Beugehaft gegen den Bundesinnenminister?

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 31.03.2011

Im Prozess gegen Verena Becker, angeklagt wegen Beteiligung am Mord des damaligen Generalbundesanwalts Siegfried Buback, gibt sich die ehemalige Prominenz der RAF die Klinke in die Hand. Angaben zur Sache hat bislang keiner gemacht, alle berufen sich auf § 55 StPO und machen ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht geltend, selbst bei Fragen nach ihrer Körpergröße und selbst dann, wenn  schon vor Jahren ein Interview zum Thema gegeben wurde. Interpretation des  Journalisten und Terrorismus-Bloggers Holger Schmidt: "Schweigen ist ansteckend". 

Infiziert hat sich aber mit dem Schweige-Virus offenbar auch das Bundesinnenministerium, wie Michael Buback berichtet. Es soll dabei bleiben: Die Akten, aus denen sich  (weitere) Hinweise auf die Zusammenarbeit zwischen der Angeklagten und dem Verfassungscshutz ergeben könnten und damit auch zur Frage, warum trotz vieler Hinweise sie nicht schon viel früher wegen dieser Tat angeklagt wurde, bleiben gesperrt. Die Anregung des Vorsitzenden Richters Wieland, die Angelegenheit vom Bundeskabinett entscheiden zu lassen, hat der Innenminister vehement zurückgewiesen. Nach wie vor würden drohende Nachteile für die Bundesrepublik der Aktenfreigabe entgegenstehen.

Dabei geht es, wie Wieland jedem der RAF-Zeugen ins Gewissen redete, hier neben rechtsstaatlichen auch um moralische Fragen und Antworten - auch schlicht um die Wahrheit in einem (historischen) Mordfall. Das ist eine Frage, die alle angeht, nicht primär die Angehörigen des Opfers - wie es teilweise schien und wogegen sich Michael Buback zu Recht wendet (hier).

Nun fragt sich: Wenn das Bundesinnenministerium nicht einmal mit den Akten herausrückt, wieso sollen sich dann die Ex-RAFler an die Moral erinnern lassen? (ähnlich argumentierte schon Ex-Minister Baum, hier)

Gegen Siegfried Haag, ebenfalls einem früheren RAF-Angehörigen, wurde nun Beugehaft verhängt - er könne sich nicht auf ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht berufen (Quelle)

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Wichtig ist, dass die RAF politisch, moralisch und menschlich isoliert war und ist. Keines der Mitglieder hat heute irgendeinen politischen Einfluss. Die Menschen haben ihre Doppelmoral durchschaut. Die Aufklärung der Morde wird nicht passieren, denn die Täter sehen sich als "bessere" Mörder an, die aus hehren menschlichen. politischen und moralischen Motiven handelten. Sie fühlen sich bis heute ungerecht behandelt und halten Reue für eine Erfindung des Systems. Dahinter stehen narzisstische, machtbesessene, tyrannische Strukturen und Persönlichkeiten. Zum Glück haben sie nie politischen Erfolg gehabt.

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