Der Wille des Kindes

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 01.11.2010
Rechtsgebiete: UmgangsrechtKindeswilleFamilienrecht19|11392 Aufrufe

Aus einer Entscheidung des Kammergerichts zum Umgangsrecht mit einem 16-Jährigen, der zwar Kontakt zu seinem Vater haben will, feste Umgangszeiten jedoch ablehnt.

Jedenfalls bei einem 16jährigen Jugendlichen kann in einer so ernsten und privaten Angelegenheit wie der Frage eines Umgangs mit seinem Vater nicht das Recht auf einen freien Willen abgesprochen werden. Entgegen der Auffassung des Vaters ist daher die von A. getätigte Äußerung in seiner persönlichen Anhörung vor dem Amtsgericht, wonach er zwar seinen Vater sehen will, aber selbst über Ort und Datum eines Umgangs bestimmen will, zu beachten. A. ist bereits aufgrund seines Alters und seiner Verstandesreife ohne weiteres in der Lage einen derartigen Willen zu bilden. Anhaltspunkte für Einschränkungen einer derartigen Willensbildung ergeben sich nicht. Der Wunsch des Sohnes ist auch durchaus nachvollziehbar. Abgesehen davon, dass Jugendliche in diesem Alter vielfältige andere Interessen haben und gerade die Wochenenden häufig lieber mit Gleichaltrigen als mit dem von ihnen getrennt lebenden Elternteil verbringen, möchten die Jugendlichen zumindest selbst bestimmen können, wann sie den anderen Elternteil sehen können und lehnen starre Regelungen gerichtsbekanntermaßen häufig ab. A. hat seine Entscheidung zudem – wie der im Beschluss des Amtsgerichts wiedergegebenen Anhörung zu entnehmen ist – nachvollziehbar mit dem schwierigen und durch die Ereignisse in der Vergangenheit sehr belastenden Verhältnis zum Vater begründet. Er hat ebenso wie sein Bruder eine ganz offensichtlich mit viel Streit einhergehende Trennung der Eltern erlebt, die tiefe Spuren bei A. hinterlassen hat. Der mehrmalige Aufenthaltswechsel der Kinder im Rahmen der Trennung – Mutter/Vater/Mutter – macht deutlich, dass die Kinder in den Trennungskonflikt der Eltern massiv hineingezogen worden sind. Zusätzlich verschärft worden ist dieser Konflikt dadurch, dass zumindest der Aufenthalt beim Vater aus Sicht des älteren Bruders, wie einem vom Vater eingereichtem Bericht des Jugendamtes vom 24. Januar 2008 zu entnehmen ist, von Auseinandersetzungen mit dem Vater geprägt gewesen waren, während A. nicht nur unter diesen Streitigkeiten litt, sondern auch zugleich den Verlust seiner Hauptbezugsperson, der Mutter, verkraften musste. Nachdem die Kinder dann in den Haushalt der Mutter gewechselt sind, brach der Vater den Kontakt zu den Kindern zunächst ab, suchte dann wieder Kontakt zu ihnen und hat dann im Sommer 2007 erstmals ein Umgangsverfahren eingeleitet. A. stand den Kontakten zum Vater dabei immer aufgeschlossen gegenüber. Die vom Vater eingereichten E-Mails machen aber deutlich, dass der Vater nur sehr schwer in der Lage ist, seine persönlichen Verletzungen durch die Trennung und deren Folgen von der Beziehung zu A. zu trennen. Der Vater hat sich in seinen Äußerungen häufig auf die Vergangenheit bezogen und seine Verletzungen gegenüber dem Kind thematisiert, was ganz sicherlich für einen Kontaktaufbau nicht nur nicht förderlich, sondern hinderlich ist. Zudem fehlt es dem Vater offensichtlich an dem notwendigen Feingefühl, um auf die Wünsche des Kindes einzugehen. A. hat sich in zwei Mails grundsätzlich bereit erklärt, bei einem geplanten Besuch in F. auch den Vater zu treffen. Wenn man die Äußerungen A. richtig liest, dann wird deutlich, dass nicht der Besuch beim Vater bei den Plänen des Jugendlichen im Vordergrund gestanden hat, sondern über einen Besuch in seiner alten Heimatstadt F. und der dortigen Kontaktaufnahme zu Freunden auch ein Besuch beim Vater möglich gewesen wäre.

