Keine Revisionsbegründung "in Vertretung"

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 15.05.2012
Rechtsgebiete: RevisionStrafrechtVerkehrsrecht1|13757 Aufrufe

Ein echt blöder Fehler, der da dem Verteidiger unterlaufen ist. Zwar wurde formgültig Revision eingelegt - die Revisionsbegründung wurde aber nur  "i.V." eingereicht:

 

 Die Revision des Angeklagten ist unzulässig, da sie nicht formwirksam begründet worden ist.

Nach § 345 Abs. 2 StPO kann die Revision - abgesehen vom Fall der Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle - formgerecht nur in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift begründet werden. Die Unterschrift des Verteidigers oder Rechtsanwalts ist eine unverzichtbare Voraussetzung der Wirksamkeit. Dazu gehört, dass der Unterzeichnende die volle Verantwortung für den Inhalt der Schrift übernimmt. Bestehen daran auch nur Zweifel, so ist die Revisionsbegründung unzulässig (OLG Hamm NZV 2001, 314; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 345 Rdnr. 16;).

Die vorliegende Revisionsbegründungsschrift ist unterzeichnet von Rechtsanwalt C und zwar mit dem Zusatz: „Rechtsanwalt F i. V. RA C“. Diese Form der Unterschrift mit dem Zusatz „i. V.“ lässt darauf schließen, dass der unterzeichnende Rechtsanwalt nicht der eigenverantwortliche Verfasser der Revisionsbegründung gewesen ist, sondern lediglich als Vertreter den von einem anderen verfassten und verantworteten Schriftsatz unterschrieben hat (so auch der Beschluss des hiesigen 4. Strafsenats vom 14. Februar 2008 - 4 Ss 47/08; KG JR 1987, 217; BayObLG NJW 1991, 2095).

Hinzu kommt, dass Rechtsanwalt F dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet worden war, was eine Unterbevollmächtigung des Rechtsanwalts C durch Rechtsanwalt F ausschließt (vgl. BGHR StPO § 141 Bestellung 1; OLG Hamm NStZ-RR 2009, 381; Beschluss des Senats vom 30. August 2011 in III-5 RVs 59/11). Es bestehen somit erhebliche Bedenken, dass Rechtsanwalt C überhaupt wirksam bevollmächtigt war, die Revision für den Angeklagten zu begründen.

Die sich hieraus ergebenden Zweifel an der Eigenverantwortlichkeit des unterzeichnenden Rechtsanwalts führen zur Formunwirksamkeit der Revisionsbegründung und damit zur Unzulässigkeit der Revision.

 

OLG Hamm: Beschluss vom 12.04.2012 - III-5 RVs 91/11

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1 Kommentar

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Das Hauptargument des OLG Hamm mag man diskutierten. Sein Hilfsargument hingegen, also das Argument mit dem Pflichtverteidiger, der nicht in Untervollmacht auftreten könne, erscheint mir dagegen nicht stringent, und zwar aus zwei Gründen: 

 

a) Da ein eigenverantwortliches Verfassen der Revisionsbegründung erforderlich ist, geht es hier m. E. gar nicht um eine bei Pflichtverteidigung "verbotene" Untervertretung (Vertretung des Angeklagten durch Rechtsanwalt C, dieser vertreten durch Rechtsanwalt F) an. Vielmehr dürfte lediglich der Fall der einfachen Vertretung (nämlich des eigenverantwortlich Erklärenden RA C) durch F vorliegen. Die einfache Vertretung hätte dem strengen OLG bei Pflichtverteidigung vermutlich ebenso sauer aufgestoßen, jedoch sollte man Rechtsmittel nur dann auf unzulässige Untervollmacht stützen, wenn tatsächlich eine Untervollmacht vorliegt. Wenn Vollmacht oder Untervollmacht bei Pflichtverteidigung schadet, dann hat das OLG einen "Grundsatz der denkbar verteidigerschädlichsten Auslegung" angewandt. Was hätte bei der Prämisse eines Vertretungsverbots bei Pflichtverteidigung dagegen gesprochen, dann eben eine Vertretung des Angeklagten in Wahlverteidigung durch Rechtsanwalt F beim Verfassen der Berufungsbegründung anzunehmen? Etwa der Wortlaut "Rechtsanwalt F i. V. RA C", weil der nicht auf eine (Wahlverteidiger)-Vertretung auf den Angeklagten durchschlage? Kaum denkbar, bei einem Gericht, dass selber eine Unter(!)-Vollmacht annimmt!

 

b) Egal ob Untervertretung oder einfache Vertretung: Das Hilfsargument des OLG Hamm mit dem Pflichtverteidiger läuft in der Sache darauf hinaus, dass Berufungsbegründungen vom Pflichtverteidiger selbst stammen müssen und nicht von einer anderen Person. Wenn das richtig ist, kann es aber auf den Zusatz "i. V." gar nicht ankommen. Wer so entscheidet wie das OLG Hamm, müsste sogar ohne den von ihm für schädlich gehaltenen Zusatz "i. V." die Berufung verwerfen, wenn ein anderer als der Pflichtverteidiger unterschrieb, selbst wenn es "im eigenen Namen" erfolgte.  Die Konsequenz wäre, dass in Fällen wie dem hier vorgestellten (also bei Pflichtverteidigung) ein anderer Rechtsanwalt überhaupt nicht unterschreiben kann (egal ob mit oder ohne Zusätzen), soll die Berufungsbegründung zulässig sein.

 

 

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