Einspruch gegen Strafbefehl nicht per E-Mail mit jpg-Anhang

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 04.09.2023
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht5|2164 Aufrufe

Das LG Heidelberg musste sich anlässlich einer Beschwerde mit der Frage befassen, ob ggf. ein per Mail mit jpg-Anhang eingelegter Einspruch gegen einen Strafbefehl wirksam ist. "NEIN!", meint das LG ganz richtig.

 

 

1. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Heidelberg gegen den Beschluss des Amtsgerichts Heidelberg vom 27. Juni 2023 wird als unbegründet verworfen. 

 2. Die Kosten des Rechtsmittels werden der Staatskasse auferlegt.

 Gründe:

 I.

 Das Amtsgericht erließ am 10. Mai 2023 gegen den Angeklagten einen Strafbefehl, der ihm am 12. Mai 2023 zugestellt wurde. Am 19. Mai 2023 übersandte der Angeklagte per E-Mail eine Bilddatei im JPG-Format, indem er in einem abgelichteten und unterschriebenen Schreiben „Widerspruch“ gegen den „Bescheid“ einlegte und um eine erneute Prüfung der Angelegenheit bat. Mit Beschluss vom 27. Juni 2023 verwarf das Amtsgericht den Einspruch gegen den Strafbefehl als unzulässig, da er nicht der Form des § 410 Abs. 1 Satz 1 StPO entspräche. Gegen den Verwerfungsbeschluss wendet sich die Staatsanwaltschaft mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde.

 II.

 Die sofortige Beschwerde ist zulässig, bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.

 1. Die zugunsten des Angeklagten eingelegte sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wurde rechtzeitig binnen Wochenfrist (§ 311 Abs. 2 StPO) eingelegt. Dagegen ist nicht davon auszugehen, dass sich der Angeklagte auch selbst mit eigenem Rechtsmittel gegen den Verwerfungsbeschluss wendet. Zwar hat er das per E-Mail am 19. Mai 2023 übersandte Schreiben nunmehr mit Eingang am 1. Juli 2023 unmittelbar zur Akte gegeben. Dem ist nicht jedoch der Wille zu entnehmen, dass er sich durch die Übersendung gegen den Beschluss vom 27. Juni 2023 wenden möchte. Vielmehr handelt es sich bei dem eingereichten Dokument ausweislich der bis in kleinste Einzelheiten identischen Unterschrift um das Original des am 19. Mai 2023 abgelichteten und damit spätestens an diesem Tag gefertigten Schreibens. Die amtsgerichtliche Verwerfung des Strafbefehls datiert dagegen auf einen späteren Zeitpunkt.

 2. Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Der Angeklagte hat nicht gemäß § 410 Abs. 1 Satz 1 StPO form- und fristgerecht Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt. Das Amtsgericht hat daher das als Einspruch ausgelegte Schreiben zu Recht nach § 411 Abs. 1 Satz 1 StPO als unzulässig verworfen.

 Soweit es beim Amtsgericht am 1. Juli 2023 in Papierform eingegangen ist, ist die Frist von zwei Wochen versäumt. Der Einspruch wäre somit nur dann zulässig, wenn die Übersendung per E-Mail am 19. Mai 2023 formwirksam wäre. Indes genügt die Übersendung eines abgelichteten und unterschriebenen Schreibens als Anhang einer E-Mail-Nachricht dem Erfordernis der Schriftform nach § 410 Abs. 1 Satz 1 StPO nicht (so auch Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 410 Rn. 1; Radke in: Ory/Weth, jurisPK-ERV, 2. Aufl., Stand: 27.02.2023, § 32a StPO Rn. 39). Hierzu gilt:

 a) Bei einer E-Mail handelt es sich um ein elektronisches Dokument im Sinne von § 32a StPO. Unter diesen Begriff fällt jegliche Form elektronischer Information (zum Beispiel als Text-, Tabellen- oder Bilddatei), die ein Schriftstück beziehungsweise eine körperliche Urkunde ersetzen soll und grundsätzlich zur Wiedergabe in verkörperter Form (z. B. durch Ausdruck) geeignet ist (s. BGH, Beschluss vom 12. Mai 2022 – 5 StR 398/21, NJW 2022, 2768 Rn. 15).

