Umstrittene Honorarprofessur an der FU Berlin

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 01.11.2015
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtEmmelyFU BerlinHonorarprofessur23|8657 Aufrufe

Die Ernennung zum Honorarprofessor an einer Universität kann sich mitunter zu einem Politikum auswachsen. An der Freien Universität Berlin ist vom dortigen Fachbereich Rechtswissenschaft ein Verfahren in Gang gesetzt worden, den Vorsitzenden Richter am LAG Berlin, Herrn Dr. Aino Schleusener, zum Honorarprofessor zu ernennen. Damit hat sich der Fachbereich ohne Zweifel für eine im Arbeitsrecht hervorragend ausgewiesene Persönlichkeit entschieden, die auch im arbeitsrechtlichen Schrifttum sehr präsent ist. Er ist u.a. Mitherausgeber eines Kommentars zum AGG (Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, Kommentar zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, 3. Aufl. 2010) und eines Kommentar zum AGG (Bader / Dörner / Mikosch / Schleusener / Schütz / Vossen, Gemeinschaftskommentar zum Arbeitsgerichtsgesetz, GK-ArbGG, Stand 2015). Allerdings scheint ihm nun die Mitwirkung an einem Urteil zum Verhängnis zu werden, das vor einigen Jahren für ein großes Medienecho gesorgt hatte. Zu den aktuellen Geschehnissen an der FU Berlin wird nachfolgend auszugsweise ein Bericht des „Tagesspiegels“ vom 16.10.2015 wörtlich wiedergegeben: „Axel Aino Schleusener, Vorsitzender Richter am Berliner Landesarbeitsgericht, wird offenbar nicht Honorarprofessor der Freien Universität (FU). Nach unbestätigten Informationen eines Insiders kam im Akademischen Senat der FU am Mittwoch im nicht öffentlichen Teil der Sitzung keine Mehrheit dafür zustande. In der zweiten Abstimmung des Gremiums zur Honorarprofessur Schleuseners soll es am Mittwoch zehn Jastimmen, zehn Neinstimmen und eine Enthaltung gegeben haben. Die Freie Universität wollte sich auf Anfrage nicht äußern, zu Personalangelegenheiten werde grundsätzlich keine Auskunft gegeben. Schleusener sollte auf Wunsch des Fachbereichs Rechtswissenschaft der FU zum Honorarprofessor ernannt werden. Der Richter hatte im Jahr 2008 ein umstrittenes Urteil im Fall der Kassiererin „Emmely“ gesprochen. Dass der Akademische Senat über die Personalie entzweit ist, hatte sich wie berichtet bereits im Juli gezeigt. Damals stimmten noch zehn Mitglieder für Schleusener, acht gegen ihn, drei enthielten sich, war zu hören. Damit wäre Schleusener damals - wenn auch nicht mit großer Mehrheit - zum Honorarprofessor ernannt gewesen. Doch die Gruppe der Studierenden legte ein aufschiebendes Gruppenveto ein, das jetzt die zweite Abstimmung erforderlich machte. Die Kassiererin "Emmely" 2008 war nach einer 15-jährigen Beschäftigung bei der Supermarktkette Kaiser’s fristlos gekündigt worden, weil sie zwei Pfandbons im Wert von 1,30 Euro zu Lasten ihres Arbeitsgebers eingelöst haben sollte. Ihre Kündigungsschutzklage wehrte das Berliner Arbeitsgericht unter dem damaligen Vorsitzenden Schleusener aber ab. Die Kündigung sei gerechtfertigt, das Vertrauensverhältnis des Arbeitgebers zu "Emmely" zerrüttet, erklärte das Gericht. Der Fall verursachte in der Öffentlichkeit Empörung. Erst in letzter Instanz bekam "Emmely" im Jahr 2010 vom Bundesarbeitsgericht Recht. Die Kündigung sei unverhältnismäßig gewesen, nur eine Abmahnung wäre gerechtfertigt gewesen, urteilte das Gericht.“ Sollte tatsächlich die Mitwirkung an dem klageabweisenden Urteil im Fall „Emmely“ bei der Ablehnung eine Rolle gespielt haben, wäre dies in meinen Augen eine sachfremde, die richterliche Unabhängigkeit in Frage stellende Erwägung. Beschädigt wäre weniger die Person des in Aussicht genommenen Richters als die Reputation der FU Berlin.

