Nein, ich lasse mich nicht untersuchen

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 11.01.2011

Er (diplomierter Elektrotechniker) muss für drei minderjährige Kinder den Mindestunterhalt zahlen. Bereits in dem Ausgangsverfahren war das OLG nach Einholung eines Sachverständigengutachtens von der Erwerbsfähigkeit und der Leistungsfähigkeit des damaligen Beklagten ausgegangen.

Er erhebt nun eine Abänderungsklage mit der Begründung, er sei jedenfalls jetzt psychisch erkrankt und arbeitsunfähig. Tatsächlich legt er eine Arbeistunfähigkeitsbescheinigung seines Arztes vor. Unstreitig ist ferner der Bezug einer Berufsunfähigkeitsrente. Auf Grund einer Kurzstellungnahme des Gesundheitsamtes gibt das AG der Abänderungsklage teilweise statt.

Berufung. Das OLG ordnet die Einholung eines Sachverständigengutachtens an und bestellt einen Universitätsprofessor zum Sachverständigen.

Er weigert sich, sich untersuchen und begutachten zu lassen. Sämtliche Schweigepflichtsentbindungserklärungen für die ihn behandelten Ärzte hat er widerrufen.

Ergebnis: Berufung stattgegeben, Klage insgesamt abgewiesen.

Das OLG stellt fest, dass sich die Begutachtung durch das Gericht nicht erzwingen lässt (vgl. BGH NJW 2010, 1351).

Aber: Der Vater trage die Beweislast für die von ihm behauptete Erwerbsunfähigkeit. Die vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die Kurzbegutachtung des Gesundheitsamtes und der Umstand des Rentenbezuges reichten für den Beweis der Erwerbsunfähigkeit nicht aus. Ohne die Begutachtung durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen könne der Vater den Beweis für seine Leistungsunfähigkeit nicht führen.

OLG Hamm v. 09.11.2010 - 3 UF 177/09 = BeckRS 2010, 29838

 

 

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13 Kommentare

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Vielleicht sollte man dazu übergehen, die Unterhaltspflichtigen zu schlachten und die Organe zu verkaufen, wenn mit den bisherigen Foltermethoden nichts mehr raus zu pressen ist.

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Das hat mit Rabulistik rein gar nichts zu tun.

Der Unterhaltspflichtige trägt die Beweislast dafür, dass er nicht einaml den Mindestunterhalt für seine minderjährigen Kinder zahlen kann.

Den Beweis hat er vereitelt, da er sich nicht untersuchen lässt.

Die unterhaltsrechtliche Frage der Erwerbsunfähigkeit ist nicht identisch mit der arbeitsrechtlichen oder sozialrechtlichen Arbeitsunfähigkeit (vgl. OLG Zweibrücken, NJW-RR 2007, 222).

Was ist denn genau der Unterschied, zwischen unterhaltsrechtlicher Arbeitsunfähigkeit, arbeitsrechtlicher Arbeitsunfähigkeit und sozialrechtlicher Arbeitsunfähigkeit?

Mal so für den Normalbürger und Nichtjuristen.

 

Für mich klingt das nach personenbezogener Sonderjustiz.

"Eigentlich kann er nicht mehr arbeiten, aber da er den Fehler begangen hat, Kinder zu zeugen, kann er immer noch in den Steinbruch!"

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Eine Berufunfähigkeitsrente zeigt nur, dass der Betr. in dem bestimmet Beruf arbeitsunfähig ist.

1.Auch der Bezieher einer Berufsunfähigkeitsrente hat gegenüber seinen minderjährigen Kindern eine gesteigerte Unterhaltspflicht. Seine Leistungsfähigkeit ist nicht lediglich nach seinem Renteneinkommen zu beurteilen, denn der Bezug der Berufsunfähigkeitsrente gebietet nicht zwingend den Schluss, dass der Rentenbezieher nicht in der Lage ist, leichte Tätigkeiten auszuüben.

2. Eine Rente wegen Berufsunfähigkeit wird gezahlt, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versicherten aufgrund einer Erkrankung oder Behinderung so sehr gemindert ist, dass er in seinem erlernten Beruf nur noch weniger als die Hälfte dessen verdienen kann, was ein vergleichbarer gesunder Mensch verdienen könnte. Die Hinzuverdienstgrenze beträgt derzeit in den neuen Bundesländern 602,96 €.

ThüROLG FamRZ 2006, 1299

Das OLG Zweibrücken (a.a.O.) zu einer Frau, die Trennungsunterhalt begehrte:

Auf der Grundlage der sachverständigen Feststellungen ist das FamG zutreffend davon ausgegangen, dass die Erwerbsfähigkeit der Kl. zwar stark eingeschränkt, jedoch nicht in vollem Umfang aufgehoben ist. Auch unter Berücksichtigung der bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen (schwere Schmerzerkrankung und mittelschwere Depression) ist ihr eine Tätigkeit, wie sie sie bis November 2003 ausgeübt hat, also eine solche als Büro- und Schreibkraft, im Umfang von zwei bis drei Stunden täglich zumutbar.

Soweit die Kl. darauf verweist, dass sie mit einer solchen eingeschränkten Erwerbsfähigkeit nach den Grundsätzen des Sozialhilferechts als vollumfänglich erwerbsunfähig gelte, ist dies unterhaltsrechtlich ohne Bedeutung. Insoweit gelten andere Maßstäbe. Auf Grund ihrer Fähigkeiten und Qualifikationen ist die Kl. in der Lage, Büro- und Schreibtätigkeiten auszuüben. Sie trifft unterhaltsrechtlich die Obliegenheit, diese Fähigkeiten in dem Umfang einzusetzen, der ihr mit Rücksicht auf ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen verbleibt.

