungen bei tariflichen Leistungen nach der Gewerkschaftszugehörigkeit mit der negativen Koalitionsfreiheit der Außenseiter unvereinbar seien. Nunmehr scheint auch die Rechtsprechung in Bewegung zu geraten . Das Arbeitsgericht Hamburg (Urteil vom 26.2.2009 - 15 Ca 188/08) hat jetzt entschieden, dass Gewerkschaften und Arbeitgeber in Tarifverträgen Sonderzahlungen für Gewerkschaftsmitglieder vorsehen dürfen. Im entschiedenen Fall hatten die Hamburger Hafen und Logistik AG und die Gewerkschaft ver.di in einem Haustarifvertrag vereinbart, dass eine Erholungsbeihilfe von 260 Euro jährlich nur an Gewerkschaftsmitglieder ausgezahlt werden soll. Es wurde Sprungrevision zum BAG zugelassen, so dass eine neuerliche Befassung des BAG mit dieser Thematik wahrscheinlich ist. Der Hamburger ver.di-Chef Rose kündigte an, künftig verstärkt derartige Bonusregelungen für Gewerkschaftsmitglieder in die Tarifverträge aufzunehmen. Es seien Gewerkschafter, die höhere Löhne und Arbeitnehmerrechte erstreiten, die ihren Beitrag zahlen und den Druck der Arbeitgeber im Betrieb abbekommen, so Rose.

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4 Kommentare

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Bei solchen Stimmen muss gefragt werden dürfen, ob sich die Autoren auf dem Boden der FDGO bewegen. Art. 9 II GG garantiert die Koalitionsfreiheit. Positiv - wie negativ! Und es bleibt dabei, dass eine Differenzierungsklausel einen unsachlichen Anreiz zum Gewerkschaftsbeitritt darstellt!

Ziehen wir die Parallelle zum Wettbewerbsrecht: "Vorspann", unangemessene Zugaben etc sind dort auch untersagt. Mit gutem Grund:

Die Anbieter - auch die Gewerkschaften - sollen an ihren Leistungen gemessen werden. Und dazu gehört nicht nur das "materiell erreichte", sondern auch die politischen Aussagen: ist der Gedanke nicht unerträglich, dass ein Beschäftigter nur deshalb einer Gewerkschaft beitritt, weil er einen Erholungszuschuss von 250 EUR erhält, im Gegenzug dafür die "politische Meinung" mittragen muss, dass (nur beispielsweise) Leiharbeit "prekär" sei?

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@ Keller:

So ganz verstehe ich Ihre Aufregung nicht - gleich Untergang des Abendlandes und FDGO in Gefahr: Die Gewerkschaftsmitglieder - und nur diese - zahlen doch auch Beiträge an die Gewerkschaft. Die Trittbrettfahrer, denen das BAG bisher nachgekommen ist, zahlen keinen Cent, dürfen aber alle von der Gewerkschaft für ihre Mitglieder ausgehandelten Vorteile 1:1 mitnehmen. Das ist doch kaum nachvollziehbar.

Ein Anreiz zur Gewerkschaftsmitgliedschaft ist das sicher. Aber ein sachlich doch sehr einsichtiger.

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Die negative Seite eines Freiheitsrechts, umschreibt das recht, die Freiheit nicht zu nutzen und keine Nachteile von dem Nichtgebrauch zu erleiden. Wer der Gewerkschaft und damit letztlich der Tarifpartei nicht beitritt, mag sein Gehalt individuell mit dem Arbeitgeber aushandeln. Er kann dann eine höhere, aber auch eine niedrige Bezahlung erreichen. Diese negativen Folgen unter Hinweis auf die negative Koalitionsfreiheit so zu wenden, dass der Schirm des Tarifvertrages im Ergebnis keinen im Regen stehen lässt, ist dogmatisch nicht gerechtfertigt. Der Gebrauch der Freiheit darf nichts kosten, der Nichtgebrauch darf aber auch ohne Ertrag sein. Wer z. B. nicht wählt, darf auch nicht eine hypothetische Berücksichtigung seiner Stimme reklamieren.

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@ der_rufer

Ich glaube, hier wird die Bedeutung eines Tarifvertrages verkannt. Sie haben ja recht: Anspruch (!) auf eine Tarifleistung soll nur haben, wer auch Mitglied des Tarifträgers ist. Kein Thema, das ist so, das ist gut so, und ich kenne keine einzige gerichtliche Entscheidung, die etwas anderes behauptet (im Gegenteil: die Nichttarifgebundenheit ist ein sachliches Kriterium, einen Beschäftigten "schlechter" zu stellen als den Tarif).

Die Spannen- oder Abstandsklausel will aber doch im Kern etwas ganz anderes: dem Arbeitgeber verbieten, mit einem nicht Tarifgebundenen die gleiche Leistung (oder gar bessere) zu vereinbaren. Das hiesse: der Beschäftigte kann überhaupt nur und ausschliesslich zu der Leistung gelangen, wenn er Gewerkschaftsmitglied ist. Das ist es, wogegen sich zu Recht das BAG gesträubt hat. Das ist verfassungswidrig. (Sie würden sich auch dagegen sträuben, wenn Sie ein Päckchen Kaffee oder Tee nur bekommen, wenn Sie dazu eine Packung Zigaretten kaufen).

Die Gewerkschaften sind ja auch auf andere Art und Weise in der Lage, die Mitgliedschaft attraktiv zu machen. Aber das heisst, über mehr nachdenken als über die üblichen Tariferhöhungen. Und da ist eine Spannenklausel schon bequemer ...

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