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23 Kommentare

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Wieso soll dadurch die richterliche Unabhängigkeit gefährdet sein?

Es handelt sich bei einer Honorarprofessur um eine optionale Einnahmequelle, die mit dem Richteramt nichts zu tun hat. Ein Richter ist nicht gezwungen diese Option ziehen. Selbst wenn der Gesetzgeber darauf käme, Richterämter wie in den USA zu Wahlämtern zu machen, wäre die richterliche Unabhängigkeit dadurch nicht im Geringsten gefährdet weil das eine mit dem anderen nichts zu tun hat.

Übrigens ist und bleibt hoffentlich die Lehre bei all ihren Entscheidungen ebenfalls unabhängig von Versuchen äußerer Beeinflussung. Die Reputation der FU leidet darunter eher nicht. Im Gegenteil, sie wird sicher auch bei anderen Personalentscheidungen, bis hin zur Kassiererin(sic!) in der Mensa, den bisherigen Lebenslauf eines Kandidaten mit ins Kalkül ziehen. Und das ist so richtig.

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Die Reputation der FU hat ganz erheblich unter dieser Entscheidung gelitten, wie der Beitrag von Prof. Stoffels zutreffend aufzeigt. Im Übrigen leiden unter der Entscheidung in erster Linie die Jurastudenten. Ich habe bei Herrn Schleusener Arbeitsrecht gehört und er war einer der besten Dozenten, die ich je hatte! Weiterhin ist die Honorarprofessur gerade keine Einnahmequelle, weil sie nicht vergütet wird.

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Sie wollen über die Person dieses Herrn Dr. Aino Schleusener und seine Urteile diskutieren? Das kann gefährlich werden.

Nicht jeder hat eine so wohlwollende Meinung über einen Richter, der die ganz offensichtlich völlig unverhältnismäßige Kündigung einer Arbeitnehmerin (wegen 1,30 Euro) so einfach durchwinkt. Das war ein Skandalurteil, ein Fehler der allerschlimmsten Art, ein glattes Willkürurteil. Und ein Richter, der sich nicht entblödet solche Urteile zu fällen, disqualifiziert sich selbst für jegliche Honorarprofessuren.

Wobei wir allerdings bei einem ganz anderen interessanten Punkt sind: Sie sind offensichtlich der Ansicht, die richterliche Unabhängigkeit geht so weit, dass ein Richter sich auch dann darauf berufen kann, wenn er gröbste Fehler begehen will (bzw. begeht). Das muss schleunigst beendet werden. So wie Ärzte sich mittlerweile nicht mehr auf ärztliche Behandlungsfreiheit berufen können, wenn sie von Standards der ärztlichen Behandlung abweichen (wollen) und das volle Risiko einer Verurteilung eingehen, so muss auch ein Richter verurteilt werden, wenn er sich nicht an die "Regeln der richterlichen Kunst" hält. Wobei leider Qualitätsmanangement und Qualitätskontrolle bei Richtern und richterlichem Handeln praktisch nicht existieren (wegen dieser ominösen "richterlichen Unabhängigkeit") und somit auch de facto keine "Regeln der richterlichen Kunst". Bei Ärzten gibt es mittlerweile Leitlinien (als Maßstab für korrekte Ausübung der ärztlichen Kunst) statt ärztlicher Behandlungsfreiheit - bei Richtern immer noch Willkür statt solcher Qualitätskontrolle.

Fazit: es wäre ein Skandal, wenn die FU diesen Richter als Honorarprofessor berufen hätte. Wobei das Problem viel tiefer liegt - siehe oben.