Der Vater hat dies leider fehl interpretiert und hieraus einen Wunsch des Kindes, ihn nunmehr in F. besuchen zu wollen, abgeleitet und daraus gleich seinerseits einen Besuch des Jugendlichen in B. vorgeschlagen. Er hat damit die ersten feinen Signale des Kindes und dessen Bereitschaft eines ersten persönlichen Kontaktes nicht wahrgenommen und abgewartet, sondern sofort wieder die Initiative ergriffen und seine Wünsche in den Vordergrund gestellt. Auch wenn der Senat nicht verkennt, dass der Vater angesichts der langen Trennung von A. und den fehlenden Kontakten hierunter leidet und möglichst schnell seinen Sohn wieder sehen will, so zeigt diese Reaktion des Vaters auch deutlich, dass er sich nicht in die Lage des Kindes hineinversetzen kann. Deutlich wird dies auch daran, dass er A. Wunsch nach einer einvernehmlichen Regelung nicht aufgegriffen hat. A. hat deutlich gemacht, dass er eine gerichtliche Auseinandersetzung nicht wünscht. Er hat dem Vater auch eine Begründung hierfür geliefert. Denn er hat sich in seiner ersten gerichtlichen Anhörung im Umgangsverfahren für sein dem Umgang mit dem Vater eher reserviertes Verhalten rechtfertigen müssen. Eine weitere gerichtliche Auseinandersetzung wollte er daher nicht. Der Vater macht ihm hingegen postwendend deutlich, dass er den Wunsch der einvernehmlichen Regelung für unrealistisch hält und meint, dass ohne das Gericht als neutrale Instanz keine Regelung möglich sei. Auch wenn der Vater vielleicht A. nur verdeutlichen wollte, dass in der Vergangenheit ihm eine Regelung ohne gerichtliche Hilfe weder möglich noch sinnvoll erschien, so hat er den Gedanken einer außergerichtlichen Annäherung auch nicht aufgegriffen und durch die Einleitung des jetzigen Umgangsverfahren auch verworfen. Für A. bedeutete dies wiederum eine gerichtliche Anhörung mit einer Positionierung und Bewertung seiner Eltern. Der Vater möge einmal überlegen, was es für A. nach der von ihm erlebten Vergangenheit, die durch die Konflikte der Eltern gekennzeichnet ist, bedeutet, sich gegenüber Dritten immer wieder zu äußern, wie er zu seinen Eltern steht. Der Vater mag sein eigenes Verhalten auch nicht zu reflektieren. Der Kontakt zwischen ihm und A. sollte allein der Annäherung der beiden dienen und des Interessen- und Erfahrungsaustausches. Schließlich hat A. nicht nur in der Vergangenheit mit dem Vater und der Mutter bis zur Trennung seine Kindheit verbracht, sondern eine zeitlang auch beim Vater alleine gewohnt. Der Vater jedoch legt Wert darauf, dass der Inhalt seiner Äußerungen jederzeit nachweisbar ist. Ihm sei in Erinnerung gerufen, dass es sich grundsätzlich um eigentlich vertrauliche Äußerungen beider handelt. Hat der Vater eigentlich einmal überlegt, was es für A. bedeutet, seine Schreiben an dem Vater in einem Gerichtsverfahren wiederzufinden? Der Vater ist zudem auch völlig in der Vergangenheit verstrickt, wenn er in seiner persönlichen Stellungnahme zu der Beschwerde sich auf Ereignisse aus dem Jahr 2006 bezieht. Warum und wieso A. damals so reagiert hat, ist keine Grundlage für eine Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt. Auffällig ist auch, dass der Vater nicht dargetan hat, dass er von seinem Recht auf einen schriftlichen Kontakt seit der Umgangsentscheidung Gebrauch gemacht hat. Im Übrigen führt der Vater die Konflikte innerhalb der Familie weiter, indem er die Unterhaltszahlungen an den Sohn C. mit Volljährigkeit eingestellt hat und dieser nunmehr ein gerichtliches Verfahren angestrengt hat und er bereits ein weiteres Verfahren auf Auskünfte gegen die Mutter angestrengt hat. A. lebt nun einmal in der mütterlichen Familie und mit seinem Bruder zusammen bzw. hat zumindest ein enges Verhältnis zu ihm. All diese Reaktionen des Vaters machen es A. nicht im Ansatz leicht, nicht nur einen Kontakt zum Vater zu dulden, sondern auch diesen Kontakt zu wollen. Gleichwohl hat A. sich immer bereit erklärt, einen Umgang mit dem Vater dem Grunde nach zu wollen. Der Vater sollte diese Bereitschaft anerkennen und auf sie aufbauen.

....

Es wäre für einen erfolgreichen Aufbau des vom Vater begehrten Umgangs sicherlich auch förderlich, wenn es ihm gelänge, A. als eigene Person wahrzunehmen und anzuerkennen, dass A. sehr wohl einen eigenen Willen aufgrund der Ereignisse in der Vergangenheit hat bilden können. Zur Vermeidung weiterer Eskalation hat der Senat daher auch davon ausnahmsweise abgesehen, die Beschwerdeschrift an den Sohn, der eigentlich mit 16 Jahren an dem Beschwerdeverfahren zu beteiligen wäre, zu übermitteln, da die Negierung des Willens des Kindes eine Herabsetzung dessen Persönlichkeit darstellt, die der Bereitschaft des Jugendlichen zu einem persönlichen Umgang alles andere als förderlich ist.

