Neue Zahlen zu befristeten Arbeitsverhältnisse und ihre Bewertung vor dem Hintergrund der im Koalitionsvertrag verabredeten Reform

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 06.07.2018
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht1|4745 Aufrufe

Die große Koalition plant bekanntlich weitreichende Änderungen im Befristungsrecht. So soll insbesondere die sog. sachgrundlose Befristung deutlich eingeschränkt werden. Arbeitgeber mit mehr als 75 Beschäftigten sollen nur noch höchstens 2,5 Prozent der Belegschaft sachgrundlos befristen dürfen. Zudem soll die Befristung ohne sachlichen Grund künftig nur noch für 18 Monate zulässig sein. Ferner soll eine absolute Höchstgrenze von 5 Jahren für mehrfache Befristungen eingeführt werden. Vor diesem Hintergrund dürften neue Zahlen zu befristeten Arbeitsverhältnissen auf besondere Aufmerksamkeit stoßen. Sie stammen vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Die gerade vorgestellte Studie zeigt auf, dass sich die Zahl befristeter Arbeitsverträge von 2016 bis 2017 um knapp 300.000 von 2,886 auf 3,154 Millionen erhöht hat. Auch der Befristungsanteil ist um 0,5 Prozentpunkte von 7,8 auf 8,3 Prozent gestiegen. Damit erreicht der Anteil der Befristungen an den Beschäftigten nach einer längeren Periode der Stagnation zwischen 2011 und 2016 einen neuen Höchststand. Ein Höchststand zeigt sich auch bei den Übernahmen: Gut 42 Prozent der Vertragsänderungen im ersten Halbjahr 2017 beruhen auf Entfristungen. Im Krisenjahr 2009 – dem ersten Jahr, für das vollständige Daten vorliegen – lag dieser Wert noch bei knapp 30 Prozent. Die Übernahmechancen haben sich also seitdem sukzessive und deutlich verbessert. Im Zeitverlauf der letzten Jahre haben die sachgrundlosen Befristungen an Bedeutung gewonnen: Im Jahr 2017 waren fast 1,6 Millionen Verträge ohne sachlichen Grund befristet, das entspricht etwa der Hälfte aller Befristungen.

Interessant ist, wie die Studie die Reformpläne der großen Koalition bewertet. So heißt es in der Studie auszugsweise wie folgt:

Zur Quotierung der sachgrundlosen Befristung:

Bezogen auf die Daten des Jahres 2017 und ohne Berücksichtigung von Verhaltensänderungen der Arbeitsmarktakteure – wären in Einzelunternehmen etwa 360.000 sachgrundlose Befristungen betroffen, für 480.000 weitere sachgrundlose Befristungen in Zentralen, Mittelinstanzen, Niederlassungen oder Filialen kann die Betroffenheit nicht klar abgeschätzt werden, weil nicht bekannt ist, wie einzelne Betriebe ihre Befristungsquoten auf Arbeitgeberebene miteinander verrechnen können. Der Anteil sachgrundloser Befristungen an allen Beschäftigten, der im Jahr 2017 bei 4,3 Prozent lag, würde sich in der kleinen Variante auf 3,3 Prozent, in der Maximalvariante auf 2,0 Prozent reduzieren.

Zur Verkürzung der Befristungsdauer bei der sachgrundlosen Befristung auf 18 Monate:

Die Verkürzung dürfte zunächst entsprechende Personalanpassungen wie Entfristungen, Anschlussbeschäftigungen mit Sachgrundbefristung, aber auch Personalabgänge beschleunigen. Bei geplanten Beschäftigungsdauern von mehr als 18 Monaten dürfte es zu Ausweichreaktionen – etwa zu Befristungen mit Sachgrund – kommen.

Insgesamt wird konstatiert, dass die Begrenzung der sachgrundlosen Befristung bei fortbestehender Rechtsunsicherheit bei Befristungen mit Sachgrund dazu führen könnte, dass Arbeitgeber verstärkt auf andere Beschäftigungsformen wie Zeitarbeit oder Werk- und Dienstverträge ausweichen oder sich mit Einstellungen zurückhalten.

Zur 5-Jahresgrenze

Eine quantitative Bewertung der Befristungsgrenze von fünf Jahren beim selben Arbeitgeber kann schon allein deshalb nicht erfolgen, weil es keine repräsentativen Informationen über die Relevanz und Dauer von Kettenbefristungen gibt.

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1 Kommentar

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Erlaubt den Arbeitgebern, ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu kündigen, wenn es zerrüttet ist, ohne mit Schmutz werfen zu müssen, und das "Problem" mit der Befristung wird in privaten Unternehmen von ganz alleine verschwinden.

(Bei öffentlichen Arbeitgebern wird man mit der Abschaffung von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG nachhelfen müssen. Aber dafür fehlt ja bekanntermaßen der politische Wille.)

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