Keine Frauen - kein Arbeitsunfall

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 05.08.2013

Ein bemerkenswertes Urteil in Sachen "Geschlechterquote" kommt jetzt vom LSG Baden-Württemberg: Der Kläger hatte sich bei einem Fußballturnier seiner Betriebssportgemeinschaft verletzt. Das Turnier war durch die Mitarbeiter der Personalverwaltung und der Abteilung Interne Kommunikation des Unternehmens organisiert worden; Schirmherr der Veranstaltung war der Personalvorstand der Firma. Sämtliche anfallenden Kosten, etwa für Platzmieten, das Rahmenprogramm oder Preise (die Siegermannschaft erhielt neben einem Pokal auch Karten für ein Champions-League-Spiel), trug das Unternehmen. Die Teilnahme an der Veranstaltung war freiwillig, sie fand außerhalb der Arbeitszeit statt. Die Mitglieder einer Mannschaft mussten jeweils aus derselben Organisationseinheit stammen.

Das LSG hat es abgelehnt, den Unfall als Arbeitsunfall i.S. von § 8 Abs. 1 SGB VII anzuerkennen. Als "Betriebssport" sei die Teilnahme am Fußballturnier schon deshalb nicht versichert, weil es sich nicht um eine regelmäßige, dem Ausgleich beruflicher Belastungen dienende sportliche Ertüchtigung, sondern um einen auf die Erzielung von Höchstleistungen ausgerichteten Wettkampf gehandelt habe. Das Pokalturnier stelle aber auch keine "betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung" i.S. der Rechtsprechung des BSG dar. Es habe sich nämlich praktisch ausschließlich an die männlichen Beschäftigten des Unternehmens gerichtet und daher nicht allen Mitarbeiter(inne)n in gleicher Weise offen gestanden:

"Um unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen zu können, hätte die Veranstaltung allen Beschäftigten offen stehen und von ihrem Programm her geeignet sein müssen, die Gesamtheit der Belegschaft und nicht nur einen begrenzten Teil anzusprechen (...). Die Teilnahme an Freizeit- und Erholungsveranstaltungen hingegen ist nicht versichert, auch wenn diese vom Unternehmen organisiert und finanziert werden (...). Das Turnier hat sich, was auch in dem Umstand zum Ausdruck kommt, dass nur 1-2 Frauen am gesamten Turnier teilgenommen haben - bei einem Frauenanteil der gesamten A. AG von 12% im fraglichen Zeitraum -, ... konzeptionell an den männlichen und gleichzeitig fußballbegeisterten Teil der Belegschaft gerichtet, während es den übrigen Teil der Belegschaft nicht angesprochen hat. Das ergibt sich etwa aus dem von T. S. verfassten Text für das A. mynet Portal (Bl. 23 SG-Akte) über die Verlängerung der Anmeldefrist für das Turnier, wonach „fußballbegeisterte Mitarbeiter“ bis zum 21.06. um 18.00 Uhr ihr Team noch anmelden konnten. Es lässt sich weder aus den Unterlagen über die Einladung zum Turnier entnehmen, dass Frauenmannschaften oder in nennenswertem Umfang gemischte Mannschaften vorgesehen gewesen sind, noch sind solche in nennenswerter Anzahl (nachdem nur 1-2 Frauen am gesamten Turnier teilgenommen haben, vgl. Auskunft Bl. 36 SG-Akte) zustande gekommen. Auch sämtliche bildliche Abbildungen, mit welchen die Einladungen zum und Berichte über das Turnier versehen gewesen sind, haben ausschließlich männliche Spieler dargestellt."

LSG Baden-Württemberg, Urt. vom 14.05.2013 - L 9 U 2557/10, BeckRS 2013, 69336

Ergo: Ohne Frauen kein Arbeitsunfall.

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3 Kommentare

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Liebe Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die sich unabhängig von Biologie als "männlich" fühlen oder verstehen, bzw. Mitarbeiter, die sich ebenso als "weiblich" fühlen oder verstehen, sowie beschäftigte Entitäten, die sich keinem Geschlecht zuordnen wollen,

die A. AG lädt herzlich ein zum diesjährigen Gender-, Queer- und Diversity-integrativen Völkerballturnier. Die Bitte um rege und quotal repräsentative Teilnahme richten wir, wegen ihres leider geringen Anteils an der Gesamtbelegschaft, wie immer besonders an die (biologischen) Frauen in Vorstand und Aufsichtsrat. Gemischte Teilnehmer_Innen*gruppen von Frauen* (zur Bedeutung des Gender-Sternchens siehe Anrede) und Schwerbehinderten sind vorgesehen. Den Begriff "Mannschaft" vermeiden wir an dieser Stelle ausdrücklich, um die Veranstaltung für alle Mitarbeiter_Innen* ansprechend und offen zu gestalten, und erwarten dies auch von den Teilnehmer_Innen*.
Am Austragungstag kommt garantiert jede_r* auf seine/_ihre* Kosten. Auch wer sich - wider Erwarten - nicht für Völkerball begeistern kann: Entweder am Grill (veganes und koscheres Grillgut vorhanden), Wok oder Römertopf, der Saft- und Rohkostbar oder einfach als Turnbeutelvergesser_In*.

Viele Grüße
die Rechtsabteilung

PS: Es werden noch reichlich Minderheitenvertreter_Innen* zur Anfertigung bildlicher Abbildungen gesucht.

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Hm, auch wenn sich mein Vorkommetator geschickt lustig macht. aber: Würde er etwa die Syphilis anlässlich einer Belohnungsreise etwa einer E.-Versicherung oder eines V.-Autobauers auch als "Arbeitsunfall" gewertet haben wollen?

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Diese Begründung ist doch Quatsch, es haben  Frauen teilgenommen, daher stand es auch den Frauen offen. Ab wievielen Frauen darf man den von einer für beide Geschlecher offenen Veranstaltung sprechen ?

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