An- und Umkleiden als Arbeitszeit?

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 30.07.2014
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtArbeitszeitDienstkleidungUmziehen1|6420 Aufrufe

Kleider machen Leute.

In vielen Unternehmen existieren Bekleidungsvorschriften für die Mitarbeiter, manche sind notwendig (Arbeitsschutz), manche nützlich, manche vielleicht auch antiquiert. Ob Piloten zur Uniform zwingend eine Mütze zu tragen haben oder ob darin eine Diskriminierung wegen des Geschlechts liegt (weil Pilotinnen das Tragen der Mütze frei steht), wird demnächst das BAG entscheiden.

Bereits jetzt ist aber auf drei jüngere Entscheidungen hinzuweisen, die sich mit der Vergütungspflicht für Umkleidezeiten beschäftigen:

1. Der Möbelhaus-Fall

Im ersten Fall stritten ein bekanntes Möbelunternehmen und der in einer seiner Filialen gebildete Betriebsrat um die Reichweite des Mitbestimmungsrechts. Dieses erstreckt sich nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG u.a. auf den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit. Der Betriebsrat wollte festgestellt wissen, dass ihm ein Mitbestimmungsrecht zusteht, soweit die Arbeitgeberin die Arbeitnehmer anweist, außerhalb ihrer durch Arbeitseinsatzplanung festgelegten Arbeitszeit die von ihr gestellte Firmenkleidung an- und auszuziehen.

Das BAG hat dem Antrag entsprochen: Das Ankleiden vorgeschriebener Dienstkleidung im Betrieb gehöre zur Arbeitszeit i.S. des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, wenn diese Kleidung besonders auffällig sei und deshalb nicht bereits auf dem Arbeitsweg getragen zu werden brauche. Hierfür komme es nicht auf die subjektiven Vorstellungen des Arbeitnehmers, sondern auf eine objektive Betrachtungsweise an. Da der Name des Unternehmens in großen Buchstaben auf der Oberbekleidung aufgedruckt war, hatten die Arbeitnehmer ein berechtigtes Interesse daran, sich erst vor Ort umziehen und die Kleidung nicht schon auf dem Arbeitsweg tragen zu müssen. Damit zählt das Umkleiden für sie zur Arbeitszeit.

(BAG, Beschluss vom 10.11.2009 - 1 ABR 54/08, NZA-RR 2010, 301)

2. Der S-Bahn-Fall

Ganz ähnlich lagen die Dinge bei der S-Bahn Hannover. Auch hier verlangte der Betriebsrat die Feststellung, dass das Umkleiden des S-Bahn-Personals zur Arbeitszeit gehört. Die Arbeitnehmer haben nach dem einschlägigen Tarifvertrag eine einheitliche Unternehmensbekleidung zu tragen.

Das BAG bestätigte seine Entscheidung aus dem Jahre 2009: Bei dem An- und Ablegen einer auffälligen Dienstkleidung innerhalb des Betriebs handele es sich um eine ausschließlich fremdnützige Tätigkeit des tragepflichtigen Personenkreises und damit um Arbeitszeit im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.

(BAG, Beschluss vom 12.11.2013 - 1 ABR 59/12, NZA 2014, 557).

3. Der Straßenbahnfahrer-Fall

Im jüngsten Fall war dann unmittelbar die Vergütung Streitgegenstand. Der Arbeitnehmer ist in Berlin als Straßenbahnfahrer tätig. Es existiert eine Dienstvereinbarung "Trageordnung für Dienstkleidung". Die Arbeitnehmer müssen die Dienstkleidung außerhalb ihrer Dienstzeit in einer von zwei Ausgabestellen abholen. Sie haben die Öffnungszeiten der Ausgabestellen zu beachten, sind aber ansonsten in der Wahl des Zeitpunkts frei. Bis zum Jahre 2007 wurden für das Abholen der Dienstkleidung jährlich 120 Minuten auf dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben. Seit 2008 gewährt die beklagte Arbeitgeberin keine Zeitgutschriften mehr. Am 15.12.2010 holte der Kläger seine Arbeitskleidung ab und benötigte für Hin- und Rückweg 130 Minuten (Berlin ist halt groß und die Wege entsprechend weit). Er verlangt eine entsprechende Zeitgutschrift, hilfsweise Vergütung dieser Zeit.

Das BAG hat dem Hilfsantrag entsprochen: Das Abholen von Dienstkleidung an einer außerbetrieblichen Ausgabestelle sei vergütungspflichtig, wenn es dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber im Rahmen des ihm zustehenden Direktionsrechts abverlangt werde. Die Vergütungspflicht erstrecke sich auf die gesamte Zeitspanne, die der einzelne Arbeitnehmer unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit benötige, um die Dienstkleidung abzuholen.

(BAG, Urteil vom 19.3.2014 - 5 AZR 954/12, NZA 2014, 787)

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