Fahrtenbuchauflage "wegen Maske"

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 10.01.2023
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht1|1182 Aufrufe

Fahrzeugführer mit Maske auf dem Messfoto. Halter schweigt zum Fahrer. Hier droht natürlich eine Fahrtenbuchanordnung. Der VGH München hat hierzu einmal wieder die rechtlichen Grundsätze zusammengefasst:

 

Nach § 31a Abs. 1 Satz 1 der Straßenverkehrs-Zulassung-Ordnung (StVZO) vom 26. April 2012 (BGBl I S. 679), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Juli 2021 (BGBl I S. 3091), kann die nach Landesrecht zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.

 Daran, dass mit dem Fahrzeug des Klägers eine Verkehrsordnungswidrigkeit begangen worden ist, bestehen nach Aktenlage (vgl. insbesondere Bl. 7 d.A. mit Rückseite) keine Zweifel. Die Stellungnahmen des Polizeiverwaltungsamts im Klageverfahren vom 13. und 27. Januar 2022 sind insoweit schlüssig und nachvollziehbar. Laut Messprotokoll ist das klägerische Fahrzeug, das auf dem zweiten Fahrstreifen der Autobahn gefahren ist, im Messbereich in 9 m Entfernung von der Sensoreinheit gemessen worden. Das weitere auf einem Messfoto sichtbare Fahrzeug ist hingegen auf dem ersten Fahrstreifen gefahren, der maximal 7,6 m von der Sensoreinheit entfernt ist. Der Abstand eines Fahrzeugs auf dem zweiten Fahrstreifen beträgt zwischen 7,6 und 11,1 m. Zur Beweissicherung war keine Heckaufnahme erforderlich.

 Die Feststellung des Kraftfahrzeugführers ist im Sinne von § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO unmöglich, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalls alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um ihn zu ermitteln. Art und Ausmaß der Ermittlungen hängen insbesondere von der Art des jeweiligen Verkehrsverstoßes und der Bereitschaft des Kraftfahrzeughalters zur Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrers ab. Die Behörde hat in sachgemäßem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen zu treffen, die in gleich gelagerten Fällen erfahrungsgemäß zum Erfolg führen (vgl. BVerwG, U.v. 17.12.1982 - 7 C 3.80 - VRS 64, 466 = juris Rn. 7). Verweigert der Fahrzeughalter seine Mitwirkung bei der Ermittlung des Fahrzeugführers, sind weitere Ermittlungen in der Regel nicht zumutbar (BVerwG, U.v. 17.12.1982 a.a.O.). Vielmehr darf ein Fahrzeughalter, der unter Vernachlässigung seiner Aufsichtsmöglichkeiten nicht dartun kann oder will, wer im Zusammenhang mit einer Verkehrszuwiderhandlung zu einem bestimmten Zeitpunkt sein Fahrzeug gefahren hat, grundsätzlich durch das Führen eines Fahrtenbuchs zu einer nachprüfbaren Überwachung der Fahrzeugbenutzung angehalten werden (BVerwG, B.v. 23.6.1989 - 7 B 90.89 - NJW 1989, 2704 = juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 6.5.2010 - 11 ZB 09.2947 - SVR 2010, 347 = juris Rn. 8). Allerdings muss die Verfolgungsbehörde auch in solchen Fällen naheliegenden und mit wenig Aufwand durchführbaren Ansätzen zur Fahrerermittlung nachgehen und das Ergebnis ihrer Bemühungen dokumentieren (vgl. zu alldem BayVGH, U.v. 18.2.2016 - 11 BV 15.1164 - DAR 2016, 286 = juris Rn. 17).