Aber offensichtlich geht das OLG weiterhin von einem Einkommen aus, welches er mal in seinem Beruf als diplomierter Elektrochniker erzielen konnte, und nicht etwa von einem geringeren Einkommen, welches ihm durch die Ausübung einer nicht erlernten und nicht diplomierten Tätigkeit bleibt.

 

So als wenn Berufsunfähigkeit gar keine Auswirkung auf die Leistungsfähigkeit hätte.

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Aber offensichtlich geht das OLG weiterhin von einem Einkommen aus, welches er mal in seinem Beruf als diplomierter Elektrochniker erzielen konnte, und nicht etwa von einem geringeren Einkommen, welches ihm durch die Ausübung einer nicht erlernten und nicht diplomierten Tätigkeit bleibt.

Das ergibt sich aus der Entscheidung nicht.

Was ich vergessen hatte zu erwähnen ist, dass der Vater seit der Trennung einer Erwerbstätigkeit nicht mehr nachgegangen ist und wohl schon im Ausgangsverfahren mit einem fiktiven Einkommen gerechnet worden ist.

So müsste es jetzt auch gewesen sein (Rente + Zuverdienstmöglichkeit)

@mein Name:

Wieder einmal zwei sehr qualifizierte Kommentare.

Auch im Unterhaltsrecht gilt wie im sonstigen Zivilrecht: wer den status quo verändern will (hier: im Wege einer Abänderungsklage), muss den Grund für die Änderung darlegen und beweisen. Wer von einem anderen Geld will und eine Leistungsklage erhebt, muss Grund und Höhe seines Anspruchs darlegen und notfalls beweisen. Wer behauptet, Erbe zu sein, muss seine Erbeinsetzung beweisen. Wer einen rechtskräftigen Unterhaltstitel geändert haben will, muss die Änderungsgründe darlegen und beweisen. Wer geltend macht, nach einem Unfall ein psychisches Leiden davongetragen zu haben und deshalb Schmerzensgeld verlangt, muss das darlegen und ggf. beweisen

Mit Folter und Auspressen hat das nicht das geringste zu tun und auch nicht mit irgendwelchen speziellen Anforderungen des Unterhaltsrechts.

Arbeitsunfähig heißt gar nichts. Eine AU_Bescheinigung bekommen Sie vom Arzt Ihres Vertrauens (selbst bei denen hat der Herr Kläger ja die Schweigepflichtsentbindung widerrufen) für einen Schnupfen. Und eine BU-Rente kann ggf. auch dann bezogen werden, wenn man nur einen bestimmten Beruf nicht ausüben kann. Das hängt davon ab, ob es eine private BU-Versicherung oder eine (quasi)gesetzliche (Unfallversicherung, Berufsgenossenschaft) o.ä. Wikipedia hilft auch hier. Insbesondere auch zur Frage, was eine bloße Berufsunfähigkeit im Gegensatz zu einer ERWERBSunfähigkeit ist.

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Klabauter, wundert es dich nicht, dass "Mein Name" ganz unüblich plötzlich im Familienrecht polemisiert? Um diesen Trittbrettfahrer loszuwerden, bin ich nun registriert - natürlich weiterhin unter dem gewohnten Pseudonym (auch wenn es manche mit anonym verwechseln)

Die ZPO/das FamFG kennt als Beweismittel

  • Augenschein
  • Zeugen
  • Sachverständigengutachten
  • Urkunden (öffentliche und private)
  • Partei-/Beteiligtenvernehmung

Die vom Kläger beigebrachten ärztlichen Bescheinigungen sind Privaturkunden. Sie beweisen den Umstand ihre Ausstellung, nicht aber die inhaltliche Richtigkeit.

Sachverständigen und Zeugenbeweis hat der Kläger vereitelt

@Dipl. Math:

Schön, dass Sie nach meinem Hinweis auf Wikipedia den dort stehenden Satz mit copy &paste hier eingebracht haben.

Neben der  BU-Rente (im Rahmen der gesetzlichen RV) gibt es aber nach wie vor im Rahmen der berufsgenossenschaftlichen Absicherung bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten die Verletztenrente.

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@Untermann:

Ich habe nicht behauptet, dass es im Urteil um eine EU-Rente oder V-Rente ging, sondern nur "M.N." darauf hingewiesen, dass der Bezug einer BU-Rente nicht automatisch eine Unfähigkeit, jeden Beruf auszuüben, bedeutet und auch nicht automatisch mangelnde unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit begründet. Und dass die  BU eben abzugrenzen ist beispielsweise von Erwerbsunfähigkeit. Danke für die "Ahnungslosigkeit", nachdem Sie Ihre Sachkunde ja offenbar auch nur mit c&p aus Wiki gewonnen haben.

p.s.: Lesen Sie das Urteil. Das Gericht konnte sich nicht "besser informieren", weil die Schweigepflichtsentbindung widerrufen wurde. Also hat nicht der Senat Beweis vereitelt, sondern der Kläger hat keinen erhebbaren Beweis angeboten.

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Herr Untermann: Ein gerichtlich bestellter Sachverständiger ist immer das bessere Beweismittel als dieVernehmung der behandeldenden Ärzte als sachverständige Zeugen.

Schlussendlich hat der Kläger beides verhindert.

Nach der Beweislastverteilung hat er nun die Konsequenzen zu tragen.

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