Straßenbauer-Azubi pflastert Hakenkreuz - und verliert seinen Ausbildungsplatz

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 09.01.2016

Der Fall hatte im Herbst 2014 bundesweit für Aufsehen gesorgt. Im frisch verlegten Pflaster der Fußgängerzone von Goslar prangte ein Hakenkreuz. Zwei Bauarbeiter sollen das verbotene NS-Symbol in der zum Unesco-Weltkulturerbe ernannten Altstadt verlegt haben. Das führte nach einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung nunmehr für einen der als Täter identifizierten Männer zum Verlust seines Ausbildungsplatzes. Der Kläger, der seit dem 1. August 2012 im Betrieb der Beklagten zum Straßenbauer ausgebildet wurde, wehrte sich in diesem Verfahren gegen zwei außerordentliche Kündigungen vom 7. Januar 2015 seines Ausbildungsverhältnisses. Die Beklagte warf dem Kläger vor, am 17. September und in der Nacht vom 19. auf den 20. September 2014 in zwei Fällen anlässlich von Pflasterarbeiten in Goslar mittels roter Pflastersteine ein Hakenkreuz gepflastert und gegenüber der Polizei den Diebstahl seines Werkzeugs vorgetäuscht zu haben, um von seiner Tatbeteiligung abzulenken. Nachdem die Beklagte davon Kenntnis erlangte, dass gegen den Kläger zwei Strafbefehle erlassen worden waren, kündigte sie das Ausbildungsverhältnis außerordentlich fristlos wegen des dringenden Tatverdachts der Begehung von Straftaten. Der Kläger ist zwischenzeitlich wegen Verstoßes gegen § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) bzw. § 145d StGB (Vortäuschen einer Straftat) vom Amtsgericht Goslar zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Das Arbeitsgericht hatte der Kündigungsschutzklage (erstaunlicherweise) stattgegeben, woraufhin das Ausbildungsunternehmen in die Berufung ging. Der Kläger hat sich in der mündlichen Verhandlung vor der 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen (1 Sa 575/15) in aller Form bei der Beklagten und ihrem Geschäftsführer für die strafbaren Handlungen und den dadurch verursachten erheblichen (Ruf)Schaden entschuldigt. Der Geschäftsführer der Beklagten hat diese Entschuldigung angenommen. Die Parteien haben das Ausbildungsverhältnis sodann im Wege eines Vergleichs einvernehmlich zum Kündigungstermin beendet.

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3 Kommentare

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Ich meine in solchen Fällen sollte man dem Erziehungsgedanken Vorrang geben. Es handelt sich um einen 16-jährigen, der in seiner charakterlichen Entwicklung noch nicht das Ende erreicht hat. So jemanden in so jungem Alter zu brandmarken ist eher Wasser auf die Mühlen derer, deren Ideologie der junge Mann da in Stein gemeißelt hat. Außerdem besteht jetzt die Gefahr, dass der junge Mann aus der rechten Szene Zuspruch erhält und sich dort dementsprechend "wohl" und "verstanden" fühlt. Das ist, meine ich, das Gegenteil von dem gewünschten Ziel.

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#1 Gast: Bei allem Verständnis für jugendlichen Leichtsinn und ideologisch verknotete Teenager-Hirne: Das muss sich kein AG bieten lassen.

Ja, die Gefahr besteht, dass sich jemand in dieser Situation als Märtyrer fühlt oder zu einem stilisiert wird. Genau so besteht aber die Gefahr der Relativierung, wenn auf so ein Verhalten eben keine drastischen Konsequenzen folgen. Wird ja wohl nicht so schlimm gewesen sein, wenn man dafür nichtmal gekündigt wird oder noch schlimmer: "Ich kann machen was ich will, ihr könnt mir nix!".

Ausschlaggebend ist hier viel mehr, dass das Verhalten des Azubis für einen Arbeitgeber, der stark von öffentlichen Aufträgen abhängig ist (nehme ich mal an, wer lässt sonst in großem Stile Straßen pflastern...?) und bei dem sowohl die Arbeitsleistung als solche als auch die Arbeitsergebnisse im öffentlichen Raum stattfinden. Aus diesen Gesichtspunkten ist man bei einem solchen Verhalten über den Punkt, sich erzieherisch zu betätigen, schon hinaus.

 

Beste Grüße, HR Lawyer (m/w)

nach Diktat in die Bibliothek verreist, um Tucholskys "Rosen auf den Weg gestreut" nochmal zu lesen

 

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"Das muss sich kein AG bieten lassen."

Muss nicht. Aber kann.

Neben der arbeitsrechtlichen Perspektive kann und m. E. muss sich eine Stadtverwaltung schon überlegen, ob sie mit einer solchen Kündigung der Welt bzw. ihrer Gemeinde einen Gefallen tut. Kann sein, dass diese Kündigung mehr geschadet als genützt hat oder jedenfalls eine entsprechende Gefahr bestand. Vielleicht auch nicht - kommt auf die Umstände des Einzelfalls an. Aber prüfenswert ist es m. E. zumindest.

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