KG v. 02.02.2010 - 13 UF 189/09

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19 Kommentare

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Das Prinzip, dass ab einem gewissen Alter der Wunsch des Kindes massgeblich zu berücksichtigen ist, OK.

Aber das Gericht hätte es sich sparen können (und es trägt auch nicht gerade zur Deeskalation bei), den Vater in einem fort "abzuwatschen". Dabei vergisst es, dass es sich hier eben auch nur um die eigene, höchst subjektive Sicht der Vorgänge handelt, wenn es z. B. unterstellt, der Vater hätte "fehl interpretiert" oder "seine Wünsche in den Vordergrund gestellt". Es hätte vollauf ausgereicht, den Willen des Kindes festzustellen und zu akzeptieren, ohne in eine "Der Vater ist ist selbst schuld" Haltung zu verfallen.

Und sehr fragwürdig wird es da, wo die Tatsache, dass der Vater eine gerichtliche Entscheidung sucht,  zu seinen Ungunsten ausgelegt wird.

Noch fragwürdiger, wenn dem Vater dann noch sein fehlendes "Wohlverhalten" in anderen Angelegenheiten (Unterhalt für den älteren Bruder, Auskunft über Einkommen der Mutter etc.) zum Vorwurf gemacht wird.

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da der Vater offensichtlich eine informelle, also außergerichtliche Kontaktaufnahme von Seiten des Sohnes ablehnt bzw. nicht in Erwägung gezogen hat und eine gerichtlich festgesetzte Umgangszeit beantragt hat, interpretiert er offensichtlich das Umgangsrecht als sein Recht auf Umgang mit dem Kind - dagegen ist es genau andersherum. Der Recht des Kindes auf Umgang mit den Eltern steht im Gesetz und mit 16 ist man alt genug, um das Kindeswohl als seinen eigenen Willen zu formulieren. Und wenn man seinen Vater "ganz normal" sehen will, also ohne seine privaten Briefe von Unbekannten im Gericht vorgelesen zu bekommen, zählt dieser Wille mehr als der des Elternteils. Das Gericht sah sich aufgrund der Vorgeschichte offensichtlich veranlasst, das dem Vater so deutlich aufzuschreiben. Dem Gericht eine subjektive Sicht vorzuwerfen, ist mir völlig unverständlich - es muss ja in solch einer Frage einen subjektiven Standpunkt einnehmen: das des Kindes, und das hat es getan.

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Natürlich muss das Gericht die Tatsache, dass der Vater es auf ein Gerichtsverfahren hat ankommen lassen, (negativ) werten.  Selbstverständlich hat der Vater ein Recht darauf, gegebenenfalls sein Umgangsrecht gerichtlich feststellen zu lassen. Aber damit wird fast zwangsläufig einiges an Porzellan zerschlagen. Und wenn es um das elterliche Verhältnis geht, ist eine Klage (gibt es da überhaupt noch Klagen?) natürlich relevant. Und auch das Verhalten des Vaters in Bezug auf vorherige Geschehnisse und  andere Familienmitgleider spielt eine Rolle. Im Familienrecht kann man nicht so schön wie im Zivilrecht nach Rechtsbeziehungen trennen und das Ganze abstrakt sehen. Die Familie besteht ja nicht aus lauter einzelnen Teilverträgen. Da ist das Verhältnis Vater-Sohn das Verhältnis Vater-Mutter und Vater-Geschwister von entscheidender Bedeutung.

Auf die Spitze getrieben: Soll ein Kind gezwungen werden können, mit der Familie des/dem Vater Kontakt zu haben, wenn der seine Mutter auf offener Straße niedergeschossen hat? Das die Mutter eine Schlampe ist und die Familienehre verletzt hat und daher sterben musste, hat doch mit dem Kind nichts zu tun.

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was haben Sie denn für ein Verständnis vom Umgangsrecht? Das Kind hat ein Recht auf Umgang mit den Eltern, nicht umgekehrt! Es gibt kein Recht der Sippe auf das Kind, erst Recht nicht bei den von Ihnen geschilderten Umständen. Und ob ein Umgang des Kindes mit einem Vater als Mörder der Mutter dessen Wohl dient, wird ein Gericht extrem kritisch prüfen und - meine Vermutung - nur in Ausnahmefällen vor dem 18. Lebensjahr bejahen.

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@Pascal.

Die Tatsache, dass ein Umgangselternteil, im Familienrecht immer gzwungen ist, vorgeblich gegen seine Kinder vorzugehen, gehört zu den perfidesten  Elementen des Familienrechts.