 Die Einreichung eines elektronischen Dokuments bei einer Strafverfolgungsbehörde richtet sich allein nach § 32a StPO. Dabei kann dahinstehen, ob die frühere Regelung zum elektronischen Rechtsverkehr in § 41a StPO a. F. Raum für eine Wahrung der Schriftform durch Zusendung einer einfachen E-Mail beließ, solange und soweit die jeweilige Landes- bzw. die Bundesregierung eine Einreichung elektronischer Dokumente nach § 41a Abs. 2 StPO a. F. noch nicht zugelassen hatte. Denn § 41a StPO a. F. ist mit Ablauf des 31. Dezember 2017 außer Kraft getreten und die durch § 15 EGStPO eingeräumte Möglichkeit, die Norm durch Rechtsverordnung bis 31. Dezember 2019 in Geltung zu belassen, ist vor dem hier inmitten stehenden E-Mail-Versand ausgelaufen.

 Für ein Dokument, das schriftlich abzufassen, zu unterschreiben oder zu unterzeichnen ist, gibt § 32a Abs. 3 StPO vor, dass es als elektronisches Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden muss. Es fehlt vorliegend sowohl an der Beifügung einer elektronischen Signatur als auch an der Verwendung eines sicheren Übertragungsweges, der in § 32a Abs. 4 StPO abschließend beschrieben ist.

 b) Soweit in der Rechtsprechung die Übersendung einer Ablichtung eines unterschriebenen Einspruchsschreibens per E-Mail als ausreichend angesehen worden ist (LG Aachen, Beschluss vom 6. September 2021 66 Qs 32/21, juris Rn. 7; LG Hechingen, Beschluss vom 22. Juni 2020 – 3 Qs 45/20, juris Rn. 5), folgt dem die Kammer nicht. Diese Entscheidungen setzen sich mit der spezifisch derartige Fallkonstellationen erfassenden Vorschrift des § 32a Abs. 3 StPO nicht auseinander. Für zweckorientierte Abschwächungen des Formerfordernisses, wie sie für die Einreichung in Papierform anerkannt sind, lässt die für die Einreichung elektronischer Dokumente bei Strafverfolgungsbehörden allein maßgebliche Vorschrift keinen Raum. Der Bundesgerichtshof hat dies bereits für die Stellung eines Strafantrags per E-Mail entschieden (BGH, Beschluss vom 12. Mai 2022 – 5 StR 398/21, NJW 2022, 2768 Rn. 9 ff.). Für den Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid entspricht dies auch der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Karlsruhe (vgl. Beschluss vom 16. Februar 2023 – 2 ORbs 35 Ss 4/23, juris Rn. 8, 14).

 Dass damit die für die papiergebundene Schriftform anerkannten Lockerungen bei der Übermittlung elektronischer Dokumente an Gerichte und Strafverfolgungsbehörden keine direkte Entsprechung finden, ist zwangsläufige Konsequenz der gesetzlichen Regelung und durch den Gesetzgeber in Kauf genommen (BGH, Beschluss vom 12. Mai 2022 – 5 StR 398/21, NJW 2022, 2768 Rn. 20 ff.). In der Gesetzesbegründung zum Gesetz zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften (BGBl. 2021 I, S. 2099) ist ausdrücklich klargestellt, dass in den Fällen des § 32a StPO eine Übermittlung per gewöhnlicher E-Mail nicht in Betracht kommt (BT-Drs. 19/27654 S. 56).

