Kartoffelwerfen ist keine Körperverletzung

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 18.12.2020
Rechtsgebiete: Familienrecht4|5033 Aufrufe

 

Das Amtsgerichts Frankfurt am Main – Familiengericht – hat entschieden, dass das Bewerfen eines Kindes mit einer Kartoffel und das Ziehen an dessen Arm nicht ohne Weiteres Handlungen darstellen, die den Erlass einer Gewaltschutzanordnung rechtfertigen. (Amtsgericht Frankfurt a. M., Beschl. v. 16.11.2020, Az.: 456 F 5230/20 EAGS).

 

Im Rahmen des zugrundeliegenden Gewaltschutzverfahrens trug der Vertreter des acht-jährigen Antragssteller vor, dass letzterer im Hof eines Wohnhauses in Frankfurt am Main zusammen mit einem anderen Kind gespielt habe. Hierdurch habe sich die das Nachbarhaus bewohnende Antragsgegnerin wohl gestört gefühlt. Aus diesem Grund habe sie nach den Kindern mit Kartoffeln geworfen und den Antragsteller dabei am Rücken getroffen. Außerdem habe die Antragsgegnerin den Antragsteller an einem anderen Tag am Arm festgehalten und gezogen. Das Kind habe geweint und könne nun aus Angst nachts nicht mehr schlafen. Der Antragsteller beantragte deshalb beim Frankfurter Familiengericht die Festsetzung eines Annäherungs- und Kontaktaufnahmeverbots im Wege der einstweiligen Verfügung.

Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Schwelle der vorsätzlichen Körperverletzung durch das Treffen mit einer aus dem zweiten Stock geworfenen Kartoffel am Rücken nicht erreicht sei. Es sei weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich geworden, dass bei dem Kind durch den Kartoffelwurf ein von seinen normalen körperlichen Funktionen abweichender Zustand hervorgerufen worden sei. Auch das durch den Antragsteller behauptete Festhalten und Zerren am Arm stelle noch keinen erheblichen Eingriff in die Integrität der körperlichen Befindlichkeit dar. Soweit das Kind behaute, es könne wegen des Vorfalls mit dem Arm nicht mehr schlafen, sei dies zwar grundsätzlich eine sich körperlich auswirkende Form psychischer Gewalt. Es fehle diesbezüglich zum Zeitpunkt des Handelns jedoch am erforderlichen Vorsatz der Antragsgegnerin. Zudem läge in dem Zerren auch keine Freiheitsberaubung oder Drohung. Zwar könnte man darin eine nach dem StGB strafbewährte Nötigung sehen. Diese sei jedoch vom Schutzbereich des GewSchG gerade nicht erfasst.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. (PM des Gerichts)

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4 Kommentare

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Eine fragliche Entscheidung. Kartoffelwerfen ist keine Körperverletzung, dann ist ebenso einem einen Vogel zeigen keine Beleidigung.

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Im vorliegenden Fall hat wohl eine alte Frau ein voll bekleidetes spielendes Kind mit einer (rohen oder gekochten?) Kartoffel am Rücken getroffen.

Ein blauer Fleck bzw. ein Hämatom ist wohl nicht eingetreten.

Hätte ein kräftiger junger Mann irgendjemandem eine rohe (harte) Kartoffel gegen den Kopf (etwa ins Gesicht, oder gegen die Ohren, oder gar ins Auge) geworfen, dann wäre eine Körperverletzung wohl zu bejahen gewesen.

Die Entscheidung ist also kein Freibrief für gewalttätige Demonstranten oder Gegendemonstranten, demnächst Kartoffelsäcke mit zur Demo zu schleppen und dann dort mit Kartoffeln um sich zu werfen.

Eine Gesundheitsgefährdung hat die Frau jedoch begangen, als sie sich dem für sie fremden Kind gegen dessen Willen und ohne Einwilligung von dessen Eltern auf weniger als einmeterfünfzig genähert hat, denn die Nichteinhaltung des durch die Corona-Verordnungen geltenden Mindestabstands bergen erhebliche Infektionsgefahren.

Außerdem hat sich die Frau vermutlich des Hausfriedensbruchs strafbar gemacht, da der zu Haus der Eltern eines der beiden Kindern gehörende Hof nicht der Frau gehörte, sondern wohl den Eltern eines der beiden dort spielenden Kinder, und die Eltern werden mit dem in feindlicher Absicht erfolgten Eindringen der Nachbarin dort sicher nicht einverstanden gewesen sein.

Die Eltern hätten mit einer auf § 1004 BGB gestützten Klage gegen die Frau also vermutlich Erfolg gehabt.

Das Gewaltschutzgesetz eng auszulegen ist jedoch zumindest vertretbar, also auch die Entscheidung des Familiengerichts.

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Eine gar nicht "fragliche Entscheidung" des AG Frankfurt. Nicht jeder Kickifax muss unter Strafrechtsnormen subsumiert werden.

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Einen fremden Menschen anzufassen und festzuhalten und an ihm zu zerren geht in Zeiten einer Pandemie ja wohl gar nicht.

Selbstverständlich muß man mindestens einmeterfünfzig Abstand halten.

Wer sich daran nicht hält, kann auf Unterlassung verklagt werden.

Bei wiederholtem Zuwiederhandeln müssen auch Zwangsgeld und Zwangshaft möglich sein.

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