Immer wird er als Störenfried angesehen, der die Ruhe der "Familie" stört.

Schließlich ist Familie nur da, wo alle aus einem Kühlschrank essen.

Der Vater hat den Kühlschrank nur aufzufüllen und sich ansonsten aus allem raus zu halten.

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@Gerhard: Das sehe ich absolut nicht so. Ich verwehre mich auch gegen die Einstellung, der "Erzeuger" habe seine einzige Berechtigung in der monatlichen Überweisung. Aber ich habe selbst eine Trennung mitgemacht. Und ich hätte mir von keinem Gericht vorschreiben lassen, wann ich denn welchen Elternteil zu sehen habe.

In diesem Fall muss man ja auch sehen, dass es nicht etwa um eine Mutter geht, die den Kontakt böswillig vereitelt. Sondern um einen Vater, der offenbar den Umgansstreit als einen (von mehreren) Kriegsschauplatz in seinem Familienkonflikt nutzt und die Wünsche seines fast volljährigen Sohnes dabei missachten (und vom Gericht ersetzen lassen) will. Und das kann ich einfach nicht nachvollziehen. Ein Mensch ist doch keine Sache, bei der man "auf Herausgabe klagen" könnte.

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@Pascal, "Erzeuger" ist auch so eine verächtliche Bezeichnung.

Der richtige Begriff dafür lautet "Vater".

 

Man sagt auch nicht "Austrägerin" zur Mutter.

Aber welches durchsetzbare Recht hat denn ein Vater, ausser Unterhalt zu bezahlen in der Rechtswirklichkeit?

Selbst wenn er das Sorgerecht hat, welches tatsächliche Recht ergibt sich daraus?

Schulwahl, Arztbesuch, Umzug, Ummeldung, Umgang,... bei nichts kann der Vater mit entscheiden, wenn es der Mutter nicht passt.

Sobald er eines seiner vorgeblichen Rechte einfordert, wird das bereits als Begründung heran gezogen, ihm genau das vorzuenthalten, und meistens noch das SR gleich mit entzogen.

Z.B. wenn er nicht möchte, dass sein Kind auf einen anderen Kontinent verschleppt wird.

Im Inland umziehen geht ohne Weiteres und ohne Genehmigung.

In Europa mit freundlicher Genehmigung des angerufenen Gerichts.

Und auf andere Kontinente, indem man ihm das Sorgerecht entzieht.

 

Das ist wie jetzt, bei der Erlangung des GSR für uneheliche Väter:

Man hat zwar nun das Recht zu klagen, bekommt es aber trotzdem nicht.

Rechtsverweigerung mit der Begründung, dass er sein Recht gesucht hat. Und zwar bei der einzigen Stelle, die für sich das Rechtsmonopol beansprucht.

Ziel erreicht. Vater hat weiteres Geld in die Justiz gepummt und bleibt ansonsten weiterhin draussen. "Erzeuger" eben.

Oder kennen Sie ein Recht eines Vater, dass sich auch noch durchsetzen lässt?

Und bitte nicht nur einen Alibifall nennen, sondern etwas was überwiegend funktioniert und nicht nur Zufall war.

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Oder kennen Sie ein Recht eines Vater, dass sich auch noch durchsetzen lässt?

Herr Raden, Sie machen ständig den Fehler, von ihrem persönlichen Schicksal auf die Mehrheit der Fälle zu schließen.

Herr Burschel, Sie irren erneut.

 

Ich spreche auch hier nicht von meinem Fall, sondern von einem üblen Massenphänomen.

Sie sind aber herzlich eingeladen, mir auch in der Sache zu widersprechen.

 

Z.B. werden nach meiner Kenntnis weiterhin Sorgerechtsanträge von unehelichen Vätern ganz, oder zumindest überwiegend abgelehnt oder, bestenfalls, mit Hilfe von teuren Gutachten oder sonstigen Verzögerungen auf die lange Bank geschoben.

Selbst wenn Alles, ausser einigen an den Haaren herbeigezogenen Alibiargumenten für den Vater spricht, wie im, erneut Maßstäbe setzenden Urteil 10 UF 109/10 vom OLG-Brandenburg, wird gegen den Vater entschieden.

Bevor sie meine erneute Erwähnung von Brandenburg zum Anlass nehmen, ich würde von meinem Fall sprechen: Ich komme nicht aus Brandenburg und meine Kinder auch nicht.

 

Oder kennen Sie bereits ein oder sogar mehrere Urteile, das dem unehelichen Vater, fast 1 Jahr nach dem Zauneggerurteil und 4 Monate nach dem BVerfG Urteil und 7 Jahre nachdem das BVerfG die Rechtslage als zumindest fragwürdig ansah, das SR zuspricht?

