Aus der NZV: Streusalzschäden

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 28.04.2011
Rechtsgebiete: NZVStreusalzMagdeburgVerkehrsrecht|2578 Aufrufe

Kein echtes Verkehrsrecht, aber durchaus eine Entscheidung aus der aktuellen NZV, die man interessiert liest -  LG Magdeburg NZV 2011, 205 (Heft 4). Der Kläger begehrte Schadensersatz wegen angeblicher Zaunschäden durch Streusalz:


"...Ein Anspruch aus Amtshaftung nach  § 839 Absatz I BGB i.V. mit Artikel 34 GG ist nicht gegeben.

Bedienstete einer Körperschaft, die in Ausübung eines öffentlichen Amtes tätig werden, haben die Pflicht, ihre ihnen obliegenden Amtspflichten nicht zu verletzen. Dient die Amtspflicht auch dem Schutz Dritter und nicht allein dem Schutz der Allgemeinheit, trifft die Bediensteten gegenüber ihrem Dienstherrn auch eine Pflicht, Dritte nicht zu schädigen. Für etwaiges Fehlverhalten hätte der Dienstherr einzustehen.

Nach § 47 Absatz II 1 des Straßengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (SachsAnhStrG) sind die Gemeinden nach
Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit zum Winterdienst für Gehwege und Fußgängerüberwege verpflichtet. Fahrbahnen sind nicht erwähnt. §  47 Absatz IV SachsAnhStrG regelt, dass individuelle Ansprüche von
Straßenbenutzern auf Durchführung des Winterdienstes, unbeschadet der Verkehrssicherungspflicht, ausgeschlossen sind.  § 9 Absatz I SachsAnhStrG regelt die Straßenbaulast. Danach haben die Straßenbaulastträger nach ihrer Leistungsfähigkeit die Straßen in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand zu bauen, zu unterhalten, zu erweitern oder sonst zu verbessern. Die sonstigen öffentlichen Belange sind dabei zu berücksichtigen.  § 9 Absatz IV SachsAnhStrG regelt, dass die Straßenbaulastträger im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit über die ihnen nach Absatz 1 obliegenden Aufgaben hinaus die Straßen bei Schnee und Eisglätte räumen und streuen sollen. Den Erfordernissen des Umwelt- und Naturschutzes ist dabei Rechnung zu tragen. Auf welche Weise die Straßenbaulastträger ihrer Streupflicht nachkommen müssen, ist weder im SachsAnhStrG noch – soweit ersichtlich – in einer anderen Landesvorschrift geregelt. Den Straßenbaulastträgern steht deshalb bei der Anwendung der vorerwähnten Vorschriften sowohl ein Beurteilungsspielraum zur Frage der Leistungsfähigkeit als auch ein Ermessen zur Frage zu, welche Maßnahme konkret ergriffen wird.

Vor diesem Hintergrund kann der Kl. die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht nicht geltend machen. Eine Pflichtverletzung von Bediensteten der Bekl. ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist ein fehlerhafter Gebrauch von Beurteilungsspielraum und Ermessen nicht zu erkennen.

In welchem Umfang die Gemeinden für Gemeindestraßen ihrer Räum- und Streupflicht nachkommen, richtet sich nach deren Leistungsfähigkeit. Der Winter 2009/2010 kann im Vergleich zu den Wintern der Vorjahre als ein verhältnismäßig intensiver Winter angesehen werden, der die kommunalen Winterdienst vor teils erhebliche Herausforderungen gestellt hatte. Angesichts der den Kommunen obliegenden Aufgabe, auch Gemeindestraßen winterdienstlich zu behandeln, die eine im Vergleich zur vorliegenden Anliegerstraße durch Durchgangsverkehr und der Menge an Fahrzeug- und Fußgängerverkehr deutliche höhere Verkehrsbedeutung haben, ist nicht ersichtlich, dass in dem Streuen der Anliegerstraße ein fehlerhafter Gebrauch des Beurteilungsspielraums aus § 9 Absatz IV SachsAnhStrG liegt. Nach Bewertung der Kammer war die Bekl. im konkreten Fall nicht verpflichtet gewesen, die Anliegerstraße überhaupt winterdienstlich zu behandeln. Dass die Bekl. es gleichwohl getan hat, ist für sich genommen nicht pflichtwidrig.

Beurteilt die Bekl. den Sachverhalt anders und macht sie von ihrem Recht Gebrauch, die nicht verkehrsbedeutsame Straße gleichwohl winterdienstlich zu behandeln, hat sie selbstverständlich das ihr eingeräumte Ermessen fehlerfrei auszuüben.

