Der Afghanistan-Kämpfer und der Unterhalt

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 28.06.2012

Der Ehemann ist Hauptfeldwebel bei der Bundeswehr. Er war bis zum Frühjahr 2010 insgesamt dreimal jeweils für ca. vier Monate in Afghanistan eingesetzt. Er hat für den Auslandseinsatz eine Auslandsverwendungszuschlag in Höhe von 92,03 € kalendertäglich bezogen.

 

Amtsgericht und Oberlandesgericht waren der Auffassung, dass bei der Berechnung des Trennungsunterhalts der Auslandsverwendungszuschlag in voller Höhe dem Einkommen des Mannes zuzurechnen ist.

Der BGH sieht dies anders:

Bei solchen Einsätzen, wie sie in Afghanistan erfolgen, kommen allerdings verschiedene erheblich belastende Umstände zusammen, die den Soldaten unmittelbar persönlich betreffen. Der Auslandsverwendungszuschlag gilt nach § 58 a Abs. 2 BBesG in der bis zum 30. Juni 2009 geltenden Fassung alle materiellen Mehraufwendungen und immateriellen Belastungen der besonderen Verwendung im Ausland mit Ausnahme der nach deutschem Reisekostenrecht zustehenden Reisekostenvergütung ab. Nach § 2 der Verordnung über die Zahlung eines Auslandsverwendungszuschlags (BGBl. I 2009, 809) werden als materielle Mehraufwendungen und immaterielle Belastungen allgemeine psychische und physische Belastungen, insbesondere unter anderem Einschränkung der persönlichen Bewegungsfreiheit, der Privatsphäre und der Freizeitmöglichkeiten, Unterbringung in Zelten, Containern oder Massenunterkünften, erhebliche und damit potenziell gesundheitsgefährdende Mängel in den Sanitär- und Hygieneeinrichtungen, Gefahr für Leib und Leben, insbesondere Terrorakte, organisierte Kriminalität, hohe Gewaltbereitschaft, bürgerkriegsähnliche und kriegerische Auseinandersetzungen berücksichtigt. Bei einem Einsatz in Afghanistan wird wegen der erschwerenden Besonderheiten die höchste Stufe des Auslandsverwendungszuschlags von seinerzeit täglich 92,03 € gezahlt (vgl. § 58 a Abs. 3 BBesG). Bereits daraus ergibt sich das Ausmaß der mit dem Einsatz verbundenen Belastung, die es gerechtfertigt erscheinen lässt, dem Soldaten einen Teil des Zuschlags als Ausgleich hierfür anrechnungsfrei zu belassen.

Zudem liegt die Annahme nahe, dass der Beklagte zu einem Einsatz in Afghanistan nicht verpflichtet war. Er hat in der mündlichen Verhandlung vor

dem Amtsgericht angegeben, dass er sich für den Einsatz aus finanziellen Gründen entschieden, die Bereitschaft zu einem weiteren Einsatz im Sommer 2009 aber zurückgezogen habe. Feststellungen zu einer dienstlichen Verpflichtung zu derartigen Einsätzen hat das Berufungsgericht nicht getroffen. War der Beklagte hierzu aber nicht verpflichtet, ist die Tätigkeit unter den erschwerten und mit erheblichen Gefahren verbundenen Umständen als überobligationsmäßig anzusehen. Hieraus folgt zwar noch nicht, dass der Zuschlag für die Unterhaltsbemessung außer Betracht zu lassen ist. In welchem Umfang das Einkommen aus überobligatorischer Tätigkeit für den Unterhalt heranzuziehen ist, ist vielmehr nach den Grundsätzen von Treu und Glauben aufgrund der konkreten Umstände zu beurteilen. Erforderlich ist danach - vergleichbar mit § 1577 Abs. 2 Satz 2 BGB - eine umfassende Würdigung der Umstände des Einzelfalls, die der Überobligationsmäßigkeit der Tätigkeit angemessen Rechnung trägt. Auf Seiten des Unterhaltspflichtigen fehlt es zwar an einer § 1577 Abs. 2 Satz 2 BGB entsprechenden gesetzlichen Regelung, ob und inwiefern ein aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit erzieltes Einkommen für den Unterhalt einzusetzen ist. Es entspricht aber allgemeiner Auffassung, dass auf das Unterhaltsverhältnis als gesetzliches Schuldverhältnis die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) Anwendung finden und daran die Heranziehung des vom Unterhaltspflichtigen aus unzumutbarer Tätigkeit erzielten Einkommens zu messen ist

Die Abwägung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte ist Aufgabe des Tatrichters. Wenn sie zu dem Ergebnis führt, dass nur ein Teilbetrag - etwa 1/3 bis 1/2 des Zuschlags - als Einkommen zu berücksichtigen ist, ist das revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Danach ist das Berufungsgericht zu Un-recht von einem um den vollen Auslandsverwendungszuschlag erhöhten Einkommen des Beklagten ausgegangen.

