Anrechnung der Geschäftsgebühr – ist vor dem Verwaltungsgericht wirklich alles anders?

von Dr. Hans-Jochem Mayer, veröffentlicht am 28.09.2010

Einen „Sonderweg“ in der Anwendung von § 15a RVG auch auf sogenannte Altfälle für die Verwaltungsgerichtsbarkeit bekräftigt der VGH München im Beschluss vom 16.08.2010,- 19 C 10.1667 -. Im wesentlichen gestützt auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht vom 22. Juli 2009 – 9 KSt.4/08, die wenige Tage vor Inkrafttreten von § 15a RVG und in Kenntnis der Neuregelung ergangen sei und keinen Anhaltspunkt dafür biete, dass § 15a RVG auch auf sogenannte Altfälle angewandt werden soll, stellt sich der VGH München gegen die Rechtsprechung mehrerer Senate des BGH und hält an der Auffassung fest, dass § 15a RVG auf sogenannte Altfälle nicht angewandt werden kann. Ein – in der richtigen Richtung klärendes – Machtwort in der Rechtsprechung ist für die Praxis mehr als angezeigt.

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In Kenntnis der BVerwG-Entscheidung wendet die bisher bekannt gewordene verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung § 15a RVG nicht auf die sogenannten Anrechnungsaltfälle an - zuletzt OVG Lüneburg, B. v. 08.09.2010 in 10 OA 99/10 mit dem Leitsatz: „Es ist weiter daran festzuhalten, dass § 15a RVG auf Altfälle keine Anwendung findet.“ http://www.dbovg.niedersachsen.de/Entscheidung.asp?Ind=05000201000009910%20OA.

 

Bei näherer Betrachtung der aktuellen Rechtsprechungslage in der ordentlichen Gerichtsbarkeit wird man dort gegenwärtig noch nicht von einer abschließenden Klärung der Streitfrage für die dortigen Festsetzungsverfahren ausgehen können - vgl. z.B. KG Berlin, B. v. 30.07.2010 in 2 W 102/09 http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jportal/portal/bs/10/page/sammlung.psml?doc.hl=1&doc.id=KORE220152010%3Ajuris-r02&documentnumber=15&numberofresults=3260&showdoccase=1&doc.part=K&paramfromHL=true 

 

„Leitsatz:

 1. Der am 5. August 2009 in Kraft getretene § 15a RVG beinhaltete eine Gesetzesänderung im Sinn des § 60 Abs. 1 RVG und ist daher auf "Altfälle" nicht anwendbar, so dass es hinsichtlich der Anrechnungsregelung bei der bisherigen Rechtslage verbleibt (entgegen BGH, Beschluss vom 2. September 2009 - II ZB 35/07 -).

Den Gesetzesmaterialien lässt sich nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber die bisher bestehende Anrechnungsregelung lediglich klarstellend korrigieren wollte. Dabei erscheint es zumindest zweifelhaft, ob der Gesetzgeber nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung überhaupt befugt ist, unmittelbar in die Auslegung von Gesetzen einzugreifen und vielmehr nicht darauf beschränkt ist, erforderlichenfalls das Gesetz zu ändern. Jedenfalls gebietet es der Grundsatz der zu gewährleistenden Rechtssicherheit, dass eine gewollte Rückwirkung der Änderung ausdrücklich zum Ausdruck gebracht wird. Anderenfalls bleibt es bei der Regelung des § 60 Abs. 1 RVG.“

 

sowie OLG Hamm, B.v. 03.08.2010 in 25 W 113/10 http://lv.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/hamm/j2010/25_W_113_10beschluss20100803.html

aus den Gründen:

 

Die Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 1 ZPO zu entnehmen.

29

Die Frage der Anwendung des § 15 a RVG auf sogenannte Altfälle ist eine klärungsbedürftige Rechtsfrage, die sich in einer unbestimmten Anzahl von Fällen stellen kann. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn ihre Beantwortung zweifelhaft ist und bisher nicht höchstrichterlich geklärt ist (vgl. Musielak/Ball § 543 ZPO Rdnr. 5 a).

30

Angesichts dessen, dass der 10. Zivilsenat des Bundesgerichtshof, der seine vom 2. Zivilsenat abweichende Auffassung bekannt gegeben hat (vgl. Beschluss vom 29.09.2009, X ZB 1/09), soweit ersichtlich, die Frage der Anwendbarkeit des § 15 a RVG auf sog. "Altfälle"– ebenso wie der 1., 3. und 8. Zivilsenat – noch nicht entschieden hat, liegt aus Sicht des Senats noch keine abschließende Klärung dieser Rechtsfrage durch den Bundesgerichtshof vor. In einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellt sich diese Frage, weil die Frage der Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr in den sogenannten Altfällen eine immer wieder auftretende Problematik darstellt.“

 

BGH. B. v. 14.09.2010 in VIII ZB 33/10 - aus den Gründen:

"Dieser Sichtweise, der sich mehrere Zivilsenate des Bundesgerichtshofs angeschlossen haben, ist auch der Senat durch Beschluss vom 10. August 2010 (VIII ZB 15/10, zur Veröffentlichung vorgesehen) zur Vermeidung eines der Sache nicht angemessenen Vorgehens nach § 132 GVG beigetreten.

Danach ist auch für die Zeit vor Inkrafttreten des Änderungsgesetzes davon auszugehen, dass die in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG angeordnete Anrechnung für die Höhe der gesetzlichen Gebühren, deren Erstattung § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO im Verhältnis der Prozessparteien untereinander vorsieht, ohne Bedeutung ist und eine obsiegende Prozesspartei mithin die Erstattung einer ungekürzten Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG beanspruchen kann."

Der IV. Senat folgt dem VIII. mit B. v. 15.09.2010 in IV ZB 41/09 und IV ZB 5/10

Aus den Gründen:

"Der Senat hält an seiner vor Erlass des § 15a RVG zum Verständnis der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG vertretenen Auffassung (vgl. Senatsbeschlüsse vom 24. September 2008 - IV ZB 26/07 Rn. 6, 9; vom 25. Juli 2008 - IV ZB 16/08, VersR 2008, 1666 Rn. 8 und vom 16. Juli 2008 - IV ZB 24/07, VersR 2009, 236 Rn. 7) nicht mehr fest und erachtet wie der VIII. Senat (vgl. Beschluss vom 10. August 2010 - VIII ZB 15/10 unter II 2 c) ein Vorgehen nach § 132 GVG für nicht geboten."

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