OLG Rostock - Was machte der Senat 21 Monate mit der Akte?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 20.10.2008

Bekanntlich kann sich mit zunehmender Verfahrensdauer in Bußgeldverfahren die Frage stellen, ob eine eigentlich sich aus dem BKat ergebende Fahrverbotsanordnung nach § 25 StVG noch erzieherisch erforderlich ist. Die OLGe nehmen hier eine "Zwei-Jahres-Linie" ab Tatbegehung an. Nach Ablauf von zwei Jahren soll nur noch ausnahmsweise die Fahrverbotsanordnung erforderlich sein. Natürlich wird ein Verteidiger daher oft versuchen, das Verfahren zu strecken, um seinem Mandaten das Fahrverbot zu ersparen. Im Fall des OLG Rostock war das wohl gar nicht nötig, da in der Rechtsbeschwerdeinstanz beim OLG Rostock wohl etwas nicht in Ordnung war, vgl. OLG Rostock Beschl. v. 12.06.2008 - 2 Ss (OWi) 271/06 I 169/06, in dem es u.a. (gekürzt) heißt:
 

Wann wegen langer Verfahrensdauer allein oder in der Zusammenschau mit anderen Umständen ein Absehen vom Fahrverbot gerechtfertigt sein kann, ist zwar eine Frage des Einzelfalls, die einen gewissen Beurteilungsspielraum eröffnet. In Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung geht der Senat jedoch davon aus, dass der erzieherische Sinn und Zweck der Maßregel jedenfalls dann zweifelhaft sein kann, wenn der zu ahndende Verkehrsverstoß - wie hier - deutlich mehr als zwei Jahre zurückliegt ... Es ist in dem Verfahrens bereits zu rechtsstaatswidrigen Verzögerungen in nicht unerheblichem Ausmaß gekommen ist...Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip auch dem Betroffenen im Ordnungswidrigkeitenverfahren das Recht auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren, was das Recht beinhaltet, dass dieses in angemessener Zeit zu einem Abschluss gebracht wird... Welche Verfahrensdauer noch angemessen ist, bestimmt sich nach dem Umständen des Einzelfalles...Während die zwischen der Tat vom 04.05.2005 und dem Erlass des angefochtene Urteils am 15.06.2006 verstrichene Dauer des verwaltungsbehördlichen und gerichtlichen Bußgeldverfahrens von etwas mehr als 13 Monaten unter Anlegung dieser Maßstäbe rechtsstaatlich noch nicht zu beanstanden ist, gilt dies nicht mehr für die Rechtsbeschwerdeinstanz, in der die vorgenannten Grundsätze gleichermaßen Anwendung finden. Die am 02.10.2006 mit einem Verwerfungsantrag nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 349 Abs. 2 StPO beim Senat eingegangenen Vorgänge sind seither aus Gründen, die der Betroffene in keiner Weise zu vertreten hat und die sich auch nicht mit Umfang oder Schwierigkeit der Sache rechtfertigen lassen, bis zur heutigen Entscheidung, mithin rund 21 Monate, unbearbeitet liegen geblieben....Die erst in der Rechtsbeschwerdeinstanz aufgetretenen und allein von den Justizorganen zu verantwortenden Verzögerungen, haben dazu geführt, dass der Betroffene rund 15 Monate länger als bei regelrechtem Verfahrensgang im Ungewissen geblieben ist, ob und wann es noch zum Vollzug des Fahrverbotes kommt. Gerade das „Damoklesschwert“ eines drohenden Fahrverbotes beeinträchtigt Personen, die von Berufs wegen auf eine gültige Fahrerlaubnis angewiesen sind, erfahrungsgemäß deutlich stärker als die mit der Verhängung eines - auch massiven - Bußgeldes verbundenen Nachteile.

Natürlich würde doch manch einen interessieren, was mit der Akte eigentlich los war?

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2 Kommentare

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Akute Überlastung des Senats? Wenn das so "offen" und markant ausgesprochen wird, klingt es für mich jedenfalls nicht so, als fühlten sich die urteilenden persönlich verantwortlich, eher als wären sie selbst etwas ungehalten.

Wenn soetwas Schule macht würde sich vielleicht sogar die Regierung genötigt sehen, die Gerichte mit ausreichend Personal auszustatten. ;)

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Ja, da ist es schon schade, dass man nicht Mäuschen spielen kann :-))))
Wenn es eine allgemeine Überlastung des Senates gewesen wäre, die Ursache war, dann hätte das sicher auch so im Beschluss gestanden, so schätze ich jedenfalls.

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