BGH v. 18.04.2012 XII ZR 73/10

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7 Kommentare

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Aha.

Ein Tropfen der Erkenntis, dass vielleicht bald niemand mehr bereit ist, seinen Kopf für ein Land hin zu halten, dass ihm nicht nur während seines Einsatzes die Kinder weg nimmt, sondern auch noch den kargen Lohn für seinen Einsatz.

 

Allerdings glaube ich nicht, dass diese Erkenntnis sich innerhalb der nächsten 1.000 Jahre in der Justiz ausbreiten wird.

Dazu ist der Unterhaltsmaximierungsreflex einfach zu fest in den juristischen Genen eingelötet.

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Du sprichst mir aus der Seele. Hab selber 4 Einsätze innerhalb der Trennungszeit hinter mir.

Die Trennungsschlacht der ehemaligen "Frau" wurde in dieser Zeit rücksichtslos auf dem Rücken der Kinder ausgetragen. Sodass man die Kinder im Einsatz teilweise monatelang auch über das Netz nicht zu sehen bekam und diese im Anschluss plötzlich mit ihrer Mutter im Erholungsurlaub waren. Wohlgemerkt bei geteilten Sorgerecht.

Ist ja nicht so dass man in so nem Einsatz drauf gehen könnte. Da hätte die "Mutter" den Kindern aber später so einiges zu erklären. Aber der Unterhalt läuft. Den nimmt man gerne. Und bei der Justiz hatte mal wieder keiner Ahnung. "Ist das denn da gefährlich - oder befindet man sich dort geschützt hinter Mauern?" fragte man mich vor Gericht. 50 % von allen Auslanzzuschlägen wollte sie. Danke liebes Deutschland. Ich diene dir zunehmend gerne!

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@Gast:

Es ist für die Unterhaltspflicht eben völlig wurst, ob jemand Einkommen als Bratwurstverkäufer, Polizeibeamter, Berufsfeuerwehrmann, Rettungssanitäter oder Berufssoldat im Auslandseinsatz erzielt.

Mit Ihrer Argumentation müsste jeder, der eine sozial nützliche Tätigkeit ausübt, die gefährlich ist ("Kopf hinhalten") generell unterhaltsbefreit werden.  Abgesehen davon, dass die Entscheidung, zur BW zu gehen und dort auch in den Auslandseinsatz nicht immer von reiner Selbstlosigkeit getragen ist.

Der BGH hat differenziert: materieller Mehraufwand (Telefonieren, privat angeschaffte Ausrüstung..) und Abgeltung immaterieller Belastungen. Und soweit die die immateriellen Belastungen abgegolten werden, gehört der Zuschlag nach der BGH- Entscheidung gerade nicht zum unterhaltsrelevanten Einkommen. Also gerade kein demotivierender Effekt.

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klabauter schrieb:

Es ist für die Unterhaltspflicht eben völlig wurst, ob jemand Einkommen als Bratwurstverkäufer, Polizeibeamter, Berufsfeuerwehrmann, Rettungssanitäter oder Berufssoldat im Auslandseinsatz erzielt.

Eben.

Und genau deswegen fragen sich immer mehr Leute in Berufen die über den Anstrengungs-, Schmutz-, oder Gefährdungsgrad einer Ökosozialphilosiestudentin oder eben eines Richters oder Anwalts hinaus gehen:

"Was mache ich hier eigentlich?"

 

"Warum soll ich für den Staat, der mir meine Kinder wegnimmt auch noch den Kof hinhalten?"

 

Gerade wenn es jemand ist, der nicht aus reiner Selbstlosigkeit den Kopf hinhält, sondern weil er sich davon ganz irdische Reichtümer verspricht wird ganz schnell dahinter kommen, dass es sich nicht mehr lohnt nach Afghanistan oder sonst wohin zu gehen wo es laut schmutzig oder gefährlich ist.

