Bremsen Sie auch schon mal für eine Taube?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 18.07.2018
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht6|5243 Aufrufe

Ja, auch ich weiche manchmal aus, wenn ein kleineres Tier auf der Fahrbahn ist. Mist aber, wenn es durch solche Fahrmanöver zu einem Unfall kommt. So in einem Falle, in dem der Fahrer für eine Taube bremste. Das war zwar nett....aber eben nicht ok!

1. Das Bremsen für eine Taube unmittelbar nach dem Anfahren an einer Ampel erfolgt nicht ohne zwingenden Grund und stellt keinen Verstoß gegen § 4 Abs. 1, S. 2 StVO dar.

2. Allein weil es sich bei einer Taube um ein Kleintier handelt, kann nicht verlangt werden, das Tier zu überfahren.

3. Das Töten eines Wirbeltiers stellt nach §§ 4 Abs. 1, 18 Abs. 1 Nr. 5 TierSchG grundsätzlich eine Ordnungswidrigkeit dar. Art. 20a GG ist bei der Anwendung der Vorschriften der StVO zu berücksichtigen.

4. Der Auffahrende hat allein für den Schaden aufzukommen (a.A: AG Solingen ZfS 2003, 539).

AG Dortmund Urt. v. 10.7.2018 – 425 C 2383/18, BeckRS 2018, 14721

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6 Kommentare

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Das war zwar nett....aber eben nicht ok!

Ich verstehe das Urteil genau diamteral andersherum. Das Bremsen für die Taube war danach nicht nur "nett", sondern sehr wohl auch "ok", vgl.: "Das Bremsen für eine Taube unmittelbar nach dem Anfahren an einer Ampel erfolgt nicht ohne zwingenden Grund und stellt keinen Verstoß gegen § 4 Abs. 1, S. 2 StVO dar."

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Die bisherige h.M. vom „nicht bremsen für Tiere“ hat psychologisch einen sehr fahlen Beigeschmack. Denn als Autofahrer denkt man ja nicht: „Oh, eine Taube mit einem Gewicht von 1,5 Kilo. Ich mit meinem Auto aus Stahl und einem Gewicht von 1.500 Kilo kann sie problemlos überfahren.“ sondern realistisch denkt man ja: „Au Scheiße! Da ist irgendwas in meiner Fahrspur!“ und bremst instinktiv.

Das mit der OWi nach §§ 4 Abs. 1, 18 Abs. 1 Nr. 5 TierSchG scheint mir ein dogmatisch guter Weg zu sein, um die Vertreter der h.M. zum Umdenken zu bewegen.

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Mann, oh Mann. Hoffentlicht hört meine Familie nicht von diesem Urteil. Für die bin ich ein schlechter Autofahrer, weil ich letztens nicht mal für einen Fasan auf der Landstraße gebremst habe. Der lief hinter einer extrem scharfen Linkskurve von rechts aus hohem Gras auf die Fahrbahn und kehrte dann flink um. Er hatte Glück, weil wegen extrem schlechter Fahrbahn (wie inzwischen fast überall in Schleswig-Holstein) Tempo 50 galt (SH ist insofern eine riesige Großstadt- nur ohne Häuser) und erreichte das hohe Gras rechts der Fahrbahn offenbar unfallfei. Und ich habe als laue Begründung für mein Nichtbremsen nur angegeben, dass ich gerade nicht wußte, ob einer hinter mir fuhr. Das zählte aber im Familienrat nicht viel. Und nun noch so ein Urteil.

Und jetzt noch 'ne praktische Frage: wie geht man nun mit inszenierten Unfällen um, wenn der bremsende Fahrer (wie natürlich auch sein Beifahrer) behauptet, da sei eine Taube gewesen, die sonst niemand sah, aber auch keiner darauf geachtet hat?

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Ihre Geschichte ist ein schönes Beispiel für die Freuden und Leiden eines Juristen als Familienvater. Meine Exfrau nahm mir auch immer übel, dass ich ihr abends niemals irgendwelche Geschichten aus meinem anwaltlichen Berufsalltag erzählt und sie um ihre Meinung zu meinen Fällen gebeten habe...
 

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Hier findet sich der gesamte Wortlaut incl. Entscheidungsgründen des Urteils. Insbes. wird daraus klar, dass das Urteil nicht spektakulär für alle Fälle verallgemeinert werden darf, sondern (entgegen den insoweit unvollständigen und offenbar rein privaten "Leitsätzen") nicht für den fließenden Verkehr, sondern - ganz einzelfallbezogen - nur für den konkreten langsamen und wenig gefährlichen Anfahrvorgang an einer Ampel gilt, vgl.:
"Das von der Klägerin angeführte Urteil des OLG Hamm vom 13.07.1993 behandelt einen anders gelagerten Sachverhalt. Dort erfolgte das Abbremsen des Vorausfahrenden im fließenden Verkehr und dementsprechend war die Geschwindigkeit der daran beteiligten Fahrzeuge höher. Das Abbremsen war für die Verkehrsteilnehmer von größerer Gefahr und stellte ein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 S. 2 StVO dar. Vorliegend geschah der Unfall beim Anfahren an einer Ampel nach einer Rotlichtphase. Die mit dem Bremsvorgang verbundenen Geschwindigkeiten und Gefahren für die Verkehrsteilnehmer und deren Rechtsgütern sind geringer. "

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