Sozialgerichtliches Verfahren - elektronische Klageerhebung

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 05.12.2018
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht14|20501 Aufrufe

Die Digitalisierung der Justiz schreitet voran - sie ändert aber nichts daran, dass auch von nicht anwaltlich vertretenen Parteien Formvorschriften einzuhalten sind. Das musste jetzt ein Kläger beim Sozialgericht in Dresden erfahren.

In einem Rechtsstreit über SGB II-Leistungen ("Hartz IV") hatte der Kläger seine Klage zunächst über das EGVP mit einfacher Signatur erhoben. Auf den Hinweis des Gerichts, dass hierdurch die Form nicht gewahrt wird, übersandte der Kläger erneut einen Schriftsatz per EGVP – diesmal mit fortgeschrittener (aber nicht: qualifizierter) elektronischer Signatur.

Die Klage wurde als unzulässig abgewiesen. Zur Überzeugung des Sozialgerichts hat der Kläger als sog. Naturalpartei nur zwei Möglichkeiten, am elektronischen Rechtsverkehr teilzunehmen, nämlich entweder
• mit der absenderauthentifizierten De-Mail (§ 65a Abs. 4 Nr. 1 SGG) oder
• über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (§ 65a Abs. 3 SGG).

Bei Nutzung des EGVP hätte der Kläger eine qualifizierte elektronische Signatur anbringen müssen, eine bloß "fortgeschrittene" Signatur (ohne qualifiziertes Zertifikat und sicherer Signaturerstellungseinheit SSEE) reiche nicht aus. Diese hätte nur genügt, wenn die Klage als De-Mail erhoben worden wäre, was allerdings nicht der Fall war. An diesem Ergebnis ändere sich nichts dadurch, dass die Klage in ihrer schriftlichen Form keine Unterschrift benötigt hätte (§ 92 Abs. 1 Satz 3 SGG). Die elektronische Signatur ersetze nicht schlicht die eigenhändige Unterschrift.

SG Dresden, Urt. vom 24.10.2018 - S 40 AS 178/18

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14 Kommentare

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Wenn sie so kleinkrämerisch betrieben wird, wird die "Digitalisierung der Justiz" noch sehr, sehr lange dauern. Es ist jeder nach wie vor gut beraten, wenn er ein Fax-Gerät vorhält und es so schnell nicht abschafft...

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Genauer gesagt: Ich drucke das Sendeprotokoll aus mit dem Deckblatt drauf. Bei dem beA beschränke ich meine Nutzung auf das Minimum, das mir berufsrechtlich vorgeschrieben ist, nämlich die rein passive Nutzung.  

Durch dunkle Kanäle meine ich erfahren zu haben, dass jedenfalls die bayerische Justiz in sehr vielen Fällen so verfährt, dass dort das elektronische Dokument nach seinem Eingang in mehrfacher Ausfertigung in Papierform ausgedruckt und an die Prozessbeteiligten verschickt wird. So digital-modern verfährt die Praxis. Meine Quelle, wie gesagt, dunkle Kanäle.   

Wenn ich an das  Besonderes elektronisches Anwaltspostfach denke, fällt mir immer der Satz "never touch a running system" ein. Gott sei Dank funktioniert die Einstellung zuverlässig, dass ich immer Benachrichtigungen auf mein E-Mail-Account bekomme, wenn beim beA irgendwas eingegangen ist. Bisher waren das aber immer nur Mitteilungen der RAK München über anstehende Kammerversammlungen o.ä. Alle anderen Kommunikations-Teilnehmer, die für eine Kommunikation via beA in Betracht kämen, bleiben ohnehin bei der angestammten Papierform. 

Bisher waren das aber immer nur Mitteilungen der RAK München über anstehende Kammerversammlungen o.ä. Alle anderen Kommunikations-Teilnehmer, die für eine Kommunikation via beA in Betracht kämen, bleiben ohnehin bei der angestammten Papierform. 

Da haben Sie offenbar aber nicht viel mit Gerichten zu tun...