Und ich kenne jede Menge OLG-Urteile, in denen dem Vater das SR entzogen wurde, damit die Mutter ungestört mit dem Kind nach Paraguay, nach Mexico, nach Kanada oder in die USA umziehen kann. SR hin oder her.

 

Es gibt auch Tausende von Umgangsklagen, deren Ergebnis in aller Regel nichts Anderes ist, als ein Stück Papier mit einer fadenscheinigen Absichtserklärung, mit dem man sich bei Zuwiderhandlung nicht mal den H. abputzen kann.

Die Tatsache, dass die Väter dann nicht noch einmal zum Gericht gelaufen kommen, dürfen sie bitte nicht als grandiosen Erfolg ihrer richterlichen Bemühungen ansehen, sondern als Resignation der Väter, die die absolute Sinnlosigkeit eines erneuten Ganges zum Gericht erkannt haben, oder sich diesen schlicht nicht mehr leisten können.

 

Und wenn doch mal im dritten oder vierten Anlauf Sanktionen angedroht werden, werden sie so gut wie nie verhängt, oder vom OLG wieder gestoppt.

Richterlicher Umgangsausschluss wird jedenfalls wesentlich öfter verhängt, als der Umgang durchgesetzt wird.

In der Presse liest man dann von väterlichem Desinteresse.

Für diese Praxis ist vor Allem das OLG-Celle berüchtigt, in dessen Wirkungskreis ich übrigens auch nicht lebe.

 

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Den hier behandelten Beschluss kann man so oder auch anders bewerten. Grundsätzlich kann ein Jugendlicher ab 14 Jahren regelmäßig einer entsprechend familiengerichtlichen Entscheidung über das wann und wo widersprechen.

A. hat sich in zwei Mails grundsätzlich bereit erklärt, bei einem geplanten Besuch in F. auch den Vater zu treffen. Wenn man die Äußerungen A. richtig liest, dann wird deutlich, dass nicht der Besuch beim Vater bei den Plänen des Jugendlichen im Vordergrund gestanden hat, sondern über einen Besuch in seiner alten Heimatstadt F. und der dortigen Kontaktaufnahme zu Freunden auch ein Besuch beim Vater möglich gewesen wäre.

Das wirkt auf mich ein wenig wie Rosinenpickerei. Gelebte Vaterschaft und die Akzeptanz des Vaters als solchen sieht anders aus.

Einer Aussage aus Beitrag #3 stimme ich zu:

Die Familie besteht ja nicht aus lauter einzelnen Teilverträgen.

Leider sieht das deutsche Familienrecht dies jedoch ganz anders.

Aus dem Dunstkreis des OLG Celle (wenn wir uns schon hier bewegen):

Ein Fall, fünf AG-Beschlüsse, beginnend (2006) mit zeitlich befristeter Sorgerechtsübertragung des mütterlichen Anteils auf einen Dritten, ein bestätigender OLG-Beschluss.

Die Verfahren dauern an. Vorwurf zum sexuellen Missbrauch konnten nicht aufrecht erhalten werden. Kindesmutter wird als manipulierend eingeschätzt. Umgangspflegerin, anschließend Verfahrenspflegerin (2009) eingesetzt und Zwangsgeld angedroht. Ab 2010 Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft angedroht. Bis heute sind die Kinder bei der nicht sorgeberechtigten Mutter. Der durchgehend sorgeberechtigte Vater sieht die Kinder nicht. Die Entfremdung ist weit fortgeschritten.

Herr Burschel, wie schätzen Sie die Lage ein, wagen Sie eine Prognose?

Ich ja!

Insoweit sind die Emotionen von Herrn Raden zumindest für mich verständlich und geben eine erschütternde Realität wieder, zu denen sich Straf- und Familienrichter_innen regelmäßig erst dann öffentlich äußern, wenn diese pensioniert sind.

Herr Burschel: Sie sind hier die rühmliche Ausnahme, denn Sie haben bereits öffentlich (MDR) kundgetan, was es bedeutet hochstrittigen Familiensachen hilflos gegenüberzustehen. Abhilfe schafft dies jedoch noch lange nicht!

Mit freundlichem Gruß

Ralph Steinfeldt (VafK, LK Harburg)

Herr Burschel, wie schätzen Sie die Lage ein, wagen Sie eine Prognose?

In Fällen, in denen ich weder die Akten noch die agierenden Personen persönlich kenne, werde ich mich hüten, eine Prognose abzugeben.

Herr Burschel: Sie sind hier die rühmliche Ausnahme,

Da irren Sie sich (hinsichtlich der Ausnahme, nicht hinsichtlich des rühmlich  ;-) )

zum genannten Fall aus dem Celler ... "Loch"?

