Spät, aber nicht zu spät - Umgang im Verbund

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 22.08.2011

 Das Scheidungsverfahren und die (bislang) einzige Folgesache Versorgungsausgleich sind zu Entscheidung reif und das Gericht terminiert.

Einen Tag vor dem Termin am 24.11.10 stellt der Antragsgegner plötzlich einen „Folgesachenantrag wegen Umgangs“. Den vom Gericht angeordneten begleiteten Umgang hatte er im November 2009 von sich aus abgebrochen und seitdem keinen Kontakt mehr zu seinen 7-jährigen Zwillingen gesucht. Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, der Folgesachenantrag diene ausschließlich der Verzögerung der Scheidung.

Das AG folgt ihr, trennt die Folgesache Umgang ab, regelt den VA und scheidet die Ehe.

 

Die von ihm eingelegte Beschwerde hat Erfolg und führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

 

Mag auch - hier ist dem Amtsgericht durchaus beizupflichten - die Beschränkung der begehrten Umgangsregelung auf einen Zeitpunkt nach der (rechtskräftigen) Scheidung eher ungewöhnlich und - gerade mit dem Vorbringen einer bereits vorhandenen Entfremdung nach längerem Kontaktabbruch - wenig plausibel erscheinen, so ist dies doch abstrakt möglich und hier ausdrücklich gewünscht.

 

Die 2-Wochen-Frist des § 137 II FamFG gilt für die Folgesache Umgang nicht. Ein auf Einbeziehung eines Umgangsantrages in den Scheidungsverbund abzielender Antrag bleibt nur dann erfolglos, wenn das Gericht diese Einbeziehung aus Gründen des Kindeswohls nicht für sachgerecht erachtet (§ 137 Abs. 3 letzter Halbsatz).

 

Das Kindeswohl der Zwillinge wird nach Auffassung des OLG aber durch die Einbeziehung der Umgangssache in den Verbund nicht gefährdet.

 

Gemessen daran, ist im Streitfall nicht zu erkennen, wieso es den hier betroffenen heute 7-jährigen Zwillingen zum Nachteil gereichen sollte, dass das Umgangsverfahren nicht von vornherein isoliert (was durchaus möglich wäre), sondern als Folgesache innerhalb des Scheidungsverbundes geführt wird. Eine Verzögerung der Bescheidung des Umgangsantrages durch die Einbeziehung in den Verbund ist im Streitfall offenkundig nicht zu befürchten, nachdem der Scheidungsantrag und die (notwendige) Folgesache Versorgungsausgleich bereits jetzt entscheidungsreif sind. Die vom Familiengericht angeführte Streitfreudigkeit der beteiligten Eheleute und die daraus abgeleitete Befürchtung der Anrufung der Rechtsmittelinstanz durch eine der Beteiligten ist kein überzeugendes Argument. Unterstellt, diese Einschätzung ist richtig, muss in jedem Fall mit einem Beschwerdeverfahren gerechnet werden. Wieso es bei dieser Sachlage nun dem Kindeswohl abträglich sein soll, wenn der Umgangsstreit im Verbund mit dem Scheidungsverfahren betrieben wird, ist allerdings weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Eine verbindliche Umgangsregelung würde es danach immer erst nach Abschluss zweier Instanzen geben.

Im Übrigen würde § 137 Abs. 3 FamFGseines Regelungsgehalts insgesamt beraubt, wäre also überflüssig, wenn Erwägungen der Zweckmäßigkeit einer solchen Verfahrensweise bzw. Prozesstaktik entscheidende Bedeutung erlangen könnten. Diese Vorschrift regelt doch gerade den Fall, dass eine auf den Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung begehrte Umgangsregelung erstrebt wird; die Gefahr einer erst nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens eintretenden Rechtskraft ist wiederum charakteristisch für unser Rechtssystem, also systemimmanent. Damit allein kann deshalb die Nichteinbeziehung in den Scheidungsverbund nicht sachlich begründet werden.

OLG Brandenburg v. 28.07.2011 - 9 UF 32/11 = BeckRS 2011, 20927

 

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