 c) Die Formwirksamkeit der per E-Mail übersandten Bilddatei ergibt sich auch nicht durch einen Ausdruck des Dokuments durch das Amtsgericht vor Ende der Einspruchsfrist. Dieser von den Zivilgerichten für per E-Mail übermittelte Dokumente entwickelte, die Vorgaben des elektronischen Rechtsverkehrs lockernde Ansatz, wonach diese als in schriftlicher Form eingereicht erachtet werden, sobald ein Ausdruck bei Gericht vorliegt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Februar 2020 – X ZB 11/18, juris Rn. 16; vom 18. März 2015 – XII ZB 424/14, NJW 2015, 1527 Rn. 114; vom 4. Dezember 2008 – IX ZB 41/08, NJW-RR 2009, 357 Rn. 6 f.) ist nicht auf die Regelung des § 32a StPO zu übertragen. Soweit dies für den Bereich des Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrechts vereinzelt anders gesehen worden ist (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 10. November 2021 – 3 OWi 32 SsBs 119/21, juris Rn. 14; OLG Rostock, Beschluss vom 6. Januar 2017 – 20 Ws 311/16, juris Rn. 12 f.; erwogen auch vom OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Februar 2023 – 2 ORbs 35 Ss 4/23, juris Rn. 14; kritisch BGH, Beschluss vom 12. Mai 2022 – 5 StR 398/21, NJW 2022, 2768 Rn. 24), folgt dem die Kammer nicht. Der Wortlaut der betreffenden Regelungen spricht dagegen, die Erfüllung der gesetzlichen Formvorgaben vom weiteren Umgang des Gerichts mit der dem elektronischen Dokument abhängig zu machen. § 410 Abs. 1 Satz 1 StPO spricht davon, dass der Angeklagte „schriftlich […] Einspruch einlegen“ kann. In § 32a Abs. 3 StPO ist geregelt, dass ein Dokument, das „schriftlich abzufassen, zu unterschreiben oder zu unterzeichnen ist“ mit einer Signatur „versehen sein“ oder „signiert“ sein sowie auf sicheren Übermittlungsweg „eingereicht werden“ muss. Demnach hat alleine der Angeklagte für eine formwirksame Anbringung seines Rechtsmittels Sorge zu tragen. Die besonderen gesetzlichen Regelungen, die im Interesse des Integritäts- und Authentizitätsschutzes für den elektronischen Rechtsverkehr gelten, sind abschließend, weshalb es bei Nichteinhaltung der dortigen Anforderungen nicht gerechtfertigt ist, nach dem Ausdrucken der elektronischen Dokumente Formerleichterungen zuzulassen. Hat der Absender den Weg der elektronischen Übermittlung gewählt, muss er sich an den hierfür geltenden gesetzlichen Anforderungen festhalten lassen (s. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. März 2020 – 2 RVs 15/20, NJW 2020, 1452, Rn. 8 f.). Soweit das Oberlandesgericht Karlsruhe in einer Entscheidung den Ausdruck eines E-Mail-Anhangs hat ausreichen lassen (vgl. Beschluss vom 7. April 2021 – 2 Ws 73/21, NStZ-RR 2021, 184 f.), betraf das eine Konstellation der Übermittlung einer Vertretungsvollmacht an den und den anschließenden Ausdruck durch den Verteidiger und damit nicht den Regelungsbereich des § 32a StPO.

 d) Da der Einspruch gegen den Strafbefehl bereits aus den vorstehenden Gründen unzulässig ist, kann vorliegend offenbleiben, welche Folgen es hat, dass der Angeklagte die Datei nicht in einem nicht nach § 32a Abs. 2 Satz 2 StPO, § 2 Abs. 1 ERVV zugelassen Dateiformat übersandte (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2022 – 1 StR 262/22, NStZ-RR 2023, 22; BAG, Urteil vom 25. August 2022 – 6 AZR 499/21, juris Rn. 45).

 e) Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt bereits deshalb nicht in Betracht, da der Angeklagte in der Rechtsbehelfsbelehrungdes Strafbefehls ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass eine Einlegung per E-Mail nicht zulässig ist.

LG Heidelberg Beschl. v. 17.7.2023 – 1 Qs 24/23, BeckRS 2023, 17303

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5 Kommentare

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Eine Frage aus reinem Interesse:

Warum hat die StA in dieser Angelegenheit zugunsten des Angeklagten sofortige Beschwerde erhoben?

Sind das taktische Erwägungen oder ist sie ihrem Ruf als "objektivste Behörde der Welt" gerecht geworden?

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Wahrscheinlich kam es da auch jemandem komisch vor. Dies gilt umso mehr, als schon vor einigen Auflagen etwa im Göhler-OWiG-Standardkommentar sinngemäß stand: Wenn die Behörde in ihrem Briefkopf eine E-Mail-Adresse angibt, dann genügt die Mail auch dem Schriftformerfordernis"

Welche Motive hatte die Legislative (der Gesetzgeber), für den Bereich der Judikativen Rechtsmittel, die über e-mail eingereicht werden, nicht anerkennen zu wollen? Was ist der Schutzzweck der Norm? Und, wiegt dieser Schutzzweck der Norm wirklich so schwer, daß er es rechtfertigt, Bürger an der Geltendmachung ihrer Rechte zu hindern, wenn diese den einfachen Weg der e-mail-Kommunikation wählen möchten? Der Gesetzgeber redet doch im Fernsehen immer publicity-wirksam über Bürokratieabbau, und davon, für Anliegen von Bürgern und Selbstständigen und Unternehmen Hemmnisse und Erschwernisse aus dem Weg räumen zu wollen. Wie begründet es der Gesetzgeber, faktisch das Gegenteil von dem zu tun, was er theoretisch bzw. öffentlich / pubicity-trächtig angeblich doch zu tun beabsichtigt?

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weil jeder Depp eine Mailadrese unter dem Namen von irgendwem anders einrichten kann und dann lustig in dessen Namen Einsprüche, Geständnisse u.v.m. in dessen Namen einlegen könnte. Und weil die E-Mail unsicher ist, Schriftsätze aber von Natur aus vertraulich sein sollten

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