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Aus der Praxiserfahrung der Lehre her würde ich sagen, daß Urteile nicht der Maßstab für eine Berufung sein sollten. Man erlebt es doch häufiger, als man denken sollte, daß man aus der erlernten Sicht verschiedene Urteile ganz anders selbst ausurteilen würde, als es die richterliche Praxis zeigt. Mal davon abgesehen, daß es regionale Differenzierungen gibt (z.B. "bayrische StPO") oder Globalschwenks in Entscheidungen durch Paradigmenwechsel auf BGH/BVerwG/BVerfG-Ebene.

Ich habe bspw. Urheberpersönlichkeitsrecht bei Schertz gehört, und dadurch, daß seine Position ja bekannt und hinreichend diskutiert ist, habe ich es als durchaus interessant empfunden, seine Argumentation für dieses Teilgebiet live zu erleben, und nicht nur als Besprechung durch Dritte. Man übernimmt doch die Position des Lehrenden nicht einfach unkritisch, sondern reflektiert die Argumente.

Das Emmely-Urteil ist umstritten, nicht zu unrecht, und kann wunderbar auf allen Ebenen diskutiert werden. Sowohl für das Urteil als auch dessen Aufhebung lassen sich gute Argumente, auch rechtshistorisch, anführen. Die moralische Wertung ist eine andere, aber sollte auf juristischer Ebene keine Rolle spielen. Auch die Aufhebung selbst ist unerheblich, es gibt keinen Richter, dessen Urteile immer Bestand haben (kritisch wären eher Richter, deren Urteile fast nie Bestand hätten).

Und mal realistisch betrachtet, einen Richter/Staatsanwalt/Rechtsanwalt ohne Fehl gibt es nicht. Jeder hat seinen Bock bereits geschossen, wie medial das war, und welche Auswirkungen es in der Praxis hatte, nun, daß ist doch eher Zufall. Urteile sollten, wenn überhaupt, für eine Berufung auf eine Professur nur dann von Bedeutung sein, wenn sie einen klaren Rechtsbruch (soweit das in unserem Rechtssystem überhaupt möglich ist) darstellen, bzw., wenn es sich um einen "furchtbaren Juristen" handelt (was inzwischen ja nicht mehr möglich sein sollte durch den natürlichen Alterungsprozeß).

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Gerade mit der Berufung von Schertz zum Professor bei der TU Dresden hat beim mir Zweifel an der Seriösität dieser Universität als Quelle für unabhängige wissenschaftliche Forschungen  und Ergebnisse erzeugt.

Prof. Dr. Christian Schertz ist gerade das Musterbeispiel für das Geschäft mit den Persönlichkeitsrechten, was  wissenschaftlich gesehen sehr einseitg und z.T. blind ist.  Seine wissenschaftlichen Argumente basieren auf der gegenwärtigen von ihm erlebten Praxis. Die Rechtswissenschaften, falls es überhaupt Wissenschaften sind, basieren aber auf viel mehr als auf  der Praxis nur eines Geschäsftsmannes.

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In der Tat, der akademische Senat der FU hat die ihm anvertraute wissenschaftliche Reputation seiner Hochschule massiv geschädigt. Zwar wohl nicht wegen eines Eingriffs in die richterliche Unabhängigkeit (denn mit dieser hätte er wenig zu schaffen), sondern deshalb, weil er die politische Missliebigkeit des Kandidaten und damit einen evident wissenschaftsfremden Aspekt zur Grundlage der (Mehrheits-)Entscheidung macht. Wer mag wohl jetzt noch Honorarprofessor an dieser Universität werden wollen?

Eine Mitschuld trifft aber auch alle diejenigen Mitglieder der arbeitsrechtlichen und rechtswissenschaftlichen Community, die der damaligen maßlosen Urteilskritik etwa von Wolfgang Thierse nicht mit der gebotenen Schärfe entgegengetreten sind (= fast alle, von wenigen lobenswerten Ausnahmen wie etwa Ingrid Schmidt abgesehen) -  sie war der Humus, auf dem Vorstellungen wie die, die der heutigen Ablehnungsentscheidung zugrundeliegen, gedeihen konnten.

