Der Ghostriter wird Fachanwalt

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 03.01.2012

Wer Fachanwalt für Familienrecht werden will muss neben der theoretischen Ausbildung und Prüfung 120 familienrechtliche Fälle persönlich und weisungsfrei bearbeitet haben. Mindestens 60 der Fälle müssen gerichtliche Verfahren sein; dabei zählen gewillkürte Verbundverfahren sowie Verfahren des notwendigen Verbundes mit einstweiligen Anordnungen doppelt.

Diese Menge schaffte ein Anwalt mit seiner eigenen (noch) kleinen Kanzlei nicht. Er arbeitete jedoch noch für zwei andere Kanzleien als freier Mitarbeiter. Dort bearbeitete er Familiensachen in ausreichender Zahl selbständig und verfasste auch Schriftsätze. Diese jedoch gingen unter dem Briefkopf und mit der Unterschrift des „Fremdanwalts“ raus.

Das mochten die Anwaltskammer  und der Anwaltsgerichtshof Hamm für die Zulassung als Fachanwalt nicht anerkennen.

Doch, das geht sagt der BGH

Der erbrachte Nachweis wird durch die Ergebnisse der Durchsicht von ausgewählten Akten, die von der Beklagten sowie vom Anwaltsgerichtshof vorgenommen worden ist, nicht durchgreifend erschüttert. Dass danach Schriftsätze fast ausnahmslos von den mandatierten Rechtsanwälten unter deren Briefkopf unterzeichnet wurden, wobei sich überwiegend keine eindeutig auf die Urheberschaft des Klägers hinweisenden Diktatzeichen gefunden haben, steht der Annahme des Nachweises persönlicher Bearbeitung im Hinblick auf die vorgelegten anwaltlichen Versicherungen nicht grundsätzlich entgegen (s. auch AGH Hessen, BRAK-Mitt. 2009, 82, 84 f.). Die Annahme des Anwaltsgerichtshofs, die Tätigkeit des Klägers habe sich auf eine völlig untergeordnete "Zuarbeit" beschränkt, steht ferner nicht mit den von ihm getroffenen Feststellungen in Einklang. Vor allem hat der Kläger auch danach vielfach Gerichtstermine wahrgenommen, nach den zwölf durch den Anwaltsgerichtshof überprüften Akten aus der Fallliste I sogar über den Klägervortrag hinaus "in der Mehrzahl", nach den im angefochtenen Urteil zahlenmäßig nicht benannten Akten der Fallliste II "gelegentlich".

BGH 10.10.2011 - AnwZ (Brfg) 7/10 -

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7 Kommentare

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Es ist bei jungen Anwälten durchaus üblich, daß man sich erst einmal als "Ghostwriter" bei einer Kanzlei durchschlägt, vorzugsweise bei jener, in der man als Referendar tätig war. Ich halte es dennoch für unglücklich, daß diese Arbeit für den Fachanwaltstitel gewertet wird und man mithin schon kurze Zeit nach der Zulassung Fachanwalt werden kann. Ich erinnere mich an viele Referendarskollegen, die schon während des Referendariats Fachanwaltslehrgänge besuchten und sich sodann zum frühestmöglichen Zeitpunkt, sobald die erforderliche Fallzahl zusammen getragen war, zum Fachanwalt ernennen ließen.

 

Der Fachanwaltstitel wird dadurch ziemlich entwertet. Die vorzuweisenden Fallzahlen sind denkbar niedrig. Die bekommt ein junger Richter binnen eines Jahres zusammen - und hat dadurch gleichwohl noch nicht die notwendige Routine, ist schon gar kein "alter Hase" im fraglichen Fachgebiet.

 

Fachanwaltstitel werden von vielen Kollegen einfach so "mitgenommen", weil man im Laufe der Zeit selbst in jenen Rechtsgebieten die notwendigen Fallzahlen zusammenbekommt, in denen man nicht schwerpunktmäßig tätig ist; und die Prüfungen sind ebenfalls lau, erreichen nach meinem Dafürhalten nicht einmal den Schwierigkeitsgrad des Staatsexamina.  Was viele Kollegen, die den Fachanwaltstitel führen, in ihrem vermeintlichen Spezialgebiet abliefern, ist dann auch mehr als peinlich und bedauerlich für die Rechtsuchenden sowie für jene Kollegen, die wirklich etwas können.

