Fristlose Kündigung wegen fehlerhafter Arbeitszeitprotokollierung
von , veröffentlicht am 29.08.2013Der Kläger ist US-amerikanischer Staatsbürger und als leitender Radartechniker in der Westpfalz beschäftigt. Die beklagte Arbeitgeberin hat ihren Hauptsitz in den USA, sie erbringt Serviceleistungen für die US-Armee. Dieser gegenüber hat sie sich vertraglich verpflichtet, Radaranlagen zu bestimmten Zeiten zu betreiben.
Infolge eines Gewitters fiel am 05.07.2012 in der Radarstation der Strom aus. Nach Ansicht des Klägers war mit einer Wiederaufnahme des Radarbetriebs an diesem Tag nicht mehr zu rechnen. Er entließ zwei ihm unterstellte Techniker, deren Schicht von 13.00 bis 21.00 Uhr dauern sollte, vorzeitig (gegen 18.15 Uhr) nach Hause. Dies teilte er am Folgetag seinem Vorgesetzten mit. Die zwei Arbeitnehmer hatten auf ihren Zeiterfassungskarten für den 05.07.2012, die der Kläger als deren Vorgesetzter geprüft und gegengezeichnet hat, einen vollen Arbeitstag von 8 Stunden aufgeschrieben, obwohl sie fast 3 Stunden vor dem Ende ihrer Arbeitszeit nach Hause gegangen sind.
Die Beklagte kündigte dem Kläger daraufhin fristlos.
Während seine Kündigungsschutzklage in erster Instanz Erfolg hatte, hat das LAG Rheinland-Pfalz sie abgewiesen: Das Verhalten des Klägers sei nicht gerechtfertigt gewesen.
"Dabei kann dahinstehen, wie lange der Stromausfall andauerte, der durch das Gewitter am 05.07.2012 verursacht worden ist. Der Kläger war nicht befugt, die ihm unterstellten Techniker mindestens 2 Stunden vor Schichtende nach Hause zu schicken und ihnen gleichwohl eine Arbeitszeit von 8 Stunden zu bescheinigen. Selbst wenn er sich wegen des Stromausfalls für berechtigt gehalten haben sollte, die Techniker ohne Rücksprache mit seinem Vorgesetzten T. E. zu entlassen, weil nach seiner Einschätzung der Konverter bis zum Schichtende um 21:00 Uhr zur Vermeidung von Schäden an den Radaranlagen nicht mehr hätte eingeschaltet werden dürfen, hätte er jedenfalls auf den Zeiterfassungskarten dokumentieren müssen, dass die zwei Techniker vorzeitig gegangen sind. Er war nicht befugt, einen 8-stündigen Arbeitstag auf den „Time Cards“ zu bestätigen, obwohl dies nicht der Wahrheit entsprach.
Ob die zwei Radartechniker Vergütung für die Zeit beanspruchen konnten, in der sie sich nicht mehr auf dem Militärgelände aufhielten, hatte nicht der Kläger zu entscheiden. Er hatte als Vorgesetzter die tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten wahrheitsgemäß zu dokumentieren. Es entlastet den Kläger nicht, dass die Techniker für die wegen des Stromausfalls nicht geleistete Arbeit u. U. Vergütung nach den Grundsätzen des Annahmeverzugs beanspruchen können, weil die Beklagte das Betriebsrisiko i. S. v. § 615 Satz 3 BGB zu tragen hat. Der Kläger hat durch die falsche Dokumentation der Arbeitsstunden verhindert, dass die Beklagte in Kenntnis der tatsächlichen Umstände die Anspruchsvoraussetzungen prüft."
LAG Rheinland-Pfalz, Urt. vom 23.05.2013 - 10 Sa 6/13, BeckRS 2013, 71098
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5 Kommentare
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Wieso "im voraus per Unterschrift genehmigt"?
Nach dem Arbeitstag haben die beiden Techniker ihre "time cards" ausgefüllt, in denen 21 Uhr als Endzeit stand und das hat er unterschrieben, obwohl er es besser wusste.
Nebenbei war das bei dem Kläger wohl so üblich: Wenn keine Flüge mehr anstanden, hat er die Leute nach Hause geschickt mit der Einschränkung, dass sie bis Ende der Arbeitszeit in Bereitschaft sein mussten - und hat dann die volle Arbeitszeit unterschrieben.
Gast kommentiert am Permanenter Link
Was sprach dagegen, am selben Tag schon die korrekte Arbeitszeit einzutragen, diese zu kontrollieren und ggf. zu korrigieren?
Herr Kreß kommentiert am Permanenter Link
@#3: Ist es nicht gerade Sinn und Zweck der Zeiterfassungskarte die tatsächliche Arbeitszeit zu erfassen?
Ich habe es noch nirgendwo erlebt, dass eine solche Karte vor Schichtbeginn unterschrieben wird, ausgefüllt vielleicht, aber nicht unterschrieben.
Die Zeitkarte ist nicht dazu da die geplante Schicht festzuhalten, sondern die tatsächliche Arbeitszeit.
Für die gelpanten Schichten gibt es schließlich den Schicht- oder Dienstplan.
Gast kommentiert am Permanenter Link
@ alle
Bevor hier noch weiter über den Sachverhalt gemutmaßt wird, wörtlich aus dem Tatbestand des LAG-Urteils:
"Der Kläger hat am 05.07.2012 die ihm unterstellten Techniker J. und S., deren Schicht von 13:00 bis 21:00 Uhr dauerte, früher nach Hause entlassen, weil sie infolge eines Stromausfalls während eines Gewitters seiner Ansicht nach nicht mehr arbeiten konnten. Dies teilte er am Folgetag seinem damaligen Vorgesetzten T. E. mit. Die zwei Arbeitnehmer hatten auf ihren Zeiterfassungskarten für den 05.07.2012 („Time Cards“, Bl. 84-85), die der Kläger als deren Vorgesetzter geprüft und gegengezeichnet hat, einen vollen Arbeitstag von 8 Stunden aufgeschrieben, obwohl sie fast 3 Stunden vor dem Ende ihrer Arbeitszeit nach Hause gegangen sind. Im Sicherheitsprotokoll („Activity Security Checklist“, Bl. 86 d. A.) ist als Gehenszeit 18:15 Uhr eingetragen worden."
Waldemar Robert Kolos kommentiert am Permanenter Link
Wenn auch die Arbeitszeitprotokollierung fehlerhaft gewesen sein soll, es ging doch nur um insgesamt vier Stunden, Peanuts also, die sich nicht einmal als wirtschaftlicher Schaden des AG darstellen lassen. Nach Darlegung des LAG war dem AG nur die eigenständige Überprüfung des Lohnanspruchs genommen. Es fehlt die Darlegung durch das LAG, wie dieses einmalige Fehlverhalten, dazu noch in Zusammenhang mit doch sehr ungewöhnlichen Umständen, das künftige Arbeitsverhältnis so belasten sollte, dass die Fortsetzung dem AG nicht zumutbar wäre. Ich kann mir das nicht vorstellen.