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Die Lehre des Arbeitsrechts betet im wesentlichen nur das nach und tritt das breit, was ihr die Arbeitsgerichtsbarkeit vorbetet. Es fehlen also keine Praktiker in der Lehre; es fehlt vielmehr eine unabhängige und kritische Lehre, die einen echten kritischen und nachdenklichen Widerpart für die sich weitgehend selbstüberschätzende Rechtsprechung darstellen würde.

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War das ArbG-Urteil eigentlich eine Kammerentscheidung? Wenn ja, woher weiß man, wie der Vorsitzende abgestimmt hat (=Beratungsgeheimnis)?

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Die Entscheidung lag, soweit mir bekannt, voll auf der Linie der Arbeitsgerichte einschließlich des BAG. In dem konkreten Fall hat das BAG, salopp gesprochen, gekniffen, und hier mit deutlicher Betonung des Ausnahmecharakters der Arbeitnehmerin einmal Recht gegeben, um das eigene Ansehen und die Linie im Übrigen zu verteidigen. Denn durch die Berichterstattung drohte der Bevölkerung außerhalb von Fachkreisen bekannt zu werden, dass die Urteile, die dort im Namen des Volkes gesprochen werden, vielleicht überhaupt nicht dem Willen "des Volkes" (im Sinne großer Teile der wahlberechtigten Bevölkerung) entsprechen.

Dass Richter XY vorher im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung geurteilt hat... tja, man mag ja diese ständige Rechtsprechung falsch finden, man mag es als Pflicht eines jeden Richters ansehen, sich heldenhaft gegen LAG und BAG zu stellen. Doch muss man sich fragen, zu was dort jemand berufen werden sollte - Held, Revolutionsführer, Selbstmordattentäter oder Dozent an einer Universität?

Wenn man das Emmily-Urteil als Maßstab für eine moralische Entscheidung nimmt, dürfte man wohl nie wieder einen Arbeitsrichter berufen.

Aber vielleicht hatte die Uni auch nur Angst vor der Öffentlichkeitswirkung. Und ihre Entscheidung vorrangig auf die Öffentlichkeitswirkung abzustellen, ist ihr, wie beim BAG, faktisch nun einmal unbenommen.

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Nachtrag zu meinem Kommentar oben: nach einem Suchlauf bei juris war es wohl eine Kammerentscheidung (6x "Kammer" im Urteilstext). Dann würde dich in der Tat fragen, woher man vom Abstimmungsverhalten des Richtets wissen will

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Was die Emily-Entscheidung betrifft: Die Rechtsprechung stellt nun mal auf die Vertrauensbasis ab. Und auch wenn man bei den sehr geringen Werten streiten mag, ob das adäquat ist, so war es bei "Emily" nach meiner Erinnerung wohl so, dass sie die Wegnahme der Bonds längere Zeit vehement bestritten und den Verdacht auch Kolleginnen gelenkt hat. Soweit ich mich entsinne wurde dies von den Richtern auch explizit angesprochen und berücksichtigt. Dass das die Vertrauensbasis erheblich erschüttert, sollte auch Nichtjuristen einleuchten. Dieser Aspekt wurde nur in der Öffentlichkeit nahezu immer ausgeblendet. (Dass es auch andere Fälle gibt, in denen die Kündigung trotz Geringwertigkeit ohne solche Umstände Bestand hat, ist unerheblich).

 