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Ich habe in dieser Richtung eigentlich nur zu tun mit der StA München I, dem OLG München, dem BayVerfGH und dem BVerfG. Alle Genannten kommunizieren mit mir zuverlässig in Papierform.

Wer nur seinen Kleinkrieg führt, hat eben keine Erfahrung mit der Justiz in "Friedenszeiten" und kann nur ständig über seinen Kleinkrieg reden, aber nicht über das prozessurale Justizwesen im Allgemeinen. Insoweit sollten Sie sich Ihre Weisheiten für andere Kleinkrieger aufheben. Für berufliche Teilnehmer am Justizwesen im Allgemeinen sind sie jedenfalls völlig wertlos.

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Mir fehlen in der Entscheidungsbegründung Ausführungen zu den Sachgründen, die die Anforderungen an eine "qualifizierte" elektronische Signatur rechtfertigen. Nach der Rechtsprechung des BVerfG "genügt es vielmehr, wenn aus dem Schriftstück ansonsten in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ersichtlich ist, von wem die Erklärung herrührt und dass kein bloßer Entwurf vorliegt". Diese Rspr. betrifft zwar die Schriftform. Doch dürfte sie wohl auch entsprechend für die elektronische Form gelten.

"Die Schriftform soll gewährleisten, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Außerdem soll sie sicherstellen, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (Beschluss des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, BGHZ 75, 340, 348 f.; 144, 160, 162). Ausgehend von dieser Zweckbestimmung des Schriftformerfordernisses hält der Bundesgerichtshof in Strafsachen unter Rückgriff auf reichsgerichtliche Rechtsprechung (RGSt 62, 53 <54>; 63, 246 <248>; 67, 385 <388 f.>) die eigenhändige Unterzeichnung nicht für eine wesentliche Voraussetzung der Schriftlichkeit; entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts Stuttgart (NStZ 1997, S. 152), auf die das Landgericht in seiner Entscheidung Bezug nimmt, genügt es vielmehr, wenn aus dem Schriftstück ansonsten in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ersichtlich ist, von wem die Erklärung herrührt und dass kein bloßer Entwurf vorliegt (BGHSt 2, 77, 78; 12, 317; BGH NJW 1984, S. 1974; NStZ-RR 2000, S. 305; BGH [2. Strafsenat] vom 17. April 2002 - 2 StR 63/02 -; s. auch OLG Zweibrücken, NStZ 1984, S. 576; VRS 64, S. 443, 444). Diesem Verzicht auf die Notwendigkeit einer eigenhändigen Unterschrift hat sich das Bundesverfassungsgericht, das entscheidend darauf abstellt, welcher Grad von Formenstrenge nach den maßgeblichen verfahrensrechtlichen Vorschriften sinnvoll zu fordern ist, für die Auslegung des Schriftformerfordernisses in § 23 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG angeschlossen (vgl. BVerfGE 15, 288 <291 f.>)." (BVerfG Beschluss vom 04.7.2002 - 2 BvR 2168/00, Rn. 22-23)

Von wem die Klage eingereicht wurde und dass kein bloßer Entwurf vorlag, ergibt sich doch auch schon aus der einfachen und auf Hinweis des Gerichts nachgereichten elektronischen Signatur in fortgeschrittener Form.

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Dem Sozialgericht Dresden, Urteil vom 24.10.2018 - S 40 AS 178/18 ist https://openjur.de/u/767680.html hinzuzufügen

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Eine Beschwerdeschrift ist in schriftlicher Form eingereicht, sobald bei dem Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, ein Ausdruck der als Anhang einer elektronischen Nachricht übermittelten, die vollständige Beschwerdeschrift enthaltenden PDF-Datei vorliegt. Ist die Datei durch Einscannen eines von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten handschriftlich unterzeichneten Schriftsatzes hergestellt, ist auch dem Unterschriftserfordernis des § 64 Abs. 2 Satz 4 genügt (im Anschluss an BGH Beschluss vom 15. Juli 2008 - X ZB 8/08 - NJW 2008, 2649)

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