Verbot der Leiharbeit in der Pflege?

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 04.11.2019
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht5|11840 Aufrufe

Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) kündigte diese Woche eine Bundesratsinitiative für ein Verbot von Leiharbeit in der Pflege an. Hintergrund sind neuere Entwicklungen, die als problematisch eingestuft werden. Die Gesundheitssenatorin schildert die Zustände wie folgt (PM des Ministeriums vom 11.6.2019): „Immer mehr Pflegekräfte entscheiden sich für die Anstellung bei einer Zeitarbeitsfirma und gegen eine Festanstellung im Krankenhaus. Insbesondere höhere Gehälter und Arbeitszeiten, beispielsweise keine Nachtschichten, veranlassen Pflegefachkräfte zu einem Wechsel aus der festen Anstellung in einem Krankenhaus oder einer Pflegeeinrichtung zu einer Zeitarbeitsfirma. Die Einrichtungen beklagen, dass Pflegepersonal, beispielsweise im intensivmedizinischen Bereich, gezielt abgeworben wird. Es ist zu einem Ungleichgewicht in der Arbeitsteilung gekommen. Während die Leiharbeiter die bessere Bezahlung und attraktivere Arbeitszeiten haben, steigt die Last und Verantwortung für die festangestellten Pflegekräfte.“ Die Leiharbeit verstärke - so die Senatorin - die Probleme in der Pflege. Hinzu kämen Klagen darüber, dass keine Verlässlichkeit gegeben ist, wenn zugesagte Zeitpflegekräfte nicht erscheinen. Problematisch sei das Phänomen auch aus gesundheits- und pflegepolitischer Sicht. Pflegefachkräfte, die die Strukturen und Prozesse eines Krankenhauses oder einer Pflegeeinrichtung nicht kennten, gefährdeten die Patientensicherheit und die Pflegequalität, wenn sie nicht eng in ein Team eingebunden seien. Auch sei eine längerfristige Bindung und Vertrautheit der Pflegekraft zum Pflegebedürftigen nicht gewährleitstet.

Das sind gewiss ernst zu nehmende Sorgen, die durchaus bestimmte gesetzgeberische Eingrenzungen rechtfertigen können. Ein Totalverbot des Einsatzes von Leiharbeitnehmern in der gesamten Pflegebranche sähe sich hingegen ernsthaften verfassungsrechlichen Zweifeln ausgesetzt. In diesem Zusammenhang darf daran erinnert werden, dass das Bundesverfassungsgericht solche Verbot insbesondere an der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) misst und strenge Anforderungen stellt (vgl. BVerfG 6.10.1987, NJW 1988, 1195 zum Verbot der Leiharbeit in Baubranche). Ferner ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 4 I RL 2008/104/EG Verbote und Einschränkungen von Leiharbeit nur aus Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden können. Der Gesetzgeber würde daher, wenn er sich tatsächlich für ein Verbot der Leiharbeit in der Pflegebranche entscheiden würde, auf sehr schmalem Grat wandern.

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5 Kommentare

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Interessante Entwicklung: In den letzten Jahren ging es immer darum, die Leiharbeit einzudämmen, weil die Beschäftigungsbedingungen dort so schlecht seien. Jetzt verdienen Zeitarbeitnehmer plötzlich gutes Geld und können attraktive Beschäftigungsbedingungen durchsetzen - und der Politik ist das schon wieder nicht recht.

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ich denke wenn man einen guten Tarifvertrag in der Pflege für allgemeinverbindlich erklären würde dann wäre schon geholfen

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Manche Betriebe waren ja dazu übergegangen, "selbstständige" Pflegekräfte einzustellen, die dann ganz selbstständig die Nacht- oder Wochenendschichten gefahren haben, und sind dann bei den Sozialgerichten damit ordentlich auf die Nase gefallen. 

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Wie sieht es mit den Honorrarärzten aus?Das ist das gleiche Prinzip wie in der Pflege,nur dass die Honorarärzte einen Stundenlohn von 120Euro und noch mehr haben.
Das müsste man auch verbieten.Nicht immer nur auf die Kleinen.

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