@Herrn Schälike

Um Herrn Schertz oder die TU Dresden geht es hier nicht. Im Übrigen kann man wohl konstatieren, dass der Bereich des Persönlichkeitsrechts vermutlich der ist, der am wenigsten juristische Kenntnisse, sondern mehr als jedes andere Rechtsgebiet primär Argumentationsfähigkeit erfordert. Ob der Begriff "Wissenschaft" da noch angebracht ist, kann man vielleicht sogar in Abrede stellen. Die Honorarprofessuren führen vor allem bei den Anwälten  z.B. auch Höcker oder Prinz -um beim Presserecht zu bleiben- oder z.B. Herrn Bauer im Arbeitsrecht bei Nichtjuristen dazu, dass die Reputation der Herren noch steigt- und häufig profitiert ja auch die jeweilige Uni, weswegen sie erst den Titel verleiht. Anwälte sind aber nun mal letztlich parteiisch im Sinne ihrer Mandantschaft und das prägt nicht nur das einzelne Mandat, sondern regelmäßig die ganze Linie. Daher halte ich es für besser, wenn zumindest im Bereich Jura primär der neutrale Richter diesen Ehrentitel erhält, wenn er sich entsprechend verdient gemacht hat. Und auch wenn es dem "Volksempfinden" einiger widerspricht, ist besagter Berlinder Richter nun mal durchaus angesehen in der Fachwelt und kompetent. Dass das nicht davor schützt, dass auch mal eine Entscheidung, an der er mitgewirkt hat, aufgehoben wird, sollte auch klar sein. Selbst die BAG-Entscheidungen werden ja inzwischen nun gerne mal vom EGMR kassiert.

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Heute werden die merkwürdigsten Figuren, von denen man sich einen politischen oder finanziellen Vorteil verspricht, "Honorarprofessor". Da kommt es auf einen mehr oder weniger auch nicht mehr an...

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Nun ja. Es geht um eine Ernennung als Honorarprofessor. Das bedeutet, es geht um einen Ehrentitel, der nicht nach dem Prinzip der Bestenauslese vergeben wird. Wer denn nun diese Ehre verdient und wer nicht, entscheidet ein Gremium und ich glaube nicht, dass man auf eine positive Entscheidung einen Anspruch hat. Einen Ehrenanspruch quasi von Amts wegen beanspruchen zwar viele Richter sehr gerne, aber auch hier gilt, dass man sich das eben verdienen muss.

 

Jegliche Art von Kritik an Richtern fällt heutzutage unter den Begriff des "Angriffs" auf die richterliche Unabhängigkeit. Es wird auch langsam Zeit, dass unsere Herren Richter mal vom hohen Ross der "Unfehlbarkeit", der "Unangreifbarkeit" etc. herunter steigen. Hierfür sind ihre "Leistungen" einfach zu schwach und  ihre "Verfehlungen"  zu flächendeckend.

 

Sie haben es durch jahrelange Praxis schon geschafft, dass der Straftatbestand der "Rechtsbeugung" schon im Tatbestand derartig eingeschränkt wurde, dass nahezu nichts mehr unter diese Norm fällt und selbst wenn, dann wird es einfach nicht verfolgt. Richter haften im Ergebnis für nichts, nicht einmal für gewolltes Unrecht. Sie können sich nahezu alles erlauben, ohne ihren Job mit darauf folgenden üppigen Pensionsansprüchen zu verlieren. Was wollen Sie denn noch? Einen Anspruch auf Zuerkennung von "Ehre" als eine Art Vorschuss?

 

 

 

 

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Die Frage, ob jemand Honorarprofessor wird, berührt die richterliche Unabhängigkeit ganz gewiss nicht. Mal ganz davon abgesehen, dass außer den beteiligten Richtern niemand weiß, wer bei dem Urteil wie gestimmt hat, wäre ein Richter, der bei seinen Entscheidungen darauf sieht, ob diese ihm für die Erlangung irgendwelcher Ämter günstig oder schädlich sein könnten, völlig unbrauchbar.

 

Die Kritik am LAG-Urteil zu Emmely verstehe ich, teile ich sogar. Die maßlose Kritik an der Richterschaft von #14 Gastikowsky und #2 Gast2 kann ich dagegen nicht ansatzweise nachvollziehen. Die Rechtsprechung ist den Richtern, also Menschen, anvertraut, und sie ist kein naturwissenschaftlicher Prozess, sondern, wie es oft so schön heisst, ein Akt wertender Erkenntnis. Die (auch von mir für richtig gehaltene) "richtige" Entscheidung des BAG ist nicht deshalb richtig, weil sie nach naturwissenschaftlicher Logik zwingend wäre, sondern deshalb, weil das höhere Gericht das niedere Gericht aussticht.
 

