OVG Münster lehnt im Eilverfahren eine staatliche Suizidhilfe durch Erlaubniserteilung zum Erwerb von Natrium-Pentobarbital ab

von Dr. Jörn Patzak, veröffentlicht am 05.04.2021

Ein 58-jähriger, der an Chorea Huntington sowie chronischer Leukämie leidet, hatte beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn beantragt, ihm gem. § 3 Abs. 1 BtMG eine Erlaubnis zum Erwerb von Natrium-Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung zu erteilen. Gegen die ablehnende Entscheidung des BfArM wendete er sich mit dem Begehren an das VG Köln, das BfArM im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm eine Erlaubnis zum Erwerb des Betäubungsmittels zum Zwecke der Selbsttötung zu erteilen. Das VG Köln lehnte den Eilantrag ab, da nicht festgestellt werden könne, dass der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Erwerbserlaubnis für Natrium-Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung mit hoher Wahrscheinlichkeit bestehe und in der Rechtsprechung bisher umstritten und ungeklärt sei, ob ein Anspruch auf Zugang zu einem tödlichen Betäubungsmittel aus den derzeit gültigen Normen des Betäubungsmittelrechts in Verbindung mit dem Grundrecht auf ein selbstbestimmtes Sterben hergeleitet werden könne. Zudem stehe derzeit der Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG dem Anspruch auf Erteilung einer Erwerbserlaubnis entgegen (Beschl. v. 11.12.2020 – 7 L 1054/20, BeckRS 2020, 36416).

Der Antragsteller rief daraufhin das OVG Münster an. Ebenfalls erfolglos, denn der 9. Senat des OVG Münster hat entschieden, dass schwerkranke Menschen keinen Anspruch darauf haben, dass das BfArM im Eilverfahren dazu verpflichtet wird, ihnen eine Erlaubnis zum Erwerb eines Betäubungsmittels zur Selbsttötung zu erteilen (Az. 9 B 50/21). Zur Begründung führt das OVG Münster ausweislich der Presseerklärung vom 24.3.2021 u.a. Folgendes aus: Würde im Eilverfahren zugunsten des Antragstellers entschieden, könnten die Folgen beim Umsetzen des Sterbewunsches nicht mehr rückgängig gemacht werden. Angesichts der betroffenen hochrangigen Rechtsgüter und zur Verhinderung von Missbrauch sei - auch ohne eine bisher nicht erfolgte gesetzliche Regelung – eine besonders sorgfältige Überprüfung des autonomen Willens zur Selbsttötung geboten. Ob dafür stets ein psychiatrisches Sachverständigengutachten erforderlich ist, ließ der Senat offen. Eine zuverlässige und umfassende Prüfung, ob der Sterbewunsch unbeeinflusst von einer psychischen Erkrankung, ohne Einflussnahme von Dritten und nach einer sorgfältigen Abwägung des Für und Wider entstanden sei, sei jedenfalls anhand der lediglich eigenen Erklärungen des Antragstellers nicht möglich. Außerdem sei derzeit nach den im letzten Jahr ergangenen Entscheidungen des BVerfG völlig offen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Zugang zu einem tödlichen Betäubungsmittel gegenüber dem Staat bestehe. Insoweit stellten sich schwierige Rechtsfragen, die nicht im Eilverfahren geklärt werden könnten. Dem Antragsteller sei es auch zuzumuten, auf eine Entscheidung in der Hauptsache zu warten.

Die Entscheidung des VG Köln vom 24.11.2020 (7 K 13803/17, BeckRS 2020, 35026), mit der eine Klage gegen eine ablehnende Entscheidung des BfArM abgewiesen wurde, stelle ich diese Woche in einem weiteren Blog-Beitrag vor...

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