Der exhumierte Vater

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 18.11.2014
Rechtsgebiete: Familienrecht5|3059 Aufrufe

Die Antragstellerin (Jahrgang 1944) behauptet, der 2011 verstorbene S. sei ihr biologischer Vater.

Die Behauptung, ihre Mutter habe mit S. während der Empfängniszeit Geschlechtsverkehr gehabt, habe sie  - so das OLG Dresden -  nicht ins Blaue hinein aufgestellt. Sie habe glaubhaft berichtet, dass ihre Mutter ihr am 18. Geburtstag offenbart habe, dass der Ehemann der Mutter nicht ihr leiblicher Vater sei, sondern dass sie von S. abstamme. Ferner habe die Antragstellerin berichtet, dass ihre Mutter sie in den Nachkriegsjahren zu der Familie S. in Westdeutschland, das heißt zu der Mutter und der Schwester des potentiellen leiblichen Vaters habe reisen lassen. Sie habe anschaulich geschildert, wie sie bei diesen Besuchen von ihrer "S.-Oma" sehr verwöhnt worden sei. Entscheidend für eine Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft spreche ein erstes Treffen mit S. in einem Hotel, bei welchem dieser selbstverständlich davon ausgegangen sei, ihr Vater zu sein. Ihre Schilderung hiervon habe eine ganze Reihe atmosphärisch stimmiger Einzelheiten enthalten, bei denen es als fernliegend anzusehen sei, sie als in Gänze erfunden zu erachten. Dies belege, dass die Antragstellerin bei dem Treffen sicher von dieser Vaterschaft ausgegangen und von S. darin bestärkt worden sei.

Auf dieser Basis hat das OLG im Rahmen eines Beweisbeschlusses zur Einholung eines DNA-Gutachtens die Exhumierung der Leiche zum Zwecke der Erstellung eines DNA-Abstammungsgutachtens angeordnet.

Der eheliche Sohn des S. lehnte es ab, eigenes DNA-Material für eine Untersuchung zur Verfügung zu stellen. Ferner hat er die Einwilligung in die Exhumierung und Gewebeprobenentnahme verweigert. Mit einem Zwischenbeschluss hat das Oberlandesgericht diese Weigerung für unberechtigt erklärt. Hiergegen wendet sich der Beteiligte mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, die jedoch keinen Erfolg hatte.

Der BGH vertritt die Auffassung, das postmortale Persönlichkeitsrecht müsse im Falle einer für die Feststellung der Vaterschaft erforderlichen Untersuchung und damit einhergehenden Exhumierung des Verstorbenen regelmäßig hinter das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung zurücktreten.

BGH v. 29.10.2014 - XII ZB 20/14

PS: M.E. hätte der Sohn zur Abgabe einer DNA-Probe verpflichtet werden können. Die Exhumierung wäre dann unnötig, denn der Sachverständige könnte dann klären, ob der Sohn und die Antragstellerin denselben Vater haben.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

5 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Wieso sollte man den (vermeintlichen) Sohn des (vermuteten) Vaters mitttels Staatsgewalt (die dann wohl wirklich an einen sich willkürlich Befugnisse anmaßenden autoritären Polizeistaat erinnern würde) zwingen dürfen, sich eine DNA-Probe entnehmen zu lassen, und diese untersuchen zu lassen?

Der (vermeintliche) Sohn des (vermuteten) Vaters ist doch kein Verbrecher.

Er hat sich auch zivilrechtlich nichts zu schulden kommen lassen.

Er hat die auskunftbegehrende Antragstellerin auch (mit Sicherheit) nicht gezeugt.

Der (vermeintliche) Sohn des (vermuteten) Vaters ist doch völlig unschuldig. 

3

Wäre es dem Sohn denn zumutbar, eine zwangsweise Blutprobenentnahme über sich ergehen zu lassen?

Stellen gewaltsame staatlich angeordnete Zwangsmaßnahmen nicht automatisch immer die Menschenwürde des Betroffenen in Frage?

Und was ist, wenn der (bisher als Sohn geltende) Mensch aufgrund der erzwungenen Blutentnahme erfährt, daß dr Mensch, den er bisher für seinen Vater gehalten hat, gar nicht sein (biologischer) Vater ist, und daß seine Mutter, die er bisher immer für eine keusche und treue und liebevolle Ehefrau seines (vermeintlichen) Vaters gehalten hat, diesem offenbar untreu war und fremdgegangen ist und unkeusch war?