 

 

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An dem "problematischen" Urteil finde ich nichts auszusetzen und die Entscheidungsgründe des Akademischen Senats für eine Universität, insbesondere als Standort einer juristischen Fakultät, an der Meinungsvielfalt möglich sein sollte, wenig vorteilhaft.

Gleichwohl ist es gerade die weitgehende Freiheit einer Universität, ihr Personal in den eigenen Verfahren nach eigenen Kriterien zu wählen (und sich dabei ggf. eine Blöße zu geben). Richterliche Unabhängigkeit bedeutet nicht, dass einem neben oder nach der richterlichen Tätigkeit alle Türen offenstehen müssen, ohne Ansehen getroffener Entscheidungen. Dafür sind es "Richter auf Lebenszeit" zu angemessener Vergütung (darüber kann man freilich streiten). Umgekehrt erlaubt sich auch Justiz in ihrer Einstellungspraxis, die Vortätigkeit etwa von Anwälten zu berücksichtigen und Karenzzeiten zu fordern.
Die richterliche Unabhängigkeit wird meiner Erfahrung nach allzu oft ins Spiel gebracht, wenn Richter verkennen, dass auch andere über unabhängige Entscheidungsspielräume verfügen, die dem Richter nicht günstig sein müssen. Wie viele gerichtsinterne Verwaltungsstreitigkeiten werden allein um die vermeintliche richterliche Unabhängigkeit geführt?

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Ich habe gerade auf einer Fachanwaltsschulung von diesem Vorgang erfahren und halte ihn für skandalös. Ich kenne Herrn Dr. Schleusener aus mehreren gerichtlichen Verfahren vor dem LAG; er ist ein sehr kompetenter und angesehener Richter. Das Urteil der Kammer stand damals in Einklang mit der ständigen Rechtsprechung und ist entsprechend auch von dem LAG bestätigt worden, bevor das BAG vor dem "Druck der Straße" eingeknickt ist. Dass Richter für rechtstaatliche Urteile sanktioniert werden, kennt man nur aus totalitären Staaten; Erdogan lässt grüßen. Die Mitglieder des Akademischen Senats, die gegen Herrn Dr. Schleusener gestimmt haben, offenbaren eine entsprechend totaliäre Gesinnung, die in einem Rechtsstaat nicht zu suchen hat. Einen interessanten Artikel zu der Problematik findet sich auch hier: https://www.tagesspiegel.de/politik/justiz-und-politik-emmelys-raecher/12493584.html

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Lieber Gast4,

hätten Sie nicht vor der Fachanwaltsschulung eine grundständige Bildung genießen sollen? Zum Beispiel darin, dass die richterliche Unabhängigkeit kein Anrecht auf Verschonung von Kritik und sogar einen persönlichen Anspruch auf Posten oder Pöstchen als ergänzende Karriere garantieren soll. Ich kenne nicht die Abstimmungs- oder Wahlregeln der Uni zur Vergabe von Honorarprofessuren. Aber, dass Gast4 seine Hand für Jemanden ins Feuer legt oder eine Nichtberufung eine skandalöse Sanktion darstellt, gehört wohl nicht zum Regelwerk. Es kommt gar nicht darauf an, ob der Rechtsfall nun objektiv so oder so zu bewerten war. Es kommt allein darauf an, ob die Abstimmung über die Honorarprofessur rechtens war. Wenn da "totalitäre Gesinnungen" statt den zur Wahl Berufenen entschieden hätten, dann wäre das tatsächlich ein Thema. Aber außer Lärm von Ihnen Nichts.

Totaler Blödsinn ist natürlich auch nicht rechtsstaatswidrig, aber deswegen muss z.B. Ihre Leistung auch ein Mandant noch nicht annehmen und vergüten. Er kann Ihnen das sogar deutlich ins Stammbuch schreiben und ggf. sogar Schadensersatz beanspruchen. Ich weiß natürlich, dass mancher Anwalt das wegen des kollegialen "Abfärbens" der Fiktion von richterlichen "Unabhängigkeitsrechten" ganz ganz anders sieht. Die richterliche Unabhängigkeit ist allein als Schutz gegen Obrigkeiten gedacht und nicht losgelöst von einer beherrschenden Gesetzesbindung und Sorgfalt, sowie der Neutralität gegenüber den Verfahrensbeteiligten zu denken. Wenn Sie nach einer Anwaltsschulung daraus ein persönliches Anspruchsrecht des Richters auf eine akademische Zusatzkarriere destillieren wollen, dann will ich mal wissen, wer da was geschult hat.        