 Die Beklagte macht zu Recht geltend, dass sich der Polizeiverwaltung weitere Ermittlungen nicht hätten aufdrängen müssen, nachdem der Kläger im Rahmen der Betroffenenanhörung mitgeteilt hatte, zum Fahrzeugführer keine Angaben zu machen. Die Behörde war nicht dazu verpflichtet, dem Kläger noch die verlangten weiteren Messfotos zuzusenden und abzuwarten, ob er daraufhin sachdienliche Angaben machen würde. Mit der Bezeichnung der Art der Verkehrsordnungswidrigkeit, der Tatzeit, des Tatorts und des betreffenden Fahrzeugs war der Gegenstand der Ermittlungen im Anhörungsbogen klar umrissen. Das mit diesem übersandte Foto gab den betreffenden Fahrer wieder. Diese Daten sind grundsätzlich ausreichend, um Angaben zum verantwortlichen (Kreis der) Fahrzeugführer zu machen. Die Behörde ist nicht verpflichtet, dem Fahrzeughalter zunächst die Gelegenheit einzuräumen, sämtliche ihr vorliegenden Beweismittel zu evaluieren, bevor er an der Identifizierung des Fahrers mitwirkt.

 Die Benachrichtigung von dem mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoß im Bußgeldverfahren begründet - ungeachtet etwaiger Auskunfts- und Zeugnisverweigerungsrechte - für den Fahrzeughalter die Obliegenheit, an der Aufklärung so weit mitzuwirken, wie es ihm möglich und zumutbar ist. Dazu gehört es insbesondere, dass er den bekannten oder auf einem vorgelegten Foto der Verkehrsüberwachungsanlage erkannten Fahrer, ggf. auch sich selbst, benennt oder zumindest den möglichen Täterkreis eingrenzt und die Täterfeststellung durch Nachfragen im Kreis der Nutzungsberechtigten fördert (vgl. OVG NW, B.v. 30.6.2015 - 8 B 1465/14 - juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 30.11.2022 - 11 CS 22.1813 - juris Rn. 20). Kommt er dem nicht nach, darf auch ein rechtmäßiges Verhalten im Bußgeldverfahren im nachfolgenden Verwaltungsverfahren zur Anordnung eines Fahrtenbuchs unter gefahrenabwehrrechtlichem Blickwinkel als Obliegenheitsverletzung gewürdigt werden, die den angemessenen Ermittlungsaufwand reduziert (vgl. NdsOVG, B.v. 14.1.2019 - 12 ME 170/18 - NJW 2019, 1013 = juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 30.11.2022 a.a.O.). Ein „doppeltes Recht”, nach einem Verkehrsverstoß im Ordnungswidrigkeitenverfahren die Aussage zu verweigern und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Ermittlung des Fahrzeugführers von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, besteht nicht (vgl. BVerwG, B.v. 22.6.1995 - 11 B 7.95 - DAR 1995, 459 = juris Rn. 3 f.; B.v. 11.8.1999 - 3 B 96.99 - NZV 2000, 385 = juris Rn. 3; BVerfG, B.v. 7.12.1981 - 2 BvR 1172/81 - NJW 1982, 278 = juris Rn. 7; NdsOVG, B.v. 14.1.2019 a.a.O.). Es ist unerheblich, aus welchen Gründen der Halter keine Angaben zur Sache macht. Die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO setzt nicht voraus, dass der Halter seine Mitwirkungsobliegenheiten schuldhaft nicht erfüllt oder die Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers sonst zu vertreten hat (vgl. BayVGH, B.v. 30.11.2022 a.a.O. Rn. 18; B.v. 22.4.2008 - 11 ZB 07.3419 - juris Rn. 16; OVG LSA, B.v. 5.3.2021 - 3 M 224/20 - juris Rn. 22; OVG Hamburg, B.v. 1.12.2020 - 4 Bs 84/20 - DVBl 2021, 749 = juris Rn. 18; OVG NRW, B.v. 21.3.2016 - 8 B 64/16 - juris Rn. 13 f. jeweils m.w.N.).

VGH München Beschl. v. 6.12.2022 – 11 ZB 22.1662, BeckRS 2022, 36289

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