Mal wieder: Im Urteil nicht auf Videos verweisen!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 30.01.2018
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht1|2543 Aufrufe

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hatte aus anderen Gründen bereits Erfolg. Hätte aber auch wegen der Bezugnahme auf ein Video des vorgeworfenen Abstandsverstoßes funktioniert. Bekanntlich kann man als Gericht im Urteil gem § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf sich bei der Akte befindende Abbildungen Bezug nehmen. Das ist sehr bequem, wenn es etwa um Einzelheiten des Aussehens des Fahrers eines Fahrzeuges geht, aber auch, wenn ein Tatort dargestellt werden soll oder das Aussehen eines bestimmten Gegenstandes. Früher stritten sich die OLGe darüber, ob auch auf ein Video Bezug genommen werden kann. Der BGH hat das dann verneint. Hier einmal wieder so ein Fall, jetzt aber aus Bamberg:

Soweit das AG seine Überzeugung auf die in Augenschein genommene (bewegte) digitale Videoaufzeichnung stützt und auf diese ausdrücklich gemäß § 267 I 3 StPO Bezug nimmt, ist die Bezugnahme unwirksam. Zwar befindet sich eine Daten-CD mit der den Abstandsverstoß des Betr. für rund 10 Sekunden dokumentierenden Videosequenz bei den Akten. Allerdings scheidet insoweit eine Bezugnahme nach § 71 I OWiG i.V.m. § 267 I 3 StPO aus, da es sich nicht um eine die Außenwelt unmittelbar wiedergebende Abbildung i.S.v. § 267 I 3 StPO handelt. Als Ausnahmevorschrift erlaubt § 267 I Satz 3 StPO allein die Bezugnahme auf bei den Akten befindliche „Abbildungen“, was aber nur für unmittelbar durch Gesichts- oder Tastsinn wahrnehmbare Wiedergaben der Außenwelt zutrifft. Hieran fehlt es bei einer nur über den ‚Umweg‘ der Nutzung eines Abspielgerätes wahrnehmbaren und auf einem Datenträger gespeicherten Aufnahme (BGH, Urt. v. 02.11.2011 – 2 StR 332/11 = BGHSt 57, 53 = NJW 2012, 244 = NStZ 2012, 228 = BGHR StPO § 267 I Satz 3 Verweisung 4...).

OLG Bamberg Beschl. v. 19.7.2017 – 3 Ss OWi 836/17, BeckRS 2017, 127422

Kann man schön in meinem "Fahrverbot in Bußgeldsachen, 4. Aufl. 2017, § 5" nachlesen.

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Eine eigentlich völlig unzeitgemäße gedankliche Strenge wegen der man früher einmal das Studienfach gewählt hatte, als es noch keine “unerträgliche Strafbarkeitslücken“, “Rechtmissbrauch“, “Prozessverschleppung“ und “Verkehrsanschaung“ gab, bzw. man sich ehrliche Mühe gab, derartige Überbleibsel einer “unbegrenzter Auslegung“ wieder loszuwerden. Es ist offenbar doch noch nicht alles verloren...

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