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Sehr geehrter Herr Lippke, zur sog. "grundständigen Bildung" sollte gehören, dass zwar gewiss aus Richterposition kein "Anspruch" auf Posten ( warum werden bei einem Richter danebe auch noch "Pöstchen" hier in Rede gestellt?) erwächst. In Wahheitstellt sich die Rechtsfragemwie eine Ernessensentscheidung zu beurteilen ist. Soweit mir "grundständige Ausbildung" zuteil geworden ist, dürfen dabei  nur zulässige sachangemessene Bewertungskriterien herangezogen werden. Rechtspolitisch abschätzige Herabwürdigung eines Richters wegen Etscheidungen gehlrn nicht dazu. Denn auch akademische Lehre hat sachlich-rechtliche Qualität zu bieten, nicht politische Tendenz.  Derart totalitäre, wie Gast4 zutreffend sagt, Missbrauchsstragien wie augenscheinlich an der Uni sind rechtsfern. Dass sie herangezogen worden sind, nimmt jedenfalls das Arbeitsgericht/LAG in Pressemitteilung vom 27.10.2015 an. 

Sehr geehrter Herr Dr. Peus, Sie sprechen wohl diese Pressemitteilung an. Diskutiert wurde darüber bereits hier im beckblog.

Nach meiner Auffassung geht es nicht um eine Rechtsfrage in einem LAG-Fall oder den Leumund des beteiligten Richters, sondern um das unabhängige Recht der Lehre und seiner Gremien, eine Berufung vorzunehmen oder zu unterlassen. Diese Entscheidung kann man natürlich genauso kritisieren und hinterfragen, wie auch ein richterliches Urteil oder Verhalten. Wenn es Rechtswidrigkeiten oder einen Verdacht darauf gibt, sollten dies natürlich aufgeklärt werden. Da und dort.

Die Pressemitteilung vom 27.10.15 finde ich daher eigentümlich. Zunächst ist gar nicht sicher erkennbar, ob sie vom Arbeitsgericht Berlin oder vom Landesarbeitsgericht Berlin stammt. Formal ist sie, der Darstellung auf berlin.de nach, vom Arbeitsgericht Berlin. Aber es ist kein Verfasser, kein Anprechpartner (für die Presse) benannt. Der Pförtner oder die Vermittlung beim Arbeitsgericht übernimmt das dann wohl.

Die Pressemitteilung des Gerichts bezieht sich weiter auf unbenannte Pressemitteilungen, wonach die Ernennung eines ebenfalls unbenannten Vorsitzenden Richters am LAG allein wegen der Mitwirkung am sogenannten "Pfandbon-Urteil" abgewiesen wurde. Warum bis dahin so unbestimmt bestimmt? Stimmen denn die Pressemitteilungen?

Sehr klar verhält sich die Pressemitteilung zur Zulässigkeit und Berechtigung von Kritik an Urteilen und der Tätigkeit der "Dritten Gewalt". Das finde ich löblich und hat z.B. im beckblog ja auch täglich seine reale Entsprechung. Das kann aber nicht oft genug erklärt werden. Wenn es von der Justiz selbst kommt, zählt es doppelt.

