Einmaleins des Betäubungsmittelrechts: Gibt es ein versuchtes Handeltreiben?

von Dr. Jörn Patzak, veröffentlicht am 25.07.2023

Gibt es ein versuchtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln? Wenn man in § 29 Abs. 2 BtMG schaut und die jüngste Rechtsprechung verfolgt, müsste die Antwort JA lauten. Denn zum einen ist der Versuch des Handeltreibens nach § 29 Abs. 2 BtMG unter Strafe gestellt. Zum anderen hat ein Landgericht einen Angeklagten kürzlich wegen versuchten Handeltreiben verurteilt. Dieser war von einem Bekannten angesprochen worden, mit dem er schon zuvor über ein Betäubungsmittelgeschäft in Austausch gestanden hatte. Der Bekannte gab an, sich im Ausland zu befinden und im Besitz von vier Kilogramm Kokain zu sein, und bat den Angeklagten, ihm einen Geldbetrag zu übersenden, den er benötige, um das Betäubungsmittel nach Deutschland zu verbringen. Dort könne es veräußert und der Erlös hälftig zwischen ihm und dem Angeklagten aufgeteilt werden. Der Angeklagte ging auf den Vorschlag ein und überwies das Geld. Zu einer gemeinsamen Veräußerung kam es anschließend nicht. Ob der Bekannte des Angeklagten über das Kokain überhaupt verfügte oder dies wahrheitswidrig behauptete, konnte das Landgericht nicht feststellen. Das Landgericht nahm ein versuchtes Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gem. § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG an.

Der 4. Strafsenat änderte aber auf die Revision des Angeklagten den Schuldspruch, denn aus seiner Sicht war das Handeltreiben bereits vollendet (BGH Beschl. v. 6.6.2023 – 4 StR 85/23, BeckRS 2023, 16146):

Hiernach hat der Angeklagte sich des vollendeten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) schuldig gemacht. Der Begriff des Handeltreibens ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weit auszulegen und erfasst jede eigennützige, auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit (vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. Juli 2017 – GSSt 4/17, BGHSt 63, 1, 7 mwN). Um eine solche Tätigkeit handelte es sich bei der Überweisung von Geld zu dem Zweck, den Transport des Betäubungsmittels nach Deutschland zu ermöglichen, wo es gewinnbringend weiterveräußert werden sollte. Darauf, ob das dem Angeklagten von seinem Bekannten im Gegenzug zu der erbetenen Zahlung unterbreitete Angebot, das Kokain gemeinsam zu veräußern, ernstgemeint oder nur zum Schein unterbreitet worden war, kommt es rechtlich nicht an (vgl. zu Scheinangeboten von Käuferseite BGH, Beschluss vom 9. Juni 2020 – 3 StR 417/19, NStZ 2021, 52 Rn. 6 mwN). Es begegnet unter den hier gegebenen Umständen auch keinen rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht eine täterschaftliche Begehung durch den Angeklagten angenommen hat. Ergänzend wird auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts Bezug genommen.

2. Der Senat ändert den Schuldspruch daher in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO ab und lässt auch die überflüssige Bezeichnung der jeweiligen Tathandlungen als „unerlaubt“ entfallen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2023 – 5 StR 71/23 Rn. 3 mwN). Das Verschlechterungsverbot des § 358 StPO hindert die Verschärfung des Schuldspruchs nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2022 – 1 StR 371/22 Rn. 5 mwN); auch § 265 StPO steht ihr nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

Dem ist zuzustimmen. Beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln besteht die Besonderheit, dass es sich nach h.M. um ein unechtes Unternehmensdelikt handelt (BGH NStZ 2007, 531, 532; BGH NJW 2018, 961, 962; Patzak/Volkmer/Fabricius, 10. Auflage 2022, § 29 Rn. 209 mwN). Die Tathandlungen der unechten Unternehmensdelikte sind in struktureller Übereinstimmung mit den echten Unternehmensdelikten dadurch gekennzeichnet, dass das tatbestandliche Verhalten auf eine gewisse Dauer angelegt ist und dass die Übergänge zwischen straffreier Vorbereitung und tatbestandsmäßigem Verhalten fließend sind. Dies führt dazu, dass als vollendetes Handeltreiben auch solche Handlungen bestraft werden, bei denen es sich qualitativ um einen Versuch des Delikts handelt.

Ergo: Ein versuchtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln gibt es damit faktisch nicht.

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