Tod eines Praktikanten

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 26.08.2013
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtPraktikum London Arbeitszeit5|8679 Aufrufe

Der Fall hat in der vergangenen Woche für einigen Wirbel gesorgt: Ein Praktikant der Londoner Niederlassung der Bank of America Merrill Lynch war tot unter der Dusche aufgefunden worden. Der 21-jährige aus Südbaden wollte Investmentbanker werden, er hatte bereits als Hospitant bei der Deutschen Bank, bei Morgan Stanley und KPMG gearbeitet. Allem Anschein nach starb er an akuten Erschöpfungszuständen nach tagelanger Überarbeitung. Zwischen 100 und 110 Arbeitsstunden in der Woche sollen bei diesen Praktika in London "normal" sein; der Verstorbene galt als kommender "Superstar" (und hat dafür vermutlich noch etwas mehr als "normal" gearbeitet).

Zum festen Arbeitsritual gehört offenbar auch der "magic turnaraound" nach durchgearbeiteten Nächten: Ein Taxi bringt die jungen Leute nach Hause und wartet vor der Tür, bis sie frisch geduscht und neu gekleidet zurückkommen. Drei Nächte hintereinander ohne Schlaf waren dann aber doch zu viel.

Bedenklich aus Sicht des deutschen Arbeitsrechts: Schutzvorschriften für Praktikanten existieren nicht. Solange sie tatsächlich nur ein "Praktikum" ableisten und keine Arbeitnehmer sind, findet das Arbeitsrecht einschließlich des ArbZG keine Anwendung. Bei den kolportierten Arbeitszeiten und einem Entgelt von 2.700 GBP (ca. 3250 Euro) monatlich hätte man - bei Anwendung deutschen Rechts - allerdings erhebliche Zweifel anmelden dürfen, ob der junge Mann tatsächlich "nur" Praktikant und nicht schon Arbeitnehmer war.

Die Londoner Metropolitan Police untersucht den Vorfall.

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5 Kommentare

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Es ist übrigens der "magic roundabout" (nicht: turnaround) und gehört nicht "[z]um festen Arbeitsritual", sondern ist vielmehr die Ausnahme.

vgl. hier http://www.dailymail.co.uk/news/article-2397527/Bank-America-Merrill-Lyn...

 

Was ich nicht verstehe: Auch falls es keine "praktikantenschützende" Vorschrift im deutschen Arbeitsrecht gibt: Was spricht denn dagegen, die Bestimmungen über die Höchstarbeitszeit analog auf Praktikanten anzuwenden?

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Weil man für eine Analogie eine vergleichbare Interessenlage und eine unbewusste Regelungslücke braucht. Und wenn der Gesetzgeber die Rechtsverhältnisse der Praktikanten bewusst nicht regelt (Gesetzentwürfe der Opposition gab es ja, aber für die gab es keine Mehrheit), ist für eine Analogie kein Raum. Genauso, wie ja auch die "Arbeitszeit" von ehrenamtlich Tätigen oder Freiberuflern nicht beschränkt ist.

Christian.Rolfs schrieb:

Weil man für eine Analogie eine vergleichbare Interessenlage und eine unbewusste Regelungslücke braucht. Und wenn der Gesetzgeber die Rechtsverhältnisse der Praktikanten bewusst nicht regelt (Gesetzentwürfe der Opposition gab es ja, aber für die gab es keine Mehrheit), ist für eine Analogie kein Raum. Genauso, wie ja auch die "Arbeitszeit" von ehrenamtlich Tätigen oder Freiberuflern nicht beschränkt ist.

 

.... eine Analogie sehe ich in der Sklavenhaltung, aber die ist doch gesetzlich verboten - oder irre ich mich?

Der Vergleich mit den Ehrenamtlichen und Freiberuflern hinkt übrigens - deren Arbeitszeit ist natürlich auch nicht beschränkt, aber absolut selbstbestimmt. Niemand verliert seine Arbeitsgrundlage als Freiberufler oder Ehrenamtlicher, wenn ein Auftrag nicht wahrgenommen werden kann - der Praktikant steht Gewehr bei Fuss und handelt aus Angst seinen Job zu verlieren.

Drei Tage durchzuarbeiten ist so risikoreich wie durch ein Lawinengebiet mit Skiern zu durchqueren. Im Übrigen ist es aus medizinischer Sicht wohl nicht ohne Mittelchen (im besten Fall Ritalin, im schlimmsten Fall Koks) zu machen.

 

Er hat "Management" studiert, also wollte Verantwortung übernehmen. Er wäre brilliant und ein Superstar gewesen, wenn er sich - trotz guter Leistung - gegen dieses unnatürliche System zur Wehr gesetzt hätte. Was er gemacht hat, nämlich versucht das System noch zu überbieten war verantwortungslos und weit weg von brilliant - eher unterdurchschnittlich. Von Sklavenhaltung kann keine Rede sein, er hat das ja freiwillig gemacht. 

 

Ich frage mich außerdem wie gut eine Leistung wohl sein kann, wenn man drei Tage am Stück durcharbeitet. Hat er zahlen zwischen Excel-Tabellen hin- und herkopiert? Jedenfalls kann die Arbeit ja nicht sonderlich anspruchsvoll gewesen sein. 

 

Also, sorry aber kein Mitleid. 

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Das erinnert mich an mein Praktikum in der Bankengegend der londoner City in einem Insurance-Broker-Büro vor vielen Jahren. Das war aber ein echtes Praktikum, gemessen an seiner Dauer, den Arbeitszeiten, dem Entgelt, der mir übertragenen Aufgaben und der mir gewährten Privilegien. Für eine Analogie der Arbeitsschutzvorschriften fehlt es mir daher auch an der Vergleichbarkeit mit den dort tätigen Arbeitnehmern.

Wäre mein Beschäftigungsverhältnis aber so ausgestaltet gewesen, dass es mit dem der "Kollegen" vergleichbar gewesen wäre, dann wäre das auch kein Praktikum, sondern ein Arbeitsverhältnis, unabhängig davon wie es bezeichnet war.

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