Womöglich erleidet der (vermeintliche) Sohn dann einen Zusammenbruch seines Selbstbildes und des Bildes, daß er bisher von seiner Familie hatte. Vielleicht erleidet er sogar einen Nervenzusammenbruch und wird depressiv, oder gar arbeitsunfähig und medizinisch-psycholgisch behandlungsbedürftig.

So etwas einem Menschen (der sich weder strafrechtlich noch zivilrechtlich etwas hat zuschulden kommen lassen, und der auch keine Verantwortung für die vermeintliche Tochter übernommen hat, und sie wohl auch nicht durch sexuelle Aktivitäten gezeugt haben könnte) mittels der Staatsgewalt aufzwingen zu wollen, halte ich für äußerst fragwürdig.

Die Staatsgewalt verhält sich anmaßend, wenn sie meint, Menschen seien Untertanen, und müßten immer tuen und dulden was die Staatgewalt wünscht.

Menschen zum bloßen Objekt staatlichen Handels zu machen erscheint mir zynisch und grenzwertig, beinahe menschenverachtend.

Solch eine Staatsgewalt erschiene mir fast bedrohlich, zumindest aber unheimlich.

 

2

Eine DNA-Probe des Sohnes dürfte nicht gleich geeignet sein. Möglicherweise war er nicht biologischer Sohn des Verstorbenen. Die DNA-Probe würde dann zeigen, dass ("falscher") Sohn und angebliche Tochter nicht denselben Vater haben* - aber damit wäre nicht be- oder widerlegt, ob die angebliche Tochter die Tochter des Verstorbenen ist.

*Wenn nicht durch einen bizarren Zufall beide durch einen Dritten gezeugt wurden...

4

Könnte mir vorstellen, daß das OLG und der BGH eine Verpflichtung des (anscheienenden oder vermeintlichen, jedenfalls unschuldigen) Sohnes zur Duldung der Entnahme einer DNA-Probe (sowie einer Untersuchung seiner DNA), sowie eventuelle Zwangsmaßnahmen gegen ihn, vielleicht als ihm nicht zumutbar betrachteten, zumal die Leiche des (vermeintlichen oder mutmaßlichen) Vaters ja nicht eingeäschert worden war, und eine Exhumierung der Leiche (darum geht es hier - es wurde nicht "der Vater" exhumiert, denn "der Vater" ist tot und existiert nicht mehr, sondern es existiert nur noch sein Leichnam) noch möglich war.

"Der Vater" spürt von der Exhumierung seines Leichnams nichts mehr, dagegen könnte eine zwangsweise Entnahme einer DNA-Probe für den lebendigen mutmaßlichen Sohn eine erhebliche psychische Belastung darstellen, über deren Zumutbarkeit man sicher streiten kann.

Wer, weil er mit der Kindesmutter während der Empfängiszeit geschlechtlich verkehrt hat, selbst als Vater eines Kindes in Frage kommt, dem wären die damit verbundenen Belastungen sicherlich zumutbar.

Aber wer dafür nicht in Frage kommt, und wer auch sonst keine Verpflichtungen gegenüber dem Kind oder der Kindesmutter hat, und wer es als solcher Außenstehender halt partout nicht will, daß man ihm eine DNA-Probe entnimmt (und beschlagnahmt), und es partout nicht will, daß seine (eigene, ihm gehörende und ihm zugehörende, private) DNA untersucht wird, dem ist es vielleicht nicht unbedingt zumutbar, eine verpflichtende Anordnung und möglicherweise gewaltsame Zwangsmaßnahmen über sich ergehen zu lassen, und sich mit Gewalt eine DNA-Probe entnehmen zu lassen und diese untersuchen und analysieren zu lassen, jedenfalls nicht, wenn die Leiche des mutmaßlichen Vaters noch vorhanden ist und ihr noch eine DNA-Probe entnommen werden kann.

Das mag jetzt hier vielleicht alles fachjuristisch nicht so richtig formuliert und nicht so richtig auf den Punkt gebracht sein, aber ich glaube schon daß die zur Entscheidung berufenen Richter vielleicht schon zumindest ungefähr in diese Richtung gehende Überlegeungen angestellt haben (ob sie diese nun zu Papier gebracht haben oder nicht).

1

Kommentar hinzufügen