 

Ich hoffe für meine Gesundheit, daß der Facharzttitel etwas mehr wert ist...

 

 

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und die Prüfungen sind ebenfalls lau, erreichen nach meinem Dafürhalten nicht einmal den Schwierigkeitsgrad des Staatsexamina. 

das kann ich für das Familienrecht und so weit ich daran beteiligt bin, nicht bestätigen

Familienrecht spielt im ersten und zweiten Staatsexamen ja auch kaum eine Rolle. In den etwas abgelegenen Fachanwaltsbereichen (z.B. Transport- und Speditionsrecht, Informationstechnologierecht, usw.) mag das ebenfalls etwas anders sein.  Aber in den "Standardbereichen", mit denen fast jeder Anwalt regelmäßig zu tun hat und die auch bereits Gegenstand der Ausbildung waren (Arbeitsrecht, Strafrecht, Verkehrsrecht, Mietrecht, usw.), wird, soweit ich das sehe, kaum ein Wissensstand erwartet, den man nicht auch bei einem Referendar abfragen darf. Das wird durch die mitunter etwas wunderlichen und kenntnisfreien Schriftsätze der Fachanwaltskollegen unterstrichen. Selbstverständlich gibt es auch sehr gute Fachanwälte. Aber die wären auch ohne den Titel gut, während es demgegenüber viele Kollegen gibt, bei denen man sich fragt, wie sie überhaupt die Fachanwaltsprüfung bestanden haben.

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@ RA Mittag: Ebenso wie es schlechte Juristen gibt, gibt es darunter auch schlechte Fachanwälte. Hiervor wird kein Titel, keine Prüfung je schützen können. Die Wahrscheinlichkeit, daß der Fachanwalt auf "seinem" Gebiet weiß, was er tut, dürfte jedoch deutlich über dem Durchschnitt liegen. Auch die Fallzahlen sind - zumindest in einigen Bereichen - so hoch, daß damit zwangsläufig eine (zumindest in den Jahren vor Antragstellung) merkliche Befassung mit der Thematik einhergeht.

 

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Die Durchfallquote bei den Fachanwaltskursen (ich habe die für Familienrecht und Verwaltungsrecht erfolgreich absolviert) war Nahe Null. Das spricht schon ein bißchen gegen den Anschein eines hohen Niveaus.

 

Und bei den Kursen, die Die Anwaltsakademie des DAV angeboten hat, haben die Dozenten teilweise doch sehr deutlich durchklingen lassen, weclher Teilbereich des Stoffes für die nächste Klausur relevant sein wird.

So etwas gibt es im Staatsexamen erst Recht nicht. Zumindest nicht in Bayern. 

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Die Durchfallquote bei den Fachanwaltskursen (ich habe die für Familienrecht und Verwaltungsrecht

erfolgreich absolviert) war Nahe Null.

Auch dies kann ich für meinen Beritt nicht bestätigen

@ RA Mittag

Das ist auch mein bescheidener Eindruck, den ich als Referendar gewonnen habe. Gute Anwälte sind einfach auf jedem Gebiet gut und können sich ggf. schnell einarbeiten, wenn es sich nicht gerade um etwas hoch spezielles handelt. Was viele RAe, inklusive FAe, aber sowohl vor AG als auch LG für einen Mist vortragen ist schon erbämlich. Da wäre es häufig besser, sich einfach nur auf die Fakten zu konzentrieren und gar keine Rechtsausführungen zu machen. (Die Trennung von Sachvortrag und Rechtsausführungen gelingt sowieso nur einem ganz geringen Kreis.) Mein Einrduck ist, dass der FA-Titel darauf schließen lässt, dass in einem bestimmten Gebiet ein absolutes Grundwissen besteht und man nicht auf völlig ahnungslose Schaumschläger trifft. Ein Garant für eine auch nur halbwegs gute anwaltliche Beratung ist der FA-Titel aber nicht.

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