Es wäre jedenfalls eine Schande für den Rechtsstaat, wenn ein konsequent rechtswidriges Verhalten zum Erfolg führen könnte -- auch wenn der Vergleich etwas hinkt, sollte man zum Vergleich § 935 BGB anschauen: Diebesgut bleibt Diebesgut und muss zurückgegeben werden.

Dass Entfremdung keine Pauschalbegründung für das nachträgliche Absegnen von rechtswidrigen Fakten sein kann, zeigt ja z.B. Hrn. Burschels "eigenes" Beispiel: http://www.familienpsychologie.de/documents/Burschel-%20Emotionaler%20Mi... ... bleibt zu hoffen, dass die Celler Richter es kennen.

Wie geht es "Doreen" eigentlich heute?

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Abschließend zum AG im Bezirk des OLG Celle:

Die Sachverständigen, Umgangs- und Verfahrenspflegerinnen, sowie der zuständige Tatrichter haben sich in den mündlichen Verhandlungen und den Gesprächen mit den Kindern von der Manipulation durch die Mutter überzeugt. In den jeweiligen Beschlüssen schlägt sich dies unmissverständlich nieder. Im Übrigen handelt es sich hier nicht um einen Skandal, aufgrund eines Einzelfalles, sondern vielmehr um einen Skandal aufgrund eines mangelhaften Familienrechts.

Insofern fällt meine Prognose zum Ausgang dieser Sache alles andere als optimistisch aus. Selbst früh angesetzte mündliche Verhandlungen beschleunigen das eigentliche Verfahren nicht und der sich um Kontakte bemühende Elternteil verliert zusehends an Boden und wird im Laufe der Zeit von außen gar als zunehmend aggressiv wahrgenommen.

Richtig ist, dass er immer aggressiver wird, weil die Wände, an seinem Rücken und neben ihm, den Raum immer kleiner und beklemmender lassen werden. Irgendwann bleibt allein der Weg nach vorn.

Zurück zum Eingang:

Wie der genaue triangulare Ablauf im Falle A. war, lässt sich dem Beschluss nicht entnehmen, es fällt jedoch auf, dass allein die Beziehung zwischen Vater und Sohn nachgezeichnet wird, ohne auf eine mögliche Einflussnahme der Mutter auf die Söhne konkretisierend einzugehen. Inwieweit die sicherlich vorhandenen Fehlleistungen des Vaters hier ausreichend sind, ihn derart rüde abzuwatschen, wird das Geheimnis des Gerichtes bleiben.

Aus eigener Erfahrung kann ich meine Bemühungen bekunden, unserem Kind regelmäßig aufzuzeigen was im Falle eines (mehrfach vom Kind als Wunsch geäußerten) Wechsels seines Lebensmittelpunkte bedeuten würde: Fortfall des bisher erlebten ausschließlichen Spaßfaktors, ersetzt durch einen ebenbürtigen Alltag, wie bei Muttern. Auch müsse es hier ebenso wie bei der Mutter die Schule besuchen und im Anschluss fremd betreut werden (kindgerecht ausgesprochen). Sollte es dennoch somatisiert und pubertierend vor meiner Tür stehen (wie die Statistiken des Bundesamtes diesen Trend bestätigen), werde ich mir diesen Beschluss in mein Vorderstübchen zurückholen und hoffentlich entsprechend angemessener verfahren.

Herr Burschel:

Zur ersten Frage hatte ich keine andere Antwort erwartet. Zur zweiten Frage ...naja ..., da mangelt es ein wenig an Bezug zum zweiten und dritten Teilsatz meiner Frage, gell? ;) Oder ist es tatsächlich so, dass sich vermehrt Richter_innen mit ihrer Hilflosigkeit in hochstrittigen Fällen an die Öffentlichkeit wenden und die mangelhafte Qualität der ihnen zur Verfügung gestellten Instrumente beklagen? Sie sind mir als Einziger bekannt, der im TV (Beispiel: Frau Hummel) achselzuckend "... da kann man halt nichts mehr machen." sagte. Ich empfand dies als rühmlich, weil mutig und doch aufzeigend. Ich finde es nicht mutig, die eigene Handlungsunfähigkeit unter die Teppiche der Gerichtsflure zu kehren und all diese Fälle mit "tragisch und offenbar einmalig" endgültig abzulegen.

Kennen Sie den offenen Brief des Douglas Wolfsperger an die Tatrichterin in seiner Sache und die Reaktion - "Antwort" ist hier unangebracht - Ihres Kollegen, Amtgerichtspräsident Dr. Kunz?

Eine Frage habe ich noch an Sie: Können Sie sich vorstellen in Familiensachen Tatbestände gemäß § 171 StGB zu vermuten und anzuzeigen,  oder: Sind Ihnen Fälle bekannt, in denen entsprechend verfahren wurde?