Von einer fehlerhaften und deshalb eine Pflichtverletzung begründenden Ermessensausübung kann jedoch nicht die Rede sein. Die Verwendung von Streusalz zum Abstreuen der Straßenoberfläche war der Bekl. erlaubt. Anders als der Kl. meint, war die Bekl. nicht gehalten, vor dem Grundstück des Kl. die Art der winterdienstlichen Behandlung zu ändern und auf ein Abstumpfen mit Splitt oder „einfaches” Räumen des Schnees umzustellen. Welche Art der Winterdienstbehandlung zur Anwendung kommt, durfte die Bekl. nach fachlicher Prüfung selbst entscheiden. Ihr steht ausschließlich die fachliche Entscheidung zu. (Wird ausgeführt.)

Anhaltspunkte dafür, dass die Bekl. eine willkürliche Auswahl unter den Winterdienstmaßnahmen vorgenommen hat, sind nicht ersichtlich. Ebenso fehlen Anhaltspunkte für einen Ermessensfehl- oder Ermessensnichtgebrauch. (Wird ausgeführt.)

Dasselbe gilt auch für die Frage der Streuweitenregulierung. Sofern diese – was beklagtenerseits bestritten wird – regulierbar sei und deshalb reguliert werden müsse, wäre damit ein unverhältnismäßiger und der Bekl. nicht zumutbarer Aufwand verbunden. Gerade in historisch gewachsenen Orten entsprechen viele Straßen und Wege in ihrer Breite nicht den heutigen „Normen”. Wenn die Bediensteten der Bekl. für jede Straße die Streuweite exakt einzustellen hätten, würde ein unverhältnismäßiger Mehraufwand entstehen, der vor dem Hintergrund von  § 9 SachsAnhStrG nicht eingefordert werden kann.

Da eine Haftung ausscheidet, kann dahinstehen, ob und inwieweit das Streugut ursächlich für die an der Zaunanlage festgestellten Erscheinungen oder für die behauptete Beschädigung gewesen ist.

2. Ebenso scheiden Ansprüche wegen enteignenden oder enteignungsgleichen Eingriffs aus.

Das Handeln der Bekl. – Abstreuen der Straße mit Streusalz – war rechtmäßig, so dass deswegen ein enteignungsgleicher Eingriff nicht in Betracht kommt. (Wird ausgeführt.)

Auch ein Anspruch auf Entschädigung wegen eines enteignenden Eingriffs ist nicht gegeben. Voraussetzung für einen Anspruch ist, dass eine nachteilige Einwirkung auf den geschützten Gegenstand die ungewollte Nebenfolge rechtmäßiger hoheitlicher Maßnahmen ist und dadurch die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren überschritten wird (BGHZ 117, BGHZ Band 117 Seite 240 = NJW 1992,
NJW Jahr 1992 Seite 3229 m.w. Nachw.). Die Voraussetzungen des
dem Aufopferungsgedanken entstammenden und gewohnheitsrechtlich anerkannten Rechtsinstituts liegen nicht vor. Es fehlt an einem rechtswidrigen Eingriffserfolg. Das zuvor Erwähnte gilt auch hier.

Zweifelsohne ist die Verteilung des Streusalzes Folge eines rechtmäßig ausgeübten Winterdienstes. Allein unter praktischen Gesichtspunkten lässt sich eine Beeinträchtigung von Anliegern durch den Einsatz von Winterdienstfahrzeugen nicht gänzlich vermeiden. Ob die Streuvorrichtung so eingestellt werden kann, dass das Streusalz nicht gegen den Zaun des Kl. gelangt, ist unbeachtlich. Dem Kl. ist zumutbar, die Folge des rechtmäßigen Handelns entschädigungslos hinzunehmen. Die Erheblichkeitsschwelle wird damit noch nichtüberschritten. Zum einen hat er keinen Anspruch darauf, wie die Bekl. den Winterdienst ausführt. Zum anderen kommen ihm die Folgen des durchgeführten Winterdienstes unmittelbar zu Gute, weil er zum einen eines besseren Zugang zu seinem Grundstück erhält, eine Anbindung des Grundstücks an den Rettungsdienst gewährleistet ist und die Kosten der Bekl. für den Winterdienst in einem erträglichen Rahmen gehalten werden. Die vorgenannten Gründe des Allgemeinwohls setzen daher dem Entschädigungsinteresse des Kl. an einer Unversehrtheit seines Eigentums zumutbare Grenzen..."

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