Weniger verständlich ist mir der Vorwurf einer "sachwidrigen Maßregelung des Richters", die nicht durch die universitäre Selbstverwaltung und das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sein soll. Eine dienstliche Maßregelung kann es ja nicht sein, Sachwidrigkeit hin oder her. Beklagt wird wohl eher eine persönliche Herabwürdigung in Form eines moralischen Werturteils. Warum die unterstellten Gründe der Entscheidung aber mit den Regularien der universitären Selbstverwaltung nicht vereinbar sind, wird jedoch nicht weiter ausgeführt. Ebenso bleibt unklar, was das Recht auf freie Meinungsäußerung damit zu tun hat. Ich würde auf "nicht ausreichend begründet" oder "der Vortrag des Klägers ist nicht nachvollziehbar und schlüssig dargelegt" plädieren. Das kennt wohl jeder Richter aus dem ff und als Textvorlage für seine Urteilsbegründungen.

Die Sache mag dem Ruf des Richters nicht angemessen und fair abgelaufen sein, aber totalitäre, missbrauchende Strategien von wem? Ist denn die Jurisprudenz den "Mächten" so ausgeliefert, dass sie in eigener Sache nicht einmal klare Fakten benennen kann und sich stattdessen anonymisiert hinter brachialen Schlagworten verschanzen muss?   

   
 

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Sehr geehrter Herr Lipke,

wenn Menschen Richter dafür bestrafen wollen, dass sie entsprechendem dem Gesetz und der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung urteilen, liegt mE schon nahe, dass diese Menschen gegenüber der richterlichen Unabhängigkeit und Gewaltenteiung und damit auch gegenüber dem Rechtsstaat ein eher distanziertes Verhältnis haben.

Das Problem liegt aber wohl noch woanders: Wohl kaum einer, der sich über das Urteil der Berliner Richterinnen und Richter empört, hat die Urteile auch gelesen. Aus den Urteilen geht klar hervor, dass nicht allein der Diebstahl der Pfandbons, entscheidend war. Vielmehr wurde darauf abgestellt, dass die Klägerin nicht nur den Arbeitgeber nach dem Diebstahl immer wieder belogen hat, sondern - vor allem - dass sie wider besseres Wissen eine unschuldige Kollegin beschuldigt hat. Dass unter diesen Umständen zu einen dem Arbeitgeber, vor allem aber auch den Kolleginnen der Klägerin eine Zusammenarbeit mit dieser nicht mehr zumutbar war, erscheint doch sehr einleuchtend. Auch die Mitglieder des Akademischen Senats, die gegen Herrn Dr. Schleusener gestimmt haben, haben die Urteile vermutlich nicht gelesen. Andernfalls wäre die Entscheidung kaum nachvollziehbar. Sich Meinungen ohne Faktenkenntnis zu bilden, ist heutzutage leider nicht unüblich. Wenn dies aber dazu führt, dass angesehene Richter und Dozenten wie Herr Dr. Schleusener nicht als Honorarprofessor berufen werden, ist dies ein beschämender Vorgang.

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Frau Dr.Barley drängt nicht ohne Grund uns Juristen dazu, stets auch in das III. Reich zu blicken. Die Handhabung "der Fakultät" ähnelt verdäctig solcher etwa aus 1933, als politisch dem damalig aufwallenden Zeitgeist widersprechende ordentliche Tätigkeit als negativ wirkendes Kriterium herangezogen wurde. Die Fälle politisch einschlägiger Attacken gegen Freiheit der Lehre und Wissenschaft häufen sich. Etwa: Bochum: Prügeltakce gegen einen HandelsrechtsDozenten(Ordinarius), weil er linkspolitische persönliche Attacke gegen einen Studenten während der Vorlesung unterbinden wollte; Marburg rund um den 13. April 2016: "Ausladung" eines Gastdozenten/Hochschullehrers an einer anderen Universität, weil er anderweitig genderistisch-feministischer Ideologie  nicht folgte, sondern entgegentrat. Siegen - die jüngste Posse um "Freiheit" von Lehre. Schande bringt so etwas den konkreten "akademischen" Instanzen, wie hier in Berlin. Aber mittlerweile auch dem Universitätsgewese in Deutschland allgemein - nie erfährt man, dass andere Hochschulen, Fakultäten oder Ordinarien gegen diese an die Perversitäten von 1933 erinnernden, ja:wiederholenden zeitgeistigen Hetzkampagnen und Maßnahmen geistigen Terrors vorgingen, protestierten o.ä. 

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