Mit freundlichem Gruß

Ralph Steinfeldt (VafK, LK Harburg)

Wie geht es "Doreen" eigentlich heute?

Nach einem heftigen Krach mit ihrem Stiefvater lebt sie seit ca. 3 Jahren bei ihrem Vater.

Oder ist es tatsächlich so, dass sich vermehrt Richter_innen mit ihrer Hilflosigkeit in hochstrittigen Fällen an die Öffentlichkeit wenden und die mangelhafte Qualität der ihnen zur Verfügung gestellten Instrumente beklagen

Jeder Familienrichter wird ihnen zugestehen, dass es Fälle hartnäckigen Umgangboykotts gibt (übrigens auch von Männern als "Tätern"), denen kaum beizukommen ist.

Das FamFG hat die Ordnungshaft und den Umgangspfleger gebacht. Auch das wird nicht immer helfen ("Lieber gehe ich in den Knast, bevor Du mein armes Kind, Deinen bösen Vater besuchen musst) Schlussendlich bleibt dann nur die Umsetzung des Kindes in die Familie des Vaters. 

ABER: Dann müssen die Verhältnisse beim Vater stimmen und es muss abgewogen werden, was dem Kind mit einer (ggf. gewaltsamen) Umsetzung angetan wird.

Von § 171 StGB halte ich gar nichts. Psychische Auffälligkeiten können nicht mit Hilfe des Strafrechts geheilt oder gelindert werden. Im Übrigen ist die Tatbestandsmäßigkeit  fraglich.

Her Burschel,

ich empfand Ihre Ausführungen wieder einmal als bereichernd und möchte mich an dieser Stelle für Ihr Engagement bedanken.

Wir sind sicherlich nicht immer einer Meinung, dennoch sind mir andere Sichtweisen, sachlich vorgetragen, allemal lieber, als pathetische und unverständliche Vorträge, wie sie oftmals - nicht nur von Juristen - zum vermeintlich besten gegeben werden.

Bis zum nächsten Mal und

mit freundlichem Gruß

Ralph Steinfeldt (VafK, LK Harburg)

Herr Burschel,

ich halte Sie tatsächlich auch, so wie es Ralph Steinfeldt schon schrieb, für eine positive Ausnahme im Familienrechtssystem.

Ich glaube Ihnen ihr ernsthaftes Bestreben um einen fairen Ausgleich der Interessen zwischen Vater, Mutter und Kind, auch wenn wir möglicherweise die "faire Mitte" nicht an der selben Stelle verorten.

 

Wo ich nicht mit Ihnen einer Meinung bin, ist die Frage nach der Sanktionierung von Umgangsboykott.

Ich habe auch ihren Auftritt im MDR mit Katrin Hummel und 2 weiteren Teilnehmern, deren Namen ich nicht mehr weiß, gesehen und auch da äusserten Sie ihr Bedauern über ihre Ohmacht im Falle von Umgangsboykott.

 

Ich denke, es gibt leichte, mittlere und schwere Fälle von Umgangsboykott.

Dafür sollte es auch einen abgestuften Katalog von leichten, mittleren und schweren Sanktionen geben und, vor Allem, diese auch angewendet werden und zwar sofort, bevor es zu bleibenden Schäden kommt und vor Allem als Abschreckung für die TäterIn. Diese ist ein entscheidendes Merkmal des Rechtssystems wird aber im Familienrecht konsequent ausgeklammert.

Ich halte es nicht für richtig, sich nur auf die, rein theoretische, Möglichkeit des SR-Entzugs oder die, ebenso theoretische Möglichkeit der Ordnungshaft, auch bei kleinen Verstößen zu beschränken.

Das ist genauso unsinnig, wie die Androhung von Zwangs- oder Ordungsgeldern in Höhe von 25.000,- von denen jeder weiß, das sie nie wirklich verhängt werden.

Aber warum sollen bei "leichten Schikanen" wie "Kind geht heute mit zu Onkel Willies Geburtstag" nicht sofort ein Bussgeld in Höhe von 100,-€ verhängt werden? Und zwar ohne neues Gerichtsverfahren. Es sollte einfach vollstreckt werden können. So wie Unterhalt.

Wenn eine Mutter zu schnell fährt, kann ihr das ja auch zugemutet werden.

 

Und warum sollte bei den oben erwähnten "hartnäckigen Fällen" nicht auch Rückgriff auf härtere Sanktionen genommen werden?

Eine Mutter, die einen Bankraub oder eine Körperletzung begeht, kommt ja auch (trotz Vultejusschem Frauenrabatt) ins Gefängnis. Auch wenn das nicht dem Kindeswohl dienen sollte.

Und Umgangsboykott ist Körperverletzung. Und ich erwarte von einem Richter, dem das Monopol zur Lösung dieses Problems anvertraut wurde, dass er dieses auch löst.