 

Wenn der BGH diese Gefahr nicht erkennen würde, würde er den Urteilen der Vorinstanzen ja nicht widersprechen.

Ob die paar Kröten, die dem Soldaten (nach Jahren der teueren Prozessführung) dann doch mehr gelassen werden sollen geeignet sind, seine staatstragende Motivation und Kampfkraft wiederherzustellen bleibt aber fraglich.

"Der BGH hat differenziert: materieller Mehraufwand (Telefonieren, privat angeschaffte Ausrüstung..) und Abgeltung immaterieller Belastungen. Und soweit die die immateriellen Belastungen abgegolten werden, gehört der Zuschlag nach der BGH- Entscheidung gerade nicht zum unterhaltsrelevanten Einkommen. Also gerade kein demotivierender Effekt."

Vielleicht kauft er sich ja von dem Geld ne Fahrkarte nach Karlsruhe um den Richtern mal so richtig seine Dankbarkeit und Anerkennung zu zeigen.

 

Und um zu glauben der demotivierende Effekt bliebe aus, nachdem er weiterhin die Telephonkosten aus Afghanistan und privat angeschafte Ausrüstung weiterhin von seinem Selbstbehalt tragen darf muss man vermutlich auch einen schwarzen Kittel tragen.

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Was sollen die Kinder hier schon wieder? Soweit für mich ersichtlich, geht es ausschließlich um den Trennungsunterhalt für die Ehefrau. Es ist nicht mal ersichtlich, ob Kinder überhaupt vorhanden sind.

Und selbst wenn hier Kinder im Spiel wären, ist "wegnehmen" doch wohl wieder völlig an der Sache vorbei. Es sollte doch selbst dem "mutterfeindlichsten" Mann klar sein, dass ein Soldat, der sich (langfrisig) im Ausland aufhält wohl kaum seine Kinder selbst betreuen kann. Und zwischen dem Aufenthalt eines Kindes -wenn die Eltern nicht zusammen wohnen, muss das Kind regelmäßig eben mehr Zeit bei dem einen Teil verbringen- und der Frage des alleinigen/geteilten Sorgerechts ist auch noch ein Unterschied.

 

Ansonsten geht das Urteil zwar in die richtige Richtung, allerdings fände ich eine zulässige Anrechnung von bis zu 1/2 des Zuschlags doch zu hoch. Wenn die Anrechnung als Einkommen schon erfolgt, sollte es imo jedenfalls 1/4-1/3 nicht übersteigen.

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§§ schrieb:

Wenn die Anrechnung als Einkommen schon erfolgt, sollte es imo jedenfalls 1/4-1/3 nicht übersteigen.

Ist das Hinhalten seines eigenen Kopfes am Hindukush nicht überobligatorisch?

Die höchstrichterliche, gefestigte Rechtsprechung besagt doch, dass überobligatorisches Arbeiten der Mutter nicht angerechnet werden darf.

Nun soll überobligatorisches Einkommen des Vaters aber sofort überobligatorisch an die Mutter abgeführt werden.

Oder wäre es überobligatorische Gleichberechtigung, wenn die Afghanistan-Zulagen dem Vater nicht angerechnet würden?

Wir haben gelernt, dass „Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stellt neben der Gesetzesänderung auch eine Änderung der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung sowohl bei Urteilen als auch bei Vergleichen einen Abänderungsgrund dar ..“" siehe Rn. 17, des BGH-Urteils vom 18.11.09, XII ZR 65/09.

Wir dürfen also annehmen, dass eine Überprüfung der "Anrechnung als Einkommen" - das laut §1605 Abs. 2 BGB alle zwei Jahre gefordert werden kann - im Zuge der Entfestigung höchstrichterlicher Rechtsprechung, dazu führen wird, dass ein stufenweiser Abbau der "zulässigen Anrechnung überobligatorischer" erfolgt: 1/2 in der ersten Stufe, 1/3 nach zwei Jahren, 1/4 nach weiteren zwei Jahren. Kann allerdings auch in der entgegengesetzten Richtung verlaufen: 1/2 in der ersten Stufe, 2/3 nach zwei Jahren, 3/4 nach weiteren zwei Jahren.

Familienrecht ist nun mal herrlich ... Kinderlein, freut Euch über Euren nächsten Termin im Gerichtssaal, es ist doch nur zu Eurem Wohle!

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