Sie hütet die Kinder, er sitzt im Knast - Was wird aus dem VA?

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 11.10.2011

 

Die Ehezeit für den Versorgungsausgleich währte vom 01.05.1998 bis 31.07.2009.

 

Sie hat während der Ehezeit 11,6731 Entgeltpunkte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, die ausschließlich auf Kindererziehungszeiten beruhen.

 

Er (jetzt 63) war während der Ehe selbständig - oder saß im Gefängnis und hat nichts in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt

 

Sie (am Ende der Ehezeit 43) meint, der Versorgungsausgleich sei wegen grober Unbilligkeit (§ 27 VersAusglG) vollständig auszuschließen.

Dem schloß sich das OLG Stuttgart nur zum Teil an.

Anders als die erst 43-jährige Antragstellerin kann der Antragsgegner, der über keine nennenswerte Altersvorsorge verfügt, keine Rentenanwartschaften mehr erwerben. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse sind auf beiden Seiten desolat. Dass der Antragsgegner während der Ehe keine Altersvorsorge betrieben hat, rechtfertigt es unter Würdigung der besonderen Umstände des Falls nicht, den Versorgungsausgleich auszuschließen. Eine unterlassene Altersvorsorge ist im Rahmen des § 27 VersAusglG nur relevant, wenn dieses Unterlassen als illoyal und grob leichtfertig zu bewerten ist

Die während der Ehezeit erworbenen Anrechte der Antragstellerin beruhen ausschließlich auf Kindererziehungszeiten. Dies macht die Durchführung des Versorgungsausgleichs für sich gesehen aber noch nicht grob unbilligEine grobe Unbilligkeit kann in einem solchen Fall allerdings dann vorliegen, wenn der Ausgleichsberechtigte seiner Unterhaltspflicht nicht nachgekommen ist. Dass der Antragsgegner während des gesamten ehelichen Zusammenlebens die Familie in keinerlei Hinsicht unterstützt hat, kann der Senat indes nicht hinreichend sicher feststellen. Die Aussagen der - geschiedenen - Eheleute sind widersprüchlich. Die Behauptung der Antragstellerin, die zuletzt achtköpfige Familie habe allein vom Kinder- und Erziehungsgeld gelebt, ist zudem schwer nachzuvollziehen. Ob die Familie nach der Eheschließung öffentliche Hilfen in Anspruch genommen hat, ist zwischen den Eheleuten streitig. Letztlich kann diese Frage hier offen bleiben. Der Senat bezweifelt nach den vorliegenden Umständen, dass die Eheleute bei einem etwaigen Hilfebezug ihre wirtschaftlichen Verhältnisse dem Hilfeträger hinreichend offengelegt haben. Für Umstände, die den Ausschluss des Versorgungsausgleichs rechtfertigen, ist die ausgleichspflichtige Antragstellerin darlegungs- und beweispflichtig. Zweifel gehen daher zu ihren Lasten.

Das OLG rechnet abschließend die Zeiten, die der Ehemann im Gefängnis saß, aus den Entgeltpunkten der Ehefrau heraus. Von den verbleibenden 6,4974 EP übertrug es 3,2488 auf das Rentenkonto des Mannes. Das entspricht einer monatlichen Rente von ca. 89 €.

OLG Stuttgart v. 22.08.2011 -17 UF 145/11

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2 Kommentare

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Würde mich auch mal interessieren, wie die Gerichte bei umgekehrten Geschlechtern entschieden hätten.

 

Gerade die Bewertung des Gefängnisaufenthalts gibt, in Erinnerung an Richter Vultejus, Anlass für Spekulationen.

 

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@ Eric Untermann

zumindest theoretisch hat die Frau noch 22 Jahre Zeit um Entgeltpunkte zu sammeln (durch Arbeit oder durch Wiederheirat und erneuter Scheidung)

Den Verfahrenswert hat das OLG übrigens auf 1.000 € festgesetzt. Für die Anwälte im Hinblick auf den Begründungsaufwand und den Umstand, dass Termins- und Vergleichsgebühren nicht angefallen sind, eher ein Verlustgeschäft.

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