 

 

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Aber warum sollen bei "leichten Schikanen" wie "Kind geht heute mit zu Onkel Willies Geburtstag" nicht sofort ein Bussgeld in Höhe von 100,-€ verhängt werden?

Ich würde es als Schikane empfinden, wenn Vater auf seinem Besuchsrecht besteht und das Kind nicht auf Onkel Willis Geburtstag darf.

Und genau da haben wir unterschiedliche Ansichten.

 

Es ist wirklich erstaunlich, wie viele Verwandte auf einmal Geburtstag haben, wenn sich erstmal rum spricht, das sich auch damit eine Umgangsregelung aushebeln lässt.

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Fernsehtipp: "Der entsorgte Vater", arte 21.50 Uhr

 

Von fast allen Kindern wird die Trennung der Eltern als belastend und bedrohlich erlebt. Ohnmächtig müssen sie zusehen, wie sich Vater und Mutter mit Wut, Hass, Demütigungen und Rache bekriegen und verfolgen. Viele Kinder verlieren dabei einen Elternteil - zumeist den Vater. Die ganze Bandbreite der emotionalen Auswirkungen und der faktischen Konsequenzen gescheiterter Beziehungen und zerstörter Familienbande kommt in den Geschichten der vier Trennungsväter zum Vorschein, die Douglas Wolfsperger in seinem Dokumentarfilm erzählt.

Das Kind als Waffe im Geschlechterkrieg. Filmemacher Douglas Wolfsperger hat vier Väter mit der Kamera begleitet, denen der Umgang mit den eigenen Kinder verwehrt ist. Trotz aller unterschiedlicher Persönlichkeiten und Lebenswege teilen sie ein Schicksal: Sie können ihre eigenen Kinder nicht sehen, weil die ehemaligen Lebensgefährtinnen den Umgang von Vater und Kind über Wochen, Monate oder gar Jahre hinweg boykottieren. Dabei geht es nicht so sehr um das Wohl und den Schutz des Kindes, sondern um die Auseinandersetzungen mit dem getrennt lebenden Partner. Aber auch ohne mangelnde Kooperation eines Elternteils wird die Geduld aller Beteiligten auf eine harte Probe gestellt: Sorgerechtsverfahren dauern durchschnittlich etwa sieben Monate, und Streitigkeiten um das Umgangsrecht können sich bedeutend länger hinziehen. Aus diesem Grunde wurde Deutschland wiederholt vom Europäischen Gerichtshof wegen "Missachtung des Menschenrechts auf Familienleben" verurteilt.
Die missliche Lage, Vater zu sein und doch nicht fürs eigene Kind sorgen zu dürfen, durchlebt Regisseur und Produzent Douglas Wolfsperger seit mehr als vier Jahren. Der Kontakt zu seiner Tochter wird ihm per Gerichtsentscheid verwehrt. Anstatt den Kontakt zu ihr wiederherzustellen, hat das Gericht angeordnet, dass sich der Vater von der Tochter verabschieden soll. Auf seiner vorerst letzten Reise zur Tochter trifft er weitere Väter, die gegen Exfrauen, Ämter und Vorurteile kämpfen. Wütend, enttäuscht, traurig, manchmal naiv erzählen sie von ihren Erlebnissen. Auf unterhaltsame Weise entsteht nebenbei ein Stimmungsbild von deutschen Befindlichkeiten und vom Zustand unserer Gesellschaft.

Regisseur Douglas Wolfsperger, 1957 in Zürich geboren und aufgewachsen in Friedrichshafen und Konstanz am Bodensee, drehte bereits als Schüler erste Super8-Filme. Nach dem Abitur begann er ein Regiepraktikum beim Südwestfunk in Baden-Baden. 1982 erfolgte der Umzug nach München, dort Mitarbeit an Produktionen der Hochschule für Fernsehen und Film. 1985 drehte er seinen ersten eigenen Spielfilm. Seit Anfang der 90er Jahre hat er zudem zahlreiche Dokumentationen und Porträts erstellt. Mit seinem Spielfilm "Heirate mir! - Die Braut und ihr Totengräber" (1999) löste Wolfsperger eine der spannendsten Debatten der Popkultur aus. Grund war die umstrittene Besetzung der Hauptrolle ausgerechnet mit der schauspiel-unerfahrenen Verona Feldbusch. Im Jahre 2002 sorgte Wolfsperger mit seinem Film "Bellaria - So lange wir leben!" auf zahlreichen internationalen Festivals für Furore und erhielt eine Reihe von Auszeichnungen, unter anderem den Bayerischen Filmpreis, den Ernst-Lubitsch-Preis der deutschen Filmkritik sowie The Gold Plaque